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Veröffentlicht am 28.02.2020

Faszinierend - ein sprachliches Meisterwerk

Das Evangelium der Aale
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Von der Sargassosee hinaus in die Welt. Patrik Svensson schwimmt in „Das Evangelium der Aale“ mit den Aalen und bringt dem Licht ins Dunkel um den wohl verkanntesten Fisch unserer Gewässer.

„Nie in seiner ...

Von der Sargassosee hinaus in die Welt. Patrik Svensson schwimmt in „Das Evangelium der Aale“ mit den Aalen und bringt dem Licht ins Dunkel um den wohl verkanntesten Fisch unserer Gewässer.

„Nie in seiner Kindheit war Patrik Svensson seinem Vater so nah wie beim Aalfischen. Als Erwachsener stellt er fest: Der Erinnerung an seinen Vater kommt er nicht auf die Spur, ohne nach dem Fisch zu suchen, der sie miteinander verband – und über den wir bis heute erstaunlich wenig wissen. Poetisch und spannend entwirft Svensson eine Natur- und Kulturgeschichte der Aale, von Aristoteles und Sigmund Freud über Günter Grass bis zu Rachel Carson, und verbindet sie mit seiner persönlichen Geschichte. Auf verschlungenen Wegen wird das Rätsel des Aals zum Bild für das Leben selbst. Und Das Evangelium der Aale zu einer großen, umwerfenden Erzählung über ein sonderbares Tier und ein Leben auf der Suche.“

Dies verspricht der Klappentext, doch ist diese groß angekündigte persönliche Verbindung Svenssons leider nicht viel mehr als „und dann war ich mit meinem Vater angeln und Mutter musste die Aale zubereiten“. Über weite Strecken relativ nichtssagend und langweilig. Ein Lückenfüller ohne echten Mehrwert für das Buch, schade, denn hier hätte für mich der absolute Pluspunkt stecken können.

Da die Kapitel aber nur teils Svensson und seinen Vater betreffen und die restlichen Kapitel sich einzig und allein dem Aal widmen, kann das Buch doch noch punkten. Mit unfassbaren Fakten, schlau und wortgewaltig geschrieben verbindet Svensson hier die Geschichte des Aals mit der der Menschen. Sowohl das enorme Wissen, dass hier zu einem (mir zuvor) weitgehend unbekannten Gebiet super anschaulich vermittelt wird ist dabei überraschend, manchmal schockierend und manchmal bringt es zum Schmunzeln. Aale, die sich nicht fortpflanzen können sondern einfach geschlechtslos aus dem Schlamm entstehen – tatsächlich eine sehr frühe Theorie zur Entstehung der Aale, die aus heutiger Sicht einfach nur noch amüsant wirkt. Das unschlagbare Highlight ist aber die Sprache. Gerade bei einem Sachbuch eine nahezu poetische Sprache vorzufinden, die derart geistreich mit den Worten spielt und so aus kleinen Details ein großes Ganzes schafft, ist außergewöhnlich. Ein sprachliches Meisterwerk!

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Veröffentlicht am 13.02.2020

Herzzerreißend, bleibt im Kopf

Nach Mattias
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Auf der Suche nach einer Erklärung, nach einem Grund, nach einem Weg hinweg zu kommen über das Unabänderliche. Peter Zantingh beschreibt in Nach Mattias wie der Tod Menschen nicht nur auf grausamste Weise ...

Auf der Suche nach einer Erklärung, nach einem Grund, nach einem Weg hinweg zu kommen über das Unabänderliche. Peter Zantingh beschreibt in Nach Mattias wie der Tod Menschen nicht nur auf grausamste Weise auseinanderreißt, sondern auch wie er auf wundersame Weise die verschiedensten Menschen verbindet.



Mattias ist Tod. Einfach so. Mitten aus dem Leben gerissen und dabei hatte er so große Pläne. Zurück lässt er seine Freundin Amber, Familie, Freunde und eine Menge Wegbegleiter und alle sind sich einig: Mattias war besonders. Frei, unbeschwert, enthusiastisch. Doch er ist fort und sie alle müssen weitermachen.



Als Leser*innen begleiten wir hier so viele unterschiedliche Menschen nach Mattias Tod, die unterschiedlicher nicht sein können. Nicht immer ist gleich offensichtlich, was sie mit Mattias verbindet, welchen Platz sie im Roman einnehmen werden, aber das macht die Spannung aus. Es fühlt sich an wie ein Puzzle, das Teil um Teil an Form gewinnt.

Zantingh schafft es ein derart schweres Thema so gut zu verpacken, dass die enorme Tragik zwar sofort ans Herz geht und mitfühlen lässt, aber dennoch ist das Buch nicht anders zu beschreiben als schon sein Klappentext verrät: „sensibel, klug und zutiefst menschlich“. Es liest sich leicht und schnell, aber bleibt lange im Kopf.

Man fühlt sich an die Hand genommen und langsam aus dem Dunkel geführt. Denn die Botschaft ist klar: Das Leben geht weiter und bei allem Schlechten, das wir erleben, können wir froh sein, wenn uns besondere Menschen ein Stück des Weges begleiten.

