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Veröffentlicht am 18.11.2020

Die Gouvernante der Königin

Teatime mit Lilibet
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England, 1932.
Die Schottin Marion Crawford möchte als Lehrerin die Welt verbessern, sie begeistert sich für sozialistische Ideen, daher möchte sie vor allem Kindern aus Slums helfen. Doch es ...

England, 1932.
Die Schottin Marion Crawford möchte als Lehrerin die Welt verbessern, sie begeistert sich für sozialistische Ideen, daher möchte sie vor allem Kindern aus Slums helfen. Doch es kommt anders – sie wird zur Hauslehrerin der englischen Prinzessinnen Margaret und Elizabeth. Die engagierte junge Frau möchte den blaublütigen Mädchen das wahre Leben zeigen, sie besucht mit ihnen ein öffentliches Schwimmbad, sie fährt mit den Mädchen Bahn und sie nimmt sie mit ins Kaufhaus. „Crawfie“ soll insgesamt sechzehn Jahre am englischen Hof verbringen. Dabei bleiben ihre eigenen Wünsche auf der Strecke – sie bleibt unverheiratet und kinderlos …

Wendy Holdens Roman basiert auf Crawfords Publikation „Little Princesses“. Die Autorin vermengt Fakten mit Phantasie, wie es eben im Genre Biographische Fiktion üblich ist. Daher sollte man nicht alles, was in „Teatime mit Lilibet“ überliefert ist, für bare Münze nehmen.
Das Leben von Königin Elizabeth II fasziniert viele Menschen, die Netflix-Serie “The Crown“ umfasst bereits vier Staffeln, der Film “The Queen“ war im Jahr 2006 ein Erfolg, auch der Film „A Royal Night Out – Ein königliches Vergnügen (2015)“ stellt Elizabeth & Margaret in den Mittelpunkt.
Zwar steht in Holdens Roman eine Gouvernante im Fokus, aber man erhascht als Leser dennoch einen Blick hinter die Palastmauern, erfährt vor allem etwas über die Kindheit der britischen Regentin. Manches ist nicht unbedingt neu – Margaret wird natürlich als temperamentvolle Exzentrikerin porträtiert, Queen Mum als willensstarke, gar halsstarrige Matriarchin gezeigt. Die Angestellte Crawford wird quasi von heute auf morgen ausgemustert - der Hof verlangte schon in den 1930er Jahren absolute Loyalität von seinen Angestellten, heute müssen sie wohl NDAs unterzeichnen.
„Teatime mit Lilibet“ dürfte nicht nur Royalisten begeistern; ich muss jedoch anmerken, dass ich Wendy Holdens Stil recht einfach und fast etwas hölzern fand. Formal ist der Roman in vier Teile gegliedert, die Kapitel sind kurz und erleichtern so die Lektüre.

Fazit:
„Teatime mit Lilibet“ ist ein unterhaltsamer Mix aus Fakten & Fiktion.
Eine interessante Zeitreise auf den Spuren des britischen Hochadels. Im Fokus steht jedoch eine Frau aus dem Volk – Marion Crawford. Insofern ist der Originaltitel (“A Royal Governess“) passender.



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Veröffentlicht am 17.11.2020

RomCom in Buchform

Aller guten Dinge sind zwei
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Die 36jährige Laurie „Loz“ Watkinson fällt aus allen Wolken, als ihr Partner Dan ihr nach 18 Jahren Beziehung den Laufpass gibt. Dabei hatte die Juristin, die ihre biologische Uhr schon ticken hörte, sich ...

Die 36jährige Laurie „Loz“ Watkinson fällt aus allen Wolken, als ihr Partner Dan ihr nach 18 Jahren Beziehung den Laufpass gibt. Dabei hatte die Juristin, die ihre biologische Uhr schon ticken hörte, sich ein Kind von dem Heiratsmuffel gewünscht. Zu allem Überfluss arbeiten Dan und Laurie beide in einer Kanzlei in Manchester. Laurie will das Feld nicht kampflos räumen, zumal ihr Ex bereits eine neue (schwangere!) Freundin hat. Also geht sie zum Schein eine Beziehung mit dem gutaussehenden Casanova Jamie ein, der das Ganze als Karriere-Booster nutzen will – Laurie ist eines der besten Pferde im Stall von Salter & Rowson, ihr guter Ruf kann für den Kollegen nur von Vorteil sein. Doch die Dinge entwickeln sich anders als erwartet …

