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Veröffentlicht am 26.09.2024

Nominiert für den deutschen Buchpreis

Antichristie
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„Schließlich hatte ich mich danach immer gesehnt: einer Vergangenheit, in der Leute wie ich vorkamen, und zwar HIER und nicht DORT.“

Mithu Sanyals Debutroman „Identitti“ gefiel mir so gut, dass ...

„Schließlich hatte ich mich danach immer gesehnt: einer Vergangenheit, in der Leute wie ich vorkamen, und zwar HIER und nicht DORT.“

Mithu Sanyals Debutroman „Identitti“ gefiel mir so gut, dass ich nach der Lektüre (obwohl ich als Leserin mit den meisten Thesen überhaupt nicht konform gehe) auch das Audiobook angehört habe, und das als absoluter Hörbuchmuffel! Die Schwächen bestimmter Konzepte wurden entlarvt und oft dachte ich beim Lesen „dito!“, etwa beim unsäglichen Begriff „Dönermorde“, der in der story zu Recht kritisiert wurde. Die Autorin war mir sympathisch, da sie für einen Dialog plädierte. Gute Literatur fordert heraus.
Daher habe ich „Antichristie“ noch vor dem Erscheinungstermin auf meine Wunschliste gesetzt.

Worum geht’s?

Der Roman behandelt diverse Themen. Im Zentrum steht die 50jährige Ich-Erzählerin Durga Chatterjee (eine Drehbuchautorin). Zu Beginn der Geschichte geht es um Trauerbewältigung, da die deutsche Mutter Durgas (ihr indischer/bengalischer Vater taucht mit seiner neuen Frau auf) verstorben ist. Zu den Eltern hat die Romanheldin ein eher schwieriges Verhältnis, da der Vater trotz Anwesenheit nicht greifbar war, arbeitete sie sich an der (nicht grundlos) zu Verschwörungstheorien neigenden Mutter ab. Die Figur einer Hippiemutter, die den Nachwuchs verlässt, um sich selbst zu verwirklichen, ist ein wandelndes Klischee, welches man auch bei Houllebecq findet. Die Erzählerin bemüht sich, alle Positionen eines Diskurses abzubilden, wobei sie natürlich zu manchen Theorien eher tendiert. (Es wird im Roman aber nicht durchweg eine dogmatische, „woke“ Haltung eingenommen, das Konzept der cultural appropriation etwa wird im Spiegel des zeitlichen Wandels reflektiert, Colourism wird kritisiert, überhaupt gibt es Raum für Ambivalenzen, für ambiguity, wie es so schön heißt. Andererseits muss man sagen, dass eben nicht alles relativ ist).
Durga ist mit einem Schotten verheiratet und Mutter eines Sohnes im Teenageralter. Da sie bereits Folgen für die britische Kultserie „Dr WHO“ verfasst hat, wird sie engagiert, um gemeinsam mit anderen (ethnisch diversen) Autoren eine zeitgemäße, zeitgeistige Version der ITV – Serie „Poirot“ zu erschaffen, ganz im Stil von „Bridgerton“ (ich halte die Adaption eines Unterhaltungsromans für schlimmen Kitsch). Agatha Christies Hercule Poirot als PoC? Belgien hatte schließlich Kolonien.
