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Veröffentlicht am 30.08.2022

Ein paar Zeitsprünge zu viel

The Girl in the Love Song
2

Reihen oder Standalones? Das ist bei Emma Scott definitiv keine Grundsatzentscheidung, da sie beides schon bestens bedient hat. Mit „Lost Boys“ bietet sie nun eine neue Trilogie an, die sich um drei verlorene ...

Reihen oder Standalones? Das ist bei Emma Scott definitiv keine Grundsatzentscheidung, da sie beides schon bestens bedient hat. Mit „Lost Boys“ bietet sie nun eine neue Trilogie an, die sich um drei verlorene Jungs dreht, die ihre Liebesgeschichten bekommen, um aus gebrochenen gereifte Persönlichkeiten zu werden. Auch wenn es vielleicht etwa blöd klingt, aber gebrochene Persönlichkeiten haben immer einen besonderen Reiz, denn dann kann man von den Geschichten oft genau die Tiefe erwarten, die ich am liebsten mag, besonders eben, wenn Emma Scott als Autorin drauf steht. Dementsprechend enthusiastisch bin ich an „The Girl in the Love Song“ herangegangen.

Den Einstieg in das Buch fand ich sehr gelungen, denn bereits in dem zarten knapp kindlich/jugendlichem Alter, in dem sich Violet und Miller kennenlernen, sind ihre Persönlichkeiten sehr gut zu erkennen und man mag beide auf Anhieb. Auch wenn es zunächst mehr um Violets Perspektive geht, um so die Geheimnisse von Miller noch etwas verborgen zu lassen, bekommt man von beiden einen guten Eindruck und man begreift, auch wenn diese jungen Menschen vielleicht noch nicht völlig sexualisiert denken, dass sie gerade einen Bund fürs Leben geknüpft haben. Deswegen war es clever von Scott gemacht, gleich hier am Anfang anzusetzen, weil man so viel besser die spätere Emotionalität zwischen ihnen nachvollziehen kann. Bei Miller wird mit seinem Diabetes noch ein spannender Aspekt eingebracht, der über alles ein Damoklesschwert hebt, der aber auch gut recherchiert scheint, so dass ich das Gesundheitsbild gut eingearbeitet empfand.

Nach diesen ersten sehr positiven Ansätzen kommt es zum ersten Zeitsprung und ab hier tun sich die ersten Schwächen auf. Zeitsprünge sind ein gerne gewähltes Mittel und das kann ich auch sehr gut nachvollziehen und dennoch ist Zeitsprung eben nicht Zeitsprung. Scott verlässt sich in diesem Band auf sehr viel Zeitsprünge. Auch wenn ich das für die inhaltlichen Ziele zwischendurch unterstützen kann, so nimmt es von der emotionalen Wirkung auch viel weg. Denn immer wenn man sich gerade an die Figuren, ihr Denken, ihre Pläne etc. gewöhnt hat, dann gibt es einen Cut und wir sehen uns wieder einer neuen Situation ausgesetzt. Auch wenn Miller und Violet im Kern natürlich dieselben Menschen bleiben, so hatte ich mit der Violet, die kurz vor ihrem Schulabschluss steht, doch so meine Probleme, denn das sanftmütige und höchst empathische Wesen verkehrte plötzlich in neuen Kreisen, die so gar nicht zu ihr passen wollten. Das sind so kleine Aspekte, die sich immer wieder zeigen, wo ich das Gefühl hatte, ich habe neue Ausgangsbedingungen, komme aber nicht schnell genug hinterher, bis es schon wieder weiter in der Zukunft vorangeht. Das war doch sehr schade, weil ich das so von Scott noch nicht kenne, zumindest nicht in diesem doch fast schon exzessiven Ausmaß.

