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Veröffentlicht am 27.04.2023

Genussbuch mit Schwächen

Malibu Rising
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Um Taylor Jenkins Reid habe ich länger als nötig einen Bogen gemacht, denn nachdem ich „Daisy Jones & The Six“ dann endlich gelesen hatte, war ich doch sehr angetan, zumal ich eben besonders fasziniert ...

Um Taylor Jenkins Reid habe ich länger als nötig einen Bogen gemacht, denn nachdem ich „Daisy Jones & The Six“ dann endlich gelesen hatte, war ich doch sehr angetan, zumal ich eben besonders fasziniert war, dass die Erzählweise mich trotz reiner Dialogform so berühren konnte. Von dort aus war mir klar, dass ich unbedingt noch etwas von ihr entdecken möchte. Dementsprechend war die Neuveröffentlichung von „Malibu Rising“ eine sehr passende Gelegenheit für mich. Auch wenn ich im Vorfeld nicht wusste, dass Reids Geschichten sich alle ein wenig überkreuzen, hier speziell mit „Carrie Soto is Back“, habe ich das beim Lesen nicht als Lücke empfunden.

In „Malibu Rising“ lerne ich nun also erstmals Reids ausformulierte Schreibkunst kennen, auch wenn ich sagen muss, dass sofort eine klare Stilistik zu erkennen ist. Die Autorin interessiert sich für eine Bandbreite an Charakteren. In „Daisy Jones & The Six“ ist das eben dadurch gelungen, dass O-Ton so viele Personen zu Wort kommen durften, hier in „Malibu Rising“ stehen vor allem Nina Riva und ihre drei Geschwister sowie die Eltern, aber später auch die Partygäste im Fokus. Die Parallele fand ich also sehr augenscheinlich. Reid ist weniger an einer ausgeprägten Charakterbildung interessiert, sondern vielmehr an einem ausschweifenden Gesamtbild. Während ich das bei „Daisy Jones & The Six“ entspannter gesehen habe, so finde ich aber umgekehrt hier, dass es auf der Party später etwas lästig wurde. Für mich waren eben schon die Rivas das Zentrum die Geschichte und das Bemühen, auch den Partygästen noch etwas Raum zu geben, war dann unnötig herauszögernd, gerade weil sich die Riva-Konfrontation gerade zuspitzte. Hier merkt man einfach, dass das eine Stilfrage ist. Ich will sie nicht gänzlich verteufeln, aber vielleicht geht es vielmehr um das rechte Maß, um nicht völlig den Fokus zu verlieren. Das war hier in meinen Augen nicht völlig gelungen.

In „Daisy Jones & The Six“ war sehr stringent die Geschichte nachgearbeitet worden, hier in „Malibu Rising“ haben wir aber zwei größere Stränge. Wir haben die anstehende Riva-Party, auf die sich die vier Geschwister mit unterschiedlichen Motivationen vorbereiten und wir haben die Vergangenheit, in der die Geschichte der Eltern erzählt wurde. Auch hier fand ich die gewählte Stilistik auf jeden Fall mal eine kritische Frage wert. Hier ist das Gute aber, dass mich sowohl die Geschichte der Eltern, als auch die der Geschwister sehr gut zu unterhalten wusste. Dennoch war es zwischendurch augenscheinlich, dass die Gegenwart aus den Augen verloren wurde, um dann eher die Vergangenheit durchzuarbeiten, während dazwischen so alibimäßig Passagen zwischengeschoben wurde. Vielleicht hätte Reid hier besser eine ausgewogenere Mischung angeboten, aber wie gesagt, das war der kleinere Kritikpunkt.

Ansonsten habe ich mit „Malibu Rising“ ein Buch bekommen, das mich wirklich in einen Sog gezogen hat. Ich mochte die Riva-Geschwister in ihrer ganz unterschiedlichen Art alle sehr und ich fand auch, dass zu allen ein inniges Bild entstanden ist. Auch wenn Nina noch einmal etwas mehr im Zentrum stand, aber als Älteste hat sie auch die meiste Verantwortung zu tragen und bei ihr konnte das Bild aus Vergangenheit und was sie dort alles erlebt hat, mit dem, was sie als junge Frau nun erlebt und fühlt, besser übereinander gebracht werden. Gerade wenn man bedenkt, was die Eltern auch für Menschen waren, so finde ich die Riva-Geschwister umso beachtlicher und ich habe ihren Zusammenhalt speziell als sehr mitreißend empfunden. Weiterhin musste ich natürlich bedenken, dass das Geschehen natürlich nicht im Hier und Jetzt spielt. Dennoch fand ich einige Gedankengänge, das Abnabeln vom Vater, oder auch Ninas Ehe, recht modern angegangen, aber dennoch nicht zu modern, also nicht, dass mir der Gedanke kam, es passt nicht in die damalige Zeit, zumal Kalifornien wahrscheinlich ohnehin immer näher am Puls der Zeit war. Damit meine ich aber vor allem, dass mir die Themen nicht fremd schienen und ich dadurch auch sehr berührt werden konnte.

Fazit: Ich habe viele Vergleiche zu „Daisy Jones & The Six“ gezogen, aber das ist wohl völlig normal, wenn man sich einer Autorin erst noch annähert. Auch wenn „Malibu Rising“ nun anders erzählt ist, so gibt es unheimlich viele Parallelen, die für mich einerseits eine klare Autorinnenstimme formen, die für mich andererseits aber auch bei diesem Buch nicht ganz so ideal passen. Die Einbindung der ganzen Partygäste mit ihrer Perspektive, das war mir zu viel. Dennoch habe ich die Geschichte der Rivas wiederum sehr, sehr genossen.

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Veröffentlicht am 15.02.2023

Tolle Übersicht für erfahrene Köche

Homefarming: Das Kochbuch
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Judith Rakers Erstlingswerk „Homefarming“ habe ich gar nicht bewusst wahrgenommen, wäre aber wohl ganz passend gewesen, da wir nahezu parallel mit dem eigenen Anbau im Garten angefangen haben. Da ich inzwischen ...

Judith Rakers Erstlingswerk „Homefarming“ habe ich gar nicht bewusst wahrgenommen, wäre aber wohl ganz passend gewesen, da wir nahezu parallel mit dem eigenen Anbau im Garten angefangen haben. Da ich inzwischen auch schon etwas erfahrener bin, kam dann aber das passende Kochbuch dazu genau recht für mich. Denn oft genug kommt man beim Anbau von Obst und Gemüse an den Punkt: wohin denn jetzt damit? Oft kann man so schnell gar nicht essen, wie man erntet. Dementsprechend fand ich die Idee einfach super, dass hier je nach Monat und was man aus der Erde oder vom Baum holen kann, passende Rezepte angeboten werden. Das Buch hat aber noch eine ganze Menge zu bieten.

Zunächst muss ich sagen, dass mir Rakers natürlich schon lange ein Begriff ist und ich sie immer als sehr natürliche Persönlichkeit erlebt habe. Das Kochbuch greift genau dieses Gefühl wunderbar auf, denn schon mit den einleitenden Worten, wo sie ihre Anfänge erklärt, war absolut lustig, charmant und nahbar erzählt. Diese ganze Stilistik zieht sich auch durch den weiteren Verlauf, denn auch die Rezepte sind immer mit einer persönlichen Note versehen und nicht ganz so bieder in der Gestaltung, wie man es sonst kennt. Natürlich koche ich mit normal formulierten Rezepten genauso gut, aber es war einfach nett, immer Rakers Stimme dazu im Ohr zu haben, wie sie noch kleine Tipps oder Einschätzungen gibt. Insgesamt ist es aber kein klassisches Kochbuch. Denn es gibt monatlich auch immer Übersichten, was nun am besten im eigenen Anbau zu tun ist. Es gibt immer eine übersichtliche Liste, was man nun im Freiland, was man vorziehen könnte, was vielleicht sogar schon geerntet werden kann etc. und so eine Übersicht ist wirklich sehr hilfreich. Daneben gibt es aber auch diverse Besuche bei Köchen etc. und anschließende Interviews. Mit diesen Interviews konnte ich persönlich nicht so viel anfangen, auch weil sie nicht meiner Erwartungshaltung an das Buch entsprachen. Zudem fand ich die mit den Personen ausgewählte Rezepte etwas abgehoben. Gerade angesichts der Situation, dass man oft einfach schnell etwas verarbeitet haben will, fand ich diese filigranen Rezepte etwas übertrieben und eher unpassend.

Schon diese Kritik lässt erahnen, dass die Bandbreite in der Rezeptauswahl üppig ist. Das finde ich erstmal positiv. Denn es ist eben kein Themenkochbuch, sondern ein Kochbuch, das vielfältig Obst und Gemüse verarbeitet sehen will. Da treffen viele Geschmäcker aufeinander, die alle ein Ziel haben, sich lecker ernähren zu können. Dementsprechend passt es, dass nicht jedes Rezept gleich Begeisterungsstürme auslöst. Manche Einfälle wie Kräuteröl oder Gänseblümchen-Eiswürfel fand ich sogar etwas irritierend, weil es hier in meinen Augen etwas übertrieben wurde. Da sieht man aber deutlich, wie groß die Spannbreite von simpel zu kompliziert ist. Dennoch habe ich mir insgesamt eine größere Anzahl aus den Rezepten rausgesucht, durch die ich mich auch schon fleißig durchprobiert habe. Die gefüllten Zucchini mit Hackfleisch und Schmand oben drauf waren dabei mein Highlight. Auch die Kohlrabischnitzel mit Gurkensalat waren sehr lecker und eine schöne leichte Kost, gerade für den Sommer ideal. Der Nudelauflauf mit dem Rosenkohl wurde etwas trocken, aber das ist mit Nudeln im Ofen ja oft eher ein Glücksspielchen. Ganz toll fand ich auch das gefüllte Ofenbrot, das man so im Grunde wie eine Pitatasche nutzen kann. Da ich im letzten Jahr großen Gefallen an Pfannenbroten gefunden habe, ist das jetzt auch eine schöne Idee, diese einfach zusammenzuklappen. Interessiert habe ich auch das Rezept für den Wirsingauflauf zur Kenntnis genommen, denn dort hatte Rakers gewarnt, dass es den Männern in ihrer Familie zu trocken war. Dadurch habe ich tatsächlich geschaut, wo ich etwas Flüssigkeit dazu bekomme, auch wenn es nicht immer große Soßenmenge sein muss, aber das Ergebnis war auch sehr lecker. Zuletzt habe ich schon die gefüllten Crêpes ausprobiert, was auch ein echter Geheimtipp ist.

Insgesamt würde ich bei den Rezepten sagen, dass sie eine Gelinggarantie haben und gerade erfahren in der Küche kann man natürlich auch sofort Änderungen herbeiführen. Deswegen habe ich mich bei manchen Mengenangaben schon etwas gewundert, vor allem mit der dazu genannten Personenanzahl. Eigentlich alles war für 2 Personen, aber in meiner Erfahrung für zwei sehr, sehr gute Esser. Wenn ich dann schon mal das Doppelte gewagt habe, war es quasi schon wieder für 6. Natürlich hat jeder einen andere Appetit, aber ich würde sagen, dass hier die Angaben wirklich mit Vorsicht zu genießen sind und man sich dementsprechend dann erstmal einfühlen muss, um dann auch für andere Personenmenge genau die richtige Menge zu erwischen. Insgesamt würde ich daher sagen: ein Anfängerkochbuch liegt wahrlich nicht vor. Daher ist es eher ein tolles übersichtliches Monatsbuch, das mit mehr Erfahrung in der Küche gut einzuschätzen ist. Neue Ideen habe ich auf jeden Fall gesammelt.

Fazit: Das Kochbuch zum Homefarming von Judith Rakers ist toll gespickt mit ihrer Persönlichkeit, was es ein sehr nahbares Übersichtsbuch macht, bei dem man immer wieder schmunzeln muss. Gerade die Tabellen für die jeweiligen Monate mit Anbauübersicht sind echt toll. Über die Rezepte kann man etwas streiten, weil die Bandbreite mir zu krass war. Ich habe aber einiges gefunden, nur Vorsicht mit den Angaben. Erfahren in der Küche lässt sich damit aber gut arbeiten.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Zwischen Thriller und Roman

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Auch wenn „Happy New Year“ nicht als Thriller etc. vermarktet wurde, so ist der Cover doch sehr typisch für das Genre, weil es mystisch und in seiner simplen Schönheit doch auch bedrohlich wirkt. Dazu ...

Auch wenn „Happy New Year“ nicht als Thriller etc. vermarktet wurde, so ist der Cover doch sehr typisch für das Genre, weil es mystisch und in seiner simplen Schönheit doch auch bedrohlich wirkt. Dazu noch der Unterteil „Zwei Familien, ein Alptraum“ und ich war erst recht wieder bei Thriller. Letztlich ist „Happy New Year“ aber wirklich eher ein Zwitterding, denn es hat etwas Rätselhaftes an sich, wo man sich so seine Gedanken machen kann, was wohl passiert ist und wer wo Verantwortung trägt. Letztlich ist das Buch aber vor allem eine tiefgehende psychologische Studie, die durch drei Perspektiven intensiv beleuchtet werden.

Wofür ich Malin Stehn auf jeden Fall loben kann, das ist ihre Art, ihren drei Perspektiven so treu zu bleiben und mit Frederik, Nina und Lollo auch drei Charaktere zu schaffen, die alle auf ihre Weise keine Sympathieträger sind, weil die Autorin wirklich verdammt tief gräbt. Wir haben sicherlich alle unsere hässlichen Seiten, aber die werden selten so geballt gezeigt. Zwar war das Buch so wahrlich kein Stimmungsaufheller, aber ich fand es doch auch faszinierend, diese Charaktere so ehrlich und verblümt kennenzulernen. Bei Lollo erleben wir sofort eine sehr oberflächliche Persönlichkeit, die an ihre Freundinnen keinen guten Gedanken lässt und die alles mit einem prüfenden Auge bedenkt, ob es nur ja einen äußeren Anschein wahrt. Später als ihre Tochter Jennifer verschwunden ist, wandelt sich das Bild und es wird deutlich, dass sie den Hass auf ihre eigene Persönlichkeit in Hass auf ihren Ehemann umwandelt, obwohl sie sich immer einig bei allem waren. Es ist sicherlich nicht einfach, bedingungsloses Mitleid mit Lollo zu empfinden, aber es ist dennoch interessant mitzuverfolgen, wie sie quasi durch diesen Schrecken ‚aufwacht‘.

Nina ist sicherlich die normalste in der ganzen Geschichte, die auch in den ganzen sich entfaltenden Ereignissen ein fast schon außenstehender Posten ist. Sie hat damit zu kämpfen, wie ihr Mann den Boden unter den Füßen verliert, sie sieht ihre leidende Tochter und sie schämt sich auch gegenüber Lollo, weil sie für sie nicht die bedingungslose Freundin sein kann, weil zu viel reinspielt. Sie ist ein wenig die Kümmerin, die Bodenständige, auf deren Rücken unwissentlich so viel ausgetragen wird und der irgendwann auch einfach mal der Kragen platzt. Dennoch ist sie auch die Figur, bei der man am wenigsten entdecken kann, weil sie auch keine Geheimnisse hat, sie ist einfacher Mensch, der damit arbeitet, was ihr angeboten wird. Frederik wiederum ist der, zu dem die meisten Andeutungen gemacht werden und wo man nicht sicher ist, wie dunkel das Grauen bei ihm wirklich ist. Er war durch seine Stimmungen sicherlich der unerträglichste, aber ich fand es durchaus auch interessant, wie er immer in der Liebe zu seiner Familie und seinen Schuldgefühlen schwankte. Da er gerade auch zu Beginn der Geschichte für mich den vernünftigsten Eindruck machte, war ich auch gespannt, wie weit seine Schuld nun tatsächlich reicht.

Während nun also diese Figurenebene wirklich sehr interessant und ungewöhnlich für mich war, so bin ich zu dem Erzählstil noch etwas unentschlossen. Dieses Figurenbasierte fließt natürlich einteilig groß ein, aber dennoch hemmt es auch in einigen Aspekten. Denn das, was am Ende noch alles aufgedeckt wird, das passiert eher im Off und wird dann aus dem Hut gezaubert. Vielleicht muss ich mich an der Stelle mehr daran erinnern, dass es eben kein Thriller ist, aber dennoch war es schon eher ungewöhnlich. Ich habe zwar zwischendurch in eine ähnliche Richtung gedacht, die finale Lösung fand ich dennoch überraschend und dazu hätte ich mir noch etwas mehr Innenleben gewünscht und nicht nur den Strafprozess dann. Manche Wendungen waren mir auch etwas zu übertrieben, auch weil mir dann im nächsten Schritt die ausführlichere Darstellung von Jennifer gefehlt hat, denn sie ist für diese Geschichte enorm wichtig, auch wenn sie aktiv keine große Rolle spielt. Es hat auch immer mal wieder Rückblenden gegeben, aber bis auf die eine entscheidende waren die auch eher austauschbar. Es ist also ein etwas schmaler Grat, auf dem der Erzählstil hier wandelt. Die Vor- UND Nachteile sind offensichtlich.

Fazit: „Happy New Year“ war in meinem Lesejahr 2022 ein ungewöhnliches Buch, weil es irgendwo zwischen Thriller und psychologischem Roman schwankte und weil auch der Erzählstil dementsprechend seine Vor- und Nachteile aufzuweisen hat. Während ich die intensiven Figurenperspektiven zu schätzen wusste, so fühlte sich das Buch in anderen Aspekten wiederum unfertig an.

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Veröffentlicht am 31.10.2022

Faszinierende Reise mit dem Marschmädchen

Der Gesang der Flusskrebse
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„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens lag viel zu lange auf meinem SuB, doch auch die Verfilmung, die dieses Jahr erschienen ist, konnte nicht auf Anhieb bei mir die entsprechende Lust auslösen. ...

„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens lag viel zu lange auf meinem SuB, doch auch die Verfilmung, die dieses Jahr erschienen ist, konnte nicht auf Anhieb bei mir die entsprechende Lust auslösen. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass das Buch nicht selbst ausgewählt und stattdessen ein Geschenk war, denn es ist auch nicht unbedingt mein typisches Genre. Nun habe ich es aber endlich gelesen und es bewahrheitete sich mal wieder: hätte ich das nur früher getan!

Zunächst fiel es mir etwas schwer in das Geschehen einzufinden, denn die ersten Seiten sind vor allem von Beschreibungen geprägt und da muss ich einfach eingestehen, dass Landschaftsbeschreibungen nicht wirklich meine Leidenschaft sind. Dennoch war es natürlich auch hilfreich, weil ich mich mit der dargestellten Vegetation des Marschs, mit der ich mich nicht auskenne, etwas vertraut zu werden. Dennoch war es ein zäher Einstieg und es brauchte etwas Zeit, um sich in die Begebenheiten von Kyas Leben einzufinden. Wenn man aber einmal ein Gefühl für sie entwickelt hat, dann entsteht schnell eine große Begeisterung für ihren Charakter. Ich fand auch, dass es Owens überzeugend gelungen ist, eine Schreibstilistik für ihre Perspektive zu finden, die sehr gut passte. Es war nicht nur die direkte Rede von ihr, in der ihre Sprachfehler bzw. Dialekt deutlich wurde, sondern auch ihre etwas naive Art auf alles zu blicken. Nach und nach ist das später rausgewachsen und die Gedankengänge wurden komplexer. Hier hat Owens also wirklich eine gute Charakterreise dargestellt und das nur rein vom Stil.

Aber auch charakterlich ist es faszinierend, wie Kya als junges Mädchen lernen muss, sich selbst zu versorgen, wie sie an Geld kommt, wie sie zarte Kontakte knüpft, obwohl es ihr auch schwer fällt, weil sie schon so oft verlassen wurde. Man freut sich regelrecht für sie, als endlich durch einen Freund das Lesen und Rechnen lernt, weil bis dato schon augenscheinlich wurde, dass sie das Leben genug gelehrt hat und dass sie durch die Sprache in niedergeschriebener Form noch einmal eine ganz neue Möglichkeit findet, sich selbst weiterzubilden und weiter zu wachsen. Dementsprechend war es dann auch faszinierend, mit ihr die Marsch so systematisch zu entdecken. Hier haben mich die Beschreibungen auch deutlich weniger gestört, denn hier war es ein gemeinsames Erkunden und es war irgendwie auch charmant, wie sie ihre eigenen Erfahrungen mit der Liebe mit dem Sexualverhalten verschiedener Tierarten verglich. Insgesamt ist die Bindung zu Kya am Ende sehr eng, weswegen es mir sehr zugesetzt hat, sie in dem Prozess begleiten zu müssen, aber es war auch ein sehr sinniger inhaltlicher Höhepunkt, weil Kya hier so sehr wie noch nie zuvor mit der Gesellschaft und den Systemen konfrontiert wurde. Auch wenn man es ihr nicht gewünscht hat, es war der letzte wichtige Punkt, wirklich erwachsen zu werden.

Die Stilistik, die mit Kya zu tun hatte, die habe ich bereits angesprochen, aber das Buch hatte auch noch mehr zu bieten. Was mir persönlich nicht gefiel, dass war diese Unart, zwischendurch immer mal wieder kurz auf die personale Erzählsituation von anderen Figuren zu wechseln. Es hat die Geschichte durchaus inhaltlich bereichert, indem man hinterher erfahren hat, wer Kya doch still und heimlich immer unterstützt hat, aber es war immer wieder irritierend, weil man so mit Kya vertraut war und noch nicht mal durch einen neuen Abschnitt der Wechsel angekündigt wurde. Das war definitiv etwas umständlich. Genial war stattdessen aber, wie irgendwann die Kapitel der Zukunft einsetzen und der Mordfall an Chase begonnen wird. Man kennt die Zusammenhänge nicht und es ist spannend, wie die Gegenwart immer mehr aufholt, damit sich irgendwann das Puzzle zusammensetzt. Zwar wird die finale Auflösung schon deutlich, was aber nur gelingt, wenn man Kya wirklich verstehen gelernt hat, aber das fand ich nicht schlimm, denn es war am Ende ein Abschluss, der auch nochmal die LeserInnen herausfordert, da sie sich viele Fragen stellen und selbst Antworten geben müssen. Definitiv eine Lektüre, die einen noch nachträglich beschäftigt.

Fazit: „Der Gesang der Flusskrebse“ war wahrlich nicht umsonst lange in den Bestsellerlisten, denn Kya ist eine faszinierende Persönlichkeit, die man auf einer ungewöhnlichen Reise begleitet. Manchmal hat mich die Stilistik etwas arg herausgefordert, weil es nicht in sich konstant wirkte, aber gleichzeitig hat die Autorin auch Kniffe angeboten, die der Geschichte etwas Einmaliges geben.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Voll auf die 12?!

Blutige Stufen (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 12)
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Wow, schon der zwölfte Band von Chris Carter zu Robert Hunter, das ist wirklich ein sehr beeindruckender Zeitraum, wie lange mich diese Thrillerreihe nun schon begleitet und es ist für mich auch wirklich ...

Wow, schon der zwölfte Band von Chris Carter zu Robert Hunter, das ist wirklich ein sehr beeindruckender Zeitraum, wie lange mich diese Thrillerreihe nun schon begleitet und es ist für mich auch wirklich die beständigste. Ich bin zwar auch bei anderen Krimi- oder Thrillerautoren eine treue Seele, aber hänge dennoch immer etwas nach. Carter ist aber immer sofort ein Muss, denn er schreibt einfach so, dass man flott durch ist und das ist einfach auch mal ein Geschenk. Auch wenn die letzten Bände mich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr so überzeugt haben, so würde ich Carter wohl nie im Stich lassen. Wie ist also Band 12, „Blutige Stufen“?

Kommen wir erst zum üblichen Augenverdreher. Ich finde es schade, dass weiterhin immer sprachlich betont werden muss, wie die Fälle immer nur noch brutaler sind. Empfindet Carter das wirklich so? Oder ist es schon ein Scherz, bei dem ich nur noch nicht mitbekommen habe, dass er in der Fangemeinschaft schon ein Muss ist? Ich habe über die zwölf Bände verteilt jedenfalls schon sehr viel Schlimmes zu lesen bekommen. Wir haben sehr unterschiedliche Tätertypen kennengelernt, aber immer sind Menschen auf brutale Weise ums Leben gekommen und wie man da noch unterscheiden will, was brutaler war, also ich weiß nicht… Vor allem finde ich es gerade in diesem Band sehr unpassend, denn letztlich haben wir ein Täterprofil, bei dem es weniger um Brutalität ging, so zumindest meine Einschätzung. Denn es ging eben nicht um absurde Tätertriebe, sondern um Worte, die einfach nur exakt nachgestellt wurden. Da wird das Wort ‚brutal‘ dann doch sehr relativ.

Aber nach dieser wiederholenden Generalkritik kommen wir zum Buch an sich. Schon bei Band 11, „Bluthölle“, hatte ich den Eindruck, dass es mehr zu den Wurzeln zurückgeht und das ist auch hier der Fall. Wir erleben wirklich sehr viel klassische Polizeiarbeit. Die obligatorischen Gespräche mit Captain Blake im Büro sind etabliert, aber ansonsten waren die beiden viel unterwegs, immer in Befragungen, immer in Nachforschungen und eben bei der Tatortbegehung. Auch die Erzählweise war ganz geschickt gemacht, denn zunächst erleben wir immer nur kurz ein Opferkapitel, später erleben wir ein Opferkapitel noch vor der Tat zusätzlich, dann taucht auch was zum Täter auf. Folglich steigerte es sich immer mehr, es wurde immer dichter und auch wenn es für mich kein Thriller zum Mitraten war, weil doch alles sehr gut verschleiert erzählt worden ist, ist so der Puls gleich in die Höhe gegangen, denn man hat gemerkt, jetzt gleich der erste entscheidende Zipfel da. Wie immer war die Spannung stetig vorhanden und die Kapitel sind auch in sich nach wie vor fesselnd und antreibend geschrieben. Dazu kommen eben doch ein paar Fragen, die für uns Leser gestreut wurden, aber es ging weniger darum: wer war es, sondern wie hängen die Opfer zusammen?

Mit diesem etwas veränderten Schwerpunkt war die Enthüllung hinterher natürlich eine große Überraschung, aber auch eine schlüssige? Den Fall an sich finde ich tip, top konstruiert, denn am Ende führte eins zum anderen und ich habe auch keine logischen Fehler gefunden. Wirklich bis zum Schluss waren auch noch kleine Wendungen drin, was eben echt eine gewisse Kunst ist. Aber passt die Tat zum letztlich Täter? Ich glaube, dass es innerhalb der zwölf Bände mit einer der menschlichsten Täter war, was ich insofern schon sehr spannend fand, weil so Hunters psychologischen Fähigkeiten noch besser zur Geltung kommen konnten und weil ich auch bei mir als Leserin Verständnis finden konnte. Dennoch wird hier eben zum Problem, dass vorher wie immer betont werden musste, wie brutal die Tatorte doch waren. Und auch wenn meine Vorstellungskraft leider weiterhin zu wünschen übrig lässt, so entstehen selbst bei mir gewisse Bilder und ich habe mich die ganze Zeit gefragt: wie kann das sein? Wie konnte der letzte Schritt hin zu solchen Morden vollzogen werden? Diese Fragen lässt der Thriller hier unbeantwortet und das ist diesmal der qualitative Abstrich.

Fazit: „Blutige Stufen“ ist für mich ein sehr solider Thriller, den ich besonders gut geheißen habe, weil die letzten Bände für mich kleinere qualitative Dämpfer waren. Hier wird aber ein spannender Fall geboten, der auch über die Erzählweise genau den richtigen Aufbau hat. Die ganze Auflösung fand ich auch sehr spannend, nur zum Täter bleibt für mich einiges noch offen und ob es wirklich das richtige Täterprofil für diese spezielle Mordserie war, aber das sind nur so kleine Fragezeichen am Ende gewesen, die das davor nicht entscheidend schmälern können.

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