Das Fernsehspiel mit David Suchet liebe ich, daher habe ich mich über das Auftauchen im Roman sehr gefreut. Als das Drehbuchautorenkollektiv in einem Artikel polemisch „Let’s kill the Queen [Agatha Christie]“ fordert (im übertragenen Sinne, als Dekonstruktion) und Königin Elizabeth II. im Jahr 2002 tatsächlich stirbt, ist die Aufregung groß – die Demonstranten, die sich „ihre“ Geschichte(n) nicht nehmen lassen wollen, werden als treudoof-trottelige Gestalten porträtiert, die als „Christs for Christie“ oder als „Mums for Miss Marple“ („Twilight Moms“, anyone?) Namen wie „Melone“ oder „Sarah Ferguson“(!) tragen, und sogar teils als Dozenten arbeiten, aber eben nur an der „Open University“ und nicht etwa in Oxford. Von der Erzählstimme werden ihnen ein paar valide Argumente jedoch zugestanden.
Man könnte sagen, dass die Kolonialismuskritik das Hauptthema des Romans ist, es geht aber auch um (gesellschaftliche) Diskurse & Narrative, um Erinnerungskultur, Geschichtsbilder, Politik, Poststrukturalismus, um den sog. antimuslimischen Rassismus, um nation building und Nationalismus, (um „Die Erfindung der Nation“, wenn man so will) um Identitätspolitik & Genderkonzepte, um die Frauenbewegung, um Frauenfreundschaft und um Sozialismus (ein Eric-Hobsbawm-Zitat ist insofern ein Muss).
In der Geschichte wird buchstäblich auf mehreren Zeitebenen operiert, da Durga vordergründig durch die Zeit fällt und als junger Mann (es geschieht mehr als nur gender swapping) namens Sanjeev im London des Jahres 1906 auftaucht, wo er im Studentenwohnheim „India House“ mit diversen indischen Revolutionären (nicht nur mit Gandhi) lebt und konspiriert. Die Figuren wirken optisch wie dem Film „Sardar Udham“ (in Deutschland kann man den Film auf dem Streamingportal eines großen Internetversandhändlers sehen) entsprungen, wobei Sanyal an keiner Stelle Heldenverehrung betreibt. Sanjeev ist vom Vater des Hindunationalismus „Veer“ Savarkar fasziniert, gleichzeitig gibt es aber auch Durga und Figuren der Gegenwart, womit die Autorin das langweilige konventionelle Erzählschema von zwei getrennten Zeitebenen durchbricht. Im Verlauf der Erzählung wird die Heldin gemeinsam mit Sherlock Holmes im Stil des klassischen, kammerspielartigen britischen Kriminalromans (es wird darauf hingewiesen, dass es diese Erzähltradition auch in Japan gibt) einen Fall aufklären. Metaebene ahoi! Auch Identitätspolitik spielt eine Rolle: „Was sagte es über mich aus, dass ich durch die Zeit reisen und mein Geschlecht und mein Alter hinter mir lassen konnte, aber nicht meine race?“ Wenn im Roman von „braunen“ Menschen die Rede ist, bin ich raus, obwohl mir natürlich klar ist, dass „brown“ im englischen Sprachraum eine gängige (Selbst)bezeichnung ist.

