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Veröffentlicht am 20.12.2021

Fesselnd geschrieben

Gold und Ehre
1

„...Wie eine verlöschende Glutpfanne lag Amsterdam vor ihm. Eine Stadt zwischen Sumpf und See, zwischen Moor und Meer. Vereinzelt schimmern Lichter in den Häusern...“

Dieses Blick hat Benjamin vor sich, ...

„...Wie eine verlöschende Glutpfanne lag Amsterdam vor ihm. Eine Stadt zwischen Sumpf und See, zwischen Moor und Meer. Vereinzelt schimmern Lichter in den Häusern...“

Dieses Blick hat Benjamin vor sich, der an auf eine Windmühle geklettert ist, um Forschungen zu betreiben. Der junge Architekt gibt sich nicht mit bekanntem Wissen zufrieden. Er möchte erkennen, wie Wind und Wetter beim Hausbau zu beachten sind. Doch dieser Tag sollte einige Weichen in seinem Leben neu stellen. Beim riskanten Abstieg verliert er die Öluhr.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Wir befinden uns im Jahre 1650. Die politische Lage ist brisant. Genau das zeigt das auch das Geschehen. Dem ist eine ausführliche Recherche der Autorin vorausgegangen. Die ist in jeder Zeile und vor allem in jedem politischen Gespräch spürbar.
Der Schriftstil ist ausgereift. Dass die Autorin exzellent mit Metaphern umgehen kann, zeigt schon das obige Zitat.
Die Personen werden gut charakterisiert. Der 19jährige Benjamin ist der zweite Sohn eines Architekten und Politikers. Mit seinem älteren Bruder Daan gibt es häufig Reibereien. Daan setzt auf Bewährtes. Benjamin ist innovativ und aufgeschlossen für ungewöhnliche Ideen.
Eine der interessantesten Persönlichkeiten ist Samuel van Sanders, Benjamins Onkel. Sein Traum sieht so aus:

„...Samuel wollte eines Tages Rentier sein: so reich, dass sein Vermögen für ihn arbeitet. Seinen – gekauften – Adelstitel würde er dann mit einer strategisch günstigen Ehe veredeln...“

In der Politik mischt er auf beiden Seiten mit. Er unterstützt finanzielle den Adel, lässt aber auch seiner Verwandtschaft in Amsterdam Nachrichten zukommen. Durch sein großes Netzwerk weiß er manche Dinge schon dann, wenn sie noch gar nicht spruchreif sind.
Während Benjamin sich in Amsterdam um ein Angebot kümmern soll, wird die Stadt von Prinz Wilhelm belagert. Dabei brennt die Mühle ab, in der Benjamin zugange war.
Um ihn aus der Schusslinie zu bringen, denn der Brand könnte durchaus von der verlorenen Öluhr stammen, schickt ihn sein Vater nach Hamburg.
Dort wird gerade der Michel gebaut. Das interessiert ihn. Neben seiner eigentlichen Aufgabe, dem Bau eines Hauses, hilft er bei der Kirche.
Auch in Hamburg hat das Leben seine Schattenseiten. Nicht von allen sind die Niederländer gern gesehen. Sie gelten als Konkurrenten. Benjamin lernt Lucia kennen. Die junge Frau ist hochbegabt und findet unkonventionelle Methoden, um sich Wissen aneignen zu können.
Währenddessen tobt auf dem Meer der Krieg. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf das Leben der Protagonisten. Nach dem Tode von Prinz Wilhelm beginnt das Gezerre um die Nachfolger. Der Thronerbe ist ein Baby.
Verrat und Intrige ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch, sowohl auf der politischen als auch auf der privaten Bühne. Wird Benjamin seinen Weg finden?
Sehr gut werden die Örtlichkeiten beschrieben. Auch die Schwierigkeiten beim Bau des Michels werden thematisiert. Erstaunlich, wer alles seine Hilfe angeboten hat.
Ein Personenregister, ein Glossar, die Karte von Hamburg und ein inhaltsreiches Nachwort runden das Buch ab.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es erzählt ein Stück niederländischer Historie, die für mich an vielen Stellen unbekannt war. Gleichzeitig wird deutlich, dass sich manche Dinge schon jahrhundertelang durch die Geschichte ziehen wie Fremdenhass und Antisemitismus.

