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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2020

Ein Unbestechlicher sorgt für Gerechtigkeit

Pandora
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Mit "Pandora" legt das Autorenteam Amber & Berg seinen Erstlingsroman vor, der 1948 in Berlin spielt. Die geteilte Stadt liegt in Trümmern, und überall herrscht Not. Seit kurzem hat die Mordinspektion ...

Mit "Pandora" legt das Autorenteam Amber & Berg seinen Erstlingsroman vor, der 1948 in Berlin spielt. Die geteilte Stadt liegt in Trümmern, und überall herrscht Not. Seit kurzem hat die Mordinspektion mit Hans-Joachim Stein einen neuen Kommissar, der bei Scotland Yard ausgebildet wurde und nun mit seinem Kollegen Max Wuttke unter dem Vorgesetzten Carl Krüger im Mordfall Braunke ermitteln soll. Braunke war der stadtbekannte Schieberkönig, dessen Leiche im Bordell Pandora aufgefunden wurde. Zuvor hatte Stein schon einen Blick in die Akte zu dem offensichtlich nicht gelösten Fall von fünf toten Frauen werfen können, den er nicht bearbeiten darf. Für seinen Vorgesetzten ist der Fall abgeschlossen, ein Kollateralschaden, wie er zu Kriegszeiten eben passiert. Die beiden Ermittler, die sich anfangs nicht gut verstehen, weil sowohl Wuttke als auch sein Vorgesetzter Stein mit viel Misstrauen begegnen, werden bei ihrer Arbeit behindert und ständig kontrolliert. Dann passieren weitere Morde. Für Stein wird schnell deutlich, dass diese Taten mit in der Nazizeit begangenen Verbrechen zusammenhängen und dass die Aufklärung dieser Fälle das Ansehen der Opfer ruinieren würde.

“Pandora“ ist ein gut lesbarer, spannender Krimi, der viele gut recherchierte Hintergrundinformationen zur Nachkriegszeit bietet. Er macht vor allem nicht nur deutlich, wie sehr die Menschen durch Nazizeit und Krieg beschädigt sind, sondern auch, dass viele Täter unentdeckt blieben und noch immer im Amt sind, weil andere sie decken. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, und ich bin auf die Fortsetzung gespannt.

Veröffentlicht am 28.03.2020

Blick in menschliche Abgründe

Sommer bei Nacht
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Jan Costin Wagners neuer Roman “Sommer bei Nacht“ ist der Auftakt einer neuen Serie mit anderen Schauplätzen und den Wiesbadener Ermittlern Ben Neven und Christian Sandler. Sie übernehmen den Fall des ...

Jan Costin Wagners neuer Roman “Sommer bei Nacht“ ist der Auftakt einer neuen Serie mit anderen Schauplätzen und den Wiesbadener Ermittlern Ben Neven und Christian Sandler. Sie übernehmen den Fall des 5jährigen Jannis, der bei einem Schulfest spurlos verschwindet. Es gibt keine Lösegeldforderungen und lange Zeit keine brauchbaren Hinweise. Die Polizei hat lediglich verschwommene Bilder einer Überwachungskamera, die einen Unbekannten mit dem Jungen zeigen, der einen Teddy trägt. Genauso ein Teddy ist auf einem Flohmarkttisch zurückgeblieben und liefert DNA-Spuren. Ohne Abgleich hilft aber auch dies nicht weiter. Dann stellt sich heraus, dass es einen ähnlich gelagerten Fall in Österreich gab, wo ein Jahr zuvor ein Junge verschwand. Der Fall wurde nie gelöst. Die Ermittler tappen so lange im Dunkeln, bis Christian Sandler die Geschichte einer Obdachlosen mit dem aktuellen Fall verknüpft.
Wagner erzählt in vielen kurzen Abschnitten aus vierzehn ständig wechselnden Perspektiven. Der Leser kennt den Entführer von Jannis von Anfang an, aber das ist nicht die ganze Geschichte. Der auch sprachlich ungewöhnlich ausgefeilte Roman behandelt eine sehr aktuelle Thematik und gewährt Einblick in seelische Abgründe. Er thematisiert Schuld und Unschuld und zeigt, wie die Betroffenen durch Verlust, Schmerz und Trauer traumatisiert werden. Dass ein Ermittler mit pädophilen Neigungen beteiligt ist, macht den Roman noch zusätzlich brisant. Der Leser fragt sich, wie das weitergehen soll. Wird der Ermittler irgendwann selbst zum Täter?
Mir hat der überaus spannende Roman sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 22.03.2020

Spuk auf dem Landsitz

Die stummen Wächter von Lockwood Manor
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Jane Healeys Roman “Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ setzt 1939 ein. Die junge Museumsangestellte Hetty Cartwright begleitet die Abteilung für Säugetiere des Londoner Naturkundemuseums, als diese ...

