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Veröffentlicht am 19.03.2022

Lasst mir ein Like da!

Die Kinder sind Könige
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Meine Lieben, gerne teile ich meine Rezension zu Delphine de Vigans „Die Kinder sind Könige“ mit Euch und bitte schenkt mir ein Like, wenn sie Euch gefällt…so würde sich wahrscheinlich Mélanie Claux/Diores ...

Meine Lieben, gerne teile ich meine Rezension zu Delphine de Vigans „Die Kinder sind Könige“ mit Euch und bitte schenkt mir ein Like, wenn sie Euch gefällt…so würde sich wahrscheinlich Mélanie Claux/Diores Anfang einer Buchbesprechung lesen. Mélanie ist die Protagonistin des neuen Romans von de Vigan. Als junge Frau war sie süchtig nach Reality-TV-Formaten und nachdem sie selbst in einer Show sehr kläglich scheiterte, strebt sie nach Ruhm, Liebe und Followern auf Social-Media-Plattformen. Schnell erkennt sie, dass ihre Kinder die eigentlichen Stars sind und so beginnt sie diese mehr oder weniger rund um die Uhr zu filmen, zu streamen, herauszufordern auf der Jagd nach Abonnenten und Likes. Als ihre Tochter verschwindet, nimmt sich die gewissenhafte Procédurière Clara des Falls an und entdeckt die Schattenseiten einer Berühmtheit im Internet.

Ich mag grundsätzlich eigentlich keine Romane, die mir klar und deutlich etwas vermitteln wollen, mir ihre Weltsicht aufzwingen und dazu auch noch zu recht überspitzten Maßnahmen greifen. „Die Kinder sind Könige“ fällt in jeglicher Hinsicht in diese Kategorie, und dennoch hat er mir ausgesprochen gut gefallen. So muss ich als erstes zugeben, dass ich mir nach der Lektüre gar nicht mal so sicher bin, dass das Leben der Instagram-Ikone Mélanie wirklich übertrieben dargestellt wird. Die Selbstinszenierung, das Teilen und Teilhabenlassen sind wesentlich, um den Algorithmus und die Abonnenten glücklich zu machen und bei Mélanie entwickelt sich das zu einer Sucht, die ein Teil ihres Lifestyles zu sein scheint. Die begründet und angebrachte Kritik, die der Roman in den Mittelpunkt stellt, beruht natürlich besonders auf der Tatsache, dass die Protagonistin ihre Kinder gnadenlos zur Schau stellt. Hier haben mich besonders die Blindheit der Mutter für die Bedürfnisse ihrer Kinder erschreckt und die geschilderten potenziellen (fiktiven?) psychologischen Folgeerscheinungen einer dauerhaften Ausstellung bei Instagram und Co. sehr fasziniert. De Vigan bringt gerade diesen psychologischen Kontext so überaus glaubhaft zur Darstellung, dass einem schon angst und bange werden kann. Als Kommentar zu unserer heutigen medienhörigen Zeit, in der ein Leben nur eine Wertigkeit zu haben scheint, wenn es öffentlich gelebt wird, funktioniert der Roman in seiner ganzen Bitterkeit trotz seiner Holzhammermethode ausgezeichnet.

Die Figurenkonzeption ist insofern spannend, als dass sie zwar auf eine starke Kontrastierung zwischen der Polizistin Clara und der Influencerin Mélanie setzt, aber eine allzu deutliche Gut-Böse-Differenz ausgespart wird. Auch wenn die Autorin mit stereotypen, genretypischen Merkmalen (die einsame, arbeitswütige Polizistin und die oberflächliche, gefilterte Fee) arbeitet: die Innensichten in die beiden Frauenfiguren sind absolut glaubwürdig und dienen natürlich auch wieder der nachdrücklichen Darstellung des eigentlichen kritischen Ansinnens des Romans.

