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Veröffentlicht am 01.07.2020

wenig eindrücklich

Der unsichtbare Garten
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Der unsichtbare Garten befasst sich mit einem bedrückenden Thema: dem irreversiblen Verlust der Sehkraft und dem Leben mit und nach einer derartigen Diagnose. Um dies zu veranschaulichen, hat die Autorin ...

Der unsichtbare Garten befasst sich mit einem bedrückenden Thema: dem irreversiblen Verlust der Sehkraft und dem Leben mit und nach einer derartigen Diagnose. Um dies zu veranschaulichen, hat die Autorin einen jungen Tennistrainer zu ihrem Protagonisten gemacht, dessen neues Schicksal ohne Augenlicht in einem starken Kontrast zu seinem vorherigen Lebensentwurf steht.

Tja...das ist einer dieser Romane, die gut gemeint und auch gar nicht schlecht gemacht sind, die aber trotzdem nicht das Gefühl auf das Papier bringen, das es braucht, um eine Leserschaft zu überzeugen, mitzureißen und mitleiden zu lassen.

Die Figur Vincent ist zu Beginn des Romans so in seinem Leid gefangen, dass er überstürzt durch alle möglichen Erlebnisse springt, für die er seine Augen noch nutzen möchte. Der Schreibstil passt sich hier dieser Rastlosigkeit an, der Leser wird fast atemlos zurückgelassen. Es fehlt in diesem Teil jedoch an tiefergehenden Reflexionen über den eigenen - auch mentalen - Zustand. Dies mag man alles wohlwollend auf einer Analyseebene dem bewussten Versuch der Autorin zuschreiben, das Ohnmachtsgefühl und den Negationswillen Vincents transportieren zu wollen.

Das Erzähltempo wird erst gedrosselt, als Vincent tatsächlich nicht mehr sehen kann und beginnt, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Hier wird er als Figur auch deutlich nahbarer und der Roman schafft es, den Leser dazu zu bringen, sich zu fragen, wie man selbst mit solch einer Situation umgehen würde. Allerdings herrscht nun auch über weite Strecken Langeweile, da eigentlich kaum noch - außer einem ziemlich abwegigen Anschlag auf Vincent, der im Nachhinein dann auch nicht wirklich wichtig ist, etwas passiert und auch hier keine besonders tiefe Auseinandersetzung mit der Krankheit erfolgt.

Jegliche Wucht und Nachwirkung, die der Roman hätte haben können, wird jedoch durch das Ende ausgelöscht. Die letzten zwei-drei Kapitel bieten einfach zu viel Happy End - manchmal ist weniger/kürzer mehr.

Insgesamt wirkt der Roman trotz der sicherlich guten Recherche der Autorin über weite Strecken nicht authentisch genug, um emotional zu berühren. Stilistisch durchaus ansprechend und thematisch anspruchsvoll, bleibt der Roman weitestgehend gefällig. Gut gefallen haben mir z.B. die Gartenszenen, aber auch hier bleibt der Eindruck verschenkten Potenzials bestehen. Er liest sich gut, aber er beeindruckt nicht und bleibt an der Oberfläche und ist so eher nette Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 23.06.2020

Der etwas andere Mörder

Achtsam morden
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Ich habe Achtsam morden als Audiobook gehört und sehr genossen. Zu Beginn bin ich etwas schwer in die Story reingekommen, da mir die Art des Sprechers zunächst nicht zugesagt hatte. Dies hat sich im Verlauf ...

Ich habe Achtsam morden als Audiobook gehört und sehr genossen. Zu Beginn bin ich etwas schwer in die Story reingekommen, da mir die Art des Sprechers zunächst nicht zugesagt hatte. Dies hat sich im Verlauf der Geschichte aber komplett geändert, denn gerade die ruhige, besonnene und achtsame Lesart des Sprechers verstärkt die Wirkung und Bedeutung des Textes. Angesichts der abstrusen, unglaublichen und wahnsinnig unterhaltenden Story ist gerade die vom Sprecher sehr überzeugend ausgestrahlte Achtsamkeit eine wahre Bereicherung. Die Geschichte selbst ist absolut gelungen, da sie nicht nur sehr bissig und schwarzhumorig mit dem ganzen Achtsamkeitshype liebevoll aufräumt, sondern auch äußerst entlarvende und zutreffende Beobachtungen unserer Gesellschaft beinhaltet. Sehr zu empfehlen! Und nun muss ich noch ein wenig meine Begeisterung "wegatmen".

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Veröffentlicht am 23.06.2020

"Es ist kompliziert..."

