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Veröffentlicht am 06.03.2020

Szenen einer Ehe auf Hornby-Art

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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»Wir fangen an zu reden, jemand sagt was Falsches, und dann reden wir nur noch über dieses Falsche.« (62%)

Tom und Louise sind schon seit einigen Jahren verheiratet, haben gemeinsame Kinder. Nach einem ...

»Wir fangen an zu reden, jemand sagt was Falsches, und dann reden wir nur noch über dieses Falsche.« (62%)

Tom und Louise sind schon seit einigen Jahren verheiratet, haben gemeinsame Kinder. Nach einem Fehltritt Louises gehen sie nun zur Paartherapie, um ihre Ehe zu retten. Sie treffen sich vor jeder Sitzung in einem Pub gegenüber der Therapiepraxis. Worüber sie sich dort unterhalten, erfahren wir im Roman. Zehn Sitzungen, zehn Vorabtreffen im Pub, zehn Kapitel.

Während man am Anfang noch denkt „Lasst es doch lieber, ihr beiden!“, kommt man ganz schnell zu der Einsicht, dass die beiden irgendwie zusammengehören. Was die Zeit eben so aus einer Beziehung macht, das zeigen die Schlagabtäusche der Eheleute sehr deutlich auf. Sehr real und gleichzeitig natürlich zugespitzt. Szenen einer Ehe auf Hornby-Art.

Leider ist die Geschichte so kurz. Kaum ein ganzes Buch. Aber es passt auch irgendwie zu der sehr szenischen, komprimierten Erzählweise.

Ich denke, dass dieses Büchlein sehr schlau ist. Dass es etwas aufzeigt, dass viele Leute in einer langjährigen Beziehung so bestätigen könnten. Und es hat ein schönes, mutmachendes Ende - wenn man das so vorwegnehmen darf…

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Veröffentlicht am 02.10.2019

Bilderbuch für Erwachsene

Jane Austen
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"Little People, Big Dreams erzählt von den beeindruckenden Lebensgeschichten großer Persönlichkeiten."

Hier also von Jane Austen, die vom aufgeweckten jungen Mädchen zur Schriftstellerin wird. In einer ...

"Little People, Big Dreams erzählt von den beeindruckenden Lebensgeschichten großer Persönlichkeiten."

Hier also von Jane Austen, die vom aufgeweckten jungen Mädchen zur Schriftstellerin wird. In einer Zeit, in der das nicht typisch und bestimmt auch nicht einfach war.

Schon lange liebäugle ich mit Büchern aus dieser Serie und es wird auch bestimmt nicht mein einziges Exemplar bleiben.
Das Cover und die edle Aufmachung des Buches - eher raues Papier, Textilbindung und dadurch ein farblich abgesetzter Buchrücken - ziehen die Aufmerksamkeit auf sich: Jedes Buch dieser Serie ist in einer anderen Farbe gehalten (Jane kommt in einem zarten Pastellgrün daher), darauf die stilisierte Zeichnung der berühmten Persönlichkeit. Und ihr Name und gleichzeitig Titel des Buches ist in der Originalunterschrift typographiert.
Allein aufgrund dieser äußerlichen Gestaltung möchte man sich das Buch unbedingt ins Regal stellen.

Inhaltlich war ich dann aber sehr enttäuscht. Das Buch soll sich offiziell an Kinder ab vier Jahren richten. Natürlich muss die Lebensgeschichte von Jane Austen dafür sehr verknappt und mit dem Schwerpunkt auf den Illustrationen erzählt werden. Doch das ist nur mäßig gelungen. Ein Satz, maximal zwei Sätze pro Doppelseite und wenig aussagekräftige Bilder reichen einfach nicht. Gleichzeitig schaffen es die wenigen Sätze aber kompliziert und voller Ausdrücke zu sein, die einem Vierjährigen fremd sind. Die Figuren werden sprunghaft älter, ohne dass dies erzählerisch oder bildlich deutlich gemacht wird. Außerdem ist das Buch in seiner Gestaltung langweilig für Kinder.

Man hält hier also eher ein Sammlerstück für Erwachsene in Händen. Die Erwachsenen nämlich können sich an der bewusst kindlich gehaltenen Ästhetik der Illustrationen erfreuen, die wie Buntstiftzeichnungen aus Kinderhand wirken. Sie kennen die Geschichte der Protagonisten und begreifen sie in ihrer verknappten Darstellung als Kunstgriff. (Und falls sie sie nicht kennen, wird sie auf einer Doppelseite im Anhang nochmal zusammengefasst. Was übrigens zu beweisen scheint, dass das Buch selbst diese Aufgabe gar nicht erfüllen möchte.)

Ich bin angetan von diesem Bilderbuch für Erwachsene, weil ich es so schön gestaltet finde. Aber es stört mich, dass es als Kinderbuch verkauft wird. Damit versucht man wohl seine Schlichtheit zu begründen, seine kindlichen Zeichnungen und textlichen Schwächen. Das sollte man nicht nötig haben, wenn man einfach ein künstlerisches und ästhetisches Bilderbuch für Erwachsene herausbringen möchte. Was soll diese Verkaufsstrategie für eine Zielgruppe ansprechen? Erwachsene Frauen, die damit kokettieren im Herzen ein kleines Mädchen geblieben zu sein und deshalb ihre moderne Wohnung mit diesem Buch dekorieren.
Das geht mir etwas gegen den Strich und deshalb ziehe ich einen Stern ab.
Ansonsten ist es uneingeschränkt empfehlenswert. Ein wunderschönes, reizvolles Buch.

