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Veröffentlicht am 07.07.2019

Ferien in Yorkshire

Bell und Harry
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Im Mittelpunkt von Jane Gardams Roman “Bell und Harry“ steht die Freundschaft zwischen zwei Jungen. Bell Teesdale und Harry Bateman werden als Kinder Freunde, seit die Batemans aus London Jahr für Jahr ...

Im Mittelpunkt von Jane Gardams Roman “Bell und Harry“ steht die Freundschaft zwischen zwei Jungen. Bell Teesdale und Harry Bateman werden als Kinder Freunde, seit die Batemans aus London Jahr für Jahr im ländlichen Yorkshire ein Bauernhaus mieten. Anfangs sind die Gegensätze zwischen den Städtern und den Bauern und Schafzüchtern aus der Region groß, aber allmählich werden nicht nur die Kinder Freunde. Die Jungen erleben zum Teil gefährliche Abenteuer, z. B. in einer still gelegten Silbermine oder im eisigen Schneesturm bei einem Fahrradausflug. Wer die Faszination dieser Landschaft mit ihren Sagen und Bräuchen und der langen Geschichte von Invasoren erfahren hat, kommt immer wieder zurück oder bleibt wie Poppet, Tochter einer namenlosen prominenten Londonerin, die hier als 11jährige einige Tage verbringt, danach immer wieder zurückkehrt und schon beim ersten Treffen beschließt, sechs Jahre später Harry Teesdale zu heiraten und für immer zu bleiben.
Die Autorin reiht neun Geschichten um die beiden Familien und andere Dorfbewohner aneinander. Sie decken einen Zeitraum von fast 30 Jahren ab und zeigen Bell und Harry auch im Erwachsenenalter. Gardams im Original unter dem Titel “The Hollow Land“ bereits 1981 veröffentlichtes Buch wurde mit dem Whitbread Book Award in der Kategorie Kinderbuch ausgezeichnet, wendet sich aber inzwischen an Leser jeden Alters. Das Buch ist humorvoll und mit großer Wärme geschrieben und zeigt, wie tief die Menschen in ihrer Heimat verwurzelt sind und das schon seit Generationen. “Bell und Harry“ macht alle Fans von Gardams berühmter Trilogie um den Richter Edward Feathers mit dem lohnenden Frühwerk der Autorin bekannt. Ein schönes kleines Buch.

Veröffentlicht am 02.07.2019

Ein neuer Fall für Leander Lost

Weiße Fracht
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Mit „Weiße Fracht“ legt Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt den dritten Roman um den deutschen Polizisten Leander Lost aus Hamburg vor, der für ein Jahr in Fuseta an der Algarve tätig ist. Lost ist ...

Mit „Weiße Fracht“ legt Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt den dritten Roman um den deutschen Polizisten Leander Lost aus Hamburg vor, der für ein Jahr in Fuseta an der Algarve tätig ist. Lost ist ein Asperger-Autist und hatte es nicht leicht – in seiner Kindheit und Jugend genauso wenig wie bei der Hamburger Polizei. In Fuseta hat er jedoch in der Sub-Inspektorin Graciana Rosado und ihrem Kollegen Carlos Esteves verständnisvolle Kollegen gefunden, die seine Eigenheiten akzeptieren und seine ganz besonderen Fähigkeiten zu schätzen wissen. Zudem hat er sich in Gracianas Schwester Soraia verliebt, was ihn noch zusätzlich an sein neues Umfeld bindet.
In Fuseta ist der deutsche Aussteiger Uwe Ronneberg ermordet worden. Es scheint Verbindungen zu zwei ungelösten Fällen auf der anderen Seite der Grenze zu geben. Dann passiert ein weiterer Mord, und der Fall weitet sich aus. Da sehen auch die beiden deutschen Polizisten Manz und Muhrmann, die der Hamburger Polizeipräsident zur Unterstützung an die Algarve geschickt hat, nicht klarer. Ausgerechnet Leander Lost steuert die entscheidenden Hinweise bei und sichert sich einen festen Platz im portugiesischen Team.
Der neue Krimi von Ribeiro lebt von der gelungenen Charakterzeichnung und dem portugiesischen Ambiente, das der Autor so sehr schätzt. Als Leser möchte man nach der Lektüre auch gern Land und Leute kennenlernen. Der Roman besticht außerdem durch viele humorvolle Szenen, die uns die Besonderheiten eines Asperger-Autisten näherbringen. Ein sehr empfehlenswerter Krimi.