Jane Healeys Roman “Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ setzt 1939 ein. Die junge Museumsangestellte Hetty Cartwright begleitet die Abteilung für Säugetiere des Londoner Naturkundemuseums, als diese auf ein Landgut außerhalb ausgelagert wird, um die wertvollen Exponate vor den erwarteten deutschen Bomben zu schützen. Lord Lockwood hat einen Teil seines Hauses zur Verfügung gestellt. Hetty merkt jedoch sofort, dass weder sie noch ihre Schützlinge dort willkommen sind. Das Personal begegnet ihr mit Ablehnung, ja sogar unverhohlenem Hass, und der arrogante Lord lässt keine Gelegenheit aus, sie zu demütigen. Schon in der ersten Nacht verschwindet der Jaguar. In vielen anderen Nächten werden Tiere umgesetzt oder beschädigt. Auch Motten, Mäuse und Füchse von draußen greifen die ausgestopften Tiere an, die Hettys einziger Trost sind. Außerdem sind nachts immer wieder Schreie zu hören, und schemenhafte Gestalten huschen über dunkle Flure. Nur Lucy, die etwa gleichaltrige Tochter des Lords, begegnet Hetty freundlich. Beide Frauen haben jedoch eine Geschichte psychischer Störungen aufgrund einer unglücklichen Kindheit und leiden unter Albträumen. Auch Lucys ein Jahr zuvor verstorbene Mutter galt als geisteskrank. Lucy und Hetty entwickeln Gefühle für einander – der einzige Lichtblick in einer insgesamt sehr düsteren Geschichte. Zu der unangenehmen Situation im Haus kommt die Bedrohung von außen. Der Luftkrieg hat begonnen, kriegstaugliche Männer werden eingezogen, und Lockwood Manor muss mit immer weniger Personal auskommen.

Dieser an äußerer Handlung arme Roman steht in der Tradition des englischen Schauerromans (gothic novel), einem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen Genre, das sich bis ins 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es in einem Roman des 21. Jahrhunderts tatsächlich spukt, oder ob es für die übernatürlichen Phänomene am Ende eine logische Erklärung gibt. Der Autorin geht es darum, eine Wortkulisse zu schaffen, die dem Leser die wachsende Bedrohung von innen und außen verdeutlicht. Das gelingt ihr hervorragend, unter anderem durch vielfache Wiederholung. Alles steuert auf eine Katastrophe zu. Werden Hetty und Lucy überleben?

Ich fand den Roman nicht besonders spannend, weil auf fast 380 Seiten einfach zu wenig passiert, finde aber schon, dass er durch seine atmosphärische Dichte überzeugt.

Veröffentlicht am 07.03.2020

Es ist nie zu spät, sein Leben zu ändern

Was wir sind
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In Anna Hopes Roman „Was wir sind“ stehen drei Frauen im Mittelpunkt. Cate und Hannah kennen sich seit der Schulzeit und waren da nicht immer Freundinnen, sondern auch Rivalinnen um die besten Ergebnisse ...

