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Veröffentlicht am 20.11.2023

Für alle Klugscheißer und Besserwisser

Das Klugscheißerchen
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„Schade, dass es weg ist“, bedauerte Tina.
„Ja, ich war so aufgeregt wegen dem Klugscheißerchen“, sagte Theo traurig.
„Wegen des Klugscheißerchens“, verbesserte eine quäkende Stimme hinter ihm.

Die Geschwister ...


„Schade, dass es weg ist“, bedauerte Tina.
„Ja, ich war so aufgeregt wegen dem Klugscheißerchen“, sagte Theo traurig.
„Wegen des Klugscheißerchens“, verbesserte eine quäkende Stimme hinter ihm.

Die Geschwister Tina und Theo Theufel sind gerade gerade umgezogen und entdecken auf dem Dachboden ihres neuen Zuhauses ein kleines blaues Männchen, das alles besser weiß. Die beiden sind begeistert und möchten es ihrem Papa zeigen, der ihrer Meinung nach der größte Klugscheißer überhaupt ist.
Doch das Klugscheißerchen ist überzeugt, dass Erwachsene niemals wirklich echte Klugscheißer sind und nur die können es überhaupt sehen. Und schon lassen sich Tina und Theo auf eine Wette ein…

Das neue Buch von Marc-Uwe Kling ist bei uns eingeschlagen wie eine Bombe. Es lässt kleine und große echte Klugscheißer mitfiebern und mit-verbessern. Es kommt diebische Vorfreude auf, wenn eine Formulierung nicht sauber ist und man schon ahnen darf, dass jetzt gleich eine klugscheißernde Verbesserung folgt… Einzig der letzte Satz ist mir schwer von den Lippen gegangen… und zwar nicht nur, weil die Geschichte viiiel zu kurz ist.

Das leicht arrogante Kerlchen mit der großen schwarzen Brille macht einfach Spaß! Die Geschichte ist witzig und die Illustrationen von Astrid Henn (Das Neinhorn, Michel) zauberhaft. Was meinem Sohn besondere Freude bereitet hat, sind die Besserwisser-Fakten im Buchumschlag.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Die charmante und intelligente Biografie einer herausragenden Schriftstellerin

Tove Ditlevsen
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„Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich, wie tief Lyrik und Prosa einen Menschen ergreifen und Worte für etwas finden können, das sich mit der alltäglichen Sprache nur schwer ausdrücken lässt.“

So ...

„Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich, wie tief Lyrik und Prosa einen Menschen ergreifen und Worte für etwas finden können, das sich mit der alltäglichen Sprache nur schwer ausdrücken lässt.“

So schreibt es Jens Andersen in seiner Biografie über Tove Ditlevsen. Die Autorin hat den Literaturwissenschaftler mit ihrem Werk sehr beeindruckt, seinen Werdegang mit geprägt.

Auch mich hat das Dilevsen-Fieber gepackt, nachdem ich ihren Kurzgeschichtenband „Böses Glück“ gelesen hatte. Sie schreibt so eindringlich, humorvoll und gleichzeitig bitter und grausam.
Zu schade, dass bisher erst fünf ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt wurden.

So kann man leider, wenn man ihr Werk auf Dänisch nicht kennt, nicht über alle Bücher mitreden, die in der Biografie erwähnt werden. Störend war das allerdings nicht, denn Andersen liefert Kurzzusammenfassungen und wichtige Textauszüge direkt mit, um sie dann in den Kontext ihres Lebens und seiner Biografie einzuordnen.

Man kann am Rande mitbekommen haben, dass Ditlevsen ein turbulentes Leben geführt hat. Immer nah an einer Katastrophe. Wie sehr sie aber quasi täglich gekämpft hat, wie schwierig ihre Kindheit und das Verhältnis zu ihren Eltern war, wie schwer sie sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen getan hat, das war mir vorher nicht bewusst. Andersen nimmt auch die Rezeptionsgeschichte ihres Werks und die Reaktion der Gesellschaft auf sie als Person kritisch unter die Lupe.

Heraus kommt am Ende eine sehr wohlgesonnene Biografie, die nichts zu verschleiern versucht, aber stets pietätvoll und charmant der großen Autorin gegenüber bleibt. Neben der Beschreibung Dilevsens Lebensweges, vermag es der Biograf sehr leichtfertig eine werkimmanente Analyse einiger Textauszüge anzubieten.

Der Name Jens Andersen ist übrigens kein unbekannter, denn er hat eine fantastische und sehr erfolgreiche Biografie über Astrid Lindgren geschrieben. (Etwas unbekannter ist hierzulande vermutlich seine Biografie über Hans Christian Andersen.)

Eine herausragende Biografie, die Fans von Tove Ditlevsen gefallen und auch Literaturwissenschaftler zufriedenstellen wird.

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Veröffentlicht am 28.10.2023

Viel mehr als eine Rezeptsammlung

Kocht mit Checker Tobi - Meine Lieblingsgerichte, Mitmach-Checks und Checker-Fragen rund ums Essen
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„Die wichtigste aller Regeln gilt allerdings in der Küche genauso wie an jedem anderen Ort auf der Welt: Sagt euch, wenn ihr was gut gemacht habt.“

Wenn Tobi Krell ein Kochbuch rausbringt, dann ist das ...

„Die wichtigste aller Regeln gilt allerdings in der Küche genauso wie an jedem anderen Ort auf der Welt: Sagt euch, wenn ihr was gut gemacht habt.“

Wenn Tobi Krell ein Kochbuch rausbringt, dann ist das natürlich viel mehr als nur eine Rezeptsammlung! In diesem recht dicken Buch gibt es deshalb neben den Lieblingsrezepten von Tobi viele Texte, Infos, Erklärungen, Checkerfragen und charmante Tipps, wie den eingangs zitierten.

