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Veröffentlicht am 30.01.2022

Überraschende Enttäuschung

Bridgerton - Penelopes pikantes Geheimnis
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„Bridgerton – Penelops pikantes Geheimnis“ ist bereits der vierte Band in der Bridgerton-Reihe, die von Julia Quinn verfasst wurde und von Netflix fürs TV adaptiert wurde. Damit haben wir auch schon Halbzeit ...

„Bridgerton – Penelops pikantes Geheimnis“ ist bereits der vierte Band in der Bridgerton-Reihe, die von Julia Quinn verfasst wurde und von Netflix fürs TV adaptiert wurde. Damit haben wir auch schon Halbzeit erreicht, weil acht Geschwister und mit Colin kommt bereits der vierte unter die Haube. Ich speziell habe mich auf diesen Band bereits mit der ersten Staffel der Serienadaption gefreut, die ich vor der Buchreihe für mich entdeckt habe. Nicola Coughlan spielt Penelope, Colins Auserwählte, einfach so grandios, dass ich ihr einfach jedes Happy End der Welt wünschen würde. Zudem hat die Serie bereits mit dem Ende der ersten Staffel das große Geheimnis rund um Penelope gelüftet, während es in der Buchreihe nun wahrlich keine klaren Andeutungen gab. Dieses Wissen hat das Leseprozess natürlich sehr beeinflusst und deswegen war ich mit dem vierten Band nun auf mehrere Sachen gespannt: Wann und wie kommt das Geheimnis raus? Und wie kommen Colin und Penelope zusammen?

Was man der Buchreihe auf jeden Fall lassen muss, das ist die Tatsache, dass die erzählerische Stilistik von Quinn sich schon deutlich dem jeweiligen Paar anpasst, das im Fokus der Handlung steht. So war die Geschichte von Benedict und Sophie deutlich schwermütiger, weil gerade Sophie auch einige schlimme Erlebnisse hatte, die es zu überwinden gilt. Colin und Penelope sind dagegen beide wohlbehütet aufgewachsen. Beide sind nicht ganz glücklich, weil sie ihren endgültigen Platz im Leben noch nicht gefunden haben, aber das ist wohl eher Klagen auf hohem Niveau. Deswegen ist es auch problemlos möglich, diesen Band in einem eher lockeren und lustigen Ton erzählen zu können. Das passt hervorragend auf die gewitzte Penelope, die vor allem mit Lady Danbury ein göttliches Gespann bildet und es passt auch auf den verschmitzten Colin, der ein wenig verfressen dargestellt wird und als Charmeur, der noch jeder Situation entkommt. Es ist auch so wunderbar, weil es genau dem Eindruck entspricht, den Penelope und Colin bereits in der ersten Staffel vermittelt haben, so dass ihr Wesen offenbar perfekt mit der Castingwahl getroffen wurde.

Was nun aber meine Enttäuschung anheizt, das ist dann doch leider das Miteinander der beiden. Auch schon bei Anthony und Kate war die Problematik etwas mitgeschwungen, denn dort wurde schließlich auch schon ständig betont, wie hässlich sie doch sei, so dass ich manchmal das Gefühl hatte, dass Anthony sich seine Anziehung für sie regelrecht schön reden muss. Bei Colin ist es sogar fast noch schlimmer, weil nicht überzeugend rüberkommt, was ihn schließlich an Penelope anzieht. Die beiden reden ein paar Mal miteinander und plötzlich ist es die große Liebe für ihn. Bei Anthony und Kate hat sich wenigstens noch etwas aufgebaut, was dann Überzeugung entwickelt hat, aber hier haben wir Penelope, die alte Jungfer, die auch noch von niemandem als schön bezeichnet wurde und Colin hat sogar im Band davor noch geäußert, dass er sie niemals heiraten würde und diese Wandlung, warum er es irgendwann nicht doch anders sieht, die ist nicht rübergekommen.

Und das liegt wirklich ganz klar an Colin. An Penelopes Gefühlen für ihn gab es nie einen Zweifel, weswegen ihre Handlung absolut passend für sie ist, aber Colin ist eher wankelmütig und schwer zu durchschauen. Zudem weicht der Charmeur zwischendurch einem regelrechten Ekel, der sich selbstgerecht und anmaßen verhält. Das hat mich dann fast schon erschrocken und ich mag es kaum zugeben: abgestoßen. Natürlich gibt es auch romantische Momente zwischen den beiden, wo ich dann endlich das spüre, was ich für die Geschichte durchgehend erwartet hätte, aber es war echt sehr, sehr wenig. Vieles von Colins Verhalten ist auch mit Penelopes Geheimnis verbunden, das er auf eine eher blöde Art und Weise herausfindet. Auch wenn er sie nicht dafür verurteilt, so sorgt es bei ihm für Neid und das sorgt für diese richtig schwachen Charaktermomente, die ich manches Mal sogar als toxisch bezeichnen würde. Hier kann ich wirklich nicht verstehen, was sich Quinn mit Colin gedacht hat und ich kann nur hoffen, dass „Bridgerton“, also die Serienadaption in diese Falle nicht mittappt.

Fazit: Auch wenn ich mich auf Colin und Penelope mit Serienbeginn am meisten gefreut habe, so kommt ich nun traurig zum Endfazit, dass sie bislang erstmal der schwächste Band sind, denn die Liebesgeschichte war nicht überzeugend gestaltet und Colin hat sich teilweise sogar widerwärtig verhalten, was auch nicht mal eben zu entschuldigen ist. Natürlich hatte auch dieser Band tolle Momente sowie einen passenden Erzählstil, aber der Kern der Erzählung war nicht so, wie er muss.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Tolle Lektüre mit einigen langatmigen Aspekten

Keeping Hope
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Bereits als ich den ersten Band von Anna Savas auf der Faerfax University gelesen habe, war mir klar, dass ich mich am meisten auf den Band von Jamie und Ella freuen würde, weil die beiden sofort grundsympathisch ...

Bereits als ich den ersten Band von Anna Savas auf der Faerfax University gelesen habe, war mir klar, dass ich mich am meisten auf den Band von Jamie und Ella freuen würde, weil die beiden sofort grundsympathisch waren und auch gerade die Geschichte, wenn aus Freunden Liebende werden, mich immer sehr zu begeistern wissen. Der zweite Band hat mich zwar auch schon sehr begeistert, aber das konnte ich im Vorfeld nicht abschätzen, weil Lily als Figur noch eine Unbekannte für mich war und ich mich an der Stelle überraschen lassen musste. Bei Ella und Jamie war es aber definitiv einplanbar und im Grunde wurde ich zum Glück auch nicht enttäuscht.

Ohne Frage: Ella und Jamie haben definitiv ihre sympathischen Wesen beibehalten und es war ein tolles Erlebnis, in ihre Köpfe einzutauchen und sie noch besser kennenzulernen. Gerade Jamie hat es mir wirklich sehr angetan, weil gerade die Liebe zur Musik, sein Verantwortungsgefühl der Familie gegenüber und auch seine Opferbereitschaft mich sehr an mich selbst erinnert haben. Dementsprechend war er mir als Figur sehr vertraut. Mit Ella hatte ich weniger gemeinsam, aber auch ihre Liebe für die Literatur, der Prozess, wie ihre Kreativität gewirkt hat, auch das konnte ich gut, weswegen ich mir wirklich beide Figuren sofort für meinen Freundeskreis hätte vorstellen können. Die Voraussetzungen mit den Figuren waren also wirklich allerbestens und dennoch ist bei mir die restlose Begeisterung nicht entstanden. Es war ein sehr gutes Buch, aber keine so intensive Liebe, weil ich zwischendurch doch zu viel denken konnte, denken abseits des eigentlichen Themas.

Hier kommt ins Spiel, dass Anna Savas einen typischen Erzählstil hat, der leider oft zu Längen neigt. Das zeigt sich gleich zu Beginn der Geschichte, wenn Ella ihren Freund Mason beim Fremdgehen erwischt. Diese Trauerphase, die natürlich zurecht ist, hat aber viel zu lange angehalten und ist für den Einstieg in so ein Buch auch echt schwere Kost. Ich könnte mir vorstellen, wenn man den dritten Band als Standalone liest, dass es dann einfach zu lange zu traurig ist. Da die meisten von uns mit der Reihe vertraut sind, kennen wir natürlich die Figuren schon, wir können da aus allem mehr herausziehen und so bekommt man sich auch abgelenkt, aber geschickt ist es eben nicht, um die Leser*innen bei der Stange zu halten. Das zieht sich dann im weiteren Verlauf ein wenig durch die Geschichte, weil eigentlich jeder Wendepunkt der Geschichte mindestens ein bis zwei Kapitel zu spät gesetzt ist. Man hat eben immer wieder gemerkt, dass Savas lieber noch eine Schleife dreht, aber es ist eben ihr Stil. Bei Lily und Julians Geschichte in Band 2 hat sie es dennoch besser hinbekommen, weil die Schlenker da nicht so viel auffielen.

Dennoch werden diese Langatmigkeiten zwischendurch durch viel Tolles wettgemacht und das ist einfach die gemeinsame Geschichte von Ella und Jamie, die mich doch sehr berührt hat. Zwar fand ich das Geheimnis um die Affäre des Vaters etwas zu sehr aufgebauscht, aber alles andere drum herum hat echt gut gepasst. Mir ist nur noch aufgefallen, dass gerade die Hobbys von Savas Figuren nicht immer optimal dargestellt sind. Während bei Ella alles super war, weil ihr Hobby der Beruf der Autorin ist, so hat man bei dem musikalischen Entstehungsprozess von Jamie gemerkt, dass Savas gerne Musik hört, aber eben nicht Musik produziert. Das war mir auch schon bei Lily und dem Tanzen aufgefallen, das ist alles nett, aber es muss schon wirken, als ob es wirklich vertraut ist. Jetzt bin ich aber wieder abgeschweift, denn die Liebesgeschichte war toll, die ganzen Freundschaftsmomente großartig. Man hat hier wirklich deutlich gemerkt, dass es eine Familie für Savas und damit auch für uns geworden ist. Eine echte Wohlfühlreihe eben!

Fazit: Als Individualpersonen haben mir Ella und Jamie definitiv am besten gefallen, als Paar kommen sie knapp hinter Julian und Lily über die Ziellinie. Eine etwas schwächere Bewertung leitet sich auch davon ab, dass die langatmigen Stellen, die ein wenig zu Savas Stil gehören, hier augenscheinlicher sind. Insgesamt aber dennoch ein sehr gut zu lesendes Buch verbunden dann mit einem doch bittersüßen Abschied aus Faerfax.

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Veröffentlicht am 16.01.2022

Sarina Bowen is back!

Was ich dir bedeute - Burlington University
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Mit Sarina Bowen und ihrer True North-Reihe war es für mich Liebe auf den ersten Blick. Von da an war es mit den anderen Reihen aber immer zäher. Natürlich waren gewisse Stilelemente von ihr immer noch ...

Mit Sarina Bowen und ihrer True North-Reihe war es für mich Liebe auf den ersten Blick. Von da an war es mit den anderen Reihen aber immer zäher. Natürlich waren gewisse Stilelemente von ihr immer noch zu merken, aber vor allem das Dramatische, was mich bis in die Zehenspitze berührt, das hat gefehlt. Natürlich war meine Freude riesig, als mit Burlington University ein Spin-Off von der True North-Reihe angekündigt wurde, um auch den jungen Shipleys ihr Happy End zu gönnen. Aber „Was wir uns sehen“ war dann leider auch nicht der Brüller. Für „Was ich dir bedeute“ hatte ich dementsprechend eigentlich schon keine Erwartungen mehr und auch Rickie hatte mich erstmal überhaupt nicht überzeugen können, aber wer hätte gedacht, dass dieses Buch meine Liebe für Bowen wieder voll zurückbringen würde und dass es ausgerechnet Rickie sein würde, der danach alle Liebe dieser Welt verdient hat?

Es hat sich relativ schnell gezeigt, dass „Was ich dir bedeute“ nicht so eine oberflächliche Erzählung wie „Was wir in uns sehen“ werden würde. Rickie ist zwar ein Charmeur, immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen und von Anfang an mit unzüchtigen Gedanken, aber er hat eine wirklich düstere Geschichte zu verbergen, von der bis dato gar nichts zu erahnen war und es war wirklich extrem spannend, nach und nach mit ihm immer mehr zu entdecken. Dabei war es wirklich bewundernswert, dass er trotz der Rückschläge, trotz der Schrecken in der Nacht etc. sich seinen Wesenskern hat nie nehmen lassen. Seine Gespräche mit seiner Therapeutin waren auch ein absolutes Highlight, denn dadurch, dass er selbst anstrebt, Therapeut zu werden, sind sie sich doch auch auf einer anderen Ebene begegnet und das hat man einfach gemerkt. Bei Daphne war es aber nicht weniger interessant. Sie war die Shipley, für die bis dato nicht so viel Werbung gemacht worden war, sie war doch immer eher die Schlechtgelaunte, die, die alles ausschlägt. Dieses Wesen ist immer noch da, aber es ist doch etwas anderes, wenn man in ihrem Kopf steckt. Ich fand es auch wunderbar, dass mit Daphne nun keine wundersame Wandlung durchgemacht wurde. Sie ist immer noch mürrisch, sie hat ständig das Gefühl, etwas beweisen zu müssen und verletzt oftmals auch eher unbewusst mit ihrem Verhalten. Aber wenn man ihren Gedanken folgt, dann kann man es nachvollziehen. Daphne ist völlig in sich konsequent gestaltet worden.

Rickie und Daphne sind für mich keine Liebesgeschichte, wo es von der Anziehung her sofort geknallt hätte. Das liegt glaube ich auch daran, dass ich die beiden als Figuren für sich erstmal auf mich wirken lassen musste. Verstehen musste, wer sie als Menschen sind und was sie mir erzählen wollen. Auch wenn so ein langsames Anflackern der Liebe nicht mein Idealbild ist, so hat es mich hier wirklich nicht gesteuert. Zumal mit dem Fortgang der Geschichte auch noch eine Ebene erst ersichtlich wurde, die die beiden so unfassbar süß macht, dass ich die Beziehung der beiden mehr über die Metaebene als über die Anziehung genießen konnte. Aber für mich war ohnehin viel wichtiger an diesem Band, dass die beiden als Figuren wirklich extrem ambivalent sind, dass sie nicht nur eindimensional gestrickt sind und dass sie beide ihre Dämonen mitbringen, die erstmal angegangen und gemeinsam besiegt werden mussten. Das hat geklappt und deswegen konnte ich mit den beiden sehr, sehr gut mitfiebern.

Abschließend möchte ich auch erwähnen, dass es von der Atmosphäre her endlich wieder wie True North war. Alle Figuren der Reihe sind aufgetaucht oder sind zumindest erwähnt worden, was ein vertrautes Gefühl geschaffen hat. Und es war wirklich Familie durch und durch, was uns dort begegnet ist, das war dann der wohlige Ausdruck zu den zwischendurch doch harten Themen.

Fazit: Für mich ist Sarina Bowen endlich back! „Was ich dir bedeute“ war für mich nach längerer Durststrecke von ihr mal wieder ein echtes Highlight. Daphne und Rickie sind beide spezielle Figuren, aber gerade das hat hier den Reiz ausgemacht. Ihre Geschichten waren angemessen dramatisch und ihr Miteinander erst spät entzündend, aber dann wirklich genial. Demnach wundert euch nicht über eine rundum zufriedene Leserin.

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Veröffentlicht am 11.01.2022

Aschenputtel 2.0 und doch super

Bridgerton – Wie verführt man einen Lord?
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„Wie verführt man einen Lord?“ ist bereits der dritte Streich in der Bridgerton-Reihe von Julia Quinn, die große Bekanntheit erlangt hat, weil das Produktionslabel Shondaland sich der Vorlage für eine ...

„Wie verführt man einen Lord?“ ist bereits der dritte Streich in der Bridgerton-Reihe von Julia Quinn, die große Bekanntheit erlangt hat, weil das Produktionslabel Shondaland sich der Vorlage für eine Adaption bei Streamingdienst Netflix angenommen hat. Während die ersten beiden Bände von der Art her doch sehr ähnlich aufgebaut waren, setzt sich der dritte Band erfreulich deutlich davon ab. Auch wenn gegen das bislang gewählte Muster von früher Heirat und dann erst richtige Liebesgeschichte per se nichts einzuwenden ist, so hätte ich es doch eintönig gefunden, immer nur ein Muster literarisch verarbeitet zu sehen. Dafür wurde sich für das erste Drittel aber bei etwas anderem einiges abgeguckt: Aschenputtel.

Als Protagonistin haben wir Sophie, die unehelich geboren wurde, aber von ihrem Vater nach dem Tod der Mutter wenigstens bei sich aufgenommen wurde, wenn sie auch nicht als leibliches Kind anerkannt worden ist. Das wird zum großen Problem, als Achtung die Stiefmutter mit den zwei Stiefschwester auftauchen. Während die eine Tochter, Posy, noch etwas auszunehmen ist, sich aber nur spärlich gegen den Einfluss von Mutter und Schwester wehren kann, sind die anderen beiden wirklich zwei Figuren, die man aus den Seiten streichen würde, weil sie so unerträglich sind. Als der Vater dann auch noch stirbt, fängt das Schlimmste gerade erst an. Schließlich kommt dann noch das letzte Aschenputtel-Motiv, denn Sophie schleicht sich – unterstützt vom anderen Hauspersonal – auf einen Maskenball der Bridgertons und lernt dort den zweiten Bruder, Benedict, kennen. Es ist eine wirklich schön erzählte erste Begegnung, denn man merkt, dass es wirklich Liebe auf den ersten Blick ist. Von gesellschaftlichen Standards ist da erstmal keine Spur, weswegen diese Begegnung auch so rein ist. Auch wenn gerade Sophie natürlich Geheimnisse ohne Ende hat, so begegnen sie sich dennoch charakterlich ehrlich, was diesen Moment in der Magie noch verstärkt.

Zwar kommt hinterher nicht raus, dass Sophie auf dem Ball war, aber ihre Stiefmutter findet heraus, dass sie ihre Schuhe benutzt hat und setzt sie auf die Straße. Hier beginnt nun das zweite Drittel des Buchs, das sich dann doch endgültig von der Aschenputtel-Nacherzählung löst. Nach einem zweijährigen Zeitsprung treffen Sophie und Benedict wieder aufeinander, er erkennt sie natürlich nicht, aber wo Liebe ist, da ist eben die Liebe, so dass sie sich so oder so zueinander hingezogen fühlen. Während mir bei den anderen beiden Bänden der Auslöser für die dramatische Stolperstelle des Liebesglücks immer etwas zu künstlich aufgebauscht wurde, passt hier alles wunderbar. Denn dass Sophie sich so heftig wehrt, Benedicts Mätresse zu werden, ist aus ihrer Sicht völlig nachzuvollziehen. Sie will sich nicht zu einem Leben verpflichten, das ihre Mutter schon geführt hat und dass sie als ihre Tochter letztlich ins Unglück gestürzt hat. Dadurch ergibt sich zwischen den beiden als Figuren natürlich ein stetiges Spielchen, das auch zu überzeugen weiß, denn die Chemie stimmt nach wie vor überirdisch.

Es ist auch ein toller Schachzug, dass Sophie auf Benedicts Intervention hin bei seiner Mutter Violet angestellt wird. Denn in den ersten beiden Bänden sind die Bridgertons geballt nur sehr rar zusammen aufgetreten, aber hier haben bis auf Gregory alle ihre Auftritte und gerade die Teenachmittage mit den Damen des Hauses hat ein gutes Gefühl für diese gegeben, was wir schon längst durch die Serie vermittelt bekommen haben, aber nun auch endlich in Buchform präsentiert bekommen. Hier haben die einzelnen Bestandteile also diesmal echt gut zusammengepasst. Natürlich wird der Konflikt zwischen Benedict und Sophie am Ende aufgelöst, aber der Weg dahin ist nicht einfach. Ich finde es wirklich überzeugend, wie hier die damalige Ständegesellschaft konsequent übertragen wurde.

Fazit: „Wie verführe ich einen Lord?“ ist tatsächlich bislang mein liebster Band aus der Bridgerton-Reihe. Zwar wird zunächst Aschenputtel nacherzählt, aber dennoch fand ich das charmant und doch individuell gemacht. Individualität ist sowieso ein gutes Stichwort, da Benedict und Sophies Geschichte sich deutlich von denen davor unterscheidet. Alles wirkt natürlicher und vor allem auch die Bridgertons insgesamt werden in ihrem Miteinander sympathisch dargestellt. Hätte ich mich nicht durch die Serie schon längst in sie als Familie verliebt, dann wäre das in der Buchreihe jetzt der Fall gewesen.

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Veröffentlicht am 09.01.2022

Zu ärgerlich an einigen Stellen

Der Herzgräber
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Bei „Der Herzgräber“ habe ich gerne mal wieder bei einer für mich im Thrillergenre neuen Autorin zugeschlagen. Jen Williams kommt eigentlich aus der Fantasy, hat sich jetzt also in einem für sie neuen ...

Bei „Der Herzgräber“ habe ich gerne mal wieder bei einer für mich im Thrillergenre neuen Autorin zugeschlagen. Jen Williams kommt eigentlich aus der Fantasy, hat sich jetzt also in einem für sie neuen Genre ausprobiert. Ich wiederum lese leider nicht mehr so viele Krimis/Thriller, weswegen ich dann oft eher auf Reihen oder mit bekannte Namen zurückgreife, aber hier hat mich die Beschreibung sowie die Tatsache, dass es ein Standalone ist, sehr gereizt. Aber leider hätte ich mir das Ausprobieren mit Williams vielleicht doch besser gekniffen.

Was ich Williams gleich am Anfang lassen will, das ist das Erschaffen einer perfekten düsteren Atmosphäre. Von Anfang an schwebte etwas über der Geschichte, was gut gepasst hat. Auch der Stil ist gut; man hält sich nicht lange an einzelnen Sätzen auf, gleitet regelrecht durch das Geschehen, so dass es auch ein wirklich flottes Lesevergnügen ist. Bei Thrillern im Prinzip auch ein MUSS. Dazu fand ich auch viele inhaltliche Ansätze wirklich gut. Williams hat auf klassische Ermittlungen verzichtet, stattdessen ihre Protagonistin Heather, die eine ehemalige investigative Journalistin ist, nach Antworten suchen lassen. Auch die Mordmethode und die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, das hat sich alles gut angelesen. Auch nach Abschluss des Buchs finde ich eigentlich, dass es viele gute Ideen gab, die auch zu Ende geführt wurden, aber leider auch nicht alle.

Dennoch kann diese vielversprechenden Anzeichen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es beim Rest sehr viel zu ärgern gibt. Dementsprechend war es eigentlich gut, dass das Lesen so flott ging, denn so hatte ich nicht so viel Zeit, um mich zu ärgern. Spätestens, als ich alles aber dann noch einmal habe rekapitulieren lassen, war dann nicht mehr zu verbergen, was im Argen lag. Leider kann ich nicht endgültig beurteilen, ob es für Williams einfach noch Anlaufschwierigkeiten in einem neuen Genre sind, ob es generell ihre Stilistik ist, die ich nur nicht kenne oder ob ich vielleicht auch einfach einiges nicht so verstanden habe, wie sie es als Erzählerin intendiert hat. Am auffälligsten war sicherlich Heather, denn durch sie haben wir die Geschichte begleitet, doch sie war absolut keine Figur, auf die man sich wirklich einlassen konnte. Kam sie anfangs noch etwas ängstlich rüber, so wurde sie zunehmend zu einer echten Nervensäge. Sie erlebt schaurige Dinge, redet mit niemandem drüber. Sie verführt einen Polizisten und gibt sich dann ständig beleidigt, wenn er nicht so springt, wie sie es gerne hätte. Dazu verhält sich auch der Polizist selten dämlich, so dass ich wirklich an einigen Stellen dachte: wie realistisch ist der Schmarrn hier eigentlich gerade? Später kam noch hinzu, dass Heather durch ihr Schweigen extrem verantwortungslos gehandelt hat. Es gab also wirklich viel mit ihrer Figur zu fluchen und dadurch, dass sie die Geschichte so dominiert hat, konnte vieles vielleicht auch nicht die Wirkung entfalten, weil sie mit ihrem Eindruck alles überschattet hat. Aber insgesamt ist doch auch auffällig, dass richtig sympathische Figuren die extreme Seltenheit waren.

Fazit: „Der Herzgräber“ ist leider keine Thrillerlektüre, bei der ich eine Leseempfehlung aussprechen würde. Es gibt zwar spannende inhaltliche Ansätze und der Lesefluss ist auch zufriedenstellend, doch in der Umsetzung, vor allem von der Hauptfigur her, wurden leider viele falsche Entscheidungen getroffen. So wurde es zwischendurch mehr Ärgern als Spekulieren, wie es wohl ausgehen könnte.

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