Formal ist die Geschichte wie ein Patchworkroman konzipiert, wie zum Beispiel die 1992 ins Englische übersetzte Publikation der feministischen Autorin Dubravka Ugrešić „In the Jaws of Life“. Auch der Schriftsteller Saša Stanišić präsentierte mit „Herkunft“ einen Patchworkroman (2019 wurde die Veröffentlichung mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet). „Antichristie“ ist in gewisser Weise anspruchsvoller und nicht so gefällig geschrieben wie „Herkunft“, da man als Leser (m/f) auch einer (kultur)geschichtlichen bzw. Geschichts - Vorlesung beiwohnt und einem popkulturellen Happening. Die einzelnen Kapitel werden durch szenische Anweisungen und Zitate eingeleitet, womit das filmische, gar filmreife Element der (historischen) Realität abgebildet wird. Sanyal kritisiert auch realpolitische Phänomene der Gegenwart, etwa die antimuslimische Haltung der indischen Partei BJP, wobei sich die Frage stellt, inwiefern diese Haltung in Teilen auch durch die Terroranschläge von Mumbai im Jahre 2008 befeuert wurde? In „Antichristie“ werden die Gewaltexzesse und Pogrome nach der indischen Unabhängigkeit und nach den Kriegen, aus denen u.a. Bangladesch hervorging, als Folge des britischen Imperialismus‘ dargestellt. „Perfidious Albion“ heißt es nicht selten. Und tatsächlich haben auch die Briten während ihrer Herrschaft Massaker verübt und sich nicht für diese Gräuel entschuldigt.
Ich habe mich sehr auf die Lektüre des Romans gefreut und etwas Neues und eine Weiterentwicklung erwartet. Ich wollte allerdings kein „Identitti“ – Recycling präsentiert bekommen. Wenn Durga die gleichen Probleme/Gedanken wie Nivedita aus „Identitti“ hat, wirkt das auf mich wie eine Wiederholung: beide Protagonistinnen leiden darunter, nicht als „richtige Inderinnen“ klassifiziert zu werden, beide betrauern die Tatsache, nicht bilingual erzogen worden zu sein. Man möchte entgegnen, dass auch das Erlernen der Muttersprache nicht vor einem Fremdheitsgefühl in Deutschland schützt, dass man auch mit Kenntnis der Muttersprache seinen Namen noch buchstabieren muss, und dass man sich mit einer hybriden Identität (notgedrungen) arrangieren muss. Das Gefühl einer „sowohl – als – auch“ – Existenz wird man manchmal ein Leben lang nicht los, und man könnte sogar argumentieren, dass die Hauptfigur mit einem deutschen Elternteil (ergo einem deutschen Pass) privilegiert ist. Durga fühlt sich regelrecht betrogen, wenn sie sagt: „Da war so viel Weltgeschichte, die mir nie in der Schule oder an der Uni beigebracht worden war.“ Ein Studium der Geschichtswissenschaft hätte da vielleicht geholfen; es stimmt aber, dass der deutsche Schulunterricht das Hauptaugenmerk auf den Nationalsozialismus richtet.
Wenn Durga von der Freundschaft zu ihrer bff Nena berichtet, wird der Handlungsstrang aus „Identitti“, in welchem Nivedita traurig über die häufige Abwesenheit ihrer liebsten WG-Mitbewohnerin ist, 1:1 übernommen. Die Erzählperspektive bringt es mit sich, dass man leider manchmal das Gefühl bekommt, dass das Ganze eine einzige Nabelschau der Protagonistin ist. Wenn Durga „Menschenrechtsverletzungen auf Social Media“ anprangert, drängt sich der Gedanke auf, dass „Antichristie“ in Teilen ein autofiktionales Werk ist. Manche Sätze machen betroffen, sie sind nachvollziehbar: „Die Frage, die mich ein Leben lang umgetrieben hatte – wer wäre ich, wenn ich in Indien aufgewachsen wäre?“ Eine ähnliche Frage hat sich wohl jedes Migrantenkind in Deutschland schon einmal gestellt. Insofern fällt es stellenweise schwer, den Roman zu kritisieren.
Ist „Antichristie“ auch ein Coming of Age – Roman (obwohl Durga schon 50 Jahre alt ist.)? Der Roman ist fast 600 Seiten dick, für mein Empfinden verzettelt sich die Autorin stellenweise, auf manche Details kann wirklich verzichtet werden (auf die Frage, wie attraktiv Männer mit einem „Trainspotting „meets xy – Chic sind, Dass „Nena“ die Kurzform von „Susanne“ ist, treibt die Seitenzahl unnötig in die Höhe, ebenso wie der Verweis auf vorchristliche Phänomene oder das Zitieren von Tweets. In Großbuchstaben verfasste Passagen nerven einfach nur). Kann man das der Verfasserin ankreiden, die Lektorin oder der Lektor hätte den Text kürzen und straffen müssen; das Korrektorat Flüchtigkeitsfehler wie „Weisbrot“ korrigieren. Es ist schade, wenn Leser die Lektüre ob der Länge