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Veröffentlicht am 19.09.2020

Zwei Perspektiven, ein Team, viel zu erleben!

Let's go Himalaya!
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Mutter und Tochter auf Reise durch die große weite Welt und zu sich selbst. Katja Linke beschreibt in „Let’s go Himalaya“ die besondere Reise, welche sie mit ihrer jüngsten Tochter unternahm. Das Ziel: ...

Mutter und Tochter auf Reise durch die große weite Welt und zu sich selbst. Katja Linke beschreibt in „Let’s go Himalaya“ die besondere Reise, welche sie mit ihrer jüngsten Tochter unternahm. Das Ziel: Shangri La.

Eine deutsche Ärztin sucht die Flucht aus dem Alltag und hofft ihren Sehnsuchtsort in Tibet zu finden. Nach reiflicher Überlegung und langer Vorbereitung schnappt sie ihre Tochter und begibt sich auf ein Abenteuer, welches Kultur, Geschichte, Religion und Trekking im Himalaya bringt.

Der Reisebericht ist sehr abwechslungsreich und lesenswert. Es erwartet den Leser nicht nur eine detaillierte Beschreibung der Reise mit all ihren Höhen und Tiefen und kulturellen Eigenheiten, sondern auch vielfältige Hintergrundinformationen, die es erleichtern Tibet und die Einheimischen besser zu verstehen. Sehr präsent dabei auch der Buddhismus, welcher die Region entscheidend prägt und auch medizinische Problematiken. Der Leser wird gelenkt seinen Horizont zu erweitern und auch über scheinbar eindeutige Fragen genauer nachzudenken, denn welche Farbe hat der Himmel?
Besonders sind die eingebundenen zwei Perspektiven, denn man erfährt nicht nur die Sicht eines Erwachsenen, sondern auch die wunderbar leichte und vollkommen andere Sichtweise eines mutigen, quirligen und offenen jungen Mädchens teilweise durch kleine Tagebucheinträge oder direkt durch sie erklärt. Diese Kombination macht die besondere Magie des Buches aus und den Bericht direkt doppelt so lesenswert.

Für mich eine kleine Reise ohne die Heimat verlassen zu müssen. Ein tolles Buch, bei dem man sich fühlt als wäre man gemeinsam mit Katja und Julia auf dem Weg durch Tibet hin zum Basislager, daher bleibt nur eins zu sagen „Let’s go Himalaya“!

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Sehr feinfühlig und federleicht trotz schwieriger Hintergrundgeschichte

Das Mädchen aus Glas
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Julie Hilgenberg kombiniert in „Das Mädchen aus Glas“ geschickt und geistreich verschiedene Themen zu einer spannenden Geschichte.

Berlin, 1913. Elisa leidet unter der seltenen und wenig erforschten Glasknochenkrankheit, ...

Julie Hilgenberg kombiniert in „Das Mädchen aus Glas“ geschickt und geistreich verschiedene Themen zu einer spannenden Geschichte.

Berlin, 1913. Elisa leidet unter der seltenen und wenig erforschten Glasknochenkrankheit, weshalb sie ihr wohlbehütetes Zuhause kaum verlässt. Louis ist ein Draufgänger und liebt das Risiko. Die von den Eltern vereinbarte Eheschließung erscheint ihnen zunächst wie eine Bestrafung – zumal Elisa in ihren Arzt Wilhelm verliebt ist. Doch während der Erste Weltkrieg heraufzieht, kommen Elisa und Louis sich näher. Als die beiden Männer an die Front müssen, zeigt sich, wie stark Elisa wirklich ist – und sie erfährt, was es bedeutet, wahrhaftig zu lieben.

