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Veröffentlicht am 07.10.2020

In seiner Wichtigkeit doch schwer zu ertragen

War’s das jetzt?
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Holly Bourne gehört meiner Meinung nach zu den völlig unterschätzen Autorinnen. Ob sie nun für Jugendliche oder Frauen schreibt, ihre geschriebenen Werke sind einfach jedes Mal ein Mehrwert, denn sie blickt ...

Holly Bourne gehört meiner Meinung nach zu den völlig unterschätzen Autorinnen. Ob sie nun für Jugendliche oder Frauen schreibt, ihre geschriebenen Werke sind einfach jedes Mal ein Mehrwert, denn sie blickt tief. Und das noch nicht mal mit ihrem Stil oder besonderer Wortgewandtheit zu tun, sondern mit ihrem Talent so zu schreiben, wie Leute wirklich fühlen und das völlig unverblümt. Zuletzt hat sie das mit der Reihe für Jugendliche, „Spinster Girls“ bewiesen, wo sie die Herausforderungen von weiblichen Jugendlichen zwischen Feminismus und jugendlichen Schwärmereien eindrucksvoll beleuchtet hat. Mit „War’s das jetzt?“ geht es diesmal um eine Frau in einer toxischen Beziehung, auch ein wichtiges Thema, da es genug Frauen, aber sicherlich auch Männer in solchen Beziehungen gibt, die aber die Reißleine nicht ziehen können.

Gleich vorweg kann ich sagen, dass ich zwar Bournes schonungslos ehrlichen Stil sehr bewundere, aber bei der Thematik einer toxischen Beziehung, die fast zur Selbstzerstörung führt, kommt auch auf den Leser eine ordentliche Portion emotionale Belastung hinzu. Ich hätte wahnsinnig oft schreien können, weil das, was Hauptprotagonistin Tori denkt und macht, so schrecklich ist, dass es kaum zu ertragen ist. Wo ich bei meiner Freundin sofort den Drang verspüren würde, etwas zu sagen oder auf welche Weise auch immer zu helfen, war ich als Leserin zur Untätigkeit verbannt und das hat unendlich geschmerzt. Es ließ sich zum Glück flüssig lesen, denn ansonsten hätte ich es wahrscheinlich irgendwann in die Ecke gepfeffert, um dann erst wieder runterzukommen. Aber das Leseerlebnis ist auch wie eine Achterbahnfahrt. Wo man mit ihr leidet, da wird einem im nächsten Moment ein Brotkrumen hingeworfen, wo man wieder Hoffnung schöpft, damit die Blase dann schon wieder zerplatzt wird.

Und obwohl es oft am Rande des Ertragens war, so muss ich definitiv auch anerkennen, dass Bourne die Geschichte einer Frau geschaffen hat, bei der sich jede einzelne Leserin, vielleicht auch sogar Leser, zu einem gewissen prozentualen Teil mit identifizieren können. Während Toris Geltungssucht nach digitaler Aufmerksamkeit mir nicht ferner liegen könnte, so ist das ewige Vergleichen mit Gleichaltrigen, sei es nun angesichts des Körperzustandes oder an dem, was sozial schon erreicht wurde, mir definitiv nicht unbekannt. Vieles von dem, was Tori gedacht oder teilweise sogar ausgesprochen hat, hat in mir bewogen zu sagen: „Das kenne ich doch!“ Und die Botschaft ist so wichtig. Indem Bourne diesen Typ Beziehung nicht beschönigt hat, sondern eher mit allem, was sie hat, in den Boden gerammt hat, ist es auch ein Weckruf und was für einer! Am Ende fand ich es nur etwas schade, dass mit dem Beziehungsende auch das Buch endet, denn es sollte eigentlich klar sein, dass es eben nicht nur die Beziehung war, die Tori so zugesetzt hat, sondern sie hat eben auch genug eigene Dämonen gehabt, die in dieser Beziehung besonders gefüttert wurden. Im Grunde geht mit dem Ende der Selbstheilungsprozess erst richtig los.

Fazit: „War’s das jetzt?“ ist definitiv ein extrem eindrückliches Buch, das unseren aktuellen Zeitgeist perfekt auffängt und das schonungslos ehrlich. Daher kann man nicht unbedingt von einem Lesevergnügen sprechen, weil man viel zu viel im Prozess des Lesens leidet, aber das Buch ist wichtig und das ist seine Stärke.

