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Veröffentlicht am 10.06.2023

Nächte mit leisen Worten in der Dunkelheit

Unsere Stimmen bei Nacht
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Nächte mit leisen Worten in der Dunkelheit

„Manchmal fand Lou das, was Menschen nicht erzählten, sehr viel interessanter, als das, was sie tatsächlich sagten.“

Lou-Ann Weber mietet das letzte freie ...

Nächte mit leisen Worten in der Dunkelheit

„Manchmal fand Lou das, was Menschen nicht erzählten, sehr viel interessanter, als das, was sie tatsächlich sagten.“

Lou-Ann Weber mietet das letzte freie Zimmer in der kleinen Villa des Ehepaares Gloria und Herbert Sobrowski in Berlin, wo bereits der alleinerziehende Professor Gregor Mader mit seiner Tochter Alissa und der Student Johann „Jay“ leben. Mit der offenen und selbstbewussten Lebenskünstlerin Lou ist die kleine Wohngemeinschaft schließlich komplett. Während der Hausbesitzer Herbert und der Chemieprofessor Gregor Abweichungen in ihrem gewohnten Alltag ablehnend gegenüberstehen, sind Jay und Lou regelrechte Freigeister: spontan, neugierig, voller Fragen und an ihren Mitbewohnern interessiert. Und obgleich die Lebenspläne, die Vorstellungen und die Alltagsroutine dieser völlig gegensätzlichen Menschen in keiner Weise übereinstimmen, entsteht aus dieser ungewöhnlichen Gemeinschaft dank der unkonventionellen Lou als Bindeglied schließlich eine richtige kleine Wahlfamilie. Gemeinsame Mahlzeiten fungieren als Basis für interessante Gespräche, entspanntes Chillen im Garten und tiefsinniger Gedankenaustausch in schlaflosen Nächten erzeugen eine zusätzliche emotionale Bindung zwischen den Hausbewohnern.

„An manche Menschen musste man sich sehr langsam herantasten, jede Person hatte einen eigenen Rhythmus, ihr eigenes Tempo, um ihre Lebensgeschichte zu teilen.“

Diese Neuerscheinung der mir bislang unbekannten Autorin Franziska Fischer hat meiner hohen Erwartungshaltung in jeder Hinsicht entsprochen. Sowohl der einzigartige und wunderschöne Schreibstil der Autorin, als auch die starken Emotionen und tiefgründigen Gedanken machten diesen Roman zu einer herzerwärmenden Lektüre. Es gibt Bücher, die mich als Leser tief berühren und unter die Haut gehen. „Unsere Stimmen bei Nacht“ ist eines davon – eine erlesene kleine Perle, die mich vollständig in den Sog ihrer Geschichte zog und mir durch die poetische Sprache, durch kostbare und wohlformulierte kluge Lebensweisheiten und Gedanken außergewöhnlichen Lesegenuss bescherte.

Die Handlung selbst wird weder von Spannung, noch aufregenden Höhepunkten beherrscht. Es handelt sich vielmehr um ein leises, unaufdringliches Buch, das seine Magie auf vielfältige Weise entwickelt. Und zwar durch kleine, aber wichtige Episoden im Alltag dieser sechs Protagonisten, die detailliert und liebevoll beschrieben werden und das Buch zu einem Leseerlebnis machten, das ich nicht mehr missen möchte. Franziska Fischer bedient sich hervorragend ausgearbeiteter Charaktere und schreibt von dem Bestreben eines jeden Einzelnen, seinen Weg zu finden, tiefsten Wünschen und Sehnsüchten Ausdruck zu verleihen und den Mitbewohnern nach und nach Einblick in seine ganz persönliche Lebensgeschichte zu gewähren.