Veröffentlicht am 22.06.2019

Wer steckt hinter den Morden von Orphea?

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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Fans von Joel Dicker haben den neuen Roman “Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ sicherlich schon mit Spannung erwartet. Die Handlung spielt sich im beschaulichen Ort Orphea in den Hamptons an der Ostküste ...

Fans von Joel Dicker haben den neuen Roman “Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ sicherlich schon mit Spannung erwartet. Die Handlung spielt sich im beschaulichen Ort Orphea in den Hamptons an der Ostküste ab. Am Tag der Eröffnung des ersten Theaterfestivals im Jahr 1994 werden Bürgermeister Gordon, seine Frau und sein Sohn sowie eine Joggerin ermordet. Der Fall wird von den beiden jungen Ermittlern Jesse Rosenberg und Derek Scott bearbeitet. Alle Indizien deuten auf einen Täter, der allerdings bei der Flucht vor der Polizei ums Leben kommt. Zwanzig Jahre später konfrontiert die Journalistin Stephanie Mailer Rosenberg bei seiner Verabschiedung mit ihrer Überzeugung, dass er sich mit dem Täter geirrt habe. Wenig später ist sie unauffindbar und wird nach ein paar Tagen ermordet aufgefunden. Die Akte wird wieder geöffnet und Rosenberg und Scott ermitteln erneut zusammen mit der jungen Polizistin Anna Kanner.
Auf fast 670 Seiten werden immer neue, meist falsche Spuren verfolgt, und es zeigt sich, dass unter der scheinbar intakten Oberfläche alles anders ist als vermutet. Es kommen weitere Menschen ums Leben, von denen einige indirekt mit dem Fall zu tun haben. Vielleicht wussten sie etwas, und der Täter fühlte sich bedroht. Nicht nur die Zeitebene wechselt in den kurzen Kapiteln ständig, sondern auch die Erzählperspektive. Mal erfährt der Leser die Sicht verschiedener Ich-Erzähler, mal berichtet ein auktorialer Erzähler. Das macht die Lektüre etwas mühsam und mindert die Spannung. Ich finde die Geschichte einigermaßen verwirrend, um nicht zu sagen stellenweise wirr. Auf die Frage, ob er vor Beginn des Schreibens einen Plot erarbeitet, antwortete der Autor in einem Interview “Mein Plot ist nicht zu plotten.“ Das glaube ich ihm aufs Wort.
Joel Dickers “Die Geschichte der Baltimores“ hat mir noch gut gefallen. Von dem neuen Roman bin ich eher enttäuscht.

Veröffentlicht am 16.06.2019

Frauen, wehrt euch

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Faye und Jack Adelheim scheinen ein rundherum glückliches Paar zu sein, verkehren unter den Reichen und Schönen und haben eine kleine Tochter namens Julienne. Der Roman beginnt fast mit dem Endpunkt ...