Checker Tobi ist ein Vorbild für meinen Sohn. Er liebt die TV-Sendung und Filme mit ihm, hört den Podcast, und saugt all die Informationen auf, die dabei vermittelt werden. Ganz nebenbei steht Tobi Krell für ein demokratisches, kindgerechtes und zukunftspositives Weltbild, ohne die Probleme dieser Welt unter den Tisch zu kehren.

Und - so erstaunlich das klingt - sogar in seinem Kochbuch bleibt er sich treu und tritt wie oben beschrieben auf. Deshalb macht dieses Buch so einen Spaß. Man erfährt so viel über Lebensmittel, Essenskultur, Landwirtschaft, Anbau und Verarbeitung von Nahrungsmitteln… Von Tobis Lieblingsrezepten, über Party-Food, multikulturelle Rezepte, besonders gesunde Rezepte bis hin zu vegetarischen Rezepten ist alles dabei. Hier liegt aber auch mein Kritikpunkt: Ein Kapitel widmet sich zwar dem Thema vegetarische und vegane Ernährung und es wird auch deutlich gemacht, wie wichtig diese für uns, die Tiere und die Umwelt ist; allerdings ist die Menge an vegetarischen Rezepten überschaubar. Meiner Meinung nach hätte sich diese Message wie selbstverständlich durch das gesamte Buch ziehen müssen.

Wer das Interesse seiner Kinder an den Themen Essen und Kochen wecken oder unterstützen möchte, ist mit diesem Buch sehr gut beraten.

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Veröffentlicht am 13.10.2023

Lichtspiel

Lichtspiel
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„War es möglich, dass nichts davon geschehen war? Konnte man entscheiden, dass es nicht geschehen war?“

Viele von uns wissen vermutlich nicht sofort, wer das doch gleich noch war - G.W. Papst. Der Name ...


„War es möglich, dass nichts davon geschehen war? Konnte man entscheiden, dass es nicht geschehen war?“

Viele von uns wissen vermutlich nicht sofort, wer das doch gleich noch war - G.W. Papst. Der Name des seinerzeit sehr bekannten Regisseurs ist etwas in Vergessenheit geraten. Und vermutlich liegt es daran, dass er - anders als viele andere künstlerisch arbeitende Zeitgenossen - zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Deutschland nicht den Rücken gekehrt hat.

Daniel Kehlmann hat nun einen Roman um das Leben G.W. Papsts geschrieben. Er versucht sich den Gründen Papsts für das Bleiben in Nazideutschland zu nähern.

Es ist wohl gar nicht so einfach, sich einer realen Person in einem Roman zu nähern ohne ihr zu nahe zu treten. Ihr keine Schuld anzulasten, sie zu verurteilen und ihr Unterstellungen zu machen. Und gleichzeitig aber doch einen spannenden Roman zu schreiben, den man kaum aus der Hand legen kann.

‚Lichtspiel‘ ist auch nicht frei von Unterstellungen. Papst und allen anderen realen Figuren wird ein Gesicht gegeben. Und doch ist es nicht pietätlos.

Vor allem ist der neue Roman von Kehlmann wieder ein Meisterwerk der Unterhaltung. Humorvoll, spannend und bildreich. Und es passt sehr in die Zeit: Das rechtsradikale Gedankengut, das sich schleichend verbreitet und moralische Eingeständnisse fordert und bekommt, die man für ausgeschlossen hielt.

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Veröffentlicht am 17.09.2023

Großartige Wiederentdeckung

Ein Mädchen mit Prokura
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„Er hat da einen verbohrten Mannesstolz, der ihm verbietet, sie anzuerkennen. Es kostet ihn täglich einen lächerlichen Aufwand an Nervenkraft, ihre Autorität zu umgehen.“

Berlin in den 30ern. Thea Iken ...


„Er hat da einen verbohrten Mannesstolz, der ihm verbietet, sie anzuerkennen. Es kostet ihn täglich einen lächerlichen Aufwand an Nervenkraft, ihre Autorität zu umgehen.“

Berlin in den 30ern. Thea Iken ist Bankangestellte. Sie ist fleißig, intelligent und verhandlungsstark. Und sie hat es recht weit gebracht in ihrem Job. Ihr Chef vertraut ihr und protegiert sie und sie weiß die wenigen Chancen, die sich ihr als Frau eröffnen, zu ergreifen. Dass ausgerechnet sie die neue Prokuristin wird, stößt auf Irritation und Missfallen. Eine Frau in dieser Position - das kann nicht mit rechten Dingen zugehen.
Als dann ein Mord geschieht, findet jeder im Kreis der möglichen Täter direkt die Hauptverdächtige: Thea. Denn als Frau in ihrer Position und mit ihrem Auftreten ist sie per se verdächtig.

„Ein Mädchen mit Prokura“ ist ein berauschendes Buch: Die Geschichte ist so spannend geschrieben und geschickt aufgebaut, das man es nicht zur Seite legen kann. Es ist außerdem ein weitsichtiges und blitzgescheites Buch, das die Rolle der Frau zur damaligen Zeit genau zu analysieren weiß. - Und dann erschrickt man, weil man erkennen muss, dass viele Dinge sich heutzutage nicht grundlegend anders verhalten würden.

Ich freue mich, dass Nicole Seifert und Magda Birkmann sich vergessener Werke von Autorinnen annehmen und in einer eigenen Reihe im Rowohlt Verlag „wiederendeckte Schätze des 20. Jahrhunderts“ präsentieren. Dieses Buch ist ein großartiger Auftakt für die Reihe und verdient es wiederentdeckt zu werden.

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