„Sie waren eine merkwürdige Gruppe an Menschen, dachte Lou. Alle zusammen in dieses Haus geschüttet, und manchmal war es so, als gäbe es keine Außenwelt mehr, nur sie, sechs Personen, die einander genug sein mussten.“

Sowohl die hochwertige Aufmachung, als auch Optik und Haptik dieses Buches sind bemerkenswert. Eine in bunte Farben getauchte Abbildung mehrerer Äpfel auf dem tiefschwarzen Einband zieht den Blick des Betrachters unweigerlich auf sich. Der Buchtitel wurde in stark kontrastierendem Weiß gedruckt, der dunkle Hintergrund und die etwas dezentere Einbringung des Verlags- sowie des Autorennamens sowie ein rotes Lesebändchen vervollständigen das edle Erscheinungsbild.

Franziska Fischers Roman offenbart seinen Inhalt ganz behutsam und langsam. Es handelt sich um eine Erzählung, die den Leser dazu auffordert, sich vollständig ins Geschehen hinein zu begeben, die ihre Geheimnisse nur nach und nach Preis gibt und nicht mit einer Fülle von Informationen überquillt, sondern vielmehr mit leisen Andeutungen arbeitet. Das Unausgesprochene, das in vielen Familien im Raum steht, spielt hier die Hauptrolle. Die Antwort auf etliche Fragen findet sich zwischen den Zeilen, findet sich in den wechselnden Perspektiven und in den Erzählungen der einzelnen Figuren. „Unsere Stimmen bei Nacht“ ist ein sehr ruhiges, leises Buch, das dem Leser in eindringlichen Worten und mit zahlreichen, teilweise emotionalen Details, die Lebensgeschichten seiner Figuren erzählt. Mir hat die bedächtige Art, die Vergangenheit aufzurollen, überaus zugesagt und ich wurde auf diese Weise immer vertrauter mit Gloria, Herbert, Gregor, Alissa, Jay und Lou. Es werden nicht nur innere Konflikte, sondern auch tief zurück liegende Verletzungen innerhalb der Familie und des Freundeskreises aus der Vergangenheit zur Sprache gebracht, und keine der handelnden Personen bleibt davon unbeeinflusst.

„Manchmal ist jeder Schritt eine Geschichte, jedes Lachen eine Erzählung, jedes Wort ein Roman.“

Fazit: „Unsere Stimmen bei Nacht“ war mein erstes, aber mit Sicherheit nicht mein letztes Werk dieser Autorin. Die ruhige, unaufgeregte und behutsam erzählte Geschichte bietet dem Leser weder turbulente Höhepunkte, noch hohe Spannungsmomente, wartet dafür aber mit einem außergewöhnlichen Schreibstil, tiefen Emotionen und einer Vielzahl kluger Gedanken und Lebensweisheiten auf. Franziska Fischer beschreibt in poetischen Worten das gemächliche gegenseitige Kennenlernen und Annähern völlig konträrer Charaktere. Dieser beeindruckende Roman war für mich eine ganz besondere Lektüre. Es ist ein leises Buch, das lange nachwirkt, mit handelnden Figuren, die man nicht so rasch wieder vergisst, deren Geschichte die Gedanken des Lesers auch noch über das Zuschlagen der letzten Seite hinaus beschäftigen. Das Buch hat meinem persönlichen Lesegeschmack in jeder Hinsicht entsprochen und ich möchte dieses kleine Highlight ganz besonders Menschen, die ruhige und tiefgründige Bücher lieben, ans Herz legen.

Veröffentlicht am 04.06.2023

Ludovika Lichtenberg sucht den Superpraktikanten!

Love Always Hopes
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Ludovika Lichtenberg sucht den Superpraktikanten!

Juna Behnke erhält die Möglichkeit, ein Praktikum in dem zur Lichtenberg-Kette gehörenden Luxushotel Ludovika am Brombachsee zu absolvieren. Für die einundzwanzigjährige ...

Ludovika Lichtenberg sucht den Superpraktikanten!