Der Text ist gut geschrieben und sehr lesbar, das Verschwinden des Mädchens ausgezeichnet und spannend inszeniert, sodass man mit großem Interesse der Handlung folgt. Hierzu tragen auch die eingefügten Polizeiberichte Claras bei und die Aufteilung der Handlung auf verschiedene Zeitebene.

Ein nachdenklich stimmender Roman, den ich trotz seiner allzu bekannten und offensichtlichen Kritik empfehlen kann, weil er einfach gut zu lesen ist.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Zwischen Amt und Selbst

Die Diplomatin
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Was soll ich sagen? Toller Roman, gute Story, interessantes Setting – ich habe mich nicht eine Sekunde gelangweilt und würde sofort einen zweiten Band von „Die Diplomatin“ lesen, wenn es denn einen gäbe.
Lucy ...

Was soll ich sagen? Toller Roman, gute Story, interessantes Setting – ich habe mich nicht eine Sekunde gelangweilt und würde sofort einen zweiten Band von „Die Diplomatin“ lesen, wenn es denn einen gäbe.
Lucy Fricke begleitet „Fred“ Andermann auf ihrem nicht sehr glatten Karriereweg von ihrem ersten Posten als deutsche Botschafterin in Montevideo, den sie aufgrund eines unkontrollierbaren Kriminalfalls sehr schnell wieder verliert, zu ihrem nächsten Einsatz als Konsulin in Istanbul mit einem nicht nennenswerten Zwischenstopp in der Zentrale in Berlin.

Der Roman pflegt einen ganz eigenen, ungemein lesbaren Ton. Fred wird als Erzählinstanz mit einer unverwechselbaren Stimme ausgestattet, die ausgesprochen authentisch und plausibel, zwischen Humor und Resignation schwankend, auf den Punkt genau die Stimmung eines Posteninhabers des „Amtes“ einfängt. Dominiert im ersten Teil ein großartiger, trockener Humor, der die ersten Kapitel gleichsam zu einem Schmunzelfeuerwerk macht, ändert sich nur Freds Einstellung, sondern auch ihre Erzählweise sehr glaubhaft im in Istanbul spielenden Teil. Allein anhand ihrer Stimme, der Art ihres Berichtens, kann man erkennen, wieviel Kraft, Energie, Einsamkeit und Enttäuschung ihr Job, dem sie ihr Leben verschrieben hat, kostet. Zwar blitzt auch hier immer wieder der ihr eigene Witz auf, aber die politischen Realitäten der Türkei lassen nicht viel Raum für Vergnügen.
Im Istanbul-Teil kann der Leser einen spannenden und aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen der Diplomatie, ihre Möglichkeiten und vor allem ihre Grenzen im Angesicht eines immer repressiver agierenden Systems werfen, der, wenn auch fiktiv, absolut nachvollziehbar und denkbar inszeniert wird. Die Seiten fliegen nur so vorbei, während Fred an einer gegen alle Grundsätze des Auswärtigen Amtes verstoßenden Lösung zur Befreiung unrechtmäßig Inhaftierter arbeitet. In diesen Kapiteln verfügt der Roman fast über eine Handlungskurve, die einem Thriller entnommen sein könnte, wird aber niemals reißerisch oder überzogen, die Handlung bleibt stets dem Grundsatz der Realitätsnähe treu. „Die Diplomatin“ bietet beste Unterhaltung auf hohem Niveau und kommt vollkommen ohne Kitsch und Verklärung des angesehenen Jobs im Dienste Deutschlands aus.
Ein absolut lesenswerter, angesichts der Thematik überraschend leichtfüßiger Roman, der humorvoll mit Resignation und Enttäuschung umgeht und sich insgesamt durch ein hohes Maß unterschwellig eingebrachter Ernsthaftigkeit auszeichnet.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Das Paradies ist der Weg dorthin

Zum Paradies
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„Zum Paradies“ habe ich mich aufgemacht und dabei festgestellt, dass es unerreichbar ist, der Mensch auf seinem Weg dorthin zum Scheitern verurteilt ist und in seiner Erkenntnis dieser Tatsache und seines ...