Die geschichtliche Einbindung des Romans ist gelungen. Politische Spannungen und der heraufziehende Krieg sind hintergründig präsent und gut eingebunden. Die Besonderheit aber ist die Entdeckung der Schokoladenfabrik auf ihrem Weg hin zu dem, wie wir es heute kennen. Die Charaktere könnten nicht unterschiedlicher sein als in diesem Roman. Besonderer Kontrast natürlich die zurückhaltende, ruhige Elisa und der Draufgänger Louis. Ihre Annäherungen zu verfolgen macht Spaß, ist spannend und oft unerwartet. Mit jedem Schritt, den die beiden aufeinander zu machen und sich öffnen, macht auch der Leser einen Schritt auf sie zu und lässt sie immer mehr in sein Herz.

Elisas Glasknochenkrankheit ist jedoch nur teilweise sinnvoll eingebracht und wirkt teilweise als hätte sie einen On/Off-Schalter, je nachdem was für die Geschichte gerade benötigt wird. Da der befreundete Arzt in der Geschichte sich Elisa zuliebe auf diese seltene Erkrankung spezialisiert hatte, hätte ich mir mehr davon gewünscht. Mehr Details, mehr Schwierigkeiten, mehr über die medizinische Versorgung der Zeit, Leidensgenossen etc.

Für mich schwierig war auch die Verbindung der Geschichte mit dem Klappentext. Laut diesem hätte ich erwartet, dass nach etwa einem Viertel oder Drittel des Buches das Kennenlernen abgeschlossen ist und die Protagonisten sozusagen in den Krieg ziehen. Dies ist jedoch bis kurz vor Schluss nicht passiert. Bei mir hat dementsprechend der Klappentext falsche Erwartungen geweckt.

Schlussendlich aber eine wunderschöne, leicht lesbare Geschichte zwischen Liebe, Schokolade und Krieg.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Eine Maschine für alle Fälle

The Plus One - Sie baut sich Mr. Right einfach selbst
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Wer ist dieser Mister Right und wo bekommt man ihn her? Die Roboteringenieurin Kelly nimmt sich dieser Problematik in Sarah Archers Debütroman „The Plus One“ auf eine etwas andere Art und Weise an als ...

Wer ist dieser Mister Right und wo bekommt man ihn her? Die Roboteringenieurin Kelly nimmt sich dieser Problematik in Sarah Archers Debütroman „The Plus One“ auf eine etwas andere Art und Weise an als üblich.

Immer wieder klingelt Kellys Handy und wenn es das nicht tut, terrorisiert ihre Mutter sie stattdessen beim Familienessen. Der Grund: Kelly hat kein Date für die Hochzeit ihrer Schwester. Nachdem ihr der Druck zu viel wird beschließt sie ihre Situation mit dem was sie am Besten kann zu lösen und einen Roboter zu bauen. Und tatsächlich nach vielen Stunden harter Arbeit und einer scheinbar endlos langen Checkliste gelingt ihr eine täuschend echte Attrappe, die prompt bei ihr einzieht. Was Kelly nicht bedacht hat: wenn man sich den eigenen Mister Right baut, wie soll man sich dann nicht in ihn verlieben?

Sarah Archer ist mit ihrem Debüt direkt ein Volltreffer gelungen. Die Thematik ist jung, frisch, modern. Die Charaktere sympathisch, nachvollziehbar und herrlich unnormal ohne unrealistisch zu sein. Das Beste ist eine Powerfrau an vorderster Front, denn auch wenn Kelly mit einigen Selbstzweifeln zu kämpfen hat, ist sie furchtbar intelligent, ehrgeizig, eine wahre Macherin und dabei dennoch emotional und liebenswert. Eine Ingenieurin als Protagonistin! Wie oft gibt es das? Ich bin und bleibe absolut begeistert davon, wie dieser Roman Frauenpower zelebriert und es mal keinen Grund gibt auf den Ritter in schillernder Rüstung zu warten. Ihre Entwicklung im Laufe des Romans zu verfolgen macht einfach Spaß und so fliegen die Seiten nur so dahin.

