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Veröffentlicht am 18.04.2021

Extrem beeindruckend trotz stellenweiser Langatmigkeit

Das Lied der Krähen
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Der Inhalt der Krähen-Dilogie, die hier mit "Das Lied der Krähen" startet, wird gemeinsam mit der Grisha-Trilogie zur neuen Netflix-Serie "Shadow and Bone" verflochten, was ich beim Lese natürlich im Hinterkopf ...

Der Inhalt der Krähen-Dilogie, die hier mit "Das Lied der Krähen" startet, wird gemeinsam mit der Grisha-Trilogie zur neuen Netflix-Serie "Shadow and Bone" verflochten, was ich beim Lese natürlich im Hinterkopf hatte. Das ist jedoch etwas heikel, denn zeitlich spielen die Reihen eigentlich versetzt, aber gewiss nicht parallel. Deswegen ist bereits im Vorfeld klar, dass der Inhalt von "Das Lied der Krähen" wohl stärker abgeändert wird, damit sich eine schlüssige Verzahnung ergeben kann. Dennoch habe ich diesen Gedanken erstmal beiseitegeschoben und mich ganz auf das Lesevergnügen konzentriert.

Relativ schnell bin ich beim Lesen von "Das Lied der Krähen" auf den Gedanken gekommen, dass es eigentlich fast nicht zu glauben ist, dass dieses und "Goldene Flammen" tatsächlich beide von derselben Autorin sein sollen, denn lustigerweise ergeben sich genau die gegensätzlichen Pro- und Kontra-Argumente in der Bewertung. Wo "Goldene Flammen" stellenweise oberflächlich war, sich aber kaum eine Pause gegönnt hat, ist "Das Lied der Krähen" teilweise langatmig, aber dafür enorm fokussiert und detailreich in der Charakterentwicklung. Aber dennoch wäre es gelogen zu behaupten, dass man Leigh Bardugos Stil letztlich nicht doch erkennt. Lustig ist es dennoch, dass ich nun komplett gegenteilige Rezensionen schreiben werden.

Dank der Grisha-Trilogie ist mir diesmal der Einstieg in die Welt von "Das Lied der Krähen" nicht so schwer gefallen. Zwar findet die Handlungen an völlig neuen Orten statt, aber dennoch finden wir uns erneut in der erschaffenen Welt von Bardugo wieder, die von ständigen Kriegen, neuen Allianzen und eben den Grishas geprägt ist. Jedoch gibt es eine Erweiterung um das Jurda Parem, eine Art Droge, die Fähigkeiten der Grisha verändert und damit auch verstärkt. Es gibt auch wieder neue Begrifflichkeiten, aber in all das findet man gut hinein. Zumal sich bereits hier die Liebe zum Detail auswirkt, da Ketterdam als neuer Handlungsort förmlich vor den Augen entsteht, da alles intensiv und anschaulich beschrieben wird. Während "Goldene Flammen" in vielen Elementen noch eher einem Jugendroman entsprach, habe ich diesen Gedanken bei "Das Lied der Krähen" nicht mehr gehabt. Zwar haben wir es erneut nicht mit erwachsenen Figuren zu tun, aber die sechs Hauptfiguren sind bereits so vom Leben gezeichnet, dass sie die Bitterkeit des Lebens bereits kennen. Sie haben keine Träume mehr, stattdessen kämpfen sie in einer komplizierten Welt ums ständige Überleben und können daher keine Gutmenschen sind. Das schafft atmosphärisch eine ganz andere Ausgangslage, die aber dann auch ganz hervorragend zur sich entwickelnden Handlung passt.

Das Geschehen wird aus mehreren Perspektiven erzählt, was es möglich macht, nahezu allen sechs Figuren ordentlich Raum zu gewähren. Einzig Wylan wird hier etwas stiefmütterlich behandelt, was ja möglicherweise im zweiten Band noch nachgeholt werden kann. Aber bei den anderen fünf wird eine höchst ambivalente Charakterentwicklung betrieben. Einzig Jasper ist davon eine Figur, die man auf Anhieb ins Herz schließt, weil er angesichts der düsteren Welt noch etwas Optimismus verbreitet. Die anderen sind zu sehr vom Leben gezeichnet und tragen ihr Innerstes nicht so offensichtlich nach außen. Aber man wird behutsam von Kapitel zu Kapitel tiefer in ihr Seelenleben hineingezogen und deswegen konnte ich nach Beendigung der Lektüre nur konstatieren, dass ich zu allen Figuren, so unterschiedlich sie doch waren, eine Verbindung aufgebaut bekommen habe. Das war Bardugo in dem Ausmaß bei "Goldene Flammen" noch nicht gelungen. Gleichzeitig hat diese Entscheidung für intensive Charakterentwicklungen den Nachteil, dass die Handlung stellenweise ausgebremst wird. Wenn gerade richtige spannende Sachen passieren, wird bei einem Teil des Kapitels ein Rückblick zu der Figur eingeschoben, die deren Handeln zwar erklärt, aber gleichzeitig das Geschehen in der Jetztzeit unnötig in die Länge zieht. In der Konsequenz hätte ich mich wahrscheinlich für einen etwas anderen Erzählstil entschieden. Im Grunde war alles richtig gemacht, aber vielleicht nicht immer ideal gegeneinander gesetzt.

Wenn man die Rückblenden zwischendurch mal ausspart und nur die Handlung der Gegenwart bedenkt, dann muss ich schon den Hut vor Bardugo ziehen, denn es ist eine extrem raffinierte, komplexe, exzentrische und einfach mitreißende Geschichte entstanden, die immer wieder etwas Neues zu bieten hatte. Zudem hat es mir gefallen, dass das Buch trotz minimaler Gewichtung gegen Kaz und Inej es geschafft hat, allen Charakteren ihren Teil einzuräumen. Sie mögen die Gesichter sein, aber nur alle zusammen sind sie das Herz dieser Operation. Kaz sticht sicherlich mit seinem Mastermind heraus und es ist wirklich faszinierend, wie er eine Eventualität nach der anderen schon längst bedacht hat, aber jede Figur wird für ihre besonderen Momente in Erinnerung bleiben. Zudem hat es unheimlich viele Wendungen gegeben, man konnte die Geschichte zu keinem Zeitpunkt vorausahnen, was angesichts so vieler Bücher im Genre Fantasy eigentlich unmöglich erscheint. Das macht in der Summe eine der intelligentesten Handlungsentwicklungen aus, die ich seit langem gelesen habe.

Fazit: "Das Lied der Krähen" ist atmosphärisch und stilistisch so ganz anders als die Grisha-Reihe, was aber nichts am Lesevergnügen ändert. Dieses ist schlichtweg anders, denn der Auftakt der Krähen-Dilogie überzeugt mehr mit Handlung, Charakterentwicklungen und Liebe zum Detail. Nach diesem echten Erlebnis kann ich ein gewisses Bauchgrummeln dennoch nicht leugnen, denn wie viel wird davon in "Shadow and Bone" zu erleben sein?

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Intensiv mit Mängeln

With(out) You
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Auch wenn ich den außergewöhnlichen Buchtitel „So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt“ natürlich mitbekommen habe, ist „With(out) You“ nun meine erste Begegnung mit der Autorin Maike Voß. Zum ...

Auch wenn ich den außergewöhnlichen Buchtitel „So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt“ natürlich mitbekommen habe, ist „With(out) You“ nun meine erste Begegnung mit der Autorin Maike Voß. Zum Zugreifen beim Buch hat sicherlich beigetragen, dass das Cover wirklich außergewöhnlich schön geworden ist und bei bold von dtv unterkommen durfte. Dort habe ich bereits einige Bücher gelesen und ich bin tatsächlich oft zu dem Fazit gekommen, dass es außergewöhnliche Bücher sind, die sich kaum problemlos in eine Sparte einsortieren lassen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass auch „With(out) You“ wahrlich keine alltägliche Lektüre ist.

Von der Covergestaltung und des Klappentexts her könnte man durchaus noch auf eine klassische NA-Lektüre spekulieren, wie man sie bei Lyx nahezu ausschließlich anfindet. Doch bold hat eigentlich schon alles verraten. Natürlich wäre es gelogen, würde ich behaupten, dass das Buch gänzlich anders wäre, denn natürlich geht es um die Liebe zweier junger Menschen, die die Universität besuchen und sich noch in ihrer Identität als junge Erwachsene zurechtfinden müssen. Dennoch ist dieses Buch von einer emotionalen Schwere begleitet, die man so extrem nur selten erlebt. Dazu verfügt Voß über eine sehr poetische Sprache, gerade wenn es um die Liebe und die philosophischen Passagen geht, was dem Buch schon fast etwas Kostbares verleiht. Es war also definitiv eine sehr schwermütige Reise, aber eine, die die Leser:innen tief drin berührt.

Dennoch hat das Buch meiner Meinung nach Schwächen aufzuweisen, die dieses zwischendurch schwebende Gefühl, herbeigeführt durch die Sprache, ausbremsen. Das ist zum einen die Tatsache, dass ein wichtiger Teil der Liebesgeschichte zwischen Luna und Eli schon stattgefunden hat. Wenn dem so ist, dann habe ich es gerne, wenn wir Leser:innen anhand von Flashbacks dennoch daran teilhaben können, da gerade das erste Kennenlernen immer etwas Magisches an sich hat. Und das fehlt hier. Da die ersten Interaktionen zwischen Luna und Eli in der Echtzeit dann so von Distanz und fast Feindseligkeit geprägt sind, ist es schwer sich vorzustellen, was dort mal gewesen sein soll. Ein zweiter Kritikpunkt ist dieser langgezogene Teil, als Luna nach Hamburg zurückkehrt und die Versöhnung mit Eli immer wieder in weite Ferne geschoben wird. Zwar gibt ihr das Zeit, sich selbst eigenständig wieder in ihrem alten und gleichzeitig neuen Leben einzurichten, aber es war auch so frustrierend, wie jedes angefangene Gespräch zwischen den beiden doch nicht zum Ziel führte. Ich wäre am liebsten in die Seiten gesprungen und hätte beide geschüttelt. Aber dieses Gefühl ist für mich nicht Mitfiebern, sondern wirklich eher Frust und das bleibt mir nie positiv im Gedächtnis.

Was dafür aber wieder sehr intensiv ist, ist die Darstellung von toxischen Beziehungen mitsamt Stalking. Ich habe mich vor Julien wirklich in jedem Augenblick gefürchtet und ich fand die Entwicklung des Ganzen sehr erschütternd, aber völlig in sich logisch und authentisch. Oft gibt es ja Unverständnis für Opfer dieser Beziehungen, die keinen Weg raus finden, aber ich denke, dass Lunas Geschichte sehr deutlich vor Augen geführt hat, wie sehr man in einem Gefängnis ist und dass es keinen einfachen Weg hinaus gibt. Am Ende wurde es noch richtig spannend, selbst wenn ein großes Fragezeichen übrig geblieben ist, aber ist eh nur Nebensache. Dazu kommen die Nachwirkungen und die Zukunftsperspektive. Auch hier kaum bis wenig Optimismus, aber das passt zu der realistischen Darstellung, die wieder und wieder gelingt. Ob es hier eine konkrete Vorlage der Autorin gibt, ich weiß es nicht, es würde mich aber definitiv nicht wundern.

Fazit: „With(out) You“ ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte geworden, die auch wichtige Themen wie toxische Beziehung und Stalking anspricht. Dabei wird aber wenig Lebensfreude verspürt, was eine insgesamt doch bedrückende Lektüre ergibt. Während inhaltlich zudem das ein oder andere fehlt, steht auf der Habenseite die unheimliche Authentizität der Erzählung. Hier kann jeder für sich selbst entscheiden, was letztlich zählen muss.

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Emotionale Reise mit Protagonistin Kyra

Fadeaway
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Ich habe mich auf Anabelle Stehls Debütroman „Breakaway“ wirklich sehr gefreut, weil ich die neue Autorin schon lange mit ihrem Blog begleite. Wie nicht anders zu erwarten, war das Erstlingswerk noch stark ...

Ich habe mich auf Anabelle Stehls Debütroman „Breakaway“ wirklich sehr gefreut, weil ich die neue Autorin schon lange mit ihrem Blog begleite. Wie nicht anders zu erwarten, war das Erstlingswerk noch stark ausbaufähig. So etwas muss angesprochen werden, ist aber wahrlich kein Drama. Denn Übung macht den Meister und dieses Motto kann man sogleich am zweiten Band „Fadeaway“ erkennen, denn es ist eine deutliche Steigerung zu beobachten.

Schon im ersten Band war Kyra eine wichtige Protagonistin, vor allem zum Ende hin und schon dort war klar, ihre Geschichte wird eine besondere und das hat sich mit jeder Faser dieses Buchs bestätigt. Da ich Anabelle wie gesagt schon länger verfolge, weiß ich, welche Themen sie bewegen, wofür sie sich einsetzt und da war kaum zu übersehen, dass Kyra ihre Einstellungen zu Feminismus, zu Diversität und zu Mut teilt. Es mag noch genug Komponenten geben, bei denen Kyra und Anabelle ganz unterschiedlich sind, aber ich hatte doch das Gefühl, dass Kyra ihr auf jeden Fall deutlich näher ist als Lia aus dem ersten Band. Und das hat man dann auch an der Qualität der Geschichte gemerkt. Es war direkt viel authentischer und Kyras ganzer Entwicklungsprozess war unheimlich ergreifend und nachvollziehbar gestaltet. „Fadeaway“ will natürlich auch eine Liebesgeschichte sein, aber es war deutlich zu erkennen, dass das Buch sogar ohne ausgekommen wäre und zu überzeugen gewusst hätte. Ich denke, das ist schon ein sehr großes Kompliment an die Erzählung.

Im ersten Band war es so, dass Lia mir nicht so packend gestaltet worden ist und ich Noah viel lieber mochte. Lustigerweise ist es hier genau andersherum. Ich mochte Kyra zu jedem einzelnen Zeitpunkt, selbst wenn sie völlig impulsiv agiert hat. Dafür war meine gemeinsame Geschichte mit Milan deutlich schleppender. Wie er zunächst gedanklich nur bei Handball war, wie er gegenüber Kyra bei der ersten Begegnung agiert hat, wie distanziert er auch teilweise mit seinen Freunden war, weil alles dem Handball untergeordnet ist. Das waren keine Sympathien auf den ersten Blick. Im Verlauf der Handlung löst sich dieser Eindruck auf, gleichzeitig zeigt sich aber auch, warum Milan anfangs so extrem gezeichnet worden ist. Denn so ist auch bei ihm die Entwicklung krasser zu sehen, die er durchläuft. Spätestens wenn es zwischen Milan und Kyra ernster wird, dann bestehen auch keine Zweifel mehr daran, dass er ein echt feiner Kerl ist und sie sich keinen besseren hätte wünschen können.

Aber auch hier wieder, die Liebesgeschichte ist da, aber sie ist nicht dominant. Was ich in anderen Büchern derbe kritisieren würde, fühlt sich hier aber völlig okay an, weil es eben vor allem um Kyra ging. Anfangs war ich irritiert, weil es lange gedauert hat, bis sich Kyra und Milan öfters und langanhaltend begegnet sind, aber ich habe irgendwann kapiert, dass „Fadeaway“ mit den Erwartungen spielt. Das mag einige enttäuscht haben, aber ich fand die Darstellung von Kyra, wie sie nach einer beinahe-Vergewaltigung Schritt für Schritt zurück zu sich selbst findet, sehr, sehr überzeugend.

Fazit: „Fadeaway“ ist eine deutliche Verbesserung gegenüber „Fadeaway“. Zum einen habe ich Anabelle deutlich herausgehört und gemerkt, dass ihr das Geschriebene eine Herzensangelegenheit war und zum anderen war Kyras Geschichte ein echtes Erlebnis. Die Liebesgeschichte kommt da fast etwas kurz, aber dennoch war auch diese eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ersten Band. Weiter so!

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Vertraut und doch einzigartig wie immer

Durch die kälteste Nacht
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Brittainy C. Cherry schreibt ihre Bücher zwar in Reihen, aber das war nur selten eine Garantie dafür, dass diese auch inhaltlich einen Zusammenhang haben. Für mich persönlich ist das aber immer ein unschlagbares ...

Brittainy C. Cherry schreibt ihre Bücher zwar in Reihen, aber das war nur selten eine Garantie dafür, dass diese auch inhaltlich einen Zusammenhang haben. Für mich persönlich ist das aber immer ein unschlagbares Argument, weil ich Figuren gerne über einen längeren Zeitraum begleite. Nun scheint mit der Compass-Reihe aber genau das geliefert zu werden, weswegen ich mich auf „Durch die kälteste Nacht“ besonders gefreut haben. Aber wem mache ich eigentlich etwas vor? Ich hätte das Buch natürlich so oder so gelesen!

Die Bücher von BCC sind der Autorin immer schnell eindeutig zuzuordnen, was einerseits für Qualität steht, weil sie eine ganz eigene Art des Schreibens hat, aber es bietet leider auch die Gefahr zu ähnlich zu sein. Bei „Durch die kälteste Nacht“ kann man leider nicht verheimlichen, dass sich einige parallele Elemente zu Romance Elements, aber auch den Einzelbänden ergeben. Dennoch ist es mir wichtig zu betonen, dass letztlich doch jede Geschichte ihren eigenen Charme entwickelt. Seien sich die Figuren oder auch Handlungsmomente manchmal ähnlich, so sind die Entwicklungen zwischendurch gänzlich anders. Dennoch erwische ich mich inzwischen schon mal bei dem Gedanken, dass ich BCC gerne mal ganz anders erleben würde, denn sie hat so schöne Sachen zu sagen, das sollte doch auch in einem anderen Rahmen möglich sind. Ich denke da beispielsweise an Colleen Hoover, die ebenfalls grandios mit der Sprache umzugehen weiß und sich ständig neu erfindet.

Nun aber konkret zu „Durch die kälteste Nacht“. Ich mochte Kennedy und Jax auf Anhieb und das aus unterschiedlichen Gründen. Sie will man am liebsten ständig nur in den Arm nehmen, weil man miterlebt, wie sie von ihrem Ehemann behandelt wird und was für Dämonen sie heimsuchen, während bei ihm der weiche Kern, der nach außen hin harte Schale zeigt, durch seinen Kollegen Connor immer wieder deutlich wird. Die beiden alleine, aber auch zusammen bekommt schnell eine ganz neue Dimension, denn wir dürfen miterleben, wie sie sich als Kinder kennengelernt haben. Die Szenen sind zuckersüß, aber vor allem grandios einzigartig, weil gerade bei der kindlichen Kennedy deutlich wird, was für seltene Figuren sie schaffen kann. Diese sind unangepasst, mutig und so mitten im Leben, wie man sich das immer wünschen würde, weswegen ich sie immer gerne erlebe. Zwar ist somit der Kontrast zur heutigen Kennedy extrem, aber man spürt, dass ein Teil von ihrem kindlichen Selbst noch da ist und den will man endgültig wieder zum Vorschein bringen. Mit dieser gemeinsamen Vergangenheit im Hinterkopf ist es dann auch leichtes Spiel in der Gegenwart, wo die Funken nur so sprühen.

Dennoch wird „Durch die kälteste Nacht“ nicht als mein Liebling in Erinnerung bleiben. Zuletzt habe ich von BBC die Chances-Reihe gelesen und habe „Wie die Stille vor dem Fall. Erstes Buch“ heiß und innig geliebt. Das muss ich dann auch nicht rational begründen, denn es ist oft ein Bauchgefühl, welche Figuren, welche Paarung mich einfach noch intensiver auf ihre Reise mitnimmt. Und bei so vielen schon veröffentlichen Büchern ist wohl auch völlig klar, dass ich nicht alle Werke gleich lieben kann, aber ein Leseerlebnis sind sie wirklich immer wert! Bei „Durch die kälteste Nacht“ habe ich aber dennoch ein paar Argumente, um diesen eher durchschnittlichen Eindruck zu unterfüttern. Das ist zum einen das Erzähltempo. Am Anfang zieht sich vieles, während am Ende alles Schlag auf Schlag geht. Ich finde es normalerweise packender, wenn es immer mal wieder Höhepunkte gibt, um den Leser so gleichmäßig bei der Stange zu halten. Und ein zweites Argument ist sicherlich, dass einiges sehr intensiv, anderes eher lasch auserzählt wurde. Da haben wir grandiose Nebencharaktere wie Joy oder Connor, die mit wenigen Sätzen ein Eigenleben entwickeln, aber dann haben wir auch eher Antagonisten wie Derek, Cole oder auch Penn, die sehr stereotyp und manchmal auch nicht nachvollziehbar gestaltet sind. Auch inhaltlich hat das dann Auswirkungen, weil manche Entwicklungen mich tief innen drin berühren, während andere wie lästige Schikane wirken.

Fazit: „Durch die kälteste Nacht“ hat zwar recht penetrant zwischendurch mich denken lassen „Kenne ich!“ und dennoch entwickelt die Geschichte letztlich noch ihren ganz eigenen Charakter. Dennoch nicht mein Liebling von BCC, weil der Funke nicht so überspringen wollte, wie bei vorangegangenen Paarungen. Dennoch wie immer eine bedingungslose Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Macht sich als Serie sicher fantastisch

Goldene Flammen
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Ende April wird auf Streamingdienst Netflix die Serie "Shadow and Bone – Die Legenden der Grisha" starten, die zu gleichen Teilen auf der Grisha- als auch auf der Krähen-Reihe von der Autorin Leigh Bardugo ...

Ende April wird auf Streamingdienst Netflix die Serie "Shadow and Bone – Die Legenden der Grisha" starten, die zu gleichen Teilen auf der Grisha- als auch auf der Krähen-Reihe von der Autorin Leigh Bardugo beruhen wird. Grund genug, endlich in diese literarische Fantasywelt einzutauchen, die bei mir schon lange genug auf dem Stapel ungelesener Bücher ruht. Zudem muss man bedenken, dass die Grisha-Reihe beinahe schon zehn Jahre alt ist und nun – vermutlich wegen der Ankündigung der Serie – von Knaur noch einmal neu aufgelegt worden ist. Seitdem ist das Genre dank Erfolgen von Reihen wie "Harry Potter" oder "Game of Thrones" regelrecht überflutet worden und fällt schwer, noch wirklich Neues zu entdecken. Wie fällt also mein Eindruck zu "Goldene Flammen" aus?

Ich habe beim Lesen relativ schnell gemerkt, dass meine Bewertung des Auftaktbandes vermutlich ganz anders aufgefallen wäre, wenn ich die Grisha-Reihe im Rahmen ihrer Erstveröffentlichung gelesen hätte. Seitdem habe ich weitere Fantasyreihen entdeckt, obwohl Fantasy gar nicht mein bevorzugtes Genre ist, und so kann ich nun wahrlich nicht behaupten, bei Bardugo das Rad neu entdeckt zu haben. Aber es bleibt das Argument, dass sie vor einigen anderen veröffentlicht hat und dass ich ihre Bücher nun nur nach anderen lese. Deswegen darf das Wiederentdecken von altbekannten Elementen hier die Bewertung nicht gravierend beeinflussen. Zumal man beim Lesen auch schnell merkt, dass die dargestellte Welt sehr detailverliebt gestaltet worden ist. Es wurde eine ganz eigene Landschaft mit zahlreichen Städten aufgebaut, dazu gibt es ganz eigene Begriffe und Weltordnungen. Und das ist bei Fantasy komischerweise keine Selbstverständlichkeit. So habe ich einige Reihen gelesen, in denen das World Buildung nur mit mangelhaft bewertet werden kann und das kann man Bardugo nun wahrlich nicht vorwerfen.

Trotz abgebildeter Landkarte und trotz erster begrifflicher Einordnungen vorweg ist es keine einfache Aufgabe, sich in der Welt der Grishas auf Anhieb zurechtzufinden. Aufgrund vieler neuer Begrifflichkeiten muss man diese zunächst im Hinterkopf behalten und sich damit abfinden, dass man gleich mitten im Geschehen ist. Aber man wird als Leser*in nicht zurückgelassen, denn nach und nach klären sich Fragezeichen auf. Da Fantasy aber noch nie ein Genre zum Abschalten war, ist das ein ganz logischer Prozess. Hat man erst einmal die Basics der Grisha-Welt beisammen, kann man sich auch völlig auf das Lesen und damit Erleben einlassen. Dabei wurde mir schnell deutlich, dass mir die Grundidee des Buchs sehr gut gefällt. Zudem ist mit Alina eine Protagonistin geboten, die zwar als typische Retterin dargestellt wird, die charakterlich aber erst noch ordentlich in diese Rolle hineinwachsen muss und diese Reise erweist sich als sehr spannend, zumal sie mit dem Ende des Buchs auch definitiv noch nicht fertig vollzogen ist.

Was sich das Buch aber vorwerfen lassen muss, ist die Oberflächlichkeit bei Handlungsentwicklungen. Dass sich die Geschichte bei elendigen Beschreibungen nicht aufhält, ist lobenswert, aber wenn es dann ums Eingemachte geht, dann darf sich nicht alles so schnell ereignen, dass man logisch nicht mehr mitkommt. Alinas Ausbildung bei den Grishas verläuft beispielsweise auf der Überholspur. Während sie sich zunächst vergeblich abmüht und nur Zufallstreffer mit ihren Fähigkeiten landet, sorgt ein Wendepunkt für eine regelrechte Offenbarung, die ich aber nicht als realistisch empfand. Dieses Bild zeigt sich gleich mehrfach. Die Hektik in den Entwicklungen wird aber immer dadurch aufgewertet, dass sich dadurch immer neue spannende Wendungen ergeben. Selbst wenn mir manchmal etwas gefehlt hat, ohne es genau auf den Punkt bringen zu können, habe ich auch keine Zeit gehabt, darüber zu lange nachzudenken, denn es passiert schon wieder genug Neues.

Blickt man mit dieser Ausgangslage nun noch schnell auf die Adaption für den TV-Bildschirm, dann darf man sicherlich hoffnungsfroh sein. Die Welt der Grishas bietet jedenfalls genug faszinierende Elemente, die visuell umgesetzt sicherlich ein Highlight werden. Zudem kann eine Serie, die auch sicherlich nicht nur auf eine Staffel beschränkt sein will, die fehlenden Zwischenmomente vielleicht wieder bieten. Da die Autorin selbst an der Produktion beteiligt gewesen ist, müsste man sich auch nichts aus den Fingern saugen, denn sie dürfte ihre Welt und Figuren kennen.

Fazit: "Goldene Flammen" ist als Auftaktband einer neuen Fantasyreihe durchaus gelungen, denn man merkt, dass die Darstellungen liebevoll durchdacht wurden. Trotz anfänglicher Probleme, sich inhaltlich einzufinden, wird das doch schnell aufgelöst und man kann sich bedenkenlos auf das Lesevergnügen einlassen. Dabei wird viel Spannung, viele Wendungen, aber leider auch fehlende Konsequenz in einigen Bereichen geboten. Das Interesse ist in der Summe angeheizt und ist angesichts der angekündigten Serienadaption und den noch genug zu entdecken Büchern von Bardugo auch für die Zukunft gesichert.

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