Dennoch nimmt sich Scott natürlich auch genug Zeit für sehr innige Momente und das sind die großen Stärke. Die Liebesgeschichte zwischen Miller und Violet wirkt so trotz der Stolperstellen immer episch, weil Scott es mit tollen Worten schafft, hier die Verbindung zu verdeutlichen. Auch der Musikaspekt ist sehr willkommen, denn durch die Songtexte ist diese tiefsinnige Ebene noch einmal verstärkt worden. Generell mag ich Musik als Transportmittel von Emotionen sehr geschickt. Es ist nicht das erste Mal bei Scott, was auch zeigt, dass sie die Stärken selbst erkannt hat. Umgekehrt muss man aber wieder sagen, dass es abseits von Miller und Violet mit der Charakterarbeit sehr schwach ist. Nachdem wir die anderen beiden Lost Boys Holden und Ronan kennengelernt haben, die definitiv vielversprechend sind, verschwinden sie ein wenig aus der Geschichte. Hier verzeihe ich es aber noch, weil wir die volle Dosis in den Folgebänden noch bekommen werden. Aber andere Figuren wie Violets Eltern, Millers Mutter, Evelyn, das waren alles Abziehfiguren, die keine eigene Persönlichkeit entwickelt haben. Das ist sicherlich auch den Zeitsprüngen geschuldet, aber sich nicht nur, denn die Autorin wollte sich glaube ich auch gar keine große Mühe geben. Evelyn ist einfach allgemein etwas unglücklich gelungen, bei ihr begreift man aber noch am ehesten, warum sie tut, was sie tut. Die anderen versinken aber endgültig in Klischees.

Fazit: „The Girl in the Love Song” macht Lust auf eine neue Reihe von Emma Scott, aber setzt gleichzeitig die Messlatte nicht unerreichbar hoch. Die Liebesgeschichte ist sehr innig und durch die Musik magisch inszeniert worden, aber die zahlreichen Zeitsprünge waren hier nicht das ideale Mittel der Wahl. Es wurde Emotionalität und Nachvollziehbarkeit geraubt, was durchaus ein kleiner Wehmutstropfen ist.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Wichtiges Thema mit kleineren Schwächen

Alles, was du von mir weißt (Alles-Trilogie, Band 2)
2

Ich finde es gut, dass auch Kyra Groh mit ihrem Stil nun dem New Adult-Genre als Autorin beigetreten ist und dieses mit wichtigen Themen aber auch ihrem unverwechselbaren Humor anreichert. Auf Band 2, ...

Ich finde es gut, dass auch Kyra Groh mit ihrem Stil nun dem New Adult-Genre als Autorin beigetreten ist und dieses mit wichtigen Themen aber auch ihrem unverwechselbaren Humor anreichert. Auf Band 2, „Alles, was du von mir weißt“, habe ich dabei besonders gefreut, denn es ist doch leider immer noch viel zu selten, wenn die Protagonistin oder auch der Protagonist übergewichtig ist. Es gab zwar schon Versuche, aber so richtig überzeugt hat mich in dieser Richtung wenig. Deswegen war ich hier bei Polly sehr gespannt, denn sie ist uns in Band 1 als sehr selbstbewusst und als ein gewisses Großmaul vorgestellt worden, weswegen ich gespannt war, wie wir alles durch ihre Perspektive wahrnehmen werden und was dann thematisch hängen bleibt.

Zunächst kann ich sagen, dass die Darstellung der übergewichtigen Polly durchaus sehr gut gelungen ist. Man hat deutlich gemerkt, dass sie mit sich eigentlich völlig im Reinen ist, dass sie aber auch nicht ewig mit ihrer humorvollen Mauer gegen die Spitzen ihrer Mutter und gegen Außenstehende vorgehen kann. So ist Polly trotz ihrer ersehnten Selbständigkeit in Köln in einen Strudel geraten, den es kaum noch aufzuhalten möglich war, denn sie hat das Denken übernommen und es sogar im Vorfeld gedacht, um sich im Grunde in einem Worst-Case-Szenario selbst zu schützen. Ich kenne solche Prozesse wirklich gut, weswegen mir einige Szenen auch wirklich weh getan haben, weil ich sie vielleicht so oder so ähnlich auch schon erlebt habe. Ich fand es auch gut, dass Pollys Selbstbewusstsein irgendwann auch nicht mehr funktionierte und sie nur noch wie ein Fisch den Mund auf- und zumachen konnte, denn das hat es sehr, sehr realistisch gemacht. Dennoch war es mit Polly auch anstrengend, denn manchmal waren diese düsteren Gedanken dann zu viel, ihr Schutz-Humor zu bissig und es blieb nur noch wenig Raum für kleine glückliche Momente.

