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Veröffentlicht am 16.10.2023

„Das Buch flüstert nicht, verführt nicht. Es verspricht nichts.“

Das Buch Eva
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„Sofort muss ich daran denken, dass ich Sophia einmal gefragt habe, warum die Kurie Ovids Metamorphosen verboten hat, ein Werk, das nicht mehr Liebe oder Heidentum enthält als die Aeneis, was ...

„Sofort muss ich daran denken, dass ich Sophia einmal gefragt habe, warum die Kurie Ovids Metamorphosen verboten hat, ein Werk, das nicht mehr Liebe oder Heidentum enthält als die Aeneis, was sie ja zugelassen hat.“

Geschichten rund um das sagenumwobene Voynich – Manuskript mag ich sehr gerne. Daher war klar, dass Meg Clothiers „Das Buch Eva“ auf meine Leseliste wandert. Es geht in dem Roman um ein geheimnisvolles, schwer umkämpftes Buch, das von der Klosterbibliothekarin Beatrice beschützt wird (sie ist die Ich-Erzählerin). Handlungsort ist wohl Italien, zeitlich wird die Epoche der Renaissance abgedeckt. Vor der Lektüre hatte ich eine vielschichtige Geschichte wie Ecos „Der Name der Rose“ erwartet, ich dachte an einen historischen Kriminalroman und an ein philosophisches Traktat. Clothier präsentiert jedoch einen Genremix, der durch seine Fantasyanteile eher an Deborah Harkness‘ „Seelen der Nacht“ – Reihe erinnert (Harkness hat sich als Professorin auch mit dem Voynich-Manuskript beschäftigt und den Mythos rund um das Schriftstück ebenfalls literarisch verarbeitet).

Die Erzählperspektive gefiel mir richtig gut, und die Exposition ist mehr als mitreißend, da eines Nachts zwei schwerverletzte Frauen vor den Klostermauern gefunden werden, die der ebenso klugen wie resoluten Beatrice ein Schriftstück anvertrauen. Leider kann Meg Clothier das anfängliche Erzähltempo nicht halten, daher kommt es zu Längen in der Erzählung, die Figurenzeichnung ist dennoch sehr interessant. Die blumige Sprache (beziehungsweise die deutsche Übersetzung) klang für die beschriebene Zeit stellenweise zu modern, es gab aber auch Passagen, die mich zum Lachen brachten:

„Als ich den Fußboden in den Latrinen wische, wird mir klar, dass ich mit Mopp und Eimer so langsam bin wie Laura im Zusammensuchen der Bestandteile eines Ablativus absolutus.“ (S.231)

In seiner Quintessenz transportiert der Roman eine Kritik am Androzentrismus, an bestimmten Geschichtsbildern. Er feiert die Weiblichkeit und die Weisheit von Frauen, regt zum Nachdenken an. Die Grundidee der Geschichte ist gar nicht schlecht, ich hätte das Ganze als Autorin jedoch ein wenig gestrafft. Das wunderschön gestaltete Cover des Buches, welches sicher an die Voynich-Illustrationen erinnern soll, ist ein weiteres Plus. Schade, dass es sich bei der Publikation nicht um ein Hardcover handelt.

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Veröffentlicht am 01.08.2023

Oy Vey!

Shmutz
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Raizl ist eine junge Frau, die in Brooklyn lebt. Ihre Familie gehört zum orthodoxen Judentum, da sie einer chassidischen Sekte angehört, die eine strenge Glaubensauslegung praktiziert; verheiratete Frauen ...