abbrechen, zumal die Autorin gegen Ende doch noch die Kurve mit einem Krimiplot kriegt - um kurz darauf wieder in’s Dozieren zu verfallen. Man kann viel lernen, als Geisteswissenschaftler wird man mit vielen Debatten und Diskursen aber schon vertraut sein. Es ist wunderbar, dass manche Themen aus dem akademischen Elfenbeinturm geholt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden, wobei nicht jeder Mensch in Deutschland so ignorant ist wie von „Antichristie“ angenommen. Historiker wissen, dass der eurozentrische Blick auf die Ereignisse problematisch ist. Für die Lektüre von „Antichristie“ bedarf es keiner Vorkenntnisse, man wird als Leser/in an die Hand genommen und bekommt alles erklärt, muss nichts zum besseren Verständnis nachschlagen: „Muhammad Ali Jinnah? […] Der die Muslim League anführen und später der erste Präsident Pakistans sein wird.“ Man kann nicht behaupten, dass der Roman nicht jeden Leser „mitnimmt“, um es salopp zu formulieren. Nicht jede Figur kann Karlheinz oder Erna heißen, es gibt definitiv nicht zu viele Personen im Roman (Hilfestellung bietet auch das Personenverzeichnis am Ende, passenderweise „Cast & Crew“ ).
Vielleicht funktioniert die story im anglophonen Sprachraum aber besser. „Dr WHO“ ist in Deutschland keine legendäre TV – Serie, beim Thema Kolonialismus denkt man in Deutschland oft nur an die Herero und Nama, wobei im kolonialismuskritischen Roman „Das Museum der Welt“ aufgezeigt wird, dass auch deutsche Forscher wie die Gebrüder Schlagintweit (im Auftrag der East India Company) in Indien unterwegs waren.
Die Autorin brennt für ihr Sujet, sie verfügt über ein großes Wissen und man spürt die schiere Erzählfreude, daher ist es schade, dass der Roman (wie zuvor „Identitti“) von direkter Rede /Dialogen dominiert wird. Die wichtigen Botschaften des Romans werden von seitenlangem Gelaber überdeckt, wieso reden die Figuren mehr, als zu handeln? Die Erzählung ist mehr als bloßes Geschwätz, aber es fällt schwer, am Ball zu bleiben, wenn so viel monologisiert und debattiert wird. Apropos Figuren – sie haben in meinen Augen keine wirkliche Tiefe. Manchmal wirken die Figuren infantil, wenn vom „sexysten Hijab“, oder von „coolen“ Frauen die Rede ist, von Männern, die in ihrer „Jugend“ aufgrund ihrer Physiognomie „sexy“ waren, und manchmal wird’s schwülstig: „Schließlich war ich nicht nur von Savarkar angezogen, sondern auch von mir selbst. Von diesen vollen Lippen, die ich nicht aufhören konnte mit meinen Fingern zu berühren, von diesem so magischen wie magnetischen Penis, den ich […] niemals vergessen konnte.“
Im Roman wird die Frage aufgeworfen, welche Ideologie mehr Menschen getötet hat, wobei eingeräumt wird, dass sich in Deutschland Nationalsozialismus/ Shoa/ Kolonialismusvergleiche verbieten, und dass andernorts dieses Tabu nicht in dieser Form existiert. Mao, Stalin, der Holodomor etc. spielen bei diesen Vergleichen keine Rolle.
Stilistisch ist „Antichristie“ nicht der ganz große Wurf, die Machart von „Identitti“ wird sozusagen beibehalten, da es sehr viele Dialoge gibt. Teilweise wirkt der Roman wie eine verkappte wissenschaftliche Arbeit, die etappenweise verfasst und vor dem Abgabetermin nicht noch einmal überarbeitet wurde. Ein fast selbstverliebter Unterton wird durch humorvolle Passagen abgefedert, die natürlich ein wenig kokett sind. Ich musste lachen, als Durga „von sich selbst beeindruckt“ war oder als sie anmerkte, sie wolle sich „durch Unkenntnis“ nicht „davon abhalten lassen, andere zu belehren.“ Im letzten Drittel des Romans dreht die Erzählerin noch einmal voll auf, ich liebe die literaturwissenschaftlichen Aspekte und Bezüge, sprechende Büsche finde ich richtig charmant. Man kann sehr viel über indische Geschichte lernen, und ich habe Lust bekommen, eine wissenschaftliche Publikation Sanyals zum Thema Indien zu lesen, da ich die Prosa der Autorin anstrengend finde. Wenn es aber in Rezensionen heißt, dass die Autorin in Antichristie „alles zu einem wilden Bollywood-Tanz“ vermengt, wird klar, dass die deutsche Öffentlichkeit einen solchen Roman nötig hat. Ich liebe Bollywood. Man wundert sich allerdings über die Ethnisierung, außerdem dreht nicht jeder indische Regisseur Bollywoodfilme (Nair, Kapur etc.). „Antichristie“ hat weder formal noch inhaltlich etwas mit der Hindifilmindustrie gemein.