Für mich ein durch und durch bewegendes Buch, das jeder nachvollziehen kann, der selbst bereits getrauert hat. Sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Eine Maschine für alle Fälle

The Plus One - Sie baut sich Mr. Right einfach selbst
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Wer ist dieser Mister Right und wo bekommt man ihn her? Die Roboteringenieurin Kelly nimmt sich dieser Problematik in Sarah Archers Debütroman „The Plus One“ auf eine etwas andere Art und Weise an als ...

Wer ist dieser Mister Right und wo bekommt man ihn her? Die Roboteringenieurin Kelly nimmt sich dieser Problematik in Sarah Archers Debütroman „The Plus One“ auf eine etwas andere Art und Weise an als üblich.

Immer wieder klingelt Kellys Handy und wenn es das nicht tut, terrorisiert ihre Mutter sie stattdessen beim Familienessen. Der Grund: Kelly hat kein Date für die Hochzeit ihrer Schwester. Nachdem ihr der Druck zu viel wird beschließt sie ihre Situation mit dem was sie am Besten kann zu lösen und einen Roboter zu bauen. Und tatsächlich nach vielen Stunden harter Arbeit und einer scheinbar endlos langen Checkliste gelingt ihr eine täuschend echte Attrappe, die prompt bei ihr einzieht. Was Kelly nicht bedacht hat: wenn man sich den eigenen Mister Right baut, wie soll man sich dann nicht in ihn verlieben?

Sarah Archer ist mit ihrem Debüt direkt ein Volltreffer gelungen. Die Thematik ist jung, frisch, modern. Die Charaktere sympathisch, nachvollziehbar und herrlich unnormal ohne unrealistisch zu sein. Das Beste ist eine Powerfrau an vorderster Front, denn auch wenn Kelly mit einigen Selbstzweifeln zu kämpfen hat, ist sie furchtbar intelligent, ehrgeizig, eine wahre Macherin und dabei dennoch emotional und liebenswert. Eine Ingenieurin als Protagonistin! Wie oft gibt es das? Ich bin und bleibe absolut begeistert davon, wie dieser Roman Frauenpower zelebriert und es mal keinen Grund gibt auf den Ritter in schillernder Rüstung zu warten. Ihre Entwicklung im Laufe des Romans zu verfolgen macht einfach Spaß und so fliegen die Seiten nur so dahin.

Allerdings bietet das Ingenieurswesen natürlich weit komplexere Zusammenhänge als hier dargestellt. So baut Kelly einen perfekt menschlichen Roboter (an dem tausende Menschen vor ihr gescheitert sind trotz unzähliger Stunden Arbeit inklusive Kelly selbst) an einem Wochenende! Und er läuft fast fehlerfrei. Das war dass schon sehr romantisch betrachtet und klar wäre es im Rahmen eines Romans undenkbar jahrelange Tüfteleien zu beschreiben, aber ein Wochenende?

Abgesehen von diesem sehr unrealistischen Detail ist der Roman für mich ein Highlight, das sehr zu empfehlen ist. Leider konnte mich das Ende nicht überzeugen, aber das ist nur meine Meinung und bestimmt nicht für jeden der Fall.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Ein Wechselbad der Gefühle

Sweet Sorrow
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Einer der größten Dramatiker der Weltgeschichte und ein zielloser Sechszehnjähriger passen nicht zusammen? David Nicholls beweist im Coming-of-Age-Roman „Sweet Sorrow“, dass Klassiker und Moderne einfach ...

Einer der größten Dramatiker der Weltgeschichte und ein zielloser Sechszehnjähriger passen nicht zusammen? David Nicholls beweist im Coming-of-Age-Roman „Sweet Sorrow“, dass Klassiker und Moderne einfach zusammengehören.

Charlie ist ein ganz normaler Junge. Durch und durch nichts Besonderes. Das denkt zumindest er selbst. Nachdem er seine Abschlussprüfungen gründlich vermasselt hat, erwartet ihn ein langer Sommer voller trister Arbeit an der Tankstelle und dem draußen Herumlungern, auf der ständigen Flucht vor seinem depressiven Vater und seiner egozentrischen Mutter. Doch dann geschieht ein kleines Wunder. Fran. Als er der intelligenten, charismatischen Fran begegnet ist es sofort um ihn geschehen und der Sommer scheint doch nicht so übel zu werden. Doch hat Charlie die Rechnung ohne Fran gemacht, denn ihre Bedingung: Wenn Charlie Zeit mit ihr verbringen will muss er sich ihrer Theatergruppe anschließen und nicht geringeres spielen als Shakespeares „Romeo und Julia“.

David Nicholls hat eine unvergleichliche Art seine Figuren aufzubauen. Es wird nichts beschönt, keine unschönen Details ausgelassen und dennoch nicht auf die Tränendrüse gedrückt. Der Schreibstil ist wunderbar leichtgängig, unprätentiös und mit einer guten Portion trockenem, sarkastischem Humor.

