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Veröffentlicht am 28.08.2023

Von der Unabhängigkeit einer Frau

Die Fessel
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„Gewohnheitsmäßige Grübelei hat stets etwas von Wahnsinn an sich und mündet oft in eine beabsichtigte Ekstase, die manchmal schmerzlich ist und manchmal nicht … Und nun fange ich auch noch an zu verallgemeinern.“

Nizza, ...

„Gewohnheitsmäßige Grübelei hat stets etwas von Wahnsinn an sich und mündet oft in eine beabsichtigte Ekstase, die manchmal schmerzlich ist und manchmal nicht … Und nun fange ich auch noch an zu verallgemeinern.“

Nizza, in den Zwanziger Jahren. Renee, eine geschiedene (sic!) Frau und Schauspielerin, genießt hier ihre Ruhe. Das Erbe ihrer verstorbenen Schwägerin ermöglicht ihr diese Freiheit. Sie lernt im Hotel ein hitziges junges Paar kennen und lässt sich bald schon auf eine Affäre mit Jean ein.
Diese Beziehung steht nicht nur aufgrund der äußeren Umstände unter einem schlechten Stern. Jean ist aufbrausend, wird schon seiner Partnerin gegenüber handgreiflich, und auch in der Beziehung mit Renee nimmt er den dominanten und fast desinteressierten Part ein. Während Renee sich ihm - trotz ihrer sonstigen Skepsis und Vorsicht - anbietet und emotional abhängig macht.

„Die Fessel“ ist der Nachfolger zum Roman „La Vagabonde“. Man kann die Bücher unabhängig voneinander lesen, allerdings finde ich, dass die Geschichte in der Luft zu hängen scheint, wenn man dieses Buch liest ohne vom Vorgänger zu wissen. Die Sprache Colettes ist sehr pompös und gleichzeitig verdichtet. Das Erzähltempo in beiden Büchern ist ein unheimlich langsames und anstrengendes. „Die Fessel“ ist allerdings etwas aufregender und gleichzeitig entspannter zu lesen. Renee ist nicht mehr ganz so zurückhaltend und langweilig.

Man muss in der Stimmung sein, um dieses Buch genießen zu können. Es kann die perfekte Sommerlektüre sein, aber die Geschichte trägt die Leser*in nicht leichtfertig, sondern verlangt viel Konzentration und Geduld. Außerdem sollte man sich vor Augen halten, in welcher Zeit hier ganz selbstverständlich von der geschiedenen, freien und unabhängigen Frau erzählt wurde und wird.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Ich bin schön, also bin ich.

Das ewige Ungenügend
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„Ich bin schön, also bin ich. Ich bin schlank, also bin ich. Ich bin von mir erschaffen, um für euch zu sein.“

Der weibliche Körper ist der ständigen Bewertung ausgesetzt. Zu dick, zu dünn. Zu klein, ...

„Ich bin schön, also bin ich. Ich bin schlank, also bin ich. Ich bin von mir erschaffen, um für euch zu sein.“

Der weibliche Körper ist der ständigen Bewertung ausgesetzt. Zu dick, zu dünn. Zu klein, zu groß. Zu kleine Brust, zu großer Po. Und damit fängt es nur an. Inzwischen sind sogar unsere intimsten Stellen der öffentlichen Meinung ausgesetzt.
Dieses Phänomen ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Es begegnet uns von klein auf und jederzeit in unserem Alltag. Es zerstört unser Selbstwertgefühl und unsere Beziehungen. Und es führt schlimmstenfalls zu Krankheiten, Traumata, Missbrauch, sexuellen Übergriffen und Suizid.
Auch Regisseurin, Schauspielerin und Autorin Saralisa Volm nimmt sich dieser Thematik an. Und das auf sehr persönliche und offene Weise. Diese Perspektive macht „Das ewige Ungenügend“ zu einem sehr intensiven Buch, das hochgradig betroffen macht. Die Autorin beleuchtet das Phänomen aus ihrer Rolle als Schauspielerin, als Künstlerin, als Frau und Mutter und als Jugendliche und Bulimie-Erkrankte.
Blitzgescheit und scharf analysierend auf der einen Seite und extrem persönlich und dadurch subjektiv auf der anderen. Man kämpft sich als Leserin durch eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Am Ende der Lektüre hatte ich das ungute Gefühl, dass die Autorin ihren Kampf in dieser Thematik noch lange nicht hinter sich und gewonnen hat. Deshalb möchte ich für das Buch eine Triggerwarnung aussprechen. Betroffene und Unsichere werden vielleicht darunter leiden. Für andere Leser
innen bietet es einen so tiefen Einblick in das Thema, wie ich ihn bisher noch nicht erlebt habe.

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Nicht die beste Lindgren-Biografie

Astrid Lindgren. Helle Nächte, dunkler Wald
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„Fürs Erste und Zweite, fand sie, sollte die Öffentlichkeit sich aus ihrem Privatleben heraushalten. Große Teile ihres Lebens behielt Astrid Lindgren für sich und gab sie, wenn überhaupt, nur ihrem allerengsten ...

„Fürs Erste und Zweite, fand sie, sollte die Öffentlichkeit sich aus ihrem Privatleben heraushalten. Große Teile ihres Lebens behielt Astrid Lindgren für sich und gab sie, wenn überhaupt, nur ihrem allerengsten Kreis preis.“

Vieles über Astrid Lindgrens Leben und Wirken ist bekannt. Zumindest die Teile, die sie selbst bekannt geben wollte. Eine engagierte Frau, die sich für Kinderrechte und insgesamt ein soziales, freies Miteinander stark gemacht hat. Und eine Autorin, die fantastische Kinderbücher geschrieben hat, die bis heute große internationale Erfolge feiern.