Raizl ist eine junge Frau, die in Brooklyn lebt. Ihre Familie gehört zum orthodoxen Judentum, da sie einer chassidischen Sekte angehört, die eine strenge Glaubensauslegung praktiziert; verheiratete Frauen tragen Perücken, die Männer natürlich Bärte, Jarmulke und Hut.
Raizl arbeitet und geht auf’s College, während sich ihre Brüder (auch durch die finanzielle Unterstützung ihrer Schwester) in Vollzeit der Thora widmen können. Für das Studium der Buchhaltung und des Rechnungswesens macht ihr Vater eine Ausnahme, da er seiner Tochter mit Stipendium erlaubt, einen internetfähigen Computer zu besitzen. Leider wird Raizl süchtig nach Internetpornographie. Im Internet gibt es Frauen aller Formen und Farben, und die Studentin fühlt sich in gewisser Weise verstanden. Auch kann sie ihre verbotene Lust ausleben. Doch sie soll auch heiraten. Zunächst bringt das Jewish Matchmaking nicht den gewünschten Erfolg, und so vereinbart die Mutter der Protagonistin Termine bei einer Psychologin, die Diplome von der „New York University“ (sie hat mitnichten an einer Ivy League Uni ihren Abschluß gemacht) an der Wand hängen hat und im Gegensatz zu ihrer frommen Klientin nicht gläubig ist. Die Diagnose lautet schon bald: "Du passt also auch dann nicht rein, wenn Du keine Pornos schaust." (Pos.588)
Wird Raizl ihre Sucht überwinden und ihren Weg gehen, einen Partner finden?

Ehrlich gesagt kann ich nicht verstehen, wieso die LA Times den Roman „urkomisch“ findet. Vor der Lektüre hatte ich eine schwarzhumorige Geschichte erwartet, aber es gibt weder wirklich lustige Stellen noch einen comic relief. Wenn ein naives, isoliert lebendes Mädchen sich über „moderne“ Dinge wundert, ist das nicht witzig, sondern billig. Ein Plus: Felicia Berliners Stil liest sich eingängig, flott und flüssig, die jiddischen Einsprengsel (es gibt am Ende ein Glossar) sind super, allerdings kann ich nicht beurteilen, ob die Verwendung korrekt ist oder nicht, da ich keine Jüdin bin und auch keine Expertin für die Sprache /den Soziolekt. Die Protagonistin ist ein Charakter, für den man Sympathie entwickeln muss. Zu Beginn war ich aber ziemlich genervt, um ehrlich zu sein, da mir die Erzählung unterkomplex vorkam und die Figuren stereotyp sind (Raizls Eltern sind bigott und gefühlskalt). Same old, same old, dachte ich. Wie oft hat man beispielsweise die Psychologen/Patienten – „Schiene“ schon gelesen? Große Teile des Romans scheinen darauf ausgelegt zu sein, säkulare Lebensentwürfe zu glorifizieren und konservative (bzw.religiöse) Lebensformen zu verdammen. Unstrittig ist, dass die Geschichte durchweg eine Kritik am Patriarchat transportiert – Raizls Mutter scheint den male gaze und patriarchale Vorstellungen regelrecht verinnerlicht zu haben („Ihre Mutter hatte Raizls Sicht auf Avrums Sicht auf Raizl hören wollen.“). Manches fand ich recht plakativ präsentiert - Zu Beginn des Buches scheint sexpositiver Feminismus das Credo zu sein, natürlich wird die Critical Race Theory integriert und manche Sätze lesen sich wie aus dem „kleinen Einmaleins der Identitätspolitik“ kopiert. An Purim ist Raizls Bruder Yossi selig, „als er in Feiertagsstimmung vorgibt zu sein, was er nicht ist,“ aber die Verkleidung als Frau „das, was er wirklich ist“ ausdrückt. Insofern ist der Roman sehr ‚zeitgeistig‘, es ist auch von einem „geflüchtete[n] Schäfer“ die Rede, wobei im englischen Originaltext wohl nicht gegendert wird. Am College freundet sich die Protagonistin mit Leuten rund um das bisexuelle Goth-Mädchen Sam an, sie isst sogar Schweinefleisch und zunächst erscheint ihr die absolute Freiheit erstrebenswert, sie überlegt sogar, abzuhauen. Der Mittelteil der Geschichte ist deprimierend, und meine Laune war richtig im Keller, da Gewaltpornos in der Story vorkamen & als die Heldin zum Oralsex gezwungen wurde. Im letzten Drittel des Romans hat mich die Autorin dann positiv überrascht, da sie aufzeigt, dass auch das „moderne“ Leben für Frauen nicht die absolute Freiheit bedeutet, Pornographie wird kritisch betrachtet und nicht verherrlicht. Sie geht auch auf stereotype Vorstellungen über das orthodoxe Judentum ein (sehr löblich), aber ganz am Ende ist sie wieder am Anfang, da Raizl zwar nicht ausbricht, sich aber ein „Hintertürchen“ offenlässt. Ich habe vom Debut der Autorin, die unter dem Pseudonym „Felicia Berliner“ publiziert, insgesamt mehr erwartet.

