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Veröffentlicht am 11.04.2024

Vielfältige Beiträge zum aktuellen feministischen Diskurs

Unlearn Patriarchy 2
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Nicole Seifert, Alexandra Zykunov, Anne Dittmann und Emilia Roig - das alles sind Namen, bei denen ich sofort hellhörig werde; versprechen sie doch stets wichtige und spannende Beiträge zum gesellschaftlich ...

Nicole Seifert, Alexandra Zykunov, Anne Dittmann und Emilia Roig - das alles sind Namen, bei denen ich sofort hellhörig werde; versprechen sie doch stets wichtige und spannende Beiträge zum gesellschaftlich aktuellen Diskurs zu liefern.

Ich wurde nicht enttäuscht: Der zweite Band von Unlearn Patriarchy mit Beiträgen zu den unterschiedlichsten Themen ist ein hervorragender Mix. Hier wird nicht nur etwas zum Feminismus in Bezug auf Literatur, Medizin oder den Gender Pay Gap gesagt, sogar ein Thema wie Architektur wird in diesem Zusammenhang beleuchtet. Man kann also noch eine Menge dazulernen. Ich finde aber, dass sich das Buch auch für Leser*innen eignet, die sich gerade erst ins Thema Feminismus einlesen. Besonders spannend ist auch, dass man sich bei jedem Beitrag nicht nur auf ein neues Thema einlässt, sondern auch auf eine ganz andere Sprache.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Die erste Tergit Biografie

Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt
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„Gabriele Tergit war trotz ihrer angeborenen Kühnheit in vielen beruflichen Dingen zeitlebens schüchtern - ein nicht sehr freundlicher Kollege »hat in meiner Jugend auf mich gedichtet: ›Minderwertigkeitskom-plexe ...

„Gabriele Tergit war trotz ihrer angeborenen Kühnheit in vielen beruflichen Dingen zeitlebens schüchtern - ein nicht sehr freundlicher Kollege »hat in meiner Jugend auf mich gedichtet: ›Minderwertigkeitskom-plexe in der Seele stets für sechse«, schrieb sie später.“

Gabriele Tergit - eine der vielen mehr oder weniger vergessenen Frauenstimmen des letzten Jahrhunderts. Eine Frau, die sowohl als Schriftstellerin interessant ist, aber auch als Journalistin und Gerichtsreporterin (!) Großes geleistet hat. Bücher von ihr sind dankenswerterweise immer noch, wieder oder sogar erst jetzt zu haben. Nach einer Biografie musste man aber bislang vergebens suchen.

Nicole Henneberg hat hier nun ein umfassendes Werk geschaffen, das freundlich und sachlich auf Tergit schaut. Henneberg unterstellt Gabriele Tergit nichts, ihr Bild beruht auf dem großen Briefnachlass der Schriftstellerin. Das macht ihre Biografie sehr angenehm zu lesen. Es handelt sich um ein beeindruckend gut recherchiertes, charmant und unterhaltend dargebotenes Werk. Einzig der beachtliche Umfang von 400 Seiten mag etwas abschreckend wirken. Es ist damit wohl eher etwas für den literaturwissenschaftlich interessierten oder eh schon geneigten Leser.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Einer von vielen historischen Romanen

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
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»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, herrscht Erika den Portier an. Der sieht sofort zu, dass er tätig wird, diese Dame könnte unangenehm werden, wenn man ihren Wünschen nicht entspricht, er händigt ...

»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, herrscht Erika den Portier an. Der sieht sofort zu, dass er tätig wird, diese Dame könnte unangenehm werden, wenn man ihren Wünschen nicht entspricht, er händigt Erika den Schlüssel zur noblen Suite im zweiten Stock aus. »Na bitte, warum nicht gleich!«

Unda Hörners Bücher 1919, 1929 und 1939 habe ich verschlungen. Sie sind großartige Porträts der Zeit und legen den Fokus auf die kunst- und literaturschaffenden Frauen. Sie befinden sich zwischen spannendem Sachbuch und völlig kitschfreier Unterhaltungsliteratur.

Entsprechend habe ich mich auf Hörners Roman über Erika Mann sehr gefreut. Doch leider konnte der meine Erwartung nicht erfüllen. Hier handelt es sich dann plötzlich nur noch um kitschig fiktionalisierte Geschichte. Erika Mann (nein, eigentlich alle Manns und alle Figuren des Romans) kommt furchtbar unsympathisch daher, bleibt aber auch recht oberflächlich in der Beschreibung. Außerdem liegt der Fokus zu weiten Teilen auf den berühmten Männern der Familie. Und die bekommen doch eh immer die Bühne für sich.

Für mich nicht das richtige Buch und auch nicht das, was ich unter diesem Titel und von dieser Autorin erwartet hätte. Allerdings glaube ich, dass auch dieser Roman durchaus seine geneigten Leser*innen findet unter denjenigen, die leichte, historische Schmöker suchen.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Ein Buch für Eltern

Bindung ohne Burnout
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„Es gibt Menschen, die sagen, unsere Elterngeneration sei verweichlicht, früher seien Eltern auch nicht so dauererschöpft gewesen. Wir sollten uns mal ein bisschen zusammenreißen. Ich halte das für ausgemachten ...