„Aller guten Dinge sind zwei“ ist die perfekte Lektüre für die U-Bahn. Die Kapitel sind kurz, der Stil ist einfach, aufgelockert wird das Ganze durch Textnachrichten und Ähnliches, was einerseits bewirkt, dass man das Gefühl hat, mittendrin statt nur dabei zu sein. Da es keine Ich-Erzählerin gibt, wird andererseits eine gewisse Distanz zum Leser aufgebaut. Die Autorin hat aber ein Händchen für alltägliche Situationen und lebensnahe Dialoge. Die Figurenzeichnung hätte dennoch einen Tick mehr Tiefgang vertragen; teilweise wirkt der Roman auf mich wie am Reißbrett entworfen, natürlich ist jede fiktionale Geschichte ein Stück weit konstruiert, bei einem guten Buch fällt das allerdings nicht auf. In McFarlanes story gibt es die verrückte beste Freundin, den treulosen Ex und den arroganten Schönling. Mir ist natürlich klar, dass stereotype Erzählelemente keine Seltenheit in diesem Genre sind, über ein wenig mehr Raffinesse (und Romantik!) hätte ich mich dennoch gefreut. Die Vorhersehbarkeit der Handlung störte mich jedoch nicht. Die Diversität der Figuren ist das große Plus des Romans, sie bildet sehr schön die Realität moderner Großstädte ab, Lauries Kollege Bharat etwa ist ein Sikh, ich frage mich jedoch, ob die weiße Autorin die Erfahrungen afrobritischer Frauen wirklich nachvollziehen kann (Laurie hat eine schwarze Mutter & einen weißen Vater).
Die Erzählung bietet gute Unterhaltung, als Autorin hätte ich die Geschichte jedoch etwas gestrafft.

Fazit:

Chick-Lit mit kleinen Schwächen. „Aller guten Dinge sind zwei“ von Mhairi McFarlane ist eine locker-leichte Lektüre für Zwischendurch.

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Veröffentlicht am 14.11.2020

Lesetipp

Die Tinktur des Todes
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Edinburgh 1847.

Als der Medizinstudent Will Raven das Freudenmädchen seiner Wahl besuchen will, findet er es tot vor. Die Leiche ist seltsam verrenkt, und um seinen Ruf zu schützen, verlässt er den Tatort. ...

Edinburgh 1847.

Als der Medizinstudent Will Raven das Freudenmädchen seiner Wahl besuchen will, findet er es tot vor. Die Leiche ist seltsam verrenkt, und um seinen Ruf zu schützen, verlässt er den Tatort. Er schwört jedoch, den Mord nicht unaufgeklärt zu lassen. Bald darauf tritt er seine Famulatur beim Geburtshelfer Dr. Simpson an. Dessen Hausmädchen Sarah Fisher ahnt, dass Raven Geheimnisse hat. Bald sterben weitere Prostituierte. Da die Frauen auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter stehen, bemüht sich die Polizei nicht besonders, die Fälle aufzuklären. Sarah will mehr vom Leben, als Tee auszuschenken, doch ihr Geschlecht und ihr gesellschaftlicher Status setzen ihren Entfaltungsmöglichkeiten enge Grenzen; als auch ihre Kollegin tot aufgefunden wird, kennt sie aber kein Halten mehr – gemeinsam mit Will beginnt sie zu ermitteln, um dem mysteriösen Mörder das Handwerk zu legen…