Ein Problem durch diese Sichtweise auf Polly war auch – und das war schon meine Kritik im ersten Band bezogen auf Fynn – dass Jonas kaum Persönlichkeit entwickeln durfte. Und da wären wir dann auch wieder beim Knackpunkt, dass die Liebesgeschichte für mich leider etwas blass gewesen ist. Das, was geboten wurde, war nett und vielversprechend, aber ich glaube, dass wir mit einer intensiveren Betrachtung von Jonas und seiner Gefühlswelt noch viel mehr hätten erreichen können. Denn man hat als LeserIn ja immer gemerkt, dass etwas bei ihm los ist, aber Polly war so mit sich selbst beschäftigt, dass es immer wieder aufgeschoben wurde. Ich weiß nicht, ob Groh es hier als Überraschungseffekt geplant hat, dass Jonas selbst unter einem toxischen Selbstbild leidet, aber für mich war es das wert, dass es ebenfalls intensiv hätte beleuchtet werden müssen. Dann hätten wir zu Polly und Jonas ein gleichermaßen intensives Bild gehabt und schon wäre ihre gemeinsame Geschichte eine andere gewesen. So ist es einfach etwas schade, weil die Ansätze alle wunderbar sind, aber die letzten 15 % fehlen.

Fazit: Kyra Groh hat in „Alles, was du von mir weißt“ sehr, sehr gute Ansätze, denn ich habe mich oft genug selbst wiedererkannt und es tat auch weh, die eigenen Erlebnisse so schonungslos ehrlich verarbeitet zu sehen. Dennoch fehlt auch etwas, weil gerade Jonas als Gegenpart zu uneigenständig als Figur blieb, weswegen die Liebesgeschichte noch den besonderen Faktor mehr verpasst hat. Dennoch gibt es definitiv eine Leseempfehlung, weil es viel zu wenig thematische Auseinandersetzung mit Übergewicht bei New Adult gibt.

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Veröffentlicht am 04.11.2021

Kann Niveau eines genialen Prologs nicht halten

Nightsky Full Of Promise
2

Mounia Jayawanth ist eine neue deutsche Stimme bei Lyx, die ihre neue NA-Reihe in Berlin spielen lässt. Nach Anabelle Stehl ist sie nun also die zweite, die es mit einem deutschsprachigen Setting versucht ...

Mounia Jayawanth ist eine neue deutsche Stimme bei Lyx, die ihre neue NA-Reihe in Berlin spielen lässt. Nach Anabelle Stehl ist sie nun also die zweite, die es mit einem deutschsprachigen Setting versucht und es wird erneut bewiesen, dass es definitiv nicht das Ausland braucht, um ein typisches NA-Gefühl entstehen zu lassen. Zwar haben die meisten der gewählten Namen nun keinen deutschen Flair, aber damit kann ich dennoch leben, da sich gerade im Bereich der Spitznamen viel Hinwendung zum Amerikanischen gibt, deswegen kann ich diesen Mix gut nachvollziehen. Ansonsten ist mir gleich aufgefallen, dass Jayawanth mit ihrem Debüt „Nightsky Full of Promise“ eine sehr moderne Sprache anbietet. Teilweise etwas flapsig, aber das hat mich gar nicht so sehr gestört, weil das Ganze in einem sehr humorvollen Schreibstil eingebettet war, der mich oft zum Lachen gebracht hat, so dass ich das im Gesamten sehr stimmig fand. Insgesamt würde ich sogar die Prognose wagen, dass speziell Jayawanth im Lyx-Programm etwas Unverwechselbares entwickelt wird. Jedenfalls habe ich so ähnliches bislang noch nicht gelesen.

„Nightsky Full of Promise“ startet mit einem wirklich sehr guten Prolog. Die erste Begegnung von Sydney und Luke hat etwas wirklich Magisches an sich. Solche ersten Begegnungen wünscht man sich für sich selbst und auch für alle Geschichten, die man in diesem Genre so zu lesen bekommt. Selbst diese Wendung ganz am Ende ändert an diesem Eindruck nicht das geringste, denn Wette hin oder her, man hat einfach gemerkt, dass sich hier zwei Figuren begegnet sind, für die es unwiderruflich Klick gemacht hat. Dieser besondere Anfang hat aber natürlich auch die Messlatte für den weiteren Roman sehr hoch gelegt und da muss ich wirklich sagen, dass sich Jayawanth anschließend schwer getan hat, dieses Niveau auch weiterhin anzubieten. Während der Schreibstil sowie der damit transportierte Humor eine gern gesehene Konstante waren, so ist der Rest doch noch sehr unbeständig, was ich für ein Debüt aber wirklich nicht zu heftig kritisieren will, denn all die Fehler, die gemacht wurden, sind nicht für immer in Stein gemeißelt, sondern daran kann man arbeiten und gerade der Prolog zeigt ja eindrucksvoll, wie viel Potenzial in Jayawanth schlummert.