Fazit:

Der Antichrist geht um? Sanyals zweiter Roman ist ein postkolonialistisches Manifest. Welche Form von Widerstand ist richtig und legitim? Es geht auch um deutsche Befindlichkeiten. Stellenweise war ich aufgrund der Form schwer genervt von der Geschichte; das Sujet ist aber so interessant, dass ich froh bin, den Roman komplett gelesen zu haben. Manche Ideologien, Theorien und Konzepte muss man hinterfragen; natürlich ist die Publikation am Puls der Zeit. Trotz meiner Kritik denke ich, dass der Roman mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet werden sollte.

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Veröffentlicht am 04.08.2024

"Der Teufel steckt nicht im Detail."

Verbrannte Gnade
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„Und jeder ist imstande, sich zu verändern. Selbst ich.“

Seit der Lektüre von „Südbalkon“ bin ich ein großer Fan des Imprints des Berliner Aufbau-Verlags, Blumenbar. Jede neue Publikation wandert ...

„Und jeder ist imstande, sich zu verändern. Selbst ich.“

Seit der Lektüre von „Südbalkon“ bin ich ein großer Fan des Imprints des Berliner Aufbau-Verlags, Blumenbar. Jede neue Publikation wandert auf meine Wunschliste.
Das Cover des Romans „Verbrannte Gnade“ mit seinem stilisierten Buntglasfenster sprach mich sofort an. New Orleans als Handlungsort ist immer eine gute Wahl. Die Protagonistin scheint eine unkonventionelle Heldin zu sein (der Untertitel „Die Punkrocknonne ermittelt“ deutet es schon an). Ein Krimi im Kirchenmilieu? Immer her damit!

Worum geht’s?
Eine Ich-Erzählerin führt durch das Geschehen, daher hat man als Leserin das Gefühl, hautnah dabei zu sein, andererseits bringt diese Perspektive gewisse Einschränkungen mit sich. Die kettenrauchende, nicht – heterosexuelle, tätowierte Nonne Holiday ist überzeugt, dass teuflische irdische Mächte am Werk sind, als die Klosterschule St. Sebastian ins Visier eines Killers gerät – als der Hausmeister Jack tot aufgefunden wird und ein Brandanschlag das Institut, an welchem die eigensinnige Nonne unterrichtet, erschüttert, muss etwas unternommen werden. Für die Heldin beginnt eine fieberhafte Suche…
Vor der Lektüre hatte ich mich auf einen knackigen Kriminalroman gefreut. Ich mag es, wenn die Ermittler in Whodunits keine Polizisten oder Forensiker sind. Der Katholizismus in New Orleans mag auf manche Leser exotisch wirken, ich mochte die philosophisch – religiösen Dilemmata in der Erzählung sehr gern. Allerdings müssen Glaubensfragen und gläubige Menschen in meinen Augen nicht unkonventionell oder „cool“ sein, um eine Daseinsberechtigung zu haben. Insofern spielt der Zeitgeist in „Verbrannte Gnade“ eine nicht unerhebliche Rolle. Die Exposition las sich noch flüssig. Meine anfängliche Begeisterung ließ jedoch rasch nach, da die Autorin Margot Douaihy stellenweise viel zu dick aufträgt & auf erzähltechnisch ausgetretenen Pfaden wandelt – New Orleans, ein (klimatisch) schwüles, heißes Sündenbabel? Obwohl die Figuren diverse Probleme haben und schlimme Erfahrungen verarbeiten müssen, sind sie teils seltsam flach. „Verbrannte Gnade“ ist kein Krimi, in welchem es Schlag auf Schlag geht, man sollte als Rezensent/in daher keinen temporeichen Actionkracher erwarten. Wenn man sich beim Lesen konzentriert, wird man relativ schnell auf des Rätsels Lösung kommen.
„Verbrannte Gnade“ ist der ausbaufähige Auftaktband einer neuen Reihe. Aus dem Stoff hätte die Autorin viel mehr machen können, daher werde ich den Folgeband „Gesegnetes Wasser“ wohl nicht lesen.