„Die Tinktur des Todes“ ist ein phantastischer historischer Krimi. Die Atmosphäre im viktorianischen Schottland wird perfekt eingefangen, die Old Town von Edinburgh wird von Tagelöhnern und Ganoven bewohnt, auch Will muss, da er einem Gangsterboss Geld schuldet, vor dessen Schergen flüchten. Dieser Subplot wird geschickt mit dem Hauptplot verwoben. Der medizinhistorische Ansatz des Romans ist besonders interessant, Operationen, Amputationen, Selbstversuche lassen die Anfänge der Heilkunst lebendig werden. Auch Irrlehren wie die Phrenologie werden im Roman erwähnt, natürlich spielt auch die Gesetzgebung in Form des “Anatomy Act“ eine Rolle. Die Figuren sind lebendig und facettenreich, das Erzähltempo ist aber bis auf den spektakulären Showdown gemächlich, was mich jedoch nicht gestört hat. Ich war von der Geschichte derart gefesselt, dass ich den Roman in wenigen Tagen ausgelesen hatte. Ich mochte auch die literaturgeschichtlichen Querverweise – der “Mad Scientist“ lässt grüssen! Die inhumanen Auswüchse der Medizin werden ebenfalls thematisiert, etwa anhand der Figur Gargantua.

Der Krimi ist ein klassisches Whodunit, daher war ich von der Auflösung nicht besonders überrascht, das offene Ende der Geschichte gefiel mir jedoch gut. Die sozialkritisch – feministischen Untertöne konnten mich ebenfalls überzeugen, da sie ein glaubwürdiger Teil der Erzählung sind und nicht mit dem „Holzhammer“ präsentiert werden. Die Autoren (hinter dem Pseudonym verbirgt sich ein Ehepaar) zeigen, wie eingeschränkt auch wohlhabende Frauen durch die gesellschaftlichen Konventionen waren. Ravens Mutter ist auf Almosen ihres Bruders angewiesen, Sarah wird eine Anstellung in einer Apotheke verwehrt, da sie als Frau nicht vertrauenswürdig genug sei, Mina, die als unverheiratete Frau im Hause Simpson fürchten muss, als alte Jungfer auf’s soziale Abstellgreis zu geraten, sieht trotz ihrer Bildung ihren Lebenssinn in der Mutterschaft, da sie die Erwartungen ihres Umfeldes verinnerlicht hat. Herkunft und Geschlecht bestimmen die Chancen eines Individuums in Edinburgh – doch Will und Sarah kämpfen um ihr Glück. Jeder hat Geheimnisse, weshalb weigert sich Dr. Simpson vehement, ein Terminbuch zu führen?

Fazit:

Ich vergebe fünf von fünf möglichen Sternen und spreche eine Leseempfehlung aus.

„Die Tinktur des Todes“ verbindet Wissensvermittlung mit Unterhaltung. Das neunzehnte Jahrhundert wird heraufbeschworen, die Anfänge der Medizin werden lebendig. Den Autoren gelingt es, einen Stoff, der trocken und blutleer sein könnte, packend zu präsentieren. Ich freue mich schon auf den nächsten Band der Reihe!

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Veröffentlicht am 07.11.2020

Toller Schmöker

Die Romanfabrik von Paris
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Paris 1850.

Anna Gräfin von Dorn (geborene Moll) aus Karlsruhe sucht in der französischen Metropole eine Anstellung als Hauslehrerin. Als ihr im Haus ihrer Arbeitgeber eine Zeitung mit den Fortsetzungsgeschichten ...

Paris 1850.

Anna Gräfin von Dorn (geborene Moll) aus Karlsruhe sucht in der französischen Metropole eine Anstellung als Hauslehrerin. Als ihr im Haus ihrer Arbeitgeber eine Zeitung mit den Fortsetzungsgeschichten von Alexandre Dumas in die Hände fällt, ist sie entsetzt. Die Geschichten sind der der sittenstrengen Frau zu freizügig. Dumas betreibt eine „Romanfabrik“, in welcher Lohnschreiber die Gedanken des Meisters zu Papier bringen, und da Anna mit Hilfe von Zensurbeamten das Schlösschen des beliebten Künstlers räumen lassen will, ist der Lebemann Dumas alles andere als begeistert. Als jedoch ein Scharlatan mit dem sprechenden Namen „Lemaitre“ in Frankreich sein Unwesen zu treiben beginnt, müssen Anna und Alexandre ihre Differenzen beilegen, um dem gemeinsamen Feind das Handwerk zu legen. Doch das ist leichter gesagt als getan, und so führt eine wilde Jagd die Protagonisten von Paris über London bis nach Sankt Petersburg…