Faye und Jack Adelheim scheinen ein rundherum glückliches Paar zu sein, verkehren unter den Reichen und Schönen und haben eine kleine Tochter namens Julienne. Der Roman beginnt fast mit dem Endpunkt einer Entwicklung. Julienne ist spurlos verschwunden, und Jack wird verdächtigt. Hat er seine eigene Tochter umgebracht?
In vielen Rückblenden wird die Vergangenheit nachgeholt: wie Jack und Faye sich kennenlernen und die erste glückliche Zeit. Faye ordnet sich völlig unter, will in allem ihrem Mann gefallen, der sie immer schlechter behandelt und seine Verachtung offen zeigt. Dabei hat Faye, die ursprünglich Matilda hieß und ihren alten Namen zugunsten eines kompletten Neubeginns in Stockholm abgelegt hat, für Jack ihr Studium abgebrochen und jeden Gedanken an eine eigene Karriere aufgegeben. Ihren Beitrag zum erfolgreichen Unternehmen Compare leugnen sowohl Jack als auch sein Freund Henrik. Erst als sie gnadenlos ausgebootet und mittellos zurückgelassen wird, besinnt sich Faye auf ihre Stärke, die sie in ihrer schweren Kindheit in Fjällbacka gebraucht hat, um zu überleben. Darüber spricht sie nicht, das darf niemand wissen. Auch der Leser wird nach zahlreichen Hinweisen auf Geheimnisse und Fayes dunkle Seite erst spät darüber informiert, was damals geschah.
Der Roman liest sich nicht schlecht, ist aber in seinen negativen Porträts fast aller Männer sehr düster und teilweise recht einseitig. Jack ist ein so monströses Scheusal, dass er schon wieder unrealistisch wirkt. Allerdings ist auch Faye keine Unschuldige, die das Gute verkörpert. Ihre ausgeklügelte Rache zeigt, dass es auch für sie letztlich keine Grenzen gibt, keine ihr Handeln bestimmenden moralischen Prinzipien. Sie kämpft in einem Haifischbecken ums Überleben und will anderen Frauen helfen, es ihr gleichzutun. Was ist also die Botschaft dieses ersten Psychothrillers einer Autorin, die wir bisher nur aus ihrer Krimiserie kennen? Keine Frau sollte sich einem Mann bis zur Selbstaufgabe unterordnen und sich klein machen, um dem Partner zu gefallen. Materieller Wohlstand hat einen zu hohen Preis, und eine solche Beziehung ist dennoch zum Scheitern verurteilt, wie Läckberg überzeugend darlegt.

Veröffentlicht am 16.06.2019

Unfall oder Mord

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
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In Dolores Redondos Roman “Alles was ich dir geben will“ steht ein homosexuelles Paar im Mittelpunkt. Eines Tages teilt die Polizei dem Schriftsteller Manuel Ortigosa mit, dass sein Mann Alvaro ...

In Dolores Redondos Roman “Alles was ich dir geben will“ steht ein homosexuelles Paar im Mittelpunkt. Eines Tages teilt die Polizei dem Schriftsteller Manuel Ortigosa mit, dass sein Mann Alvaro in Galicien bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Ortigosa war der Überzeugung, dass sich sein Partner geschäftlich in Barcelona aufhielt. Er fährt sofort nach Galicien und erfährt eine Menge Dinge, von denen er nichts wusste. Alvaro stammte aus einer reichen adligen Familie und war vor dem Tod des Vaters zum Alleinerben eingesetzt worden – trotz der Spannungen, die es in der erzkonservativen Familie natürlich wegen seiner Homosexualität gab. Seitdem führte Graf Alvaro Muniz de Dávila die Geschäfte und hielt das Familienvermögen zusammen.
Von Anfang an äußern ein Kommissar und die Gerichtsmedizinerin Zweifel an der offiziellen Todesursache. An den folgenden Ermittlungen beteiligen sich nicht nur Manuel Ortigosa, sondern auch der Priester Lucas, ein Freund von Alvaro und seinem Bruder Santiago. Es gibt weitere Tote. Alles hängt zusammen. Im Laufe der Zeit kommen immer mehr Intrigen und Geheimnisse ans Licht, die zeigen, wie weit einige Mitglieder dieser Familie zu gehen bereit sind, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Für Ortigosa ist es tröstlich, dass sein Partner ihn nicht hintergangen hat, sondern die Familiengeheimnisse aus gutem Grund gewahrt hat.
Redondo ist ein spannendes, sehr lesbares Porträt einer Gesellschaftsschicht gelungen, eingebettet in eine ganz besondere Landschaft. Mir hat der Roman sehr gut gefallen