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Veröffentlicht am 02.08.2024

Voyage, Voyage

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
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„Dann liegt sie rücklings auf dem Deck, klatschnass, in einer Pfütze aus Flusswasser und dünnem Blut. Presst ihren Gehstock fest an sich, so wie Nonnen ihre kleinen goldenen Kreuze.“

Vorab:
Die Umschlaggestaltung ...

„Dann liegt sie rücklings auf dem Deck, klatschnass, in einer Pfütze aus Flusswasser und dünnem Blut. Presst ihren Gehstock fest an sich, so wie Nonnen ihre kleinen goldenen Kreuze.“

Vorab:
Die Umschlaggestaltung des Buches ist einfach wunderschön. Eigentlich bin ich keine „Coverkäuferin“, hier hat aber schon das verspielte Design mein Interesse (und meine Leselust) geweckt!

Worum geht’s?
Hier wird ein Genremix aus Reisebericht, Magischem Realismus (man denke etwa an Allendes „Geisterhaus“) und Historoman präsentiert.
Paris, 1885: Das Leben ist eine Reise – im neunzehnten Jahrhundert zwingt eine mysteriöse Krankheit das Mädchen Aubry Tourvel, ständig in Bewegung zu bleiben, denn sie kann höchstens eine Woche lang an einem Ort verweilen, ohne schlimme Schmerzen zu haben. Die Protagonistin muss daher stets geliebte Menschen verlassen. Einzig eine versteckte Bibliothek könnte ihre Linderung verschaffen, daher gibt Aubry die Hoffnung nicht auf...

Ich hatte mich vor der Lektüre auf ein phantastisches Abenteuer mit philosophischen Ansätzen eingestellt. Die Exposition las sich noch flüssig, der weitere Handlungsverlauf konnte mich jedoch nicht ganz überzeugen. Zwar fand ich es gut, dass der Eindruck eines reinen Reiseromans durch das Stilmittel der nicht-linearen Erzählweise abgemildert wurde, doch insgesamt fand ich die Figurenzeichnung nicht stimmig und den plot trotz Ortswechseln irgendwie spannungsarm. Französinnen, die „O mon dieu!“ ausrufen, sind ein wandelndes Klischee in meinen Augen. Auch das pacing war seltsam. Beim Lesen musste ich an „Sophies Welt“ von Jostein Gaarder denken, Gaarders Publikation macht für mich jedoch mehr Sinn als das Debut des Bibliothekars Douglas Westerbeke. Leider finde ich, dass in „Die unendliche Reise der Aubry Tourvel“ (unfreiwillig) Elemente von schlechter Sick Lit eingebaut wurden; ich bin kein Fan dieses Genres und gepeinigte Frauen als Protagonistinnen mochte ich schon in Lars von Triers Filmen nicht.

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Veröffentlicht am 31.07.2024

Die Zeichen der Zeit

Signum
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Mit „Signum“ hat John Ajvide Lindqvist den zweiten Band der „Stormland“ – Trilogie vorgelegt. Man muss den ersten Band nicht gelesen haben, um die Handlung zu verstehen, da der Autor alles Wichtige ...