Allerdings bietet das Ingenieurswesen natürlich weit komplexere Zusammenhänge als hier dargestellt. So baut Kelly einen perfekt menschlichen Roboter (an dem tausende Menschen vor ihr gescheitert sind trotz unzähliger Stunden Arbeit inklusive Kelly selbst) an einem Wochenende! Und er läuft fast fehlerfrei. Das war dass schon sehr romantisch betrachtet und klar wäre es im Rahmen eines Romans undenkbar jahrelange Tüfteleien zu beschreiben, aber ein Wochenende?

Abgesehen von diesem sehr unrealistischen Detail ist der Roman für mich ein Highlight, das sehr zu empfehlen ist. Leider konnte mich das Ende nicht überzeugen, aber das ist nur meine Meinung und bestimmt nicht für jeden der Fall.

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Veröffentlicht am 11.10.2019

Von Seite zu Seite spannender

Heimat ist ein Sehnsuchtsort
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Der Auftakt einer nie zuvor dagewesenen Reihe über eine schlesische Familie im Zweiten Weltkrieg! Taucht mit Hanni Münzers „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ab in längst vergangene Zeiten.

„Es war stets ...

Der Auftakt einer nie zuvor dagewesenen Reihe über eine schlesische Familie im Zweiten Weltkrieg! Taucht mit Hanni Münzers „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ab in längst vergangene Zeiten.

„Es war stets die Bevölkerung, die den Preis für den Krieg zahlte. Denn mochten auch neue Grenzen gezogen und neue Länder geschaffen worden sein, der Mensch war derselbe geblieben.“

Familie Sadler lebt seit Generationen auf einem Bauernhof an der polnischen Grenze. Alle Hofbewohner sind ein eingespieltes Team, Vater Laurenz und Mutter Annemarie, die Großmutter Charlotte, die rüstige, polnische Köchin Dorota, Knecht Oleg und die Schwestern Kathi und Franzi. Von Kindesbeinen an folgt Kathi ihrem Entdeckergeist und erlebt einige Abenteuer, doch der Krieg soll für sie alles ändern. Nach einem Mathematik-Wettbewerb, den sie gewinnt, gerät sie in das Zentrum der Aufmerksamkeit, denn für die Nazis steht fest: Das junge Talent müssen sie sich zu eigen machen.

„Ein Haus war mehr als nur aus Stein und Holz, es war verwoben mit den Schicksalen der Menschen, die darin geboren und gestorben waren. Erst durch seine Bewohner wurde aus einem Haus ein Heim, in dem man sich ihrer für immer erinnerte.“

Fast der gesamte Roman spielt auf dem Sadlerhof und aufgrund der bildlichen, wortgewandten Sprache fühlt man sich als Leser sofort dorthin versetzt. Die Familie Sadler ist so lebensnah und natürlich dargestellt, nicht im Anflug kitschig oder geschönigt, dass es nicht schwer fällt sich vorzustellen, es hätte sie wirklich gegeben. Auch der liebevolle Umgang mit den tierischen Gefährten ist ein schönes Detail, die Tiere sind hier keine sinnlosen Randfiguren und Mittel zum Zweck, sondern geliebte Gefährten, was für die Zeit nicht selbstverständlich ist. Jeder einzelne Sadler ist auf seine individuelle Art brillant ausgearbeitet und auch wenn sie grundverschieden sind, halten doch alle zusammen. Besonderes Highlight für mich war die wissbegierige, freundliche, kleine Kathi und ihre Beziehung zu ihrem Vater, der ihr auf liebevolle Weise stets versucht die Welt zu erklären, was zur NS-Zeit sicher kein Leichtes war.

Einziger Abzug ist für mich der schleppende Einstieg. Der Roman ist aufgeteilt in zwei Teile. Der erste Teil (bis Seite 263) zieht sich und kann nur mit wenig Handlung und Spannung aufwarten. Alle werden vorgestellt, die Atmosphäre wird aufgebaut, Hintergründe erklärt, doch wirkt dies ab einem gewissen Punkt etwas ermüdend. Mit dem zweiten Teil jedoch beginnt es von Seite zu Seite spannender zu werden und nachdem die ersten 300 Seiten gelesen war, konnte ich schließlich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen und habe es in einem Rutsch zu Ende gelesen.