Juna Behnke erhält die Möglichkeit, ein Praktikum in dem zur Lichtenberg-Kette gehörenden Luxushotel Ludovika am Brombachsee zu absolvieren. Für die einundzwanzigjährige Studentin ist es die Gelegenheit, ihrem Traum, Hotelmanagerin zu werden, ein kleines Stück näherzukommen. Juna hat jedoch nicht damit gerechnet, dass plötzlich ein zweiter Praktikant auf der Bildfläche erscheint, der als Sohn der Hotelbesitzer dem vorgegebenen Lebensplan seiner Eltern folgen soll. Ihre einflussreiche Vorgesetzte Ludovika Lichtenberg initiiert noch dazu einen Wettbewerb zwischen den beiden und Leopold wird auf diese Weise zu Junas größtem Konkurrenten. Der überhebliche und einschüchternd wirkende Erbe widmet Juna lediglich herablassende Blicke und spöttische Kommentare, er und behandelt sie unhöflich und arrogant. Er wirkt zudem sichtlich gelangweilt und bringt ganz klar und deutlich seine Aversion gegen eine Zukunft in der Hotelbranche zum Ausdruck. Für Juna und Leo beginnt eine aufreibende Zeit, in der sie sich Einblick in die Abläufe des Hotels verschaffen, zugleich aber auch darum kämpfen müssen, letztendlich als Gewinner dieses Wettkampfes hervorzugehen. Zwar haben die beiden sehr konträre Vorstellungen von ihrer Zukunft, im Falle eines Sieges wird ihnen jedoch die Möglichkeit geboten, ihren jeweiligen Träumen ein ganzes Stück näherzukommen. Was aber, wenn Gott ganz andere Pläne für Juna und Leo bereithält? Je besser die beiden sich im Zuge ihrer Zusammenarbeit kennenlernen, umso unmöglicher erscheint es ihnen, ihre gegenseitige Aversion noch länger aufrecht zu erhalten. Denn nach und nach werden unerwartete Gefühle mit ins Spiel gebracht…

Melissa C. Feurer liefert mit ihrer aktuellen Neuerscheinung „Love always hopes“ einen interessanten Auftakt ihrer neuen Lichtenberg-Reihe. Die Autorin konzentriert sich vorrangig auf ihre beiden Protagonisten Juna und Leopold, den Nebenfiguren wird abgesehen von Junas Familie weniger Aufmerksamkeit zuteil, sie blieben für meinen Geschmack ein klein wenig zu blass. Ich hätte generell gerne mehr über die Kollegenschaft im Hotel und speziell über das Denken und die Motivationen bestimmter Figuren erfahren. Der alte Haustechniker und „gute Geist des Hotels“ namens Gabriel war mir auf Anhieb sympathisch. Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat war die Charakterzeichnung der einzelnen Mitglieder der Familie Behnke und die Beschreibung ihres Alltagslebens. Die Pfarrerin Susanne Behnke überraschte mich mit ihrer ungewöhnlichen Einstellung, ihren Vorlieben und ihrem fröhlich-bunten Äußeren. Ihre einfühlsame und liebevolle Art und die Passagen, in denen durch Susanne und Thomas Behnke christliche Werte und der Glaube in die Geschichte eingebracht wurde, haben mir ausgezeichnet gefallen. Junas jüngere Brüder Pepe und Rico fand ich absolut unterhaltsam und süß, und auch ihre Studienkollegin, Mitbewohnerin und beste Freundin Enni empfand ich als Sympathieträgerin. Leopold ist als eine der beiden Hauptfiguren dieses Buches gefordert. Einerseits muss er sich völlig unerwartet einem Konkurrenzkampf mit der zielstrebigen, energiegeladenen und optimistischen Juna stellen, andererseits trägt er schwer an seiner Last als Hotelerbe. Sein Herz und seine ganze Leidenschaft gehören der Musik, er fühlt sich durch das kontrollierende und bestimmende Verhalten seiner Eltern in die Enge getrieben und zutiefst unglücklich. Die Autorin versteht es gekonnt, dem Leser Leos inneren Kämpfe zu vermitteln, gibt aber auch großzügige Einblicke in Junas Gedanken- und Gefühlswelt sowie ihre Konflikte, die sie ausschließlich mit sich selbst auszutragen versucht.