Besonders schwierig hat sich für mich die Darstellung von Sydney erwiesen. Ich fand sie am Anfang wirklich sehr sympathisch und im Grunde ist sie das auch durchweg, weil man merkt, dass sie wirklich eine sehr feine Person ist, aber verbunden mit der Tatsache, dass sie ihren Mund viel, viel zu lange nicht aufmacht, ist einfach ein Frustpotenzial entstanden, was sich nicht mehr eindämmen ließ. Mir ist bewusst, dass solche Romane davon leben, dass gewisse Konflikte verschleppt werden, um Spannung zu erzeugen, aber hier hat es Jayawanth definitiv zu gut gemeint. Es war nicht nur eine Nuance zu spät, es war ordentlich zu spät, als mal endlich alle Fakten auf den Tisch kamen. Denn zu dem Zeitpunkt hatte sich Sydney ihr Grab definitiv tief gebuddelt und es gab kaum noch etwas für sie zu entschuldigen. Luke wiederum war durchweg beständiger in seiner Art und hat dadurch natürlich mehr Sympathien gewinnen können. Dennoch ist gerade seine Familie aber auch mit dem Stilmittel der Übertreibung gestaltet worden. Ja, Konflikte müssen sein, aber es gibt eben ein Maß, das Fingerspitzengefühl erfordert und da kann man schnell mal drüber oder drunter landen. Insgesamt gab es vieler so kleiner Momente, wo die Figuren zu sehr zwischen den Extremen pendeln, dazu gehören auch die besten Freundinnen Maya und Vicky, aber auch andere. Dass das wohl auch nur Übungssache ist, habe ich für mich daran gemerkt, dass ich die große Riege der Nebenfiguren eigentlich echt mochte und dass es eben nur zwischenzeitlich zu Ausreißern gekommen ist.

Durch die Übertreibung an vielen Ecken und Enden leidet dann natürlich auch die Liebesgeschichte ein wenig. Denn dadurch, dass beide viel füreinander verheimlichen sind auch die richtig schönen Momente immer von einer dunklen Wolke überschattet. Da kann trotz ganz viel Chemie die Unbeschwertheit vom Prolog nicht mehr bestätigt werden. Zudem wurde auch zu viel Gesprächsbedarf durch Sex gelöst und das mehrfach. Das fand ich dann auch etwas seltsam. Dem gegenüber war ich aber wiederum begeistert, dass Jayawanth sich nicht scheut, wichtige Themen anzupacken. Sei es Rassismus oder sei es Feminismus. Die Themenblöcke sind erfrischend unaufgeregt verpackt worden. Hier wird nicht mehr der Keule geschwungen, hier wird eher nebenbei der Standpunkt klar, aber auch ein wirklich überzeugender Standpunkt, der mich sehr berührt hat und mich gespannt werden lässt, was sie auf Dauer mit den anderen Bänden noch anbieten wird.

Fazit: Jayawanth liefert mit „Nightsky Full of Promise” ihr Debüt ab, das typische Symptome eines Neulings zeigt. Das finde ich daher auch gar nicht so schlimm, zumal sich in meiner Kritik auch gezeigt hat, dass die angesprochenen Punkte in Zukunft leicht zu beheben sind. Am Wichtigsten ist ohnehin, dass Jayawanth schon jetzt eine ganze eigene Erzählstimme hat, da klappt die Balance in der Art und Weise, wie man ohne Übertreibungen besser zu erzählen weiß, irgendwann ganz von alleine. Gerade der Prolog hat wirklich gezeigt, dass die eingeschlagene Richtung sehr, sehr gut werden kann.

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Veröffentlicht am 04.10.2020

Würdig und doch zu offen

Beta Hearts
2

Ich habe es oft genug betont, Marie Graßhoffs Sci-Fi-Reihe, die mit „Neon Birds“ ihren Anfang nahm, war für mich eine riesige Überraschung, weil ich mich mit meiner mangelnden eigenen Vorstellungskraft ...

Ich habe es oft genug betont, Marie Graßhoffs Sci-Fi-Reihe, die mit „Neon Birds“ ihren Anfang nahm, war für mich eine riesige Überraschung, weil ich mich mit meiner mangelnden eigenen Vorstellungskraft bei dem Genre bei Büchern stets sehr schwer getan habe. Während mir in Serien und Filmen das Futuristische vor Augen geführt wird, war es mir bei den Büchern oft nicht möglich, die Welten vor meinen Augen entstehen zu lassen. Dennoch entstand bei Graßhoffs erschaffener Welt ein Sog, der mich augenblicklich mitgerissen hat. Auch wenn ich keine Garantie dafür abgeben möchte, dass ich wirklich alles in seiner Tragweite verstanden habe, habe ich dennoch so viel verstanden, dass es für mich ein durchgängig großartiges Lesevergnügen war. Dennoch war mein Bammel vor „Beta Hearts“ ganz schön ordentlich, denn einen Abschluss hinzukriegen, ist eine Kunst für sich. Hat Graßhoff die mit ihrem Abschlussband hinbekommen?

Der zentrale Grund, warum ich am Ende nicht vollkommen glücklich den Buchdeckel schließen konnte, liegt daran, dass ich immer schon jemand war, der alles ganz genau beantwortet und erklärt haben will und diesem Bedürfnis wird „Beta Hearts“ nicht gerecht. Nach der letzten Seite sind noch zahlreiche und dann sogar auch noch wichtige Fragen offen, bei denen ich dachte, dass die Reihe damit stehen und fallen wird. Man hat es ja durchaus nicht selten, dass sich Autoren bewusst dafür entscheiden, Aspekte offen zu lassen, damit sich jeder Leser sein eigenes Ende denken kann, aber da geht es oft um Details, aber hier reden wir doch von zentralen Themen, die im Wesentlichen dafür gesorgt haben, dass ich weiterlesen wollte. Nun ohne Antworten dazustehen, fühlt sich tatsächlich an, wie eine Schlucht hinuntergestürzt zu sein.

Die grundsätzliche Struktur des Abschlussbands war gut, weil die Spannung stets auf einem Höhepunkt war, denn andere gegebenen Antworten wurden ja auch hinausgezögert, weswegen klar war, dass nur das Ende Erlösung verschaffen kann. Mir hat auch gefallen, wie sich neue Teams gebildet haben, wie sich noch einmal die Charaktere entwickelt haben und was letztlich die Endlösung war, wie Frieden herrschen konnte. Das Grundkorsett war also vorbildlich, wie es schon die beiden Bände zuvor bewiesen haben, aber diesmal passten die Details nicht optimal. Neben den zahlreichen offenen Fragen hat sich mir auch das Gefühl aufgedrängt, dass das Buch am Ende schnell zu Ende gebracht werden sollte. Auch wenn die finale Lösung absolut schlüssig über die drei Bände hinweg ist, so wirkte es am Ende so simpel, dass man sich fragt, ob tatsächlich all die Jahre zuvor niemand darauf gekommen ist. Wo sich die Geschichte oft die nötige Ruhe genommen hat, um den Leser tief eintauchen zu lassen, so ist das Tempo hier plötzlich so enorm angezogen worden, dass man das Gefühl hat, wäre der eigentliche Stil beibehalten worden, dann wären nur vier Bände der Erzählung gerecht geworden.

Fazit: Ein würdiges Ende für eine Reihe zu finden ist definitiv eine Herausforderung, die Graßhoff mit „Beta Hearts“ in großen Teilen gelungen ist. Über die Gesamtschau hinweg sind es Kleinigkeiten, die jetzt einen faden Beigeschmack haben. Aber diese Kleinigkeiten sind eben auch wichtig, sie entscheiden darüber, ob man am Ende sagt: „Das war es für mich!“ oder ob man noch ewig den Gedanken hin- und herwälzt, was noch hätte getan werden können. Insgesamt ist das Ende zu überhastet erzählt, aber dafür inhaltlich konsequent.

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Veröffentlicht am 08.10.2019

Märchen brauchen keine Fortsetzung

Cinder & Ella
2

„Cinder & Ella“ von Kelly Oram wurde von Anfang als Neuinterpretation eines Märchenklassikers beworben. Dieser Eindruck hat sich bei der Lektüre des ersten Teils auch absolut aufgedrängt, denn die Geschichte ...

„Cinder & Ella“ von Kelly Oram wurde von Anfang als Neuinterpretation eines Märchenklassikers beworben. Dieser Eindruck hat sich bei der Lektüre des ersten Teils auch absolut aufgedrängt, denn die Geschichte ist märchenhaft und hat viele Elemente, die auch das klassische Cinderella-Märchen zu bieten hatte. Daher gab es am Ende auch ein Happy End, ein zufriedenstellendes. Dennoch ist relativ schnell bekannt geworden, dass es noch einen zweiten Band geben wird, der sich der Zeit nach dem Happy End widmet. Die Skepsis war von Anfang groß bei mir, denn Märchen brauchen keine Fortsetzungen. Sie leben davon, dass die Geschehnisse nach dem „Und wenn sie nicht gestorben sind…“ für immer ein Geheimnis bleiben werden. Daher sind auch die weiteren Teile von einigen Disney-Verfilmungen, die teilweise auf Märchen beruhen, meist qualitativ zurückstehend. Kann Oram mit dem zweiten Teil nun das Gegenteil beweisen?

Ich habe gut in den zweiten Band hineingefunden, da er nahtlos an den ersten anknüpft. Wir sind also mitten dabei, wie sich Ella und Brian erst jetzt so richtig kennenlernen, von Angesicht zu Angesicht, aber halt nein?! Das passiert ja gar nicht! Relativ schnell driftet die Geschichte nämlich in das neue Starleben von Ella ab, das nur so von Absurdität und übertriebenen Entwicklungen geprägt ist. Was eigentlich so schön anfing mit Paarmomenten, Schwesternmomenten, einem besinnlichen Weihnachtsfest, wird leider zu einer oberflächlichen Betrachtung des Lebens eines Stars, was überhaupt nicht zu der süßen Liebesgeschichte passt, die wir im ersten Band so gefeiert haben.

Mit Ellas Selbstzweifeln bezüglich ihrer Narben haben wir wenigstens noch ein Thema, das konsequent an ihre Situation erinnert, aber ansonsten werden die therapeutischen Sitzung, die Physiotherapie und weitere medizinische Eingriffe einfach unter den Tisch gekehrt. Genau das waren aber die Stärken von Band 1, wo Oram vor einer einfühlsamen Geschichte noch keine Distanz gewahrt hat. Zwar haben wir noch das Thema der Narben, aber dieses wird durch Dessous- und schließlich sogar Nacktshootings in Bahnen gelenkt, wo ich nur noch den Kopf schütteln konnte. Die Botschaft, die Ella damit nach außen tragen sollte, finde ich zwar wichtig und nachvollziehbar, aber in ihrem ganzen Entwicklungsprozess, der auch daraus besteht, dass sie Brian körperlich kaum an sich heranlässt, wirkt es überstürzt und unlogisch. Als authentisch empfinde ich all das nicht mehr.

Auch die übrigen Entwicklungen sind von extremem Drama geprägt, so dass die dargebotenen Szenen (aufdringliche Fans, ein als Passant getarnter Gossip-Reporter und ein großer Streit mit Ellas Vater) aufgesetzt und unnatürlich wirken. Sie sollen Botschaften vermitteln, das ist klar, aber Band 1 ist auch ohne diese übertriebene Dramatik ausgekommen und konnte dennoch überzeugen. Es ist auch einfach nur lächerlich, wenn Ella, nur weil sie die Freundin eines bekannteren Mannes ist, selbst zum größten Star der Welt wird und nur so kann man all die Erzählungen und die Werbung um sie als Klientin interpretieren. In all diesem Wirrwarr gefällt mir wenigstens, dass Ella als Person stabil bleibt. Sie ist immer noch die intelligente junge Frau, die eine klare Meinung vertritt, die aber auf ihr Äußeres ihre Selbstzweifel aufbaut. Sie bleibt in all dieser Oberflächlichkeit auf dem Boden und sorgt für die ein oder andere starke Retourkutsche. Ansonsten kann ich in dieser überhastet erzählten Geschichte, in der auch viele heimliche Helden des ersten Bandes zu kurz kommen, nicht viel abgewinnen.

Fazit: Leider bestätigt die Fortsetzung von „Cinder & Ella“, warum man von Fortsetzungen oftmals lieber die Finger lassen sollte. Vor allem Märchen sind in sich abgeschlossen perfekt, hier an Dingen zu rütteln, kann nur schlechter werden. Daher kann ich nur allen unentschlossenen LeserInnen raten, dass sie lieber die Finger von Band 2 lassen sollte, denn er wird zwangsweise eine Ernüchterung folgen, denn die Geschichten haben qualitativ nichts gemein.

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