Veröffentlicht am 16.09.2019

Ein kleines Kunstwerk

Die kleine Spinne Widerlich sagt Gute Nacht (Pappbilderbuch)
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"Gute Nacht, mein Schatz, jetzt schlaf auch du."

Die kleine Spinne Widerlich ist bettfertig und macht sich auf den Weg, ihrer Familie und ihren Freunden Gute Nacht zu sagen, bis sie schließlich zu ihrem ...

"Gute Nacht, mein Schatz, jetzt schlaf auch du."

Die kleine Spinne Widerlich ist bettfertig und macht sich auf den Weg, ihrer Familie und ihren Freunden Gute Nacht zu sagen, bis sie schließlich zu ihrem eigenen Netzchen gelangt und von ihrer Mama einen Gutenachtkuss bekommt.

"Die kleine Spinne Widerlich sagt Gute Nacht" ist ein zauberhaftes Pappbilderbuch für die Kleinsten. In einem Vierzeiler in Reimform sagt die kleine Spinne Gute Nacht und wir erfahren, was ihre Liebsten abends so machen.

Die Sprache geht ins Ohr, die Illustrationen sind wunderschön und detailliert. Diese Geschichte kann man schon ganz kleinen Kindern Abend für Abend vorlesen. Sie prägt sich sehr schnell ein und gibt dadurch Geborgenheit.
Ältere Kinder können bald mitsprechen und finden in den Bildern immer wieder neue interessante Details.

Wir erfahren in diesem Büchlein zwar wenig über die "Vorgeschichte" der Spinne Widerlich (dazu muss man wohl das erste Buch kennen), aber das macht nichts, denn es ist ein in sich stimmiges kleines Kunstwerk.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Die erste Tergit Biografie

Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt
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„Gabriele Tergit war trotz ihrer angeborenen Kühnheit in vielen beruflichen Dingen zeitlebens schüchtern - ein nicht sehr freundlicher Kollege »hat in meiner Jugend auf mich gedichtet: ›Minderwertigkeitskom-plexe ...

„Gabriele Tergit war trotz ihrer angeborenen Kühnheit in vielen beruflichen Dingen zeitlebens schüchtern - ein nicht sehr freundlicher Kollege »hat in meiner Jugend auf mich gedichtet: ›Minderwertigkeitskom-plexe in der Seele stets für sechse«, schrieb sie später.“

Gabriele Tergit - eine der vielen mehr oder weniger vergessenen Frauenstimmen des letzten Jahrhunderts. Eine Frau, die sowohl als Schriftstellerin interessant ist, aber auch als Journalistin und Gerichtsreporterin (!) Großes geleistet hat. Bücher von ihr sind dankenswerterweise immer noch, wieder oder sogar erst jetzt zu haben. Nach einer Biografie musste man aber bislang vergebens suchen.

Nicole Henneberg hat hier nun ein umfassendes Werk geschaffen, das freundlich und sachlich auf Tergit schaut. Henneberg unterstellt Gabriele Tergit nichts, ihr Bild beruht auf dem großen Briefnachlass der Schriftstellerin. Das macht ihre Biografie sehr angenehm zu lesen. Es handelt sich um ein beeindruckend gut recherchiertes, charmant und unterhaltend dargebotenes Werk. Einzig der beachtliche Umfang von 400 Seiten mag etwas abschreckend wirken. Es ist damit wohl eher etwas für den literaturwissenschaftlich interessierten oder eh schon geneigten Leser.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Einer von vielen historischen Romanen

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
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»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, herrscht Erika den Portier an. Der sieht sofort zu, dass er tätig wird, diese Dame könnte unangenehm werden, wenn man ihren Wünschen nicht entspricht, er händigt ...

»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, herrscht Erika den Portier an. Der sieht sofort zu, dass er tätig wird, diese Dame könnte unangenehm werden, wenn man ihren Wünschen nicht entspricht, er händigt Erika den Schlüssel zur noblen Suite im zweiten Stock aus. »Na bitte, warum nicht gleich!«

Unda Hörners Bücher 1919, 1929 und 1939 habe ich verschlungen. Sie sind großartige Porträts der Zeit und legen den Fokus auf die kunst- und literaturschaffenden Frauen. Sie befinden sich zwischen spannendem Sachbuch und völlig kitschfreier Unterhaltungsliteratur.

Entsprechend habe ich mich auf Hörners Roman über Erika Mann sehr gefreut. Doch leider konnte der meine Erwartung nicht erfüllen. Hier handelt es sich dann plötzlich nur noch um kitschig fiktionalisierte Geschichte. Erika Mann (nein, eigentlich alle Manns und alle Figuren des Romans) kommt furchtbar unsympathisch daher, bleibt aber auch recht oberflächlich in der Beschreibung. Außerdem liegt der Fokus zu weiten Teilen auf den berühmten Männern der Familie. Und die bekommen doch eh immer die Bühne für sich.

Für mich nicht das richtige Buch und auch nicht das, was ich unter diesem Titel und von dieser Autorin erwartet hätte. Allerdings glaube ich, dass auch dieser Roman durchaus seine geneigten Leser*innen findet unter denjenigen, die leichte, historische Schmöker suchen.

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