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Veröffentlicht am 17.09.2021

Humorvoll und herzlich

Das Leben ist eins der Härtesten
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Die Geschichte ist schräg, humorvoll und geht trotzdem ans Herz. Mit "Das Leben ist eins der Härtesten" hat Guilia Becker einen wirklich beeindruckenden Debut-Roman vorgelegt, den ich in kürzester Zeit ...

Die Geschichte ist schräg, humorvoll und geht trotzdem ans Herz. Mit "Das Leben ist eins der Härtesten" hat Guilia Becker einen wirklich beeindruckenden Debut-Roman vorgelegt, den ich in kürzester Zeit runtergelesen hab. Die schrulligen Charaktere aus dem ziemlich unglamourösen Borken sind natürlich zugespitzt und könnten trotzdem so oder so ähnlich Nachbar:innen in jeder deutschen Stadt sein. Sie sind einfach Durchschnittstypen im mittleren bis hohen Alter, die man mit ihren Eigenarten sofort ins Herz schließt. Die Autorin hat einen wunderbar humorvollen Stil, der kurzweilig unterhält.

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Veröffentlicht am 17.09.2021

Schon jetzt DAS Buch 2021 für mich!

Heimatsterben
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Ein Buch, das nicht aktueller hätte sein können: Im Jahr 2023 stehen nach einer gescheiterten Regierung Neuwahlen in Deutschland an. Die eher linke Journalistin Hanna lässt sich von ihrem charismatischen ...

Ein Buch, das nicht aktueller hätte sein können: Im Jahr 2023 stehen nach einer gescheiterten Regierung Neuwahlen in Deutschland an. Die eher linke Journalistin Hanna lässt sich von ihrem charismatischen Schwager Felix dazu überreden, weit hinten auf der Landesliste seiner neurechten Partei zu kandidieren und ihn zu beraten. Die Partei fährt bei der Wahl einen riesigen Sieg ein und Hanna sitzt plötzlich unerwartet im Bundestag. Nur langsam erkennt sie, worauf sie sich eingelassen hat.

In "Heimatsterben" geht es um Politisches genauso wie im Persönliches - die Autorin verwebt gekonnt beide Ebenen zu einer fesselnden und faszinierenden Geschichte. Sie schreibt schnörkellos, aber eindringlich, sodass der Roman zum Pageturner wird. An vielen Stellen wirkt er erschreckend realistisch, sodass er gerade so kurz vor der Bundestagswahl ein eindringliches Plädoyer für die Demokratie liefert.

Am Anfang waren die verwobenen Familienstrukturen der vielen Generationen etwas verwirrend, aber der abgebildete Stammbaum half, die Verwandschaftsbeziehungen zu entwirren.

Insgesamt ein höchst empfehlenswerter Roman!

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Veröffentlicht am 24.08.2021

Nicht ganz, was ich erwartet hatte

Wir für uns
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Barbara Kunrath stellt uns zwei interessante Frauen vor: die 41-jährige Josi, die von ihrem verheirateten Freund schwanger wird, und Kathi, die kurz vor ihrem 50. Hochzeitstag frisch verwitwet ist. Beide ...

Barbara Kunrath stellt uns zwei interessante Frauen vor: die 41-jährige Josi, die von ihrem verheirateten Freund schwanger wird, und Kathi, die kurz vor ihrem 50. Hochzeitstag frisch verwitwet ist. Beide lernen sich durch einen Zufall kennen, aus dem sich eine unerwartete Freundschaft entwickelt. Beide finden sich an ungeplanten Weggabelungen wieder und müssen sich entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll.

Eine spannende Prämisse, die die Autorin aus meiner Sicht leider mit vielen Banalitäten und frustrierenden Handlungsentscheidungen verschenkt. Die Geschichte um Kathis Laden hat mich z.B. nicht sonderlich begeistert. Auch wenn immer mal anklingt, dass das keine einfache Sache ist, was Kathi dort aufbaut, wird der eigene Laden für mich zu sehr romantisiert. Auch das Frauenbild finde ich fragwürdig: Es gibt kaum eine weibliche Figur in diesem Roman, die nicht betrogen oder verlassen wurde und trotzdem noch lauter Entschuldigungen für den jeweiligen Mann findet. Hier hätte ich mir mehr Vielfalt gewünscht. Am unerträglichsten ist Josies "Beziehung" zu Bengt. Neun Jahre ist sie seine Geliebte. Erst als sie ungewollt schwanger wird und er sie zu einer Abtreibung drängen will, erkennt Josie langsam, dass er vielleicht doch nicht ganz der Traumprinz ist, für den sie ihn gehalten hat.