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Veröffentlicht am 25.07.2023

Der etwas andere Sommerroman

Die Einladung
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„Das war es doch, was sie alle wollten, oder? Im Gesicht eines anderen Menschen pure Akzeptanz zu sehen.Eigentlich simpel, aber so selten, dass Leute es nicht von ihren Familien erfuhren, von ...

„Das war es doch, was sie alle wollten, oder? Im Gesicht eines anderen Menschen pure Akzeptanz zu sehen.Eigentlich simpel, aber so selten, dass Leute es nicht von ihren Familien erfuhren, von ihren Partnern, es sich suchen mussten bei jemandem wie Alex."

Wer erinnert sich an die Fernsehserie „O.C., California“ (im Original: “The O.C.“), in welcher die Figur Julie Cooper bereit war, alles zu tun, um nicht wieder im Trailer Park ihrer Kindheit zu landen?
Emma Clines Roman „Die Einladung“ geht von einer ähnlichen Prämisse aus. Ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen, die Handlung ist eher character – driven als plot- driven.

Worum geht’s?

Die 22jährige Opportunistin Alex ist die Gespielin reicher alter Amerikaner, scheint dies aber nur unter Tabletteneinfluss zu ertragen. Nach creepy Dom wechselt sie zum Fitnessfanatiker Simon. Altes Geld! Der Sommer in den Hamptons beginnt vielverheißend, bis Alex ungewollt Simons Luxusauto beschädigt & Simon sie daraufhin vor die Tür setzt. Die junge Frau, die qua Geburt mitnichten zur Upper Class gehört, traut sich nicht nach New York zurück. So lässt sie sich treiben und fiebert Simons Party entgegen, in der Hoffnung, die Wogen glätten zu können, bis es zur Katastrophe kommt…

„Die Einladung“ ist eine Sommerlektüre der etwas anderen Art. Das Luxusleben existiert nicht ohne Abgründe, es geht um Machtgefälle und Abhängigkeit, aber auch um Manipulation und darum, dass Menschen gerne glauben, was sie glauben wollen. Ein Raubtierkapitalismus durchdringt alle Bereiche des Lebens, Jugend & Schönheit werden gegen Geld eingetauscht, aber ist es ein fairer Handel? Der Spielplatz der Superreichen – die Hamptons – verliert in Emma Clines Roman seinen Glanz, ist alles nur Fassade? Die Protagonistin (die lügt und betrügt, wenn es nötig ist) ist eine ambivalente Figur, die sich nimmt, was sie will. Hält sie mit ihren Taten der feinen Gesellschaft den Spiegel vor? Ist ihr Lebensentwurf eine Notwendigkeit, ein Ausdruck der Selbstermächtigung oder pure Prostitution?
Dunkle Schatten liegen über den Hamptons. Die sommerliche Idylle wird in „Die Einladung“ (der englische Originaltitel „The Guest“ ist meines Erachtens treffender) entzaubert.

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Veröffentlicht am 11.07.2023

Geschmackssache

Die Wanderbühne
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In „Die Wanderbühne“ erzählt der kroatische Autor Zoran Ferić vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte (Südost)europas und Ex-Jugoslawiens von seiner Zagreber (multiethnischen)Familie. Das Ganze ...

In „Die Wanderbühne“ erzählt der kroatische Autor Zoran Ferić vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte (Südost)europas und Ex-Jugoslawiens von seiner Zagreber (multiethnischen)Familie. Das Ganze ist zugleich eine Chronik des 20. Jahrhunderts und auch eine Nationalismuskritik. Den Anfang fand ich noch ganz interessant, insgesamt zieht sich das Ganze in meinen Augen aber wie Kaugummi. Mir fehlt im Text beispielsweise der Hintersinn, wie er etwa in den Publikationen einer Dubravka Ugrešić (RIP) zu finden ist; dabei gibt es im Text durchaus sarkastisch-zynische Passagen und auch einen gewissen Galgenhumor. Manches klingt in meinen Ohren aber leider regelrecht schwülstig und abgedroschen, es ist etwa von einem Dekolleté die Rede, „wo die Brüste herausschauten, die erst am Sprießen sind und auf dem Weg zu den Brüsten eines erwachsenen Mädchens, […]“ oder auch von den Schuldgefühlen infolge „Jahrhunderten katholischer Erziehung“ (wie oft hat man diese Wendung schon gelesen?).