Melissa C. Feurer besitzt einen einnehmenden und flüssigen Schreibstil, die saloppe Sprache scheint einer jugendlichen Zielgruppe angepasst. Der Glaube hat in der Familie Behnke einen sehr hohen Stellenwert inne – dieser Fokus auf christliche Werte hat mir wie bereits erwähnt ganz besonders gefallen. An einigen Passagen wird durch witzige Alltagsszenen bei den Behnkes Humor ins Buch eingebracht, lediglich die sporadische Verwendung von Kraftausdrücken im Buch vermochte mein Lesevergnügen ein klein wenig zu trüben. Die Neugier auf den Ausgang dieses Wettbewerbes und auf die Entwicklung der persönlichen Beziehung zwischen Juna und Leo animiert dazu, sich immer mehr in die Geschichte zu vertiefen. Für meinen Geschmack kam das Ende dann viel zu rasch und ich sehe dem zweiten Band dieser Buchreihe bereits jetzt mit großer Vorfreude entgegen.

FAZIT: Die aktuelle Neuerscheinung aus der Feder von Melissa C. Feurer hat meiner hohen Erwartungshaltung in jeder Hinsicht entsprochen! Ich empfand den Auftakt dieser neuen Buchreihe als sehr unterhaltsam, abwechslungsreich und interessant, die Autorin punktet mit hervorragend charakterisierten Hauptfiguren und liebenswerten Nebenfiguren. Der Glaube als wichtiger Bestandteil des Buches und die überzeugende Darstellung der Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Protagonisten sorgten dafür, dass ich diese Lektüre nicht mehr aus der Hand legen mochte. Mit „Love always hopes“ hat die christliche Romanautorin Melissa C. Feurer sich erneut in mein Herz geschrieben und mir wie schon so oft großes Lesevergnügen bereitet. Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.05.2023

Die Glücksbringerin - Komplizen in Sachen Glück!

Ein Kännchen Glück
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Die Glücksbringerin - Komplizen in Sachen Glück!

„Eine sommerhimmelblaue alte Teekanne mit Zetteln voller Glück – Neles Glückskanne!“

Nele Schmidt ist glücklicher Single und lebt mit dem Seniorenpaar ...

Die Glücksbringerin - Komplizen in Sachen Glück!

„Eine sommerhimmelblaue alte Teekanne mit Zetteln voller Glück – Neles Glückskanne!“

Nele Schmidt ist glücklicher Single und lebt mit dem Seniorenpaar Katharina und Johannes sowie dem Studenten Karsten in einer Mehr-Generationen-Wohngemeinschaft. „Glück“ hat für die impulsive und lebenslustige junge Frau einen hohen Stellenwert. Sie notiert die Wünsche anderer Menschen, sammelt sie in der alten Teekanne ihrer Großmutter und wählt täglich einen dieser Zettel aus, um „Glückswünsche“ zu erfüllen. Der gutaussehende Bankangestellte Ben, der eines Tages in der WG erscheint, um seine Großmutter Katharina zu besuchen, gefällt Nele auf Anhieb, bringt sie aber auch ein klein wenig aus dem Konzept.

„In dem Moment, als Ben vor der WG-Tür stand, wusste ich, dass er ein Teil meines Lebens werden sollte. (Nele)“

Ben verfolgte seine Lebensziele stets mit größter Konsequenz, sein Tagesablauf ist akribisch strukturiert und er liebt seine tägliche Routine, Ruhe und Ordnung. Bens tadelloses Äußeres und sein Streben nach Perfektion gehen mit einer strikten Ablehnung jeglicher Abweichungen seines durchgeplanten Alltags einher. Nele beschließt mit ihrer chaotischen, humorvollen, aber auch sehr zugänglichen Art ganz spontan, das Leben des verschlossen wirkenden Dreißigjährigen etwas bunter zu gestalten. Sie freundet sich mit Ben an, bringt ihn aus dem Konzept, tanzt wie ein bunter Wirbelwind in sein eintöniges graues Leben hinein und bringt darüber hinaus auch seine Gefühlswelt durcheinander. Und obgleich ihre Vorstellungen und Lebenspläne in keiner Weise übereinstimmen, fühlen die beiden völlig konträren Charaktere sich mit der Zeit immer mehr zueinander hingezogen…