Dazu kommt auch, dass die Handlung von vielen Zufällen beeinflusst wird: Kathi könnte eine größere Summe für ihren Traum benötigen? Sie findet richtig viel Geld, von dem sie nichts wusste, im Nachlass ihres Mannes! Josi überlegt, ob sie ihr ungeborenes Kind auf eine Trisomie testen lassen soll? Sie trifft zufällig ein liebenswertes Mädchen mit Downsyndrom und dessen Mutter! Das alles ist leider nicht besonders realistisch und wirkt konstruiert. Außerdem sorgen die ganze Zufälle dafür, dass die Frauen einige Probleme nicht aktiv lösen, sondern immer wieder fremdbestimmt wirken.

Das ist vermutlich mein größtest Problem mit dem Roman: Die Charaktere handeln selten aus eigenem Antrieb, sondern immer weil die Umstände, Ereignisse oder Menschen in ihrem Leben sie zu einer Reaktion zwingen.

Die Erinnerungen der Protagonistinnen nehmen ebenfalls viel Raum in der Geschichte ein. Sie erklären natürlich viele Verhaltensweisen oder Entscheidungen, die die beiden treffen, daher sind die Rückblenden durchaus wichtig. Leider wiederholen sie sich zum Teil unnötig und sind mir nach einer Weile etwas zu viel geworden. Da hätte ich mir einen größeren Fokus auf die Gegenwart gewünscht, denn wichtige Momente in der Handlungsgegenwart wie Josies dramatischer Mosel-Urlaub mit ihrer Mutter oder der unverständliche Umgang mit der Homosexualität eines Verwandten werden für mein Empfinden zu sehr nebenbei behandelt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Frauen erzählt, wobei Josie Ich-Erzählerin ist und Kathis Kapitel in personaler Sie-Perspektive geschrieben sind. Der Schreibstil ist angenehm und das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen, aber das ändert für mich leider nichts an den deutlichen Längen. Die Geschichte hat mich leider emotional nicht angesprochen.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Berührende Geschichte einer Freundschaft

Der Mauersegler
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Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es an einem Tag ausgelesen. Im Gegensatz zu seinen tierischen Namensgebern war der Roman in meinen Händen also sehr wohl geerdet. :)

Hier kommt richtig ...

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es an einem Tag ausgelesen. Im Gegensatz zu seinen tierischen Namensgebern war der Roman in meinen Händen also sehr wohl geerdet. :)

Hier kommt richtig viel Gutes zusammen: Ein poetischer, bildstarker Schreibstil; kluge Naturbeschreibungen, die die Emotionen einfangen und spiegeln; Protagonist:innen, die man trotz (oder wegen) ihrer Ecken und Kanten ins Herz schließt, und ein wirklich hervorragend ausgearbeiteter Spannungsbogen, der mir am Ende die ein oder andere Träne entlockt hat.

Ich finde es richtig toll, dass Jasmin Schreiber eine so emotional reiche und bewegende Geschichte über eine Freundschaft geschrieben hat (und nicht über eine Liebesbeziehung), nämlich über die Freundschaft von Prometheus und Jakob. Die beiden kennen sich seit ihrer Kinderheit und waren immer unzertrennlich. Dann erkrankt Jakob an Krebs und stirbt.

In der Gegenwart begleiten wir den Arzt Prometheus nach Jakobs Tod auf der Flucht vor seiner Schuld und folgen ihm nach Dänemark, wo er unerwartet auf dem Reiterhof von Helle und Aslaug landet. Übrigens richtig erfrischend, einfach ein lesbisches Pärchen in einem Roman zu erleben, ohne dass deren Lesbischsein thematisiert oder als ungewöhnlich dargestellt wird. Stattdessen haben beide ihre Ticks und sind einfach als Menschen interessant, nicht wegen ihrer Sexualität.

Dazwischen gibt es immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit: in die gemeinsame Kindheit von Prometheus und Jakob, aber vor allem auch in die Monate vor Jakobs Tod. Dort hat Prometheus seinen sterbenden Freund nicht nur persönlich, sondern auch als Arzt begleitet. Langsam enthüllt die Autorin, was genau passiert ist und wie die Ereignisse nicht nur Jakob und Prometheus, sondern ihr ganzes familiäres Umfeld beeinflusst haben.