„Zum Paradies“ habe ich mich aufgemacht und dabei festgestellt, dass es unerreichbar ist, der Mensch auf seinem Weg dorthin zum Scheitern verurteilt ist und in seiner Erkenntnis dieser Tatsache und seines trotzigen anhaltenden Strebens nach Glückseligkeit vielleicht das eigentliche irdische Paradies liegt. Dass der Weg „Zum Paradies“ ein steiniger ist, macht Hanya Yanagihara in ihrem wuchtigen, komplexen und fast 900 bibeldünne (übrigens ein schöner haptischer Verweis auf die möglichen Bezüge des Romans zur Religion) Seiten umfassenden Werk deutlich. In drei Büchern, die jeweils 1893, 1993 und 2043/2093 spielen, verfolgt sie das Leben von David, Charles/Charlie und Edward. Nicht nur die Protagonisten teilen sich auf den verschiedenen Zeitebenen die Namen, auch die Nebenfiguren erhalten immer wieder dieselben Bezeichnungen, sind aber mitnichten identisch. Jeder David, jeder Charles ist eine distinkte Figur, die lediglich durch eine vage durchscheinende Schicksalsverbindung oder Überschneidung in der Figurenkonzeption miteinander verbunden sind. Hier liegt eine Stärke und Schwäche des Romans, der lose Zusammenschluss der einzelnen Bücher und der Figuren lässt Raum für unzählige Lesarten und komplexe Interpretationsmöglichkeiten, allerdings sind die Vernetzungen zeitweise so vage, dass man sich doch auch einen etwas stärkeren roten Faden, eine höhere Belastbarkeit der Hinweise gewünscht hätte. So taumelt man manchmal durch die Komplexität der Geschichte und rätselt über nebulöse Bezüge, die eventuell keine sind.

Die Figuren sind sehr komplex, mit viel Innenschau und Tiefe ausgestattet, ausufernden Backstories und vielen Wünschen und Hoffnungen. Anstrengend und auf die Dauer zermürbend ist allerdings die sehr stark ausgeprägte Passivität und Unentschlossenheit der jeweiligen Hauptfigur eines Abschnitts. Sicher stellt diese mangelnde Aktivität ein wesentliches Bindeglied zwischen den einzelnen Büchern da, aber zu viel Prokrastination und Abwarten kann auf Dauer sehr ermüdend, wenn nicht gar aufreibend sein. Eigentlich geschieht dem jeweiligen Protagonisten nur etwas, echte, unabhängige Aktion sucht man fast vergeblich.

Von den drei Zeitebenen hat mich die erste am meisten beeindruckt. Sie ist nicht nur richtig gut geschrieben, sondern auch in sich ausgezeichnet konzipiert. Während der Lektüre geht einem nach und nach auf, dass man es mit einer alternativen Wirklichkeit des Jahres 1893 zu tun hat. Die Freistaaten, ein unabhängiger Teil der USA, im Nordosten der USA, erlaubt und fördert konsequente Gleichberechtigung und gleichgeschlechtliche Ehen bei gleichzeitiger Durchsetzung einer äußerst rigiden Klassengesellschaft. Es ist eine Herausforderung und Freude, sich in diese neue Version eines späten 19. Jahrhunderts einzufinden, beim Lesen die Konventionen, Regeln und die Geschichte dieser neuen Welt herauszufiltern.
Das zweite Buch zeichnet sich leider durch sehr viel Langatmigkeit, überflüssige Ausführungen und Passivität aus. Besonders der Teil der auf Hawai’i spielt, hätte um mindestens die Hälfte gekürzt werden können. Die gesamte Innovation, der Fortschritt und die Experimentierfreudigkeit des ersten Buches versinken in diesem Teil in ausgedehnten Innensichten, die trotz alledem zu nicht wirklich nachvollziehbaren psychologischen Verfasstheiten führen, in einer Geschichte, die irgendwie bieder und uninspiriert wirkt. Das dritte Buch beschert dem Lesevergnügen wieder einigen Aufwind. 2043/2093 bietet viel Fläche für Fantasie und Zukunftsvision und vor allem Spannung. Allerdings haben mich auch hier einige Dinge gestört. So ist die Erzählweise, selbst bei Berücksichtigung der eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten der Erzählinstanz in diesem Teil etwas holprig. Die Rahmenbedingungen eines Lebens im Manhattan der Zukunft lesen sich schulreferatsmäßig und haben den Charme eines Wikipedia-Eintrags, während die Briefe aus den Jahren rund um 2043 einmal mehr viel zu lang sind und die Geduld des Lesers auf die Probe stellen. Darüber hinaus ist dieses Buch inhaltlich anstrengend, da es eine Zukunft in persönlicher Unfreiheit, die an Orwells „1984“ angelehnt ist, ausmalt, in der die Menschheit von einer Quarantäne in die nächste Pandemie gleitet. Im Angesicht der derzeitigen Situation ist das nicht unbedingt mein präferiertes dystopisches Szenario – und ich mag Dystopien durchaus.

Insgesamt ist „Zum Paradies“ ein forderndes, anspruchsvolles und auch tolles literarisches Werk, dass aber an einigen Stellen schwächelt. Es gewinnt definitiv durch eine gedankliche, tiefere Auseinandersetzung, den Aufwand seitens des Lesers Spiegelungen und Verbindungen zu suchen und zu finden, die beim einfachen Lesen nicht unbedingt zu erkennen sind, weshalb sich der Roman besonders auch für Lesegruppen eignet.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Der kleine Schmerz und die Wahrheit

Die dritte Hälfte eines Lebens
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Anna Herzigs Kurzroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ könnte viel erzählen, entscheidet sich dann aber für das Schicksal des Steinlachner Sepp, dessen Leben aufgrund seines Status als uneheliches Kind ...

Anna Herzigs Kurzroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ könnte viel erzählen, entscheidet sich dann aber für das Schicksal des Steinlachner Sepp, dessen Leben aufgrund seines Status als uneheliches Kind und seiner Hautfarbe von den Bewohnern des Dorfes Krimmwing so zur Hölle gemacht wird, dass er eines Tages beschließt, dem Ort den Rücken zu kehren. Die genauen Umstände seines Verschwindens sind weniger klar als die Bedingungen seiner Rückkehr, aber die Dorfgemeinschaft hat so einiges darüber gehört und deshalb viel dazu zu sagen.

Dieser Roman hat sich der Ausleuchtung des „kleinen Schmerzes“ verschrieben, der eigentlich ein ganz großer ist und durch die bigotte Haltung der „normalen“ Dorfbewohner verursacht wird, die die Wahrheit dehnen, wenden und ignorieren, solange sie die Außenseiter, diskreditiert. Auf diese Weise macht der Roman auf die Enge und Begrenzung des Lebens innerhalb einer Dorfgemeinschaft aufmerksam, er zeigt aber gleichzeitig auch, dass in der Andersartigkeit der Wille und die Kraft zur Freiheit und Ablösung ruht, zum Aufbruch in "die dritte Hälfte eines Lebens". Neben diesem Thema zerrt der Roman auf recht subtile Weise auch die zentrale Frage nach Wahrheit und Lüge bzw. Gerücht in den Mittelpunkt und spielt auf diese Art und Weise vor allem im zweiten Teil auf amüsante Weise Katz und Maus mit dem Leser.

Handlungstechnisch wird der Roman hierdurch allerdings recht verwirrend und lässt einen zeitweise etwas orientierungslos und ratlos zurück – sicherlich das Ansinnen des Vexierspiels mit der Wahrheit, das aber immerhin für ein gelungenes Ende sorgt. Problematisch sind auf den ersten Blick auch manchmal grotesk anmutenden Szenen, die ihren Ursprung jedoch in der Gerüchteküche nehmen. Sprachlich ist der Roman in Teilen fast lyrisch, der Autorin gelingen ein paar wirklich fabelhafte Bilder, für Schmunzeln und Sprachgenauigkeit sorgen die sehr sporadisch eingestreuten englischen Sätze.

Wenn man an dem Roman etwas kritisieren kann, dann ist es wohl sein klares didaktisches Ansinnen, die Einseitigkeit seiner Ausrichtung und vielleicht seine sehr simple Einteilung der Personen in „gut“ und „böse“. Da erwartet man von einem Roman mit erwachsener Zielgruppe doch etwas mehr Raffinesse.

Insgesamt jedoch eine gelungene Leseherausforderung, die jedoch etwas eigenwillig und daher vielleicht nicht für jeden gleichermaßen geeignet ist.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Ohnmacht

Zusammenkunft
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„Zusammenkunft“ ist im Grunde genommen das genaue Gegenteil seines Titels – hier wird nichts vereint, gelöst, versöhnt. Die Friedlichkeit, die das Wort suggeriert, ist kein Teil der Handlung. Der einzige ...

„Zusammenkunft“ ist im Grunde genommen das genaue Gegenteil seines Titels – hier wird nichts vereint, gelöst, versöhnt. Die Friedlichkeit, die das Wort suggeriert, ist kein Teil der Handlung. Der einzige Aspekt von Zusammenkunft, der auf den Inhalt des Textes zutrifft, ist der eines flüchtigen, vielleicht auch gleichgültigen, Zusammentreffens von Menschen, denn an der Erzählerin ist eigentlich niemand wirklich interessiert – seltsamerweise auch sie selbst nicht, denn für sich selbst (wie auch für viele andere) ist sie „nichts“, wie immer wieder betont wird. Ihre Haltung sich selbst gegenüber ist distanziert bis unbeteiligt, um nicht zu sagen apathisch.

Und das ist eigenartig befremdlich, denn insgesamt ist der Roman eine Wutrede, eine ohnmächtige Anklage gegen den Status quo, gegen Sexismus, Rassismus und Marginalisierung, Vorurteile, Privilegierung, Oberflächlichkeit, Kolonialismus, das Klassensystem, Seilschaften, gesellschaftliche Normen. Es ist ein deprimierender Text mit schmerzhaften Wahrheiten, vorgetragen mit brutaler Offenheit, der sich an der Frustration abarbeitet, dass sich weder an der Geschichte noch an der Gegenwart und vermutlich auch nicht an der Zukunft etwas ändern lässt.

„Zusammenkunft“ bietet auf seinen 113 Seiten unendlich viele Interpretationsansätze – am eingängigsten und besonders markant ist wahrscheinlich die Krebsmetapher: die Krankheit, die sich mäandernd und einem Kraken gleich durch den Organismus frisst, an immer neuen Stellen auftaucht und das System unheilbar vergiftet. Wie ein Krebsgeschwür verdammt die spezifische Mischung aus Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und sozialer Klasse die Erzählerin zu einer Identität, die von Einschränkungen und Unfreiheit bestimmt wird. Sie versteckt sich hinter gewünschten, erwarteten sozialen Rollen und enthüllt so bestechend die Notwendigkeit der Assimilation. Auf diese Weise vereint das Buch einen Katalog verschiedenster Elemente postkolonialer Ansätze und demonstriert seine Klugheit, seinen Zorn, die Unzulänglichkeiten der Welt und die Härte und Schwere der Umstände, die auch durch das britische Empire entstanden sind. „Zusammenkunft“ ist ein anstrengendes, forderndes und anspruchsvolles Buch, das über den gezielten Einsatz des Fragmentarischen Identität gleichsam untermauert und in Frage stellt.

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