Im zweiten Band der „Love & Feelings-Reihe“ präsentiert Lia Haycraft ihren Lesern eine herzerwärmende Geschichte über das Glücklichsein. „Ein Kännchen Glück“ ist ein romantischer, humorvoller Wohlfühlroman, in dem eine unbeschwerte fröhliche Protagonistin ihr Umfeld mit ihrem Elan und ihrem Charme für sich einnimmt. Die unkonventionelle junge Frau fegt wie ein unbeschwerter bunter Wirbelwind durch die Geschichte und reißt alle mit ihrer Lebensfreude, ihrem Elan und ihrer Fröhlichkeit mit sich. Sie verändert das Leben anderer – und letztendlich auch ihr eigenes.

Die Autorin bedient sich einem locker-leichten und humorvollen Schreibstil und einer saloppen Sprache, die Charakterzeichnung der beiden Protagonisten hat mir ausnehmend gut gefallen. Ich sah während der Lektüre den stets dunkel und konservativ gekleideten Banker in seiner düsteren, farblosen Wohnung und die vor Energie und Fröhlichkeit übersprudelnde schillernde Nele in ihrer bunten Farbenwelt beinahe bildhaft vor meinen Augen. Mit großem Lesegenuss durfte ich die Veränderungen in Bens Leben mitverfolgen, der von diesem bezaubernden Energiebündel in kürzester Zeit aus seinem monotonen Alltag gelockt wird. Lia Haycraft hat ihren beiden Protagonisten auch eine überschaubare Anzahl interessanter und liebenswerter Nebenfiguren zur Seite gestellt, die den Plot bereichern und für zusätzlichen Lesegenuss sorgen. An dieser Stelle möchte ich auch den tierischen Mitspieler namens „Theodor“ nicht unerwähnt lassen, der mit seiner Gutmütigkeit und Freundlichkeit zielstrebig Herzen erobert. Neles Ideen und Aktivitäten sorgen für Abwechslung und einige Höhepunkte im Buch. Der Klappentext lässt bereits den Ausgang dieser liebenswerten Romanze erahnen, was meine Lesefreude in keiner Weise schmälerte.

Fazit: Meine Erwartungshaltung betreffend den zweiten Band dieser Buchreihe wurde in jeder Hinsicht entsprochen. Es handelt sich hierbei um einen romantischen und humorvollen Wohlfühlroman, eine locker-leichte Lektüre für ein paar angenehme Lesestunden, die mit liebenswerten und sympathischen Figuren sowie einer unterhaltsamen Handlung punktet. Es war schön, das Zusammentreffen von zwei dermaßen gegensätzlichen Persönlichkeiten wie Nele und Ben und deren allmähliche Annäherung mitzuverfolgen und zu erleben, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und letztendlich beide davon profitieren. „Ein Kännchen Glück“ hat mir großes Lesevergnügen bereitet und ich sehe dem Abschlussband dieser Reihe bereits mit entsprechender Vorfreude entgegen.

Veröffentlicht am 07.05.2023

Die Sommer auf Tiree

Das Rosencottage
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„Du hast mir oft gesagt, dass du deinen Platz im Leben noch nicht gefunden hast. Vielleicht ist das Rosencottage deine Bestimmung und die Suche nach Livie ein Teil deines eigenen Weges. Finde Livie für ...

„Du hast mir oft gesagt, dass du deinen Platz im Leben noch nicht gefunden hast. Vielleicht ist das Rosencottage deine Bestimmung und die Suche nach Livie ein Teil deines eigenen Weges. Finde Livie für mich, Kirsty, finde meine alte Freundin, denn wir standen uns einmal sehr nahe. Deine Granny Fiona.“

Für die rastlose Kirsty Paterson aus Edinburgh zählen jene Sommer, die sie bei ihrer Großmutter Fiona im Rosencottage auf der Hebrideninsel Tiree verbringen durfte, zu den schönsten Erinnerungen ihres Lebens. Tiree ist Kirstys Herzensort, sie spürt bis heute eine innige Verbindung zu diesem kargen, unwirtlichen Stück Land mitten im Meer, das sie berührt und inspiriert. Daher geht mit der Trauer nach dem Ableben ihrer geliebten Granny auch Freude über Fionas Vermächtnis einher, die ihrer Enkeltochter das Rosencottage vererbte. In ihrem Nachlass ersucht sie Kirsty, Nachforschungen über den Verbleib ihrer Jugendfreundin Livie anzustellen. Fiona hatte sie aus den Augen verloren und niemals herausgefunden, was aus ihr geworden ist. Kirsty entspricht dem letzten Wunsch ihrer Großmutter nur allzu gerne, auch ein Ortswechsel sowie ein Neuanfang auf Tiree kommen der jungen Frau sehr gelegen.

„Sie hat mir dieses Haus hinterlasse, weil sie wusste, dass es das ist, was ich brauchte – einen Ort, an dem ich zu Hause bin, der mich trägt, mich frei atmen lässt (Kirsty)“

Womit Kirsty jedoch nicht gerechnet hat, ist eine unfreiwillige Wohngemeinschaft mit Fionas Untermieter Finlay Stewart, einem ungehobelten zynischen Schriftsteller, mit dessen mürrischer Art Kirsty sich für die Dauer seines Mietvertrages wohl oder übel arrangieren muss. Doch der raue und verschlossene Mittvierziger entpuppt sich als hilfreiche Unterstützung bei Kirstys Recherchen und gemeinsam begeben sie sich auf eine herausfordernde Spurensuche.

Constanze Wilken erzählt in ihrer aktuellen Neuerscheinung die atemberaubende Geschichte einer jungen Frau, die mit ihrer Familie ein eintöniges und hartes Leben auf einer kargen Insel führte. In zwei Erzählsträngen berichtet sie abwechselnd von der Vergangenheit, beginnend im Jahr 1934 und Livie McMillan als Protagonistin, sowie Kirsty Patersons angestrengte Versuche in der Gegenwart, dem letzten Wunsch ihrer Großmutter zu entsprechen und die Wahrheit nach so langer Zeit endlich ans Licht zu bringen.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren hat mir ausnehmend gut gefallen, die überzeugende Darstellung ihrer Emotionen und inneren Konflikte machten dieses Buch zu einem wahren Pageturner. Ich konnte mich kaum von der Geschichte dieser Menschen lösen, deren persönliche Entwicklung ich ein Stück weit miterleben durfte. Mit Livie McMillan hat die Autorin eine starke und mutige Hauptfigur geschaffen, die in einem bitterarmen, streng religiösen, aber auch äußerst gewalttätigen Umfeld aufgewachsen ist. Die Beschreibung des Alltagslebens der McMillans vermittelt ein detailliertes Bild einer typischen Crofter-Familie in dieser Zeit, verdeutlicht die große wirtschaftliche Not und den täglichen Kampf ums Überleben. Livie werden facettenreiche Nebenfiguren zur Seite gestellt – beginnend von ihren engsten Angehörigen, einem düsteren und einschüchternden Inselpfarrer, aber auch einer warmherzigen Crofter-Familie namens Graham, die nicht nur in der Gemeinde überaus beliebt ist, sondern sich auch Livie gegenüber liebevoll und fürsorglich verhält. Im Handlungsstrang der Gegenwart mit Kirsty und Finley als Protagonisten fungieren Kirstys Familie, ihre beste Freundin Mala sowie verschiedene Inselbewohner als beeindruckende Nebenfiguren. Mein ganz persönlicher Favorit dieses Buches bewegte sich auf vier Pfoten fort – es handelte sich um einen Australian Cattle Dog namens Otis. Als der alte Besitzer des freundlichen und loyalen Hundes stirbt, gibt Kirsty ihm ein liebevolles neues Zuhause. Otis wird zu Kirstys unerschütterlich treuen und aufmerksamen Begleiter, der nicht von ihrer Seite weicht.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin und ihre bildhafte Beschreibung der Schauplätze, der Figuren sowie der Handlung haben mich begeistert. Durch die Ungewissheit über Livies Verbleib wurde zudem ein durchgehend hoher Spannungsfaktor ins Buch gebracht. Constanze Wilken versteht es gekonnt, dem Leser tiefe Einblicke ins Innerste ihrer Figuren zu vermitteln. Aufgrund der großen Emotionen, bewegender Momente und an mancher Stelle dramatischen Ereignisse verfolgte ich diese Spurensuche in höchster Anspannung und großem Lesegenuss.

Fazit: Meine aufgrund der Leseprobe und begeisterter Rezensionen an sich schon hohe Erwartungshaltung wurde durch diesen hervorragenden Roman aus der Feder von Constanze Wilken noch weit übertroffen. „Das Rosencottage“ war eine überwältigende Lektüre, die mir einerseits allergrößtes Lesevergnügen bereitete, mich andererseits aber auch unglaublich betroffen machte. Constanze Wilken ist es gelungen, mich mit ihrer Geschichte dermaßen zu fesseln, dass ich das Buch schlichtweg nicht mehr aus der Hand legen konnte. Ich fieberte, hoffte, bangte und litt mit den handelnden Figuren, genoss dabei die wilde Schönheit dieser beeindruckenden Hebrideninsel und tauchte ganz tief in diese Geschichte ein. „Das Rosencottage“ war mein erstes, aber keinesfalls letztes Buch dieser Autorin! Ich werde Constanze Wilken ab sofort im Auge behalten und hoffe auf weitere grandiose Leseerlebnisse wie dieses!

Fünf Bewertungssterne für diesen berührenden Roman und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.04.2023

Besondere Aufgaben erfordern nun mal besondere Maßnahmen!

Sylt oder Süßes
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Besondere Aufgaben erfordern nun mal besondere Maßnahmen!

Doreen Grüning hat es in ihren dreiundvierzig Lebensjahren beinahe bis an die Spitze geschafft. Als erfolgreiche Managerin in der Hotelbranche ...

Besondere Aufgaben erfordern nun mal besondere Maßnahmen!

Doreen Grüning hat es in ihren dreiundvierzig Lebensjahren beinahe bis an die Spitze geschafft. Als erfolgreiche Managerin in der Hotelbranche hatte sie bereits auf der ganzen Welt verantwortungsvolle Positionen inne und lebt ausschließlich für ihre Arbeit. Dass ihr Privatleben, eine Partnerschaft oder freundschaftliche Beziehungen dabei auf der Strecke blieben, nimmt die taffe Karrierefrau dafür in Kauf. Sie wird zwar aufgrund ihres Erfolgs und ihrer Perfektion respektiert, aber infolge ihrer kühlen, sachlichen Art und ihrem völligen Desinteresse am Privatleben ihrer Untergebenen nicht wirklich gemocht. Doreen verlangt von jedem Menschen Höchstleistung – und am meisten von sich selbst. So, wie sie ihre beruflichen Agenden genauestens strukturiert, sind auch ihre persönlichen Anforderungen an sich selbst. Ein akribisch geplanter Alltag, eine pedantisch kalkulierte Ernährung, aber auch ein eisernes Sportprogramm, das ihrem Körper Perfektion verleiht, geben ihr das Gefühl von Sicherheit und Stärke. Als ihr Vorgesetzter sie mit der Aufgabe betraut, inkognito nach Sylt zu reisen, um alles für den Bau eines riesigen Outdoor Resorts vorzubereiten, muss sie innerhalb weniger Tage zu einer Fahrt ins Ungewisse aufbrechen. Doreen ist an gehobene Unterkünfte und Luxus gewöhnt, ein alter VW-Bus als Transportmittel und Unterkunft, legere Kleidung und das Leben auf einem Campingplatz stellen eine echte Bewährungsprobe für sie dar. Doch bereits nach wenigen Tagen auf Sylt bringt sie es nicht mehr über sich, die Idylle vor Ort, aber auch die Existenz jener arglosen und liebenswerten Menschen, die ihr in dieser kurzen Zeit vertraut geworden sind, zu zerstören. Letztendlich muss sie sich entscheiden, ob sie überhaupt noch länger bereit ist, den Forderungen ihres Dienstgebers zu entsprechen – oder ob sie im Gegensatz dazu für jene Menschen kämpft, die sie mit offenen Armen empfangen und so herzlich in ihrer Mitte aufgenommen haben.

Auf der Suche nach einer entspannenden und unterhaltsamen Urlaubslektüre wurde ich auf „Sylt oder Süßes“ aufmerksam und ließ mich auf die Geschichte dieser erfolgreichen Leiterin einer Luxushotelkette ein, die an einen Scheideweg ihres Lebens gelangt. Der locker-leichte Schreibstil von Claudia Thesenfitz und die flapsige Sprache ließen in Kombination mit der bildhaften Beschreibung der Umgebung vor Ort ein lebhaftes Bild dieses Campingplatzes vor meinen Augen entstehen. Die Autorin konfrontiert ihre verkrampfte und in hohem Maße disziplinierte Protagonistin mit zum Teil skurrilen Einheimischen, die jedoch alle auf ihre Art und Weise liebenswürdig und charmant sind. Sie lernt rasch, dass „Bulli-Fahrer einander immer und überall unterstützen“, dass wortkarge Brummbären wie der alte Ove Matthiessen auch eine ganz andere Seite haben, und wie eine lebenskluge Rezeptionistin namens Stine ihr vom ersten Augenblick an mit warmherziger und aufrichtig gemeinter Freundschaft begegnet.

Ich habe ein wenig bedauert, dass die Charakterzeichnung der handelnden Figuren eher oberflächlich ausgefallen ist und vermisste darüber hinaus auch in Doreens Interaktion mit dem gutaussehenden Surflehrer Hinnerk Emotionen und Tiefe. Insgesamt betrachtet empfand ich die gesamte Handlung, speziell aber auch die Beschreibung der zwischenmenschlichen Beziehungen, als ein wenig zu nichtssagend – hier hatte ich mir aufgrund des Klappentextes und der anschließenden Leseprobe etwas mehr erwartet. Die detaillierte Beschreibung des perfektionistischen Lebens der Hauptfigur und die Einblicke in die Hintergründe für ihre Einstellung und ihr Handeln haben mir hingegen hervorragend gefallen und mir ein sehr klares Bild von Doreen Grüning vermittelt. Die Autorin verstand es auch, dem Leser deren innere Zerrissenheit und ihre Gewissenskonflikte zu veranschaulichen. Man konnte den Wandel in ihrem Inneren, aber auch äußerlich sichtbare Veränderungen wie den allmählichen Verzicht auf ihren Zwang zu strengen Ritualen und absoluter Perfektion sehr gut mitverfolgen, auch wenn diese zugegebenermaßen nicht immer überzeugend wirkten.

Obgleich die Handlung für meinen Geschmack ein wenig kurz und nicht so ganz glaubwürdig war und diese ebenso wie manche Charakterzeichnung der Nebenfiguren eher an der Oberfläche blieb, ist es Claudia Thesenfitz mit ihrer aktuellen Neuerscheinung gelungen, mir ein paar unterhaltsame Stunden auf der Lesecouch zu bescheren. Ich hatte keinen tiefgründigen Roman mit anspruchsvoller sprachlicher Umsetzung, sondern vielmehr eine vergnügliche leichte Sommerlektüre erwartet – und genau das auch bekommen. Aus diesem Grund vergebe ich trotz inhaltlicher Schwächen drei solide Bewertungssterne dafür und kann mir durchaus vorstellen, noch einen weiteren Roman aus der Feder dieser Autorin zu lesen.