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Charlie Berg und ich - das ist eine schwierige Beziehung, man könnte auch sagen: "es ist kompliziert", denn der Roman hat sozusagen zwei Gesichter.

Das Buch hat mich mit seiner unglaublich schönen Sprache ...

Charlie Berg und ich - das ist eine schwierige Beziehung, man könnte auch sagen: "es ist kompliziert", denn der Roman hat sozusagen zwei Gesichter.

Das Buch hat mich mit seiner unglaublich schönen Sprache begeistert und verzaubert. Es gibt so viele sprachliche Bilder, die überraschen, Wortkombinationen und Gefüge, die man nicht erwartet, und die einen staunen lassen. Und das alles wirkt in keiner Weise gekünstelt. Was also die sprachliche Ebene (dies bezieht sich nur auf die Teile 1, 2 & 5) anbelangt, hätte Charlie Berg fünf Sterne mehr als verdient gehabt und sogar das Zeug dazu gehabt, eines meiner Lieblingsbücher zu werden.

Inhaltlich konnte ich die oben genannten Teile über weite Strecken ebenso genießen. Letztlich ist Charlie Berg für mich in gewisser Weise ein moderner Schelmenroman und allein dieses alte Genre mal auf diese Art anzufassen, ist sehr erfrischend und innovativ. Die Story ist interessant, ungewöhnlich, mitreißend und spannend und beeindruckt durch viele Rückblenden, die virtuos in die Gesamthandlung eingebunden sind. Manchmal fragt man sich schon leicht verblüfft, wie man nun in dieser oder jener Szene gelandet ist, aber die Orientierung verliert man hier (noch) nicht. Auch der letzte Teil des Romans ist (bis auf ein paar Seiten) richtig gut gemacht, da die Ereignisse schlüssig und überzeugend aufgeklärt werden. Die Figuren sind in diesen Teilen eigenwillig, aber nicht zu seltsam, und der Text besitzt das richtige Maß an Verrücktheit.

So - und nun zum ABER oder zum zweiten Gesicht: für mich sind dies das Ende von Teil 2 und die Teile 3 & 4. Ich bin absolut kein Freund von derber Sprache, rustikaler Handlung und komplett sinnfreien Aktionen. Und leider, leider passiert genau dies fortgesetzt und gefühlt fast ohne Pause im gesamten Mittelteil des Romans. Hier fühlte sich der Text an wie eine American Pie-Mega-Extended-Director's Cut-Version an und hat mir alles an Durchhaltevermögen abverlangt, eigentlich war jede Seite zuviel. Im Grunde geht es hier nur um Sex und sexuelles Coming-of-Age, alles gespickt mit brachialem Humor, überflüssig, sinnfrei und regelrecht abstoßend. Das Ganze trägt dabei in diesen Ausmaßen nicht zur Figurenentwicklung bei - wenn es denn unbedingt hätte sein müssen, wäre es völlig ausreichend, gewesen maximal drei Seiten darauf zu verschwenden, statt 300! Beherrscht wird der Mittelteil von der unsäglichen Figur David, bei der ich schon bei ihrem ersten Auftreten darauf gehofft hatte, dass sie schnellstmöglich wieder verschwindet...Darüber hinaus werden die Rückblenden in diesen Teilen zunehmend verwirrend, sodass man nun manchmal doch ein bisschen verloren in der Chronologie der Storyline zurückgelassen wird. Um hier im Bewertungssystem zu bleiben: Teil 3&4 würden bei mir einen Stern bekommen, aber nur weil null Sterne nicht vergeben werden können...

Ich werde den Roman sicher nicht so schnell vergessen und ich würde aufgrund des außergewöhnlichen Sprachgefühls des Autors auch wieder etwas von Sebastian Stuertz lesen, wenn es denn kürzer wäre und ohne Derbheit und Niveauverlust auskäme....Ganz ehrlich: alles, was man in dieser Hinsicht zu Sex sagen kann, ist in Charlie Berg ja auch schon ausgiebig erläutert worden. Das war fürs Leben genug.

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Veröffentlicht am 21.06.2020

Wenn es still wird in Holt

Kostbare Tage
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Kent Harufs Roman ist ein kostbarer Roman, der die Stille, Langsamkeit und das Kleinstadtleben würdigt. Allen, die die Thematik des Sterbens und der Krankheit abschrecken mag, sei versichert: ja, es geht ...