Diese emotionale Geschichte hat die Autorin in einem ausdrucksstarken Schreibstil verfasst. Mir gefällt besonders, wie sie die teils sprunghaften Gedankengänge von Prometheus einfängt und wie sie den Druck zeigt, unter dem Prometheus steht. Auch die Naturbeschreibungen bereichern die Geschichte.

Mir hat "Der Mauersegler" noch besser gefallen als "Marianengraben". Sehr empfehlenswert für alle, die emotionale, aber nicht-kitschige Romane mögen!

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Kurzgeschichtensammlung, von der ich mehr erwartet hatte

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
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Der Erzählband "Mein Sternzeichen ist der Regenbogen" beginnt mit einer vielversprechenden, gleichnamigen Erzählung: Der junge syrische Ich-Erzähler versucht herauszufinden, an welchem Tag er geboren wurde, ...

Der Erzählband "Mein Sternzeichen ist der Regenbogen" beginnt mit einer vielversprechenden, gleichnamigen Erzählung: Der junge syrische Ich-Erzähler versucht herauszufinden, an welchem Tag er geboren wurde, weil seine Kindheitsfreundin Antoinette sein Sternzeichen wissen möche. Diese scheinbar simple Aufgabe hilft dem Erzähler unerwartet, tiefer in seine Familiengeschichte einzutauchen, denn jedes Familienmitglied, das er fragt, sagt ihm einen anderen Tag und erzählt damit verbunden eine andere Geschichte. Rafik Schami zeichnet den Protagonisten als wunderbar unbedarft und vermittelt dabei gleichzeitig interessante kulturelle Eigenheiten wie eben die Unwichtigkeit des Geburtsdatums.

Gut gefiel mir auch die sehr kurze Geschichte eines syrischen Paares, das aus Spaß eine Geheimsprache erfindet, diese auch in der Öffentlichkeit miteinander spricht und deshalb verdächtigt wird, für Israel zu spionieren. Die Geschichte beginnt mit einer charmanten Leichtigkeit und wird dann immer dunkler und dramatischer. Ich hätte mir mehr davon gewünscht.

Leider konnten mich nur die wenigsten Kurzgeschichten in dem Band so begeistern. Einige haben mich komplett irritiert, wie die Geschichte eines deutschen Professors, der in Italien eine Auszeit nimmt und dort die Italienerin Sara kennenlernt. Der Typ ist unerträglich arrogant, zunächst schockt es ihn, dass seine Angebetete, die "nur" einen Supermarkt managt, nicht von seinem Prof-Status beeindruckt ist, dann behandelt er sie nach und nach immer abfälliger. Gleichzeitig ist sie ihm voll ergeben und weint nach der ersten gemeinsamen Nacht gleich "vor Glück". Ernsthaft, warum...? Überhaupt gibt es immer wieder Szenen, die vor übertriebenen Gefühlen nur so strotzen und sich ziemlich pathetisch lesen.

Leider haben die meisten Geschichten auch keine Pointe, Moral oder wenigstens ein überraschendes Ende, das das Fehlverhalten ihrer Protagonist:innen irgendwie entlarvt oder einordnet, stattdessen enden sie eher abrupt. Geschichten wie die über die professorale Italienreise lassen mich daher ziemlich ratlos zurück. Das macht die Lektüre leider ziemlich unbefriedigend.

Auch sonst bin ich an vielen Stellen über den Text gestolpert: So schreibt Rafik Schami z.B. das N-Wort aus, ohne dass der Gebrauch des Wortes für die Geschichte irgendwie nötig gewesen wäre. Er erzählt auch von einem creepy Zahnarzt, der sich in eine Supermarktverkäuferin verliebt, obwohl sie nur Smalltalk führen. Der Autor scheint das auch völlig ok zu finden, dass sein Protogonist dieser Frau so auf die Pelle rückt, obwohl es einfach ihr Job ist, zu Kund:innen nett zu sein. Den Umgang des Autors mit solchen Geschichten finde ich fragwürdig, zumal die Frau dann an irgendeiner Stelle auch in Tränen ausbricht (oh man) und der creepy Zahnarzt zu ihrem völlig selbstlosen Retter hochstilisiert wird. Alles sehr unangenehm.

Das war mein erstes Buch von Rafik Schami. Ich hatte so viel Gutes über ihn gehört und mich sehr darauf gefreut, bin aber leider enttäuscht worden. Bis auf wenige Ausnahmen konnte mich das Buch weder inhaltlich noch stilistisch überzeugen. Vielleicht gefällt der Band Fans von ihm.

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