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Veröffentlicht am 02.10.2021

Die Kraft des Lichts

Der Ruf des Königs
1

„...Heute Nacht habe ich von meinem Heimatdorf geträumt. Zeit ist schon merkwürdig. Ich habe zwanzig Jahre nicht an ihn gedacht, aber nun vermisse ich die Gegenwart meines besten Freundes...“

Dieses Zitat ...

„...Heute Nacht habe ich von meinem Heimatdorf geträumt. Zeit ist schon merkwürdig. Ich habe zwanzig Jahre nicht an ihn gedacht, aber nun vermisse ich die Gegenwart meines besten Freundes...“

Dieses Zitat aus einem Gespräch zwischen dem König und einem alten Mann steht im Prolog eines Buches, das eine ungewöhnlich strukturierte Geschichte erzählt. Es dauert, bis mir klar wird, dass der Dialog in die zweite Zeitetappe gehört.
Die Autorin hat einen Fantasyroman geschrieben, der anfangs den Kampf zwischen dem Licht und der Dunkelheit schildert. Das ist aber, auf das gesamte Buch gesehen, nicht einmal die halbe Wahrheit.
Die Geschichte beginnt 15 Jahre vor dem Großen Krieg. In einem Dorf erleben der Bauer Ilai und sein Freund Lukas, dass immer wieder Krieger über das Gebirge kommen. Sie wollen zerstören und hinterlassen verbrannte Erde. Da hört Ilai wie viele andere eine leise Stimme, die ihn gen Osten ruft.
145 Jahre nach den Großen Krieg zieht Yara mit ihrem Bruder Nathan über das Gebirge. Sie wollen im dortigen Land leben. Freiwillig haben sie sich dem König dafür zur Verfügung gestellt.
655 Jahre nach dem Großen Krieg nimmt Kanan an der Diskussion des Regierungsrates teil. Aber in ihm ist eine große Unzufriedenheit.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Zwar erfordert die Zeitsprünge, die sich abwechseln, eine gehörige Aufmerksamkeit, da sie aber immer wieder konkretisiert werden, gewöhnt man sich daran.
Das Land und seine Bewohner werden gut charakterisiert. Für die Natur findet die Autorin passende Metapher.

„...Jetzt, im Herbst, lag noch leichter Nebel über den Wald und den Feldern. Die aufgehende Sonne brachte ihn zum Leuchten. Sie schien das Grün der Bäume und der Wiesen noch intensiver werden zu lassen...“

Ilai findet im Osten den König des Lichts. Dem voraus geht ein sehr intensives Gespräch mit seinem Freund Lukas.

„...Kampf kann einfach nicht der richtige Weg sein. Sie töten uns, wir töten sie, und wer wird am Ende übrig sein?...“

Der König wird sie zum Frieden führen. Zuvor hatte auch der Feind die Chance, sich für das Licht zu entscheiden. Sie kannten seine Macht – und hätten sie selbst gern besessen. Trotzdem wählten sie den Tod.
Das Land hinter dem Gebirge bleibt 145 Jahre unberührt. Dann machen sich Menschen auf, um es zu besiedeln. Zuvor hat Yara ein Gespräch mit dem König. Er erklärt ihr:

„...Als der Krieg begonnen hatte, existierte noch eine Möglichkeit für die Solech […] Doch mit jeder verlorenen Schlacht hatten sie sich weiter in die Dunkelheit bewegt. […] Ihre Taten hatten ihr eigenes Land vernichtet. Ich löschte diese Dunkelheit aus...“

Sehr spannend wird die Überquerung des Gebirges geschildert.Was sie dann erwartete, traf sie – und mich als Leser – unvorbereitet. Allerdings hatten wir den König nicht richtig zugehört. Das Land war eine Wüste. Es existierte nichts. Es musste erst wieder Leben in die Gegend gebracht werden. Schön wird beschrieben, wie das Land Stück für Stück erblühte, nachdem die Ankömmlinge nach langer Zeit begriffen hatten, welche Kräfte ihnen der König mitgegeben hatte.
Im letzten Teil ist der König nicht mehr bei seinem Volk. Sie erwarten eine Rückkehr. Doch das geschieht passiv. Man ist den alten Ritualen verhaftet geblieben. Es fehlt eine Aufbruchstimmung. Genau das fühlt Kanan. Warten allein kann nicht die Lösung sein. Zu den inhaltlichen Höhepunkten in diesem Teil gehören die Diskussionen zwischen Jalis und Kanan.