Es ist eine tolle Idee den erwachsenen Charlie auf seinen besonderen Sommer zurückblicken zu lassen und so eine reflektierte Position des Geschehens zu erfahren, anstelle der Unbedachtheit eines Jugendlichen. Was dabei jedoch schade ist, ist dass dem erwachsenen Charlie bei Weitem nicht der Platz eingeräumt wurde, den der Klappentext suggeriert, was durchaus falsche Erwartungen wecken kann. Ich hätte mir hier mehr ausführlichere Wechsel zum gegenwärtigen Charlie gewünscht, um nicht nur kennenzulernen wer er war, sondern auch wer er ist.

Ich liebe die Verbindung zu Shakespeare, die sich durch den gesamten Roman zieht! Immer wieder fließen kleine Passagen aus „Romeo und Julia“ in die Story ein, ohne dass sie die Handlung zu sehr dominieren. Insgesamt sind die Passagen der Theatergruppe zu langatmig, was an der enormen Detailtiefe liegt, in der jede einzelne Situation beschrieben wird. Was an dieser Stelle teils von Nachteil ist, ist an anderer Stelle aber auf den Punkt und absolut nötig. So verdient Charlies komplizierte Familiensituation jedes Wort, ist sehr aufwühlend, bewegend und gibt dem Roman eine entscheidende Tiefe.

Insgesamt ist der Roman aber doch eher begleitet von einem Wechselbad der Gefühle. Die Idee ist großartig, die Sprache absolut perfekt getroffen, durch die teils langatmige Handlung und eine seltsame Gewichtung der Vergangenheit und Gegenwart bleibt aber ein unbefriedigendes Gefühl zurück.

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Veröffentlicht am 19.11.2019

Nette Annäherung an eine beeindruckende Persönlichkeit

Frida Kahlo und die Farben des Lebens
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Wer Interesse an den großen Frauen der Kunstwelt hat ist hier gut aufgehoben! Wie bereits die vorherigen (unabhängigen) Teile der Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ überzeugt Caroline Bernards ...

Wer Interesse an den großen Frauen der Kunstwelt hat ist hier gut aufgehoben! Wie bereits die vorherigen (unabhängigen) Teile der Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ überzeugt Caroline Bernards (Tania Schlie) mit einer Mischung historischer Fakten und bewegender Fiktion und mit welcher Künstlerin ginge das besser als mit Frida Kahlo höchstpersönlich.

Die zwei Fridas. Eines der charakteristischsten Bilder der weltberühmten Malerin. Wohl kein anderes Bild verbindet so gekonnt ihren steinigen Lebensweg mit der starken Persönlichkeit, die hinter dem Namen Frida Kahlo steht. Bereits auf den ersten Seiten erleben wir, wie eine schmerzgeplagte Frida den Pinsel zu einem ihrer berühmtesten Gemälde schwingt und in allen folgenden Seiten, wie es so weit kommen konnte.

„Du siehst zwar aus wie eine Blume, wie eine zarte, zerbrechliche Blüte, aber du bist nicht zerbrechlich. Du bist stark, genau wie sie, denn sie biegt sich im Wind, sie trotzt sogar dem Sturm.“ – Diego Rivera zu Frida Kahlo (S.58)

Der Schreibstil ist wahrlich wunderschön, leichtgängig, atmosphärisch und dennoch ehrlich und direkt. Die Seiten vergehen wie im Flug, während man tatsächlich das Gefühl hat den Gedanken Fridas zu lauschen. Insgesamt sind Inhalt und Ausdruck sehr realitätsnah und bindet viele reale Ereignisse und Personen ein. Gerade von Fridas Reisen, ihrem politischen Engagement, ihrem Liebesleben und ihren vielen Freunden und Bekannten zu lesen war nach den kunstinspirierten Passagen sehr spannend. Was dabei immer wieder auffiel: Was für eine moderne, emanzipierte und starke Frau Frida Kahlo war. Sie wächst in ihrer Persönlichkeit von Seite zu Seite und man hat nicht das Gefühl, über eine Frau zu lesen, die vor beinahe hundert Jahren gelebt hat. Auch die Tatsache, dass ihre zahlreichen Verletzungen und Krankheiten zwar Teil des Romans sind, diesen aber nicht bestimmen und erdrücken sind in Anbetracht deren Ausmaßes wirklich gelungen.

Etwas gestört hat mich einzig, dass doch einige Fakten ausgelassen wurden, die sehr spannend gewesen wären. Frida Kahlo in Männerkleidung beispielsweise, eines ihrer Faibles, das hier gänzlich unter den Tisch fällt. Oder auch ihre temperamentvollen Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann, bei denen durchaus die Tassen fliegen konnten. Hier ist dies jedoch sehr milde, Kahlo wirkt fast völlig regungslos, wirklich schade. Das Gefühl bleibt bestehen, dass umstrittene Charakterzüge schlicht glatt gebügelt wurden um ein allgemein gefälliges Bild der Frida Kahlo zu zeichnen. Etwas mehr Ecken und Kanten wären hier doch realistischer.

Insgesamt ein toller Roman um sich dem Leben der Künstlerin auf eine lockere, leicht lesbare Art zu nähern, ohne langatmige Biografien lesen zu müssen.