Kent Harufs Roman ist ein kostbarer Roman, der die Stille, Langsamkeit und das Kleinstadtleben würdigt. Allen, die die Thematik des Sterbens und der Krankheit abschrecken mag, sei versichert: ja, es geht um das Ende des Lebens, aber nicht auf eine verstörende oder abschreckende Weise und vor allem geht es auch nicht nur um den Tod. Haruf gelingt es im Gegenteil, das Sterben zum Teil des Lebens zu machen - was es ja letztlich auch ist. So ist der Roman durchsetzt mit Erinnerungen an Fehler und Situationen, die das Leben der Figuren in Kostbare Tage beeinflusst oder auch entschieden haben. Die Handlung wechselt zwischen Dad Lewis Geschichte und Reverend Lyles Gewissenskonflikten, Alenes trauriger Liebesgeschichte, John Wesleys Teenagernöten und Alices neuem Leben in Holt, sodass an Dad Lewis Ende auch der Beginn oder die Mitte anderer Schicksale geknüpft sind, wodurch ein Panorama verschiedener menschlicher Leben in einer Kleinstadt geschaffen wird.

Beschrieben wird Holt mit seinen Einwohnern in einer sehr reduzierten, unaufgeregten und stillen Sprache, verstärkt durch den konsequenten Verzicht auf die Anführungszeichen der wörtlichen Rede. So stört nichts den ruhigen, aber unaufhaltsamen Lauf des Lebens in dem kleinen Ort. Eine Sprache, die so sehr der Romanhandlung angepasst gibt, findet man nur selten.

Eine richtige Nähe zu den Figuren kommt aufgrund der Erzählsituation und des Schreibstils zwar nicht auf, dennoch berührt der Roman. Die Trauer, Traurigkeit, Missverständnisse, Fehlentscheidungen und das Abschiednehmen sind Konstante der menschlichen Existenz und beeindrucken daher sehr. Die stärksten Szenen sind für mich die, in denen Dad Lewis auf dem Sterbebett um Vergebung bittet - ohne sich dessen selbst wirklich bewusst zu sein.

Kostbare Tage ist ein Roman, der nachwirkt und reicher macht. Schön und traurig und auch alltäglich.

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Veröffentlicht am 21.06.2020

Behäbige Liebesgeschichte

Strandkorbliebe
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Antje und Michael waren als Teenies ineinander verliebt. Sie lebt in Norderney. Er lebt in Bayern. Sie hat ihm geschrieben. Er hat den Brief nie bekommen. Fünfzehn Jahre später sind beide noch nicht darüber ...

Antje und Michael waren als Teenies ineinander verliebt. Sie lebt in Norderney. Er lebt in Bayern. Sie hat ihm geschrieben. Er hat den Brief nie bekommen. Fünfzehn Jahre später sind beide noch nicht darüber hinweggekommen. Sie treffen sich wieder und alles geht von vorne los.

Vorab: ich liebe Liebesromane oder überhaupt Romane mit Liebesgeschichte. Auch bin ich meist gewillt, über das eine oder andere Klischee hinwegzusehen. Aber interessant muss es sein, d.h. es muss schon ein paar außergewöhnliche Verwicklungen, eine Prise Humor, Selbstironie oder eine außergewöhnliche Erzählstimme geben oder eben auch mal das "ganz große Kino" sein. Das ist leider hier alles nicht der Fall.

Der Roman ist zwar ganz fluffig geschrieben, speziell die tatsächlichen Kuss-/Liebesszenen fand ich recht gut gemacht, aber abgesehen davon handelt es sich bei der Strandkorbliebe um ein Buch, das man schnell vergisst. Der Roman ist einfach zu behäbig, zu eng abgesteckt, irgendwie etwas "oll", also einfach nicht modern, frisch und frech genug. Die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden, aber die beiden Protagonisten haben hier ihren Hormonrausch, der fünfzehn Jahre zurückliegt, nicht verwunden und sind dermaßen verbittert, dass man sich dann wundern muss, wie schnell das Drama überwunden werden und zum Happy End führen kann. Die Hauptfigur Antje leidet scheinbar grundsätzlich an den Auswirkungen ihrer eigenen dysfunktionalen Kommunikation und gibt der ganzen Welt die Schuld an ihrem Inselleben, sympathisch macht sie das leider nicht - genauso wenig wie ihr auch sonst leicht divaeskes Verhalten. Dazu kommt das beide Figuren vielleicht aus dem Leben gegriffen sein mögen, aber die ganze Geschichte ist dann doch zu unglamourös und hat mit den Ansprüchen von Michaels Eltern eher etwas von Bauer sucht Frau.

Der Roman konnte mich nicht begeistern, er hatte zu viele Längen und war zu alltäglich - einfach nichts Besonderes. Er ist allenfalls ein netter Zeitvertreib, der mit seinen Settings auf Norderney und im Chiemgau Fans des ZDF-Herzkinos sicherlich trotzdem erfreuen kann.

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