„Es gibt Menschen, die sagen, unsere Elterngeneration sei verweichlicht, früher seien Eltern auch nicht so dauererschöpft gewesen. Wir sollten uns mal ein bisschen zusammenreißen. Ich halte das für ausgemachten Unsinn.“

Wer seine Kinder bindungsorientiert erziehen und begleiten möchte, kann schnell an seine Grenzen stoßen. Es ist anstrengend, auf das Kind als Person zu achten und seine „Phasen“ mitzumachen. Und auch wenn man fühlt und weiß, dass es der einzig richtige Weg ist, mit anderen Menschen und den eigenen Kindern umzugehen, so ist es doch manchmal sehr schwierig. Hinzu kommt, dass es nur wenig Verständnis in der Gesellschaft zu geben scheint. Statt Unterstützung erfährt man Häme und Spott. Oder den Anspruch, es noch besser, nämlich perfekt, zu machen.

Nora Imlau greift in ihrem neuen Buch diese Thematik auf. Sie spricht die Schwierigkeiten an, die eine bindungsorientierte Erziehung mit sich bringen kann und all die Schattenseiten und belastenden Gefühle. Sie nimmt in diesem Buch nicht nur das familiäre Miteinander, sondern vor allem auch die Eltern in den Fokus. Man fühlt sich sehr gesehen und bestärkt, wenn man dieses Buch liest. Ja, Elternschaft kann wahnsinnig anstrengend sein und man hat das Recht, das so zu empfinden und für die eigenen Bedürfnisse einzustehen.

Sie gibt außerdem viele Tipps, wie man zu einem entspannteren Alltag finden kann und macht Mut.

Ich habe nichts anderes erwartet: Nora Imlau hat wieder einen wunderbaren Familen- und Erziehungsratgeber geschrieben. Ein tolles Buch. Vielen Dank!

„Ich glaube nicht an »Früher war alles besser« und halte die Mythen von den angeblich so zähen Müttern damals, die ihre Kinder reihenweise beim Kartoffelernten auf die Welt brachten und dann gleich weiterarbeiteten, für zutiefst frauenfeindliche Fantasiegeschichten, die uns beschämen sollen, statt uns zu bestärken.“

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Veröffentlicht am 21.02.2024

„Sie soll Muse sein, nicht Künstlerin.“

"Einige Herren sagten etwas dazu"
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„Man erkannte schlicht nicht, was die Autorinnen da taten, auch weil man es aufgrund geschlechtsbezogener Vorurteile und eigener Uberlegenheitsgefühle nicht von ihnen erwartete.“

Die Gruppe 47? Da fallen ...

„Man erkannte schlicht nicht, was die Autorinnen da taten, auch weil man es aufgrund geschlechtsbezogener Vorurteile und eigener Uberlegenheitsgefühle nicht von ihnen erwartete.“

Die Gruppe 47? Da fallen mir doch gleich ein paar Namen ein: Heinrich Böll, Günter Grass, Martin Walser… und Ingeborg Bachmann! Waren noch weitere Frauen dabei? Nach einigem Nachdenken fällt mir Ilse Aichinger ein.

Wie stand es eigentlich um die Autorinnen bei der Gruppe 47? Gab es noch weitere Teilnehmerinnen als die beiden genannten; die Aushängeschilder der Gruppe? Was haben sie bei ihrer Teilnahme vorgelesen? Wie haben die Zuhörenden (die übrigens fast ausschließlich Männer waren; zumindest die, deren Reaktion festgehalten wurde) reagiert? Und wie wurde das Werk der Autorinnen in der weiteren Rezeption dargestellt?

Nicole Seifert geht all diesen Fragen nach. Sie porträtiert in jedem Kapitel eine oder mehrere Autorinnen der Gruppe 47 in chronologischer Reihenfolge. Sie porträtiert dabei gleichzeitig die gesamte Gruppe. Beleuchtet ihren Hintergrund, ihre Gründungsgeschichte, die wichtigsten und bestimmenden Köpfe. Sie offenbart dabei auch die problematische Einstellung der Gruppe zur NS-Vergangenheit Deutschlands und ihren Umgang mit Exilliteratur.
Es ist nicht nur so, dass der Männeranteil - wie erwartet - überwog. Die wenigen Autorinnen, die eingeladen wurden, hatten es nicht einfach. Manch einer geladenen Frau gelang schon die Anreise nicht oder kaum (weil die patriarchalen Umstände eine Kinderbetreuung erschwerten). Die, die kamen und lasen, wurden von den zuhörenden Herren häufig nicht verstanden, gedemütigt und sexuell bedrängt. Vieles, das die Autorinnen schrieben, schien zu progressiv, zu anders zu neu. Einige der Autorinnen empfand man(n) als Gefahr.
Geschrieben wurde wenig bis gar nichts über die Teilnehmerinnen. Und wenn, dann zunächst darüber, wie sie aussahen und wie sehr sie die typisch femininen Kategorien (Fürsorglichkeit, Bescheidenheit, Attraktivität) bedienten.
Machte eine Frau in ihren Texten und ihrem Auftreten deutlich, dass sie die patriarchalen Strukturen (auch die der Gruppe) durchschaute, beschrieb man sie als gefährlich und berechnend. Ihrer Literatur begegnete man mit Unverständnis und Verachtung.
Eine schüchtern auftretende Frau dagegen wurde sehr auf ihr liebliches Äußeres reduziert und ihre Texte banalisiert.

Viele oder die meisten der Autorinnen der Gruppe 47 sind in Vergessenheit geraten, da sie in der Rezeption und im literarischen Kanon vernachlässigt wurden. Seifert hat sich auf ihre Spuren begeben und zeichnet in ihrem Buch eine extrem spannende und aufschlussreiche Geschichte der Gruppe 47. Und sie bietet uns die Möglichkeit zur (Wieder-) Entdeckung fantastischer Werke und Autorinnen!

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