Mit „Signum“ hat John Ajvide Lindqvist den zweiten Band der „Stormland“ – Trilogie vorgelegt. Man muss den ersten Band nicht gelesen haben, um die Handlung zu verstehen, da der Autor alles Wichtige zusammenfasst. Der Auftaktband – „Refugium“ gefiel mir gut, obwohl es sich bei der Reihe im Kern um ein „Millenium“ - Retelling handelt. Da der Autor nicht auserkoren wurde, um eine Fortsetzung des Originals zu fabrizieren (der Erfolg & Tantiemen sind vorprogrammiert), machte er aus der Not kurzerhand eine Tugend. Die Protagonisten Kim Ribbing und Julia Malmros sind Salander & Blomquist mit „vertauschten“ Geschlechtern. Ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen.
Dr. Martin Rudbeck ist eine Art skandinavischer Josef Mengele. Im zweiten Teil der Reihe will der Hacker Kim endlich Antworten – er hat seinen Peiniger aus Kindertagen entführt. Seine Freundin, die Expolizistin Julia, ermittelt wieder. Aber sie wird auch von Selbstzweifeln geplagt – hat die Beziehung zu dem sehr viel jüngeren Kim überhaupt eine Zukunft? Und kann sie Beruf & Privatleben trennen, muss sie Kim verraten?
„Signum“ ist in meinen Augen ein typischer Mittelband (mit den üblichen Schwächen). Der Roman ist nicht ganz so fesselnd wie der actionreiche Auftaktband, es gibt leider auch Längen in der Erzählung. Die Figuren agieren stellenweise „out of character“, das irritierte mich beim Lesen, wobei mir die Intention des Autors klar war, es ging darum, die Protagonisten menschlich und verletzlich zu präsentieren. Der Thriller ist nichts für schwache Nerven, dies war mir jedoch schon vor Beginn der Lektüre bekannt. Die Story ist mal wieder am Puls der Zeit – die sozialkritischen Ansätze des Autors fand ich spannend, wobei die kaum camouflierte Kritik an rechtsextremen Parteien nicht überrascht. Sehr viel gelungener fand ich die Entzauberung der Götter in Weiß, das Anprangern von institutionalisiertem Machtmissbrauch. Auch die Implementierung einer metafiktionalen Ebene kann überzeugen.
Insgesamt habe ich die Handlung mit Interesse verfolgt, „Signum“ habe ich trotz kleiner Schwächen gern gelesen. Nun bin ich gespannt auf den letzten Band der Trilogie.



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Veröffentlicht am 31.07.2024

Eine Reise ins GLÜCK

Die Sommer mit ihm
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Vorab:

Die Umschlaggestaltung des Romans lädt zum Träumen ein, das Cover macht richtig Lust auf’s Lesen!

" Das Bild lässt mich nicht mehr los, sogar in meinen Träumen werde ich in diese Strandszene versetzt.“

Sophie ...

Vorab:

Die Umschlaggestaltung des Romans lädt zum Träumen ein, das Cover macht richtig Lust auf’s Lesen!

" Das Bild lässt mich nicht mehr los, sogar in meinen Träumen werde ich in diese Strandszene versetzt.“

Sophie „Soph“ hat es nicht leicht – sie muss Abstand von ihrem toxischen Exfreund gewinnen, außerdem trauert sie um ihre verstorbene Mutter, die als Künstlerin tätig war. Eines der Gemälde der Mutter gilt als verschollen; Recherchen führen Sophie indes nach Griechenland, in den kleinen Küstenort Methoni. Die Herzlichkeit der Menschen tut der jungen Britin so gut, dass sie sogar offen für eine neue Liebe ist, der fesche Fischer Theo angelt sich das Herz der Engländerin. Doch es gibt einige Hindernisse auf dem Weg zum Glück …

„Die Sommer mit ihm“ ist eine nette Urlaubslektüre, allerdings sollte man keine locker – flockige, primär heitere Geschichte (nach Art einer Sophie Kinsella) erwarten. Es gibt auch ernste Untertöne und dramatische Passagen, glücklicherweise aber keinen reinen Problemplot wie bei Emily Henry. Eine Ich-Erzählerin führt durch das Geschehen, daher hat man als Leserin das Gefühl, hautnah dabei zu sein, andererseits bringt diese Erzählperspektive gewisse Einschränkungen mit sich, leider auch Wiederholungen. Mir gefiel Emma Cowells Stil einigermaßen gut – die farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen lassen perfektes Ferienfeeling aufkommen, kulinarische Köstlichkeiten machen Appetit. Die Figurenzeichnung fand ich insgesamt auch okay, obwohl die eine oder andere Charakterisierung doch etwas schematisch war (die frankophone Agentin etwa); manche Erzählelemente fand ich unlogisch.

Der Handlungsverlauf ist (wie könnte es in diesem Genre anders sein) natürlich einigermaßen vorhersehbar, mich hat das happy ending aber nicht gestört, zumal der positive Abschluss der Erzählung ein gutes Gegengewicht zu Themen wie Gewalt & Infertilität bietet.

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