„Die Romanfabrik von Paris“ (was für ein toller Titel!) ist ein historischer Roman, in welchem Dirk Husemann -wie die meisten Autoren dieses Genres- Fakten mit Fiktion vermengt. Die Lektüre hat mir viel Freude bereitet, weil die Figuren ihrer Zeit angemessen sprechen und handeln, anders als in anderen Romanen werden hier nicht Menschen mit Wertvorstellungen des 21. Jahrhunderts in die Vergangenheit „verpflanzt“. Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich, ich habe mich beim Lesen keine Sekunde lang gelangweilt (meines Erachtens gibt es keine Längen in der Erzählung).

Anna ist eine gelähmte Frau, die sich einerseits nicht die Butter von Brot nehmen lässt, andererseits aber auch keine „Superheldin“ ohne charakterliche Schwächen ist, dies gefiel mir ausgesprochen gut. Dumas wird als liebenswerter Filou mit einem Hang zum Größenwahn porträtiert. Die Figurenzeichnung ließ mich oft schmunzeln - der Autor nähert sich der Legende Dumas mit Herz und Humor. Auch die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet. Man kann richtig in die story eintauchen und en passant auch etwas lernen, obwohl man den Roman aufgrund der historischen Freiheiten, die sich der Autor nimmt, nicht als geschichtswissenschaftliche Quelle verwenden sollte. Trotz seiner Popularität war Dumas aufgrund seiner dunklen Hautfarbe zu Lebzeiten ein Außenseiter in der französischen Gesellschaft, eine Aufnahme in die Académie Française wurde ihm zunächst verweigert. Den historischen Begriff „un nègre“ verwendet Dirk Husemann korrekt, und er erklärt die Verwendung des Terminus, ihm gelingt es so meines Erachtens, Unterhaltung auf hohem Niveau zu bieten, die sich eben nicht nur an frankophile (und frankophone) Literaturliebhaber und an ein akademisches Publikum wendet, sondern auch an Otto Normal, das finde ich klasse.

„Die Romanfabrik von Paris“ ist auch formal perfekt gegliedert, nur der Schlussteil wurde für mein Empfinden zu schnell abgehandelt. Glücklicherweise wird auf Kitsch und Pathos verzichtet, was mich angenehm überrascht hat.

Fazit:

Ich vergebe viereinhalb von fünf möglichen Sternen für die Geschichte. Dirk Husemanns Roman ist ein richtig schöner Schmöker, den ich gerne zur Lektüre empfehle. Auch das Nachwort ist ausgesprochen lesenswert!


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Veröffentlicht am 03.11.2020

Memoiren eines Tennisprofis

Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht
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Andrea Petković hat mit „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ ihr Erzähldebut vorgelegt. Wenn man vom Kapitel „New York“ einmal absieht, werden hier im Kern die Erinnerungen eines Tennisprofis heraufbeschworen, ...

