Enttäuschend
AchtNachtWie so viele hat auch mich die Beschreibung von "AchtNacht" sofort an "The Purge" erinnert - hierbei handelt es sich um eine 2013 gestartete Filmreihe, die bis jetzt drei Teile umfasst. Tatsächlich gibt ...
Wie so viele hat auch mich die Beschreibung von "AchtNacht" sofort an "The Purge" erinnert - hierbei handelt es sich um eine 2013 gestartete Filmreihe, die bis jetzt drei Teile umfasst. Tatsächlich gibt Sebastian Fitzek sowohl in seiner Vorrede als auch in der Danksagung an, dass er sich von diesen Filmen hat inspirieren lassen. Warum? Das Grundprinzip ist einfach faszinierend: Um die Kriminalitätsrate niedrig zu halten, führt die USA eine alljährliche 12-stündige „Säuberungs-Nacht“ durch, in der alle Verbrechen inklusive Mord legal sind. Polizei, Feuerwehr und Krankenhäusern sind nicht mehr erreichbar und nur die allerhöchsten Regierungsbeamten unantastbar. Das soll den Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Probleme zu lösen oder einfach mal ihrem gewalttätigen Trieb nachzugeben, ohne mit einer Strafe rechnen zu müssen.
Ich jedenfalls bin ein riesengroßer Fan dieser Filmreihe, habe alle Teile im Kino und noch mehrmals zu Hause gesehen und warte schon sehnsüchtig auf die nächste Fortsetzung.
Kommen wir jetzt aber mal zurück zu "AchtNacht" und der ersten ernüchternden Erkenntnis: Das Buch spielt im ersten Jahr der Durchführung, die Todeslotterie ist also noch sehr unbekannt. Die meisten Menschen halten sie für fake, weil sie von einem unbekannten Internetbetreiber und nicht von der Regierung selbst organisiert wird. Noch dazu, muss man sich als Jäger anmelden und 10€ bezahlen, um später überhaupt für die Siegprämie in Frage zu kommen. Das heißt der Satz "Sie haben 80 Millionen Feinde." ist absoluter Schwachsinn, es sind höchstens ein paar Tausend.
Natürlich ist es super, dass Sebastian Fitzek wirklich seine eigene Geschichte geschrieben hat - und nicht nur das Szenario aus den USA nach Deutschland verlagert hat - aber spannungsmäßig reicht sie leider nicht annähernd an "The Purge" heran.
Auch nicht erwartet habe ich dieses ganze Drumherum: Auf den ersten 80 Seiten wird der Leser eigentlich nur in das erfolglose Leben des ersten Hauptprotagonist Ben eingeführt. Er schwimmt ständig im Selbstmitleid und zeigt ausschließlich unsympathische Charakterzüge, aber das ist erstmal nebensächlich. Viel mehr gestört hat mich dieser Schreibstil mit den ausführlichen Beschreibungen. Ich könnte Euch jetzt sicherlich an die 20 Straßennamen in Berlin aufzählen, nur weiß ich leider nicht, wofür die wichtig sind. Außerdem gibt es unglaublich sinnlose Gesprächsthemen, die sicher einiges an Recherche benötigt haben, aber einfach langweilig sind. Gegen Ende habe ich ganze Absätze überlesen.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die verschiedenen Erzählperspektiven: Der Leser schlüpft sowohl in den Körper von Ben und Arezu - dem weiblichen Lotterieopfer -, als auch in den von Polizisten und Jägern. Leider haben mich deren Geschichte überhaupt nicht interessiert, sondern nur meinen Lesefluss gestört. Hinzukommend wirkte die Erzählgeschwindigkeit nicht rund: Manche Szenen kamen mir zu lang vor, andere hingegen wurden zu kurz abgehandelt, sodass ich nie in die Geschichte reinfinden konnte. Immer dann wenn es mal spannend wird, hört ein Kapitel auf und die Auflösung wird erst viel später in einer kurzen Zusammenfassung geschildert.
Zu guter Letzt hat mich der Mix aus allen möglichen Gesellschaftsproblemen gestört: Egal ob Mobbing, Suizid, Magersucht, Fakenews im Internet, skandalsüchtige Reporter, Ausländerfeindlichkeit oder Prostitution - Sebastian Fitzek muss wirklich alles kurz erwähnen und kritisieren. Weshalb nur? Auf mich wirkte das total gekünstelt und konstruiert, da Ben und Arezu für nichts eine Lösung finden.
Insgesamt war die Enttäuschung also mehr als groß. Ich habe mich unglaubliche 1,5 Wochen an diesem dünnen Buch aufgehalten und war mehrmals kurz vorm Abbruch. Auch wenn ich nicht viele Vergleichsmöglichkeiten habe, muss ich mich jetzt einfach entscheiden und vergebe knappe 2 Sterne.