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Veröffentlicht am 04.10.2020

Eher oberflächlicher Startschuss

The Brooklyn Years - Was von uns bleibt
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Auch wenn ich die „Ivy Years“-Reihe von Sarina Bowen nun wahrlich nicht schlecht fand, so ist mir doch recht schnell bewusst geworden, dass ich ihre Romane für Erwachsene einfach besser finde. Andere können ...

Auch wenn ich die „Ivy Years“-Reihe von Sarina Bowen nun wahrlich nicht schlecht fand, so ist mir doch recht schnell bewusst geworden, dass ich ihre Romane für Erwachsene einfach besser finde. Andere können besser NA, sie gehört da für mich aber nicht zu. Daher fand ich es großartig, dass „Ivy Years“ in „The Brooklyn Years“ überleitet und damit von den jüngeren zu den etwas älteren geht. Und trotzdem wird dabei das Thema Eishockey behalten, was ich als Rahmen großartig finde, was aber in „Ivy Years“ doch eher stiefmütterlich behandelt wurde, weswegen ich mit der neuen Reihe auf eine größere Dosis hoffen.

Hauptfigur Leo Trevi kennen wir bereits aus der „Ivy Years“-Reihe, aber seitdem sind sicherlich noch mal mindestens drei Jahre vergangen, denn das College hat er sich hinter gelassen und nach einem Jahr Minor League steht nun erstmals die NHL für ihn an. Auch sein weiblicher Gegenpart, Georgia, ist keine Unbekannte, jedoch ist sie bisher nicht in persona, sondern nur namentlich erwähnt worden. Trotzdem ist die tragische Liebesgeschichte der beiden den Fans ein Begriff, denn sie war im letzten High School vergewaltigt worden, so dass sie sich mit Beginn des neuen Lebensabschnitts am College von Leo getrennt hat. Ich schreibe diese Vorgeschichte hier noch einmal etwas ausführlicher hin, weil ich auch als Kennerin der vorherigen Reihe eingestehen muss, dass Bowen den Lesern nicht sonderlich auf die Sprünge hilft, die Zusammenhänge noch einmal auf einen Nenner zu bringen. Andererseits muss ich auch eingestehen, dass man all das auch gar nicht wissen muss, denn Bowen hat sich schon bemüht, eine völlig eigenständige Geschichte zu schreiben, zu deren Verständnis man „Ivy Years“ nicht gelesen haben muss.

Dennoch ist es natürlich ein cleverer Schachzug, Leo und Georgia zu nehmen, denn sie sind nicht unbekannt, sie werden viele alteingesessenen Fans mit rübernehmen, was marketingstechnisch immer ein Gewinn ist. Was auch hervorragend geklappt hat, ist, dass sofort eine erwachsenere Atmosphäre herrscht. Die Collegezeit ist wirklich ein für allemal vorbei und das steht der Reihe auf Anhieb gut. Leo war schon in der jüngeren Version jemand, den man im Kopf behält und auch als Hauptfigur schlägt er sich hervorragend. Er hat mein Herz sofort im Sturm erobert, weil er eine unheimlich ehrliche Seele hat, er ist stets auf dem Boden geblieben und er weiß genau, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Mit Georgia hatte ich aber überraschenderweise etwas Probleme. Das liegt vorrangig wohl daran, dass ihre Vergewaltigung zwar ständig erwähnt wird, es ist der Schatten, der über allem steht, aber so richtig in die Erlebnisse wurde nicht eingetaucht, dabei ist eine Vergewaltigung ein Thema, das zwar schwer zu ertragen ist, das aber dennoch Raum für viel Tiefe, für eine intensive Auseinandersetzung bietet. Das wird in Person von Georgia leider nicht aufgegriffen, stattdessen agiert sie recht beliebig. So werden unterschiedliche Trennungsgründe von Leo aufgeführt, sie hat zwar seit sechs Jahren keinen Sex mehr gehabt, aber mit Leo kann sie sofort wieder hemmungslos sein. Da drängt sich doch der Eindruck auf, dass man Georgia auch genauso gut einen Autounfall hätte haben lassen können, wenn die Vergewaltigung denn inhaltlich so wenig Konsequenz hat. Es hätte zig Trennungsgründe für Georgia geben können.