Andrea Petković hat mit „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ ihr Erzähldebut vorgelegt. Wenn man vom Kapitel „New York“ einmal absieht, werden hier im Kern die Erinnerungen eines Tennisprofis heraufbeschworen, dabei ist die Autorin noch jung (sie wurde 1987 im bosnischen Tuzla geboren). In nicht – linearer Weise werden episodenhafte Begebenheiten präsentiert. Das Buch ist unheimlich unterhaltsam und spannend, ich hatte es in wenigen Tagen ausgelesen und mich keine Sekunde lang gelangweilt. Teilweise berichtet Petković mit einer großen Portion Pathos, geht in Zimmer, die so „dunkel wie die Seele des Fausts“ sind. Meines Erachtens dominiert dieser Duktus im Buch aber nicht, auch wenn mich das Ceca – Songtext-Zitat irritierte (alle anderen Zitate fand ich klasse). Vieles fand ich sehr hellsichtig und klug, wenn es etwa um die wahren Privilegien der Privilegierten ging. Andreas Wunsch nach Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft werden viele Migrantenkinder nachvollziehen können, auch ihren Traum von der Zugehörigkeit (die Tochter eines Tennistrainers ist völlig integriert, moderiert mittlerweile unter anderem eine Sportsendung im öffentlich – rechtlichen Fernsehen) zu Deutschland oder den Besuch vom muttersprachlichen Zusatzunterricht in Deutschland, den Anpassungsdruck, das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen. Die erste Hälfte der Publikation las sich meiner Meinung nach wie eine Rechtfertigung gegenüber Kritikern, dabei hat Andrea das gar nicht nötig, vor ihren Leistungen kann man nur den Hut ziehen. Ich fand es interessant, dass sich Andrea eher mit ihren serbischen als mit ihren bosnischen Wurzeln identifiziert (im Nachwort wird klar, dass sie sich eine jugoslawisch/deutsche Identität zuschreibt). Zwischen den Zeilen glaubte ich herauslesen zu können, dass die Sportlerin den Aufsteigertraum ihrer Eltern Realität werden liess; bezeichnenderweise schreibt sie über anderer Leute Tennisväter.
Mit Sport habe ich eigentlich nichts am Hut, daher fand ich die Einblicke in die Tenniswelt spannend, auch wenn nicht immer Tacheles geredet und Manches eher angedeutet wird. Prominente Figuren wie Barbara Rittner, Angelique Kerber oder Rafael Nadal (Petković scheint ein großer Fan des Spaniers zu sein) tauchen auf. Wirklich beeindruckt war ich aber von Danica, einer Kollegin Andreas mit einem Herzen aus Gold, die den Sprung zum Tennisprofi wohl leider nicht geschafft hat, und von Rado, bei dem Andrea eine Reha absolvierte. Jeder, der glaubt, über aufgetakelte Russinnen oder aufgedonnerte Südosteuropäerinnen (wie Vojka) urteilen zu können, sollte Petkovićs Publikation lesen, da der wahrhaft feministische Ansatz der Autorin glaubwürdig ist. Sie zeigt auf, dass auch „westliche“ Frauen, egal wie erfolgreich sie in ihrem Metier auch sein mögen, einem strengen Schönheitsdiktat unterworfen sind, und dass auch im Sport puppenhaft aussehende Frauen Vorteile haben. Der gender pay gap wird thematisiert, das heiße Eisen „Transfrauen im Damensport“ wird aber nicht angefasst, dabei hätte mich die Meinung der Autorin dazu wirklich interessiert; Martina Navratilova wurde ungerechterweise für ihre klare Haltung kritisiert. Auch der angenehme finanzielle Aspekt des Spitzensports wird weitgehend ausgeblendet, die Autorin betont, sich alles hart erarbeitet zu haben, man erfährt jedoch, dass man als Promi besser behandelt wird, was erfrischend ehrlich ist. Petković berichtet von (psychischen und physischen) Krisen und Selbstzweifeln, als Leserin möchte man ihr zurufen, dass sensible Menschen (egal in welcher Branche) es leider generell schwerer haben als diejenigen, die über eine Roßnatur verfügen. Betroffen machten mich die Berichte über Ermüdungsbrüche und Verletzungspech.
Im Buch geht es aber nicht nur um Sport, auch Kunst und Literatur, Freundschaft, Herkunft und Liebe spielen eine Rolle. Die Ortswechsel (Australien, China, Amerika – you name it) machen Spaß, und obwohl Andrea behauptet, ein großes „Ego“ zu haben, wirkt sie sympathisch (obschon mir ihr Unwille, sich Reha – Geschichten von anderen Patienten anzuhören, suspekt war). Seit Erfindung des „Petko-Dance“ halte ich sie für eine Meisterin der Selbstvermarktung.
Das surreal wirkende Abschlußkapitel „New York“ liest sich wie ein Versatzstück aus einem Saša -Stanišić – Roman und soll wohl dazu dienen, die Publikation auch künstlerisch wertvoll wirken zu lassen, ich fand es redundant, da mich das Buch auch so überzeugt hat. Am Ende der Lektüre hat man das Gefühl, einem Menschen begegnet zu sein, der mit sich im Reinen ist, wenn man allerdings die Danksagung liest, zweifelt man wieder etwas an dieser Einschätzung.

Fazit:
Ein überraschend gutes Debut! Ich vergebe 4,5 von insgesamt fünf möglichen Sternen und spreche eine Leseempfehlung aus.

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