In Anna Hopes Roman „Was wir sind“ stehen drei Frauen im Mittelpunkt. Cate und Hannah kennen sich seit der Schulzeit und waren da nicht immer Freundinnen, sondern auch Rivalinnen um die besten Ergebnisse in der Schule und später an der Universität. Mit Lissa leben sie als Studentinnen in einer Wohngemeinschaft zusammen und genießen ihr Leben in London. Ein paar Jahre später ist die turbulente Zeit des unbeschwerten Glücks vorbei. Hannah hat zwar einen guten Job und ist mit einem Mann, den sie liebt, verheiratet, ist aber todunglücklich wegen ihrer Kinderlosigkeit. Cate leidet an einer postnatalen Depression. Der ständige Schlafentzug, verursacht durch Baby Tom, bringt sie an den Rand des Zusammenbruchs. Lissa träumt von einer Schauspielkarriere und bekommt kaum Angebote. Sie überlebt mit mehreren Nebenjobs und hat das Ende ihrer Beziehung mit Freund Declan noch nicht überwunden. Alle drei befinden sich mitten in einer Krise und müssen sich neu orientieren.
Die Autorin erzählt ihre Geschichte mit ständig wechselnder Perspektive und zahllosen Zeitsprüngen, eine Erzählstruktur, die dem Leser volle Konzentration abverlangt. Es ist eine sehr kluge Geschichte, die die Leser und Leserinnen ihr eigenes Leben hinterfragen lässt. Jedem wird im Laufe der Zeit bewusst, dass die Erwartungen der frühen Jahre sich nicht erfüllen, dass Pläne aus unterschiedlichen Gründen nicht realisiert werden können. Lissas Mutter Sarah, eine Malerin, die immer an vorderster Front für feministische Ziele gekämpft hat, macht ihrer Tochter zum Vorwurf, dass sie das von der Generation der Mütter Erreichte nicht für sich umgesetzt hat, aber Scheitern liegt ja nicht nur an persönlichen Fehlentscheidungen, sondern auch am gesellschaftlichen Umfeld und immer noch auch an der Geschlechtszugehörigkeit. Die Autorin vermittelt die tröstliche Botschaft, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern. Wir dürfen nur nicht resignieren, sondern müssen auch in scheinbar ausweglosen Situationen bereit sein, einen neuen Anfang zu machen. Immer wieder betont die Autorin außerdem, dass es wichtig ist, an unseren Freundschaften festzuhalten, selbst wenn es auch da Enttäuschungen gibt.
Mir hat der einfühlsam erzählte, berührende Roman gut gefallen und ich empfehle ihn weiter.

Veröffentlicht am 07.03.2020

Das gelobte Land gibt es nicht

Eine fast perfekte Welt
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In Milena Agus´ neuem Roman geht es um mehrere Generationen einer sardischen Familie und ihre Freunde und Bekannten. Im Mittelpunkt steht Ester mit ihrem Ehemann Raffaele, später Tochter Felicia mit ihrem ...

In Milena Agus´ neuem Roman geht es um mehrere Generationen einer sardischen Familie und ihre Freunde und Bekannten. Im Mittelpunkt steht Ester mit ihrem Ehemann Raffaele, später Tochter Felicia mit ihrem Dauerverlobten Sisternes und noch später deren Sohn Gregorio. Sie alle sind auf der Suche nach dem gelobten Land, einem Leben in einer perfekten Welt und müssen einsehen, dass eine bloße Ortsveränderung nicht reicht, um glücklich zu werden, weil es das gelobte Land vielleicht gar nicht gibt. Marianna, Felicitas Vermieterin in Cagliari, formuliert schließlich die Erkenntnis: „Die Menschen haben im Grunde nur die Wahl, von einem Ort, wo es ihnen schlecht geht, an einen anderen Ort zu wechseln, wo es ihnen genauso schlecht geht.“ (S. 109). Die Autorin vermittelt jedoch die Überzeugung, dass jeder die Möglichkeit für ein glückliches Leben in sich trägt. Allerdings ist der Weg dorthin schwierig. Die Frauen der Geschichte machen besonders negative Erfahrungen in ihren Beziehungen, lieben und werden nicht wiedergeliebt. Männer verlieren die geliebte Partnerin und finden sich danach nur mühsam im Leben zurecht. Es sind zum Teil sehr traurige Schicksale, die die Autorin in diesem Roman erzählt. Es gibt dennoch einen hoffnungsvollen Ausblick.
Die Suche nach dem gelobten Land ist jedoch nicht das einzige Thema dieses schmalen Bändchens. Die Autorin spricht auch aktuelle Themen an, wie zum Beispiel die Zerstörung der Natur, vor allem der sardischen Küstenregionen, zugunsten der touristischen Erschließung, die Vernichtung von Existenzen durch die Agrarreform oder die Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des christlichen Glaubens, Kommunisten oder den ewig Gestrigen, die immer noch Mussolini nachtrauern. Mehrfach beschäftigen sich Figuren mit der Frage, ob es sich lohnt, Gutes zu tun, oder ob ein guter Mensch lediglich ein naiver Schwächling ist.
Abschließend kann ich sagen, dass diese knappe Erzählung viel Material zum Nachdenken bietet und mir gut gefallen hat.