Auch wenn mir Georgia oft leider etwas beliebig erschien, so fand ich die dargestellte Liebesgeschichte dennoch süß, aber auch ganz schön leidenschaftlich. Da merkt man doch, dass man es jetzt wieder mit der erwachsenen Bowen zu tun hat, die definitiv kein Blümchensex anbietet. Auch der Rahmen des Eishockeys wird wirklich großartig bedient, sei es durch Georgia als Pressesprecherin oder durch Leo, der als Spieler auf dem Eis steht. Hier wurde die Geschichte perfekt in den sportlichen Rahmen eingeflossen und das hat sich ausgezahlt. Dennoch ist es insgesamt eine der eher oberflächlicheren Geschichten von Bowen. Ich habe sie schon wesentlich stärker erlebt, aber dennoch würde ich den Auftakt der neuen Reihe nicht als Misserfolg verbuchen.

Fazit: „The Brooklyn Years“ ist ein gelungener Übergang von den „Ivy Years“, wo es jetzt etwas erwachsener zugehen kann. Während mir die Paarung und die darum gesponnene Geschichte sowie der sportliche Faktor sehr gut gefallen haben, so fand ich leider auch, dass die Geschichte für Bowens Verhältnisse recht oberflächlich geblieben ist. Sie traut sich sonst schonungsloser tiefer zu gehen. Aber das mag bei den weiteren Bändern ja noch kommen!

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Veröffentlicht am 25.08.2020

Mitreißende Verflechtung von Fiktion und Realität

Never Doubt
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Das Verhältnis von mir zu Autorin Emma Scott ist noch etwas zwiespältig. Mit „All In“ hat sie ohne Frage bewiesen, dass sie emotionale NA-Lektüre großartig kann. Klar habe ich danach alles von ihr gelesen, ...

Das Verhältnis von mir zu Autorin Emma Scott ist noch etwas zwiespältig. Mit „All In“ hat sie ohne Frage bewiesen, dass sie emotionale NA-Lektüre großartig kann. Klar habe ich danach alles von ihr gelesen, aber gerade in ihren Dilogien hat sich immer wieder gezeigt, dass sie die Qualität nicht durchgängig halten kann. Dann sind die Bücher wahrlich nicht schlecht, aber wenn man „All In“ im Hinterkopf hat, dann sind Vergleiche auch einfach fies. Deswegen lese ich auch immer weiter, denn man kann ja schlecht anhand des Covers beurteilen, ob es jetzt „All In“ 2.0 oder doch eher Durchschnitt ist. Wie sieht es nun mit „Never Doubt“ aus?

Ich fand schon den Einstieg unheimlich einnehmend. Zuerst den Prolog, wo Willow von dem weisen Rat ihrer Oma berichtet, der für sie und ihre Erfahrungen jedoch kaum noch umzusetzen ist. Je mehr wir dann in ihr Leben eintauchen, desto mehr hat es mich geschüttelt, weil die Erfahrungen der Vergewaltigung so realistisch bei Willow dargestellt wurden. Man konnte sich daher vom ersten Augenblick an in die Protagonistin hineinversetzen, was definitiv das größte Geschenk in so einer Geschichte ist. Ich habe es mit den männlichen Protagonisten oft einfach als mit den weiblichen, aber zwischen mir und Willow passte es von Anfang an und ich habe durchgängig mit ihr gelitten, geliebt und gelebt.

Isaac stand Willow natürlich in nichts nach. Er war genau der sensible, tiefgründige, empathische Gegenpart, den sie so dringend brauchte, aber umgekehrt hat er sie genauso gebraucht, wie sie ihn. Ich fand die Chemie der beiden also von Anfang an gut und vor allem während der Theaterproben war ein richtiges Funken zu spüren. Was ich ebenfalls positiv festhalten möchte, ist, dass ich es sehr angenehm fand, in welchem Maße hier die sexuellen Aspekte gesteuert worden sind. Scotts Art mit Sexszenen ist mir manchmal etwas zu derb und übertrieben für solch emotionalen Geschichten, aber hier fand ich es wunderbar gesteuert, denn nach einer Vergewaltigung braucht es einfach Fingerspitzengefühl.

Neben dieser tollen Paarung war mein eigentliches Highlight für mich aber diese wunderbare Verflechtung von Fiktion und Realität (die natürlich für uns Leser auch wiederum Fiktion ist). Es war richtig passend, wie sehr die ausgewählten Theaterstücke und auch der Vorsprechtext von Willow auf die Handlung passte, weswegen aufgesagte Zeilen und Erfahrungen in der eigenen persönlichen Welt sich auch jeweils die Hand geben konnten. Das war eine besondere Erfahrung für mich, weil es auch zeigt, wie gut Scott ihre Geschichte durchdacht hat. Es unterstreicht aber auch, dass Klassiker zeitlos sein können und noch so fern von unserer Realität wirken können, um dann doch wie die Faust aufs Auge zu passen.