Nachdem meine Hoffnungen zu Beginn also aufgrund des schleppenden Einstiegs getrübt waren, wurden sie schlussendlich um ein Mehrfaches übertroffen. Zu viel zum Inhalt zu verraten wäre dabei eine Schande, da es einem die Chance rauben würde, mit Kathi den eigenen Entdeckergeist zu wecken.

Veröffentlicht am 25.09.2019

Nordisch-kühl und dennoch sehr gelungen

Luzies Erbe
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Kriegsromane gibt es wie Sand am Meer, doch Helga Bürsters Roman „Luzies Erbe“ sticht durch nordische Nüchternheit und den außergewöhnlichen Blickwinkel heraus.

„Der Krieg war ein schrecklicher Tölpel, ...

Kriegsromane gibt es wie Sand am Meer, doch Helga Bürsters Roman „Luzies Erbe“ sticht durch nordische Nüchternheit und den außergewöhnlichen Blickwinkel heraus.

„Der Krieg war ein schrecklicher Tölpel, er warf die Dinge um und stellte sie verkehrt herum wieder auf.“

Im Bremer Umland ist der Krieg eingezogen und niemanden lässt er unbeachtet. Auch die Magd Luzie hat zu kämpfen mit den Entwicklungen, aus dem elterlichen Nest zum Bauern getrieben, der Verlobte im Krieg verschollen und ein junger Mann auf dem Hof, der ihr einfach nicht aus dem Kopf geht. Doch ist dieser der polnische Zwangsarbeiter Jurek und jede Annährung verboten.
Jahrzehnte später stirbt Luzie und hinterlässt ihre zwei Töchter, ihre Enkelin und Urenkelin einen Koffer voller Rätsel der Vergangenheit, denn was mit ihr und Jurek geschehen ist unterlag dem Mazur’schen Schweigen und so beginnt eine Schnitzeljagd durch die Zeit.

Ein Roman geprägt von nordisch, kühler Nüchternheit, was durch die kurzen, präzisen Formulierungen schon ab der ersten Seite auffällt. Nichts wird beschönigt, nicht um den heißen Brei geredet. Und doch war gerade das anfänglich ein kleines Problem für mich, weil es eine Distanz geschaffen hat, die im Rückblick aber doch sehr gekonnt eingesetzt ist. Dazu zählte für mich auch, dass der Roman mit sehr vielen Menschen, verschiedenen Zeiten und Perspektiven begonnen hat, sodass es nur durch ungeteilte Aufmerksamkeit gelingt alle Zusammenhänge zu verstehen und jeden richtig einzuordnen. Dies wird jedoch selbst nach kleinen Startschwierigkeiten im Laufe des Romans immer leichter.

Die großen Pros des Buches sind für mich klar Setting und Figuren. Die nordisch-ländliche Atmosphäre wird stilvoll untermalt durch einige plattdeutsche Einwürfe und die gesamte Szenerie so wunderbar bildlich, dass man in Gedanken neben Luzie im Heu liegt und das Geschehen beobachtet. Die Charaktere sind so komplex und durch die Vergangenheit gezeichnet, dass alles ein großes Netz an Wirkungen mit sich zieht. So wird aus vielen kleinen Puzzleteilen nach und nach ein stimmiges Ganzes. Auch die Auswahl den Fokus auf die polnischen Zwangsarbeiter und die mittellose Magd zu legen ist sehr gelungen, abwechslungsreich und bringt Spannung in die Geschichte.

Insgesamt ein sehr gelungener Roman, der durch Bodenständigkeit, Realitätsbezug, sowie interessante Figuren und eine ganz besondere Sprache besticht.