Ich bewundere Astrid Lindgren und habe deshalb schon sehr viel von ihr und über sie gelesen. Unter anderem die Biografie der Journalistin und Freundin Margareta Strömstedt. Auch habe ich mir vor wenigen Tagen ihr Geburtshaus in Vimmerby angeschaut und dort das Astrid Lindgren Museum besucht.

Nebenbei las ich dieses Buch; die Romanbiografie Maria Regina Kaisers. Und ich muss leider sagen, dass dieses Buch ein wenig im Kotrast zu den freundlich gezeichneten Darstellungen Astrid Lindgrens stand. Der Romanteil liest sich eher schleppend und ist eigentlich auch nicht viel tiefergehend als eine nicht literarisierte Biografie. Dem anschließenden ausführlichen Sachteil konnte ich noch ein paar interessante Gedanken entnehmen. Beide Teile klingen aber etwas unfreundlich und nicht unbedingt wohlgesonnen. Ich denke, es sollte Astrid Lindgren zugestanden werden, dass sie ein Bild von sich in der Öffentlichkeit präsentieren wollte, das vielleicht nicht alles offenlegt, was sie ausmachte.

Es hätte etwas feinfühliger vorgegangen werden können bei einer Biografie.

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Veröffentlicht am 16.06.2023

Zeitschriftenbeiträge der berühmten Autorin

Der Boulevard
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„Die graue Kutte der Sinnlosigkeit legte sich um ihn. Vergeblich versuchte er sich an die Töne zu erinnern, die ihn über die Trübsal des Alltags und der Einsamkeit erhoben hatten. Alles war so wie vorher.“

Die ...


„Die graue Kutte der Sinnlosigkeit legte sich um ihn. Vergeblich versuchte er sich an die Töne zu erinnern, die ihn über die Trübsal des Alltags und der Einsamkeit erhoben hatten. Alles war so wie vorher.“

Die für ihre Mumin-Bücher berühmte Autorin und Illustratorin Tove Jansson war ein Ausnahmetalent. Vielen hierzulande dürfte nicht (mehr?) bekannt sein, dass sie auch Literatur für Erwachsene geschrieben hat. In „Der Boulevard“ versammeln sich Texte - Kurzgeschichten, Auszüge - der bekannten Schriftstellerin, die in Zeitschriften erschienen sind.
Nachdem ich den Kurzgeschichtenband „Reisen mit leichtem Gepäck“ von Jansson mit großer Begeisterung las, war ich sehr gespannt auf diesen Sammelband. Die Texte in „Der Boulevard“ beinhalten allerdings eine deutlich andere Zusammenstellung. Manche Anspielung versteht man nur, wenn man ihre Fantasiewelten bereits kennt. Einige Texte wirken etwas unfertig und nicht so pointiert, wie ich es von der Autorin zu kennen meinte. Dennoch finden sich auch in diesen Geschichten viele kluge Sätze und Begebenheiten.
Tove Jansson war eine kluge Beobachterin, eine Menschenkennerin, die in ihren Geschichten stets freundlich auf ihre Figuren schaut, so schwierig und eigensinnig sie auch sein mögen. Das spürt man auch in „Der Boulevard“.
Das Buch ist ein eher holpriges Lesevergnügen. Das liegt vermutlich an der Zusammenstellung der Texte, die nicht von der Autorin selbst kommt, sondern von der Jansson-Forscherin Sirke Happonen. Spannend ist hier wohl vor allem der literaturwissenschaftliche und neue Blick auf das Gesamtwerk der Autorin.

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Veröffentlicht am 10.06.2023

Neuinterpretation eines Klassikers

Anne auf Green Gables
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„Durch das Fenster von Green Gables konnte Anne ihr Leben sehen - eine Zukunft erfüllt von ehrenwerter Arbeit, aufrichtigen Freundschaften und ungeahnten Abenteuern und ihr wurde bewusst, dass ihre Welt ...



„Durch das Fenster von Green Gables konnte Anne ihr Leben sehen - eine Zukunft erfüllt von ehrenwerter Arbeit, aufrichtigen Freundschaften und ungeahnten Abenteuern und ihr wurde bewusst, dass ihre Welt größer war, als sie es sich jemals ausgemalt hatte.“

Anne ist eine der Jugendbuchfiguren, die mich am stärksten geprägt hat. Bis ins Erwachsenenalter hinein. Und da mich die Originalbücher von Lucy Maud Montgomery so sehr begeistern, freue ich mich auch immer auf Adaptionen und Neuinterpretationen.

Diese Graphic Novel habe ich also mit hohen Erwartungen in die Hand genommen und wurde nicht enttäuscht. Die Illustrationen sind nicht besonders lieblich, eher charakterstark. Irgendwo zwischen rau und romantisch. Die Gesichtsausdrücke der Figuren sind ausdrucksstark und haben besonders mein siebjähriges Kind beim Lesen in ihren Bann gezogen.

Faszinierend finde ich, dass die Geschichte trotz der Kürze und besonderen Ausdrucksform sehr nah am Original erzählt wird.
Ein wirklich schönes Buch, das besonders Fans von Anne begeistern wird.

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