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Veröffentlicht am 29.11.2022

Alles neu und doch stilistisch gleich

Kalt und still
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Viveca Sten kenne ich bislang nur von ihrer Schärengarten-Krimireihe, zu der ich immer eine sehr ambivalente Beziehung hatte, denn Frust, Spannung und Unsinn gaben sich oft die Klinke in die Hand. Dementsprechend ...

Viveca Sten kenne ich bislang nur von ihrer Schärengarten-Krimireihe, zu der ich immer eine sