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Veröffentlicht am 11.02.2020

"Was vergessen wird, kann sich leicht wiederholen"

Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden
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Es war im Frühjahr 1944 als Hédi Fried mit ihren Lieben deportiert wurde. Mit vielen anderen Juden zwängten die Schergen Hitlers sie in einen Viehwaggon. Das Ziel war Auschwitz und Frau Fried gerade mal ...

Es war im Frühjahr 1944 als Hédi Fried mit ihren Lieben deportiert wurde. Mit vielen anderen Juden zwängten die Schergen Hitlers sie in einen Viehwaggon. Das Ziel war Auschwitz und Frau Fried gerade mal 20 Jahre als. Und die Deportation erfolgte nur, weil sie Juden waren. Sie und ihre Familie. Seit einigen Jahren schweigt Hédi nicht mehr. Sie besucht Schulen und Universitäten, um jungen Menschen ihre Erlebnisse im KZ zu berichten. Ihr Wunsch ist, dass sie dazu beiträgt, dass dieser Part ihrer Geschichte künftig vermieden wird. In dem Buch, welches im #dumontbuchverlag erschien, schrieb sie Fragen auf, die ihr bei den Vorträgen am häufigsten gestellt wurden. Die Antworten darauf sind klar und präzise geschrieben. Nein, sie schreibt ohne Anklage oder Groll gegen die Täter. Der Hass existiert nicht mehr in ihr, sie überwand ihn.

In einem Lehrbuch für Gymnasien gab es im Jahr 1935 diese mathematische Frage: „Wie viele staatliche Kredite könnte man frisch verheirateten Paaren von dem Geld geben, das es den Staat kostet, Behinderte, Kriminelle und Irre zu versorgen?“ Oh ja, im Auftrag Hitlers und seiner Getreuen wurden viele Behinderte getötet. Leider vergessen das heute viele. Es waren nicht nur Juden und Roma, die auf der Abschussliste standen.

Das Buch ist dünn und hat trotzdem so viel Aussagekraft, wie ein Werk mit 1000 Seiten. Frau Fried schreibt ohne Pathos und mitreißend. Ich war erschüttert und musste Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden, immer mal wieder aus der Hand legen. Zu grausam ist das Erlebte. Dennoch, wir alle sollten stets darauf hinweisen, was damals in Deutschland geschah. Niemals schweigen, und wie Frau Fried es schreibt: „Gewöhne dich nie an Ungerechtigkeiten.“ Ein sehr wertvolles Buch, das noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Der Erzbischof und die Nonne

Die siebte Schwester
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Für mich ist es immer wieder eine Freude, wenn Marion Johanning ein Buch herausbringt. Sie ist eine von wenigen, die über die Geschichte Kölns und Umgebung schreiben. Und das in einer Weise, die mir ausgesprochen ...

Für mich ist es immer wieder eine Freude, wenn Marion Johanning ein Buch herausbringt. Sie ist eine von wenigen, die über die Geschichte Kölns und Umgebung schreiben. Und das in einer Weise, die mir ausgesprochen gut gefällt. In Die siebte Schwester geht es um Tryngen. Sie hat sich für ein Leben im Kloster Weiher entschieden und lernt dort die Heilkunst von ihrer Mitschwester Maria. Als sie hier den Propst Engelbert pflegt und ihn vor dem Tod rettet, eröffnet sich ihr ein ganz neues Leben. Sie wird an den Hof Engelberts gerufen. Der soll bald zum Erzbischof Kölns gewählt werden. Doch, wie überall und jederzeit, Neider gab es auch damals schon. Sie trachten nicht nur nach dem Leben Engelberts, sondern werden auch Tryngen gefährlich.

Der lebendige Stil von Frau Johanning lässt mich stets in die Vergangenheit eintauchen. Auch dieses Buch zog mich in seinen Bann. Es war spannend zu lesen und wie sagt man heute, ein „Pageturner“. Also ein Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte. Die Gegebenheiten im alten Köln und die Zustände in den Krankensälen sind nur ein Teil der aufschlussreichen Erzählung. Wie gut, dass es zu der Zeit Frauen gab, die sich mit Wirkung und Verarbeitung von Kräutern auskannten. Sie retteten vielen Menschen das Leben. Am Schluss des Buches gibt es ein ausführliches Glossar, wo die unüblichen Begriffe erklärt sind. Im Nachwort schreibt die Autorin, welche Fakten sie zum Schreiben des Romans animierten und dass es nicht nur den Erzbischof Engelbert tatsächlich gab. Das Buch ist zwar der Dritte Band der Rhein-Trilogie, kann aber ohne Vorkenntnis für sich alleine gelesen werden.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Das Verschwinden der Gräfin und das Grabtuch Christi

Die Spur der Gräfin
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Es ist Die Spur der Gräfin, die den jungen Grafen Albrecht in Bedrängnis bringt. Zumal es keine Liebesheirat war und er sich zunächst vor der Ehe sträubte. Dachte er doch, dass seine Zukünftige so hässlich ...

Es ist Die Spur der Gräfin, die den jungen Grafen Albrecht in Bedrängnis bringt. Zumal es keine Liebesheirat war und er sich zunächst vor der Ehe sträubte. Dachte er doch, dass seine Zukünftige so hässlich sei wie ihre Mutter. Dem war aber nicht so und der junge Mann genoss das Zusammensein mit ihr. Bis, ja bis sie spurlos verschwand. Und als er sie dann suchte, hatte er nur Pech. Kirchenfürsten, von denen er sich Hilfe erhoffte, schickten ihn nach Jerusalem. Er sollte damit eine „besondere“ Aufgabe erfüllen, so hieß es. Das war gelogen, da etliche Herren ihm nach dem Leben trachteten. Hätte er nicht auch Männer, die ihm gut gesonnen waren, so wäre er schon bald tot.

Das Buch ließ sich gut lesen, was an dem angenehmen Stil der Autorin lag. Allerdings störte mich, dass die Geschichte immer wieder zu anderen Orten und Ereignissen wechselte. Ich vermisste den roten Faden und daher war es für mich anstrengend, dem Buch zu folgen. Was mir gefiel, das war die Beschreibung der Gegend rund um den Bodensee und hier die Insel Reichenau. Dort war ich selbst vor einigen Jahren und es war für mich wie ein erneuter Besuch. Die Spur der Gräfin ist mäßig spannend und ich denke, für Menschen, die sich für diesen Teil des Landes und seine Geschichte interessieren, wohl auch interessant.

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Veröffentlicht am 08.02.2020

Tommy Orange legt den Finger in eine Wunde, die nie verheilt

Dort dort
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Ist es eine Tatsache, dass der Ursprung von Thanksgiving wirklich so ist, wie es die Amerikaner uns berichten? Also, dass die Einwanderer friedlich mit den Ureinwohnern zusammensaßen und Speise und Trank ...

Ist es eine Tatsache, dass der Ursprung von Thanksgiving wirklich so ist, wie es die Amerikaner uns berichten? Also, dass die Einwanderer friedlich mit den Ureinwohnern zusammensaßen und Speise und Trank genießen konnten? Und wie geht es den Nachkommen der Natives heute? Was spielt sich in den Reservaten ab? Warum suchen viele von ihnen Trost im Alkohol und anderen Drogen? Das sind Fragen, die ich mir immer mal wieder stelle und aus dem Grund lese ich Bücher zu diesen Themen.

Dort, dort ist ein ganz besonderes Buch. Tommy Orange gehört selbst zu den Nachkommen der Natives und wer, wenn nicht er, kann authentisch über ihr Leben berichten. Er schreibt in dem Buch über die Probleme der Indianer, die nicht nur vom Rassismus der „Weißen“ geprägt sind. Bis heute werden sie diffamiert und häufig wie Ausstellungsstücke missbraucht. Sie sollen sich mit den Kostümen ihrer Vorväter schmücken und so wie sie tanzen. Alles zur Belustigung und Zeitvertreib der „Weißen“. Aber hin und wieder dürfen sie sich auch mit ihresgleichen treffen. Das Powwow in Oakland. Hier dürfen sie so sein, wie es ihnen gefällt. Die Akteure in dem Buch Dort, dort fiebern diesem Ereignis entgegen. Besonders die jungen Leute freuen sich darauf. Doch, wird ihre Hoffnung erfüllt und haben sie tatsächlich nur Freude an dem Tag?

Tommy Orange beschreibt das Leben von unterschiedlichen Charakteren, die alle eins gemeinsam haben. Sie sind „Natives“. Das bedeutet auch, dass sie vor vielen Jahren von den Eindringlingen im wahrsten Sinne des Wortes überrannt wurden. Ihnen wurde die Existenz geraubt, nie gekannte Krankheiten ins Land geschleppt und sie waren nur noch Menschen zweiter Klasse. Dass das wohl nie endet, davon bin ich überzeugt. Und dass hier das Problem vieler „Indianer“ liegt, ist wohl jedem klar. Zumal sich ihr Dasein unter Präsidenten wie dem jetzigen keinesfalls zum Guten wendet. Auch er vergisst, was seine Vorfahren den Ureinwohnern antaten und diese keinerlei Recht für ihr Vorgehen hatten.

Ich las nicht das Buch, sondern hörte es mir an. Es wird von Christian Brückner gelesen. Für mich war es ein Hochgenuss, diese markante Stimme über 550 Minuten zu hören. Er entführte mich eindrucksvoll in die Lebenssituation der Natives und ja, ich litt mit ihnen mit. Also ist es selbstverständlich, dass ich fünf Sterne plus und eine Hör- oder Leseempfehlung gebe.

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Veröffentlicht am 05.02.2020

Mut zur Wahrheit

Im Netz des Lemming
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Lemming sitzt mit seiner Frau am Tisch und sie unterhalten sich über Sohn Benjamin und seinen Freund Mario, genannt Loll. Beide kommen plötzlich durch die Tür. Es ist Abend und Lemming muss zur Arbeit. ...

Lemming sitzt mit seiner Frau am Tisch und sie unterhalten sich über Sohn Benjamin und seinen Freund Mario, genannt Loll. Beide kommen plötzlich durch die Tür. Es ist Abend und Lemming muss zur Arbeit. Er ist Nachtwächter im Zoo und Mario will ihn begleiten. In der Bahn bekommt Mario plötzlich eine SMS und beim nächsten Halt verlässt er fluchtartig die Straßenbahn. Lemming rennt ihm hinterher und sieht, dass der Junge auf das Geländer einer Brücke zurennt. Mario will springen und schafft es auch. Was stand in dieser SMS und war sie so schlimm, dass ein Kind sich das Leben nimmt? Und wenn ja, wer ist der Absender, also der Mörder?

Im Netz des Lemming ist eine Mischung aus Krimi und kritischem Tatsachenbericht. Der Autor Stefan Slupetzky legt den Finger in die Wunde und hat keine Scheu vor radikalen Mächten. Polivka, ein Kriminalinspektor und Lemming verlieren ihren Job, weil sie von den Medien diffamiert werden. Ein Troll postet im sozialen Netzwerk Lügen und Gemeinheiten und viele User springen auf diesen Zug. „Ein Stich ins Wespennest und hundert andere Lumpen fahren die Stacheln aus.“ So steht es in dem Buch und ja, genau so ist es. Wer auf FB unterwegs ist, der kann das an jedem Tag tausendfach erleben.

Mir gefiel der Kriminalroman gut. Hin und wieder fand ich die Sprache ein wenig überzogen, aber das ist wohl der Stil von Herrn Slupetzky. Seine Ansichten und Meinungen zur Österreichischen Regierung und deren ehemaligen Begleiter unterstreiche ich voll. Dazu gehört auch, dass in dem Buch Journalisten und deren Gazetten so beschrieben werden, wie sie sind. Nämlich Meinungsmacher und Menschen, die über Leichen gehen. Ich gebe dem Buch fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

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