Mit der erzwungenen Trennung von Willow und Isaac war leider ein Punkt in der Geschichte erreicht, wo ich die Entwicklungen etwas übertrieben fand. Das Drama wurde hier in einem Maße auf die Spitze getrieben, dass es sich eher von der Realität entfernte. Es wirkte leider zu gekünstelt, zumal mir spontan zig Wege eingefallen wären, wie man die Teilhandlungen viel natürlicher zum selben Ende hätte bringen können. Aber das Ende war dennoch perfekt für diese Geschichte und das zählt.

Fazit: „Never Doubt“ gehört in meinen Augen zu den stärkeren Werken von Emma Scott, denn das Paar hat eine besondere Chemie, Willows Geschichte ist extrem einnehmend und die Verwebung von Theaterstück und Lebenswelt war exzellent. Nur am Ende wurde es etwas zu dramatisch, das hat nicht zu dem sonstigen Ton der Erzählung gepasst.

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Bisher bester Band

The Umbrella Academy 3
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Nachdem ich quasi gerade erst Staffel 2 von „The Umbrella Academy“ auf Netflix durchgesuchtet habe und befunden habe, dass sie viel besser als Staffel 1 ist und nun definitiv berechtigtes Kultpotenzial ...

Nachdem ich quasi gerade erst Staffel 2 von „The Umbrella Academy“ auf Netflix durchgesuchtet habe und befunden habe, dass sie viel besser als Staffel 1 ist und nun definitiv berechtigtes Kultpotenzial hat, wollte ich auch bei den Comics aufholen, auch wenn mir natürlich bewusst sind, dass Vorlage und daraus entstandene Serie wenig miteinander gemein haben. Das wird von den Serienmachern auch immer wieder beton und es ist auch logisch, dass zwischen Graphic Novels und Serien regelrechte Welten liegen.

Nachdem ich schnell bei den Graphic Novels begriffen habe, dass man hier höchstens Motive erwarten darf, die dann auch in der Serie zu finden sind, ist auch eine gewisse Enttäuschung gewichen und ich konnte beide Formen der Medien mehr und mehr unabhängig voneinander betrachten. Ich bin zwar wahrlich keine Graphic Novel-Expertin, weil ich in 100% der Fälle einen richtigen Roman vorziehen würde, aber ich habe mich an die verrückte Welt mit den harten und dunklen Zeichnungen gewöhnt. Zwar finde ich weiterhin die Übergänge zwischen einzelnen Szenen nicht eindeutig, was automatisch das Verstehen erschwert, aber ich habe mich an die Stilistik gewöhnt und deswegen, aber nicht nur, würde ich „Hotel Oblivion“ bisher als stärksten Band einschätzen.

Bei Band 3 lief eigentlich alles auf einer geraden Zeitlinie ab und am Ende waren alle Handlungsstränge miteinander verknüpft, so dass sich ein wunderbar rundes Ende ergeben hat. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Bände davor auch viel Vorarbeit für diesen geleistet haben, da z. B. die Handlung rund um Mr. Perseus, die in Band 2 noch sehr mysteriös daherkam, sich aufgelöst hat. Band 3 wirkte insgesamt auch sehr persönlich. Allisons Familienproblematik, der ewige Bruderkampf zwischen Luther und Diego oder auch Vanyas Rückblick auf ihre Kindheit, hier wurde für eine Graphic Novel mit dem höchsten der Gefühle eine gewisse Emotionalität erzeugt, die die Figuren auch hier endlich greifbarer machen.

Fazit: „Hotel Oblivion“ ist bisher mein liebster Band aus der „The Umbrella Academy“-Reihe. Zwar gibt es immer noch ein paar wenige Verständigungsschwierigkeiten, aber trotzdem wirkt dieser Band bisher am stringentesten. Vieles aus vorherigen Bänden wird zusammengeführt, um dann am Ende ein neues Mysterium zu starten, das wir nun auch schon aus der Serie kennen. Aber ansonsten zeigt sich auch weiterhin, dass die Welten von Fernsehen und Graphic Novel nicht viel konträrer sein könnten.

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Veröffentlicht am 28.07.2020

Jugendbuch mit Überraschungseffekt

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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Als ich mich begonnen habe, für das Buch „After the Fire“ von Will Hill zu interessieren, da hatte ich keinerlei Ahnung, um was es in diesem Buch wohl gehen würde. Der Klappentext hat nahezu nichts verraten ...

Als ich mich begonnen habe, für das Buch „After the Fire“ von Will Hill zu interessieren, da hatte ich keinerlei Ahnung, um was es in diesem Buch wohl gehen würde. Der Klappentext hat nahezu nichts verraten und dennoch bestand eine gewisse Faszination, die ich mir selbst nicht so ganz erklären konnte. Inzwischen weiß ich, dass es um eine Sekte geht, die aber gut getarnt ist für einen Menschen, der Macht missbraucht und seine Anhänger bis zum letzten ausnimmt. Ein Buch, was ich so noch nicht gelesen habe und was sich deswegen als Erkunden von neuen Welten schon gelohnt hat.

Wenn man überhaupt nichts über ein Buch weiß, dann ist es schon faszinierend, die ersten Seiten zu lesen. Entweder man ist sofort vollkommen verloren oder aber langsam setzen sich einzelne Puzzleteilchen zusammen und begreift, ah, so eine Geschichte ist es also! Zum Glück hatte ich letzteren Effekt bei „After the Fire“. Ein extremer spannender Prolog reißt den Leser sofort mit, den man bekommt mit Bruchstücken eine panische Situation präsentiert, durch die man sofort mit Protagonistin Moonbeam mitfühlen kann. Man will wissen, was genau dort passiert ist, man will Antworten und ist deswegen sofort mittendrin.

Wie es sich gehört, will „After the Fire“ aber nicht sofort Antworten liefern. Stattdessen überzeugt das Buch erstmal mit einer zweigeteilten Erzählweise, die sich simpel in „Davor“ und „Danach“ einteilen lässt. Vor und nach dem Feuer. Vor dem Feuer erleben wir mit, wie Moonbeams Leben in der Legion Gottes abgelaufen ist. Ich fand die Erzählungen intensiv, weil sie eben oft entsetzlich waren und Fragen aufgeworfen haben, wie so viele Menschen den Ansagen von Father John so blind folgen konnten. Schade war dagegen, dass es dort leider keine Stringenz gab. Die Rückblenden waren zeitlich oft durcheinander. Das war in der Geschichte zwar logisch, weil Moonbeam immer nur das erzählen konnte, wo sie sich gerade zu bereit gefühlt hat, aber dennoch musste man sich als Leser immer noch einmal besonders orientieren.

Fast faszinierender fand ich aber die Gegenwart, also das Danach. Ich mag auch in Thrillern immer den psychologischen oder auch psychiatrischen Anteil, weil ich Menschen gerne verstehe. Ich muss verstehen, warum jemand wie handelt. Daher haben mir die Therapiesitzungen viel Spaß bereitet. Der Inhalt war natürlich eher belastend, aber dieser innere Prozess von Moonbeam wurde dabei sehr überzeugend hervorgekitzelt, weswegen ich ihre Entwicklung richtig wunderbar nachvollziehen konnte. Aber auch ansonsten hat das Buch irgendwie an einen Thriller erinnert, denn natürlich war die Frage, wie ist es zum Feuer gekommen und was ist sonst noch so passiert?

Genau an der Stelle hat mir am Ende dann das letzte Etwas gefehlt. Je mehr das Buch voranschritt, umso mehr wurden einige Entwicklungen vorhersehbar und dazu habe ich mich dann auch gefragt, was genau will der Autor jetzt noch erreichen, was ist sein Endziel? Das Buch endet zwar auf einer versöhnlichen Note, aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass es unauserzählt wäre, ohne aber genau benennen zu können, was ich noch gewollt oder mir gewünscht hätte. Vielleicht hätte ich Moonbeam tatsächlich gerne bei ihren ersten Schritten in der realen Welt begleitet, denn erst dort wird ihre Entwicklung vollends abgeschlossen sein. Aber vielleicht hätte genau das auch alles kaputt gemacht.

Fazit: „After the Fire“ ist ein sehr ansprechendes Jugendbuch, das von der Aufmachung her wenig von sich selbst verrät, aber innen drin dann offenbart, dass es erzählerisch sehr durchdacht das Leben in einer Sekte beleuchtet und psychologisch die Auswirkungen von dieser „Gehirnwäsche“ aufarbeitet. Dabei entsteht ein wirklich guter Spannungsbogen, der einen durch das Buch gleiten lässt. Nur am Ende bin ich etwas unbefriedigt zurückgelassen worden, aber das ist nur eine sehr persönliche Nuance, die sicherlich nicht für jeden gelten wird.

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