„…Was ist freier Wille, wenn alles vorherbestimmt ist? Kann es ihn überhaupt geben, wenn Elouan bereits weiß, was wir tun werden? Möglicherweise ja, denn unser König lebt außerhalb von Zeit. Er weiß, wie wir uns entscheiden werden, das heißt aber nicht, dass unsere Entscheidungen nicht frei getroffen werden...“

Das Buch verknüpft eine fesselnde Handlung mit tiefgründigen Gesprächen und führt mich dabei in ein Land der Fantasy.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie regt zum Nachdenken an.

  • Einzelne Kategorien
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.06.2021

Auf und Ab im Palais Heiligendamm

Palais Heiligendamm - Stürmische Zeiten
1

„...Der kleine Bankettsaal erstrahlte in all seinen frisch renovierten Herrlichkeit und bot einen denkbar schönen Rahmen für die Hochzeitsgesellschaft ihrer Schwester Johanna...“

Mit diesem Satz beginnt ...

„...Der kleine Bankettsaal erstrahlte in all seinen frisch renovierten Herrlichkeit und bot einen denkbar schönen Rahmen für die Hochzeitsgesellschaft ihrer Schwester Johanna...“

Mit diesem Satz beginnt der zweite Teil der Saga. Er schließt ziemlich zeitnah an den ersten an. Wir schreiben das Jahr 1922, als Johanna den jüdischen Kinderarzt Dr. Samuel Hirsch heiratet. Dunkle Zeiten werfen schon ihre Schatten voraus.
Die Autorin hat erneut einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Im Palais Heilgendamm gibt es ein Auf und Ab, je nach wirtschaftlicher Großwetterlage. Eingebunden werden die historischen Ereignisse.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er passt sich geschickt der entsprechenden Situation an. Gleich am Anfang wird ein kurzer Rückblick auf die bisherigen Geschehnisse eingebunden.
Die Zeitverhältnisse werden insbesondere in gut ausgearbeiteten Gesprächen analysiert. So ist der Direktor, den Julius Falkenhayn für seine Werke eingesetzt hat, folgender Meinung:

„...Wir sollten ehrlich zueinander sein. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir uns irgendwann die im Osten und im Westen verlorengegangenen Gebiete zurückerobern werden...“

Das sieht Julius völlig anders. Ihm ist klar, dass er bezüglich seines Erbes in den nächsten Jahren eine Entscheidung fällen muss. Und Martha, die das Gespräch mit gehört hat, gehen diese Gedanken durch den Kopf:

„...Sie konnte nicht glauben, dass es vier Jahre nach dem schrecklichen Krieg schon wieder machthungrige Menschen gab, die mit dem Feuer spielten...“

Zwischen Julius und Elisabeth wird erneut zu wenig geredet. Sie können nicht miteinander und nicht ohne einander, scheuen sich aber, endlich klare Fronten zu schaffen.
Dafür lernt es Paul, zu seiner Veranlagung zu stehen. Doch der Bruch mit Robert hat Spuren hinterlassen. Als er Carl kennenlernt, ordnet er sich ihm völlig unter, um ihn nicht zu verlieren. Damit aber gelangt er immer weiter in den Dunstkreis der NSDAP.
Sehr differenziert wird herausgearbeitet, welche Meinung es zum Aufstieg der neuen Partei gibt. In einem Gespräch zwischen Julius und Elisabeth spricht Julius Klartext.