Eigentlich mag ich das Genre gern, „Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution“ von Bora Ćosić gehört zu meinen Lieblingsromanen.

„Die Wanderbühne“ ist sicher eine lesenswerte Familiensaga, mich konnte der in Teilen autobiographische Roman aber nicht richtig „packen“, stilistisch und sprachlich ist Zoran Ferić wohl einfach nicht mein Fall.

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Veröffentlicht am 09.07.2023

„Noch nie waren Sparsamkeit und Vernunft so romantisch gewesen.“

Eine Lady hat die Wahl
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Vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der „Lady’s Guide“ –Serie von Sophie Irwin gelesen.
Mit „Wie man sich einen Lord angelt“ hatte die Autorin den Auftaktband zu einer Regency – Romance ...

Vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der „Lady’s Guide“ –Serie von Sophie Irwin gelesen.
Mit „Wie man sich einen Lord angelt“ hatte die Autorin den Auftaktband zu einer Regency – Romance – Reihe vorgelegt. Die Geschichte rund um Katherine „Kitty“ Talbot fand ich ganz amüsant. Nun ist der Folgeband ins Deutsche übertragen worden. Wenn man bedenkt, dass Irwin anfangs aus „Persuasion“ zitiert, wird klar, an welchem Vorbild sich „Eine Lady hat die Wahl“ orientiert.
Das Endergebnis erinnert aber eher an „Bridgerton“ als an Jane Austen (oder an Georgette Heyer). Regency Era meets Wokeness?
„Eine Lady hat die Wahl“ spiegelt den Zeitgeist, es gibt eine Dreiecksbeziehung und auch ein gleichgeschlechtliches Liebespaar.

Worum geht’s?

Die Protagonistin wird zunächst als Kind ihrer Zeit eingeführt, welches den gesellschaftlichen Erwartungen entsprach, indem es eine Vernunftehe einging.
Als die unsichere Eliza Balfour unverhofft ein Vermögen erbt (nie hätte sie gedacht, dass ihr distanzierter Ehemann Lord Somerset, der immerhin zwanzig Jahre älter als sie war, sie als Haupterbin einsetzen würde), stehen ihr theoretisch alle Türen offen, die Erbschaft ist jedoch an gewisse Bedingungen geknüpft. Daher entschließt sich die schüchterne junge Frau dazu, mit ihrer Cousine Margaret nach Bath zu reisen. Als der offene Landauer mit einer anderen Kutsche kollidiert, lernt sie den berüchtigten Max Melville kennen, der ihr schon bald den Hof machen soll. Doch es gibt da noch den jungen Lord Somerset, Elizas Jugendliebe. Für welchen Mann wird die Heldin sich entscheiden? Oder entscheidet sie sich am Ende gar für sich selbst?
Wenn Figuren einer längst vergangenen Ära sich wie Menschen des 21. Jahrhunderts verhalten, ist dies ahistorisch. Wenn ich eine moderne Geschichte lesen will, greife ich in der Regel nicht zu einem historischen (Liebes)roman. Ich hätte mir auch eine filigranere Figurenzeichnung gewünscht, dann hätte ich mit den Helden richtig mitfiebern können. Als Autorin hätte ich den plot gestrafft, noch mehr Witz und Tempo wären auch nicht schlecht gewesen, obwohl die story ganz unterhaltsam ist. Die Wortgefechte, die sich Eliza und Lord Melville liefern, verleihen der Erzählung Würze.

Fazit:
„Eine Lady hat die Wahl“ kommt leider nicht ganz an „Wie man sich einen Lord angelt“ heran. Der zweite Band einer Reihe ist aber eine nette Lektüre für Zwischendurch.

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