„... Man darf diese Propaganda nicht unterschätzen. Selbst der Volksmund sagt, steter Tropfen höhlt den Stein...“

Elisabeth glaubt noch, dass sich alles wieder einrenkt. Je mehr Paul allerdings erkennt, dass er seine Einstellung und seinen moralischen Kompass verrät, desto mehr wächst seine innere Zerrissenheit. Es sind kleine Szenen, die das deutlich machen. Die erhoffte Freiheit wird zu neuer, wenn auch völlig anderer, Unfreiheit.
Elisabeth hat in der Wirtschaftskrise eine weitreichende Entscheidung gefällt. Aus den Erfahrungen früherer Hungerjahre entschließt sie sich, ein Bauerngut zu kaufen. Das ermöglicht auch in schwieriger Zeit die Versorgung im Hotel.
Natürlich erscheinen in den guten Jahren im Hotel Gäste, die bekannt sind, sei es Claire Waldoff oder Joachim Ringelnatz.
Wegen der politischen Verhältnisse geht der Riss mitten durch die Familien. Gehen oder bleiben? Diese Entscheidung kann Johanna und ihrem Mann niemand abnehmen.
Ein Personenverzeichnis ergänzt das Buch.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es vermittelt ein Stück Geschichte mit all ihren Facetten und zeigt, wie persönliche Entscheidungen gefordert sind.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Wenn die Zeit reif ist ...

Vier Pfoten im Sommerwind
1

„...Ein warmes Wohlgefühl durchfloss Jörn stets, wenn er der See so nahe war. Er roch das Salzwasser und die würzige Luft, lauschte der vertrauten Stille, die im Grunde gar keine war, weil Wind und Wasser ...

„...Ein warmes Wohlgefühl durchfloss Jörn stets, wenn er der See so nahe war. Er roch das Salzwasser und die würzige Luft, lauschte der vertrauten Stille, die im Grunde gar keine war, weil Wind und Wasser stets für Hintergrundrauschen sorgten, und wurde eins mit der Welt...“

Jörn ist einerseits Krabbenfischer, andererseits ab und an mit einem Touristenboot unterwegs und nicht zuletzt Chef der Feuerwehr in Lichtenhaven. Er ruht in sich und lässt sich nicht so leicht erschüttern. Das kommt schon im obigen Zitat zum Ausdruck. Dass er allerdings bei der Organisation des Lichtenhavener Feuerwehrfestes mit Ella und ihrer Cateringfirma zusammenarbeiten muss, passt ihm gar nicht. Er kennt die junge Frau schon aus der Schulzeit. Meist sind sie sich aus dem Weg gegangen. Sie sind wie Feuer und Wasser. Ella kann echt nervig und hektisch sein, wenn etwas nicht so geht, wie sie es möchte.
Die Autorin hat einen amüsanten und lockerleichten Sommerroman geschrieben. Trotzdem geht die Geschichte in die Tiefe.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Ella hat gerade ein heftiges Problem. Ihre geliebte Großmutter Carlotta ist ganz plötzlich verstorben und hat sie zur Betreuerin ihres Hundes Barnabas bestimmt. Bei Carlotta gehorchte der Hund auf jeden Wink, bei Ella macht er, was er will. Sie hat keine Ahnung von Hunden und reagiert zu hektisch.
Als besondere Zugabe lässt mich die Autorin an den Gedanken des Hundes teilnehmen, die kursiv gesetzt sind:

„...Bedeutet das, sie ist mein neues Frauchen? Aber sie kapiert doch gar nichts und hat null Ahnung von Hunden. Das kann ja heiter werden...“

Als Jörn Ella am Strand trifft, der gerade Barnabas weggelaufen ist, hilft er ihr. Er kann mit Barnabas umgehen, da Carlotta einmal in der Woche bei ihm auf den Touristenboot mitgefahren ist. Danach lädt er Ella Essen ein. Als er für beide bezahlen will, reagiert sie wie üblich:

„...Ich habe nie Dates mit Männern aus Lichterhaven. Und ich lasse mich von ihnen auch nicht einladen...“

Dabei ist Ella einem Flirt mit Auswärtigen nicht abgeneigt. Doch das gemeinsame Essen lässt den Dorfklatsch blühen. Ellas Freundinnen ahnen, was passiert, als Ella immer noch glaubt, dass das Kribbeln zwischen ihr und Jörn nichts zu bedeuten hat. Jörn dagegen geht die Sache ziemlich entspannt an. Trotzdem setzt er konsequent seine Meinung durch. Das trifft auch für diesen Abend zu:

„...Ich bin nun mal so erzogen worden, Ella. Es ist schon spät, das Tageslicht weg, und unter solchen Umständen lasse ich eine Frau nicht mehr alleine durch die Stadt rennen...“

Die Gespräche zwischen beiden können zu einem gekonnten Schlagabtausch ausarten. Dabei entspricht das Auftreten und der Ausdruck den unterschiedlichen Temperamenten. Besonders in beruflicher Hinsicht kann Ella sehr bestimmend sein.
Es wird noch einiges passieren, bis Ella weiß, was sie wirklich will. Lassen wir nochmals Barnabas zu Wort kommen:

„...Was machen die zwei denn da mit diesem Mund auf Mund? Ich dachte, wir spielen ein bisschen. […] Jörn und Ella sehen aber gerade nicht so aus, als wollten sie mit mir herumtoben...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Manchmal kommt es eben in der Liebe nur auf den richtigen Zeitpunkt an.

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Veröffentlicht am 09.03.2021

Eine warmherzige Geschichte

Wohin die Reise geht
1

„...Tilda wachte auf. Verwundert sah sie sich um. Himmel, das war ihr noch nie passiert: Sie war auf einer öffentlichen Toilette eingeschlafen...“

Mit diesen Sätzen beginnt ein humorvoller, aber auch ...

„...Tilda wachte auf. Verwundert sah sie sich um. Himmel, das war ihr noch nie passiert: Sie war auf einer öffentlichen Toilette eingeschlafen...“

Mit diesen Sätzen beginnt ein humorvoller, aber auch tiefgründiger Roman. Die 67jährige Tilda hat ein weiteres Problem. Wie ist sie auf die Autobahnraststätte gekommen?
Auch der 72jährige Jakob ist an der Raststätte. Er hat sich breitschlagen lassen, für seinen Sohn eine größere Summe Geld in die Schweiz zu schmuggeln. Er ist mit seinem Freund Matthias in dessen Wohnwagen unterwegs. Matthias ist 40 Jahre und Polizist. Von dem Geld weiß er nichts.
Jakob gehört zu den Menschen, die nicht „nein“ sagen können. Also lädt er nicht nur Tilda, sondern auch Alex, eine junge Frau, auf den Rastplatz dazu ein, sie im Auto mitzunehmen.
Die Autorin hat eine amüsante Geschichte geschrieben. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen.
Nach und nach erfahre ich mehr über die Vergangenheit der Protagonisten. Alex hat eine Menge an Problemen. Sie ist von zu Hause ausgerissen und in schlechte Gesellschaft geraten. Trotzdem zeigt sich im Laufe der Erzählung, dass die junge Frau nicht nur eine exzellente Schauspielerin ist, sondern auch Mitgefühl zeigen kann.
Tilda vermutet, dass sie langsam dement wird. Allerdings sind die Anzeichen eher undifferenziert.
Zu den Höhepunkten der Geschichte gehört das Gespräch zwischen Tilda und Jakob. Tilda war Grundschullehrerin. Die beiden schwingen auf gleicher Wellenlänge. Es sind fast philosophische Gedanken, die sie bewegen.

„...Man soll seine Gedanken bei sich behalten, bis sie ausgereift sind. Je weniger einer zu sagen hat, desto mehr redet er...“

Auch Matthias und Alex finden Zugang zueinander. Matthias arbeitet in der Verbrechensprävention. Das interessiert Alex. Er erklärt ihr:

„...Früher habe ich sozusagen nur die Scherben aufgesammelt, jetzt bin ich wie ein Arzt, der impft. Und je höher die Impfrate, desto weniger haben die Epidemien eine Chance...“

Das Zitat zeigt, wie gekonnt die Autorin mit Worten und passenden Metaphern spielt.
Matthias ahnt, dass Alex eine Menge Probleme hat. Deshalb geht er auf sie zu, lässt ihr aber auch Raum, sich selbst zu entscheiden.
Natürlich gibt es auf der Reise eine Menge an Überraschungen, mal selbst verschuldet, mal von außen inszeniert.
Die Geschichte ist nicht nur spannend, sondern auch sehr warmherzig. Eingebunden ist eine Prise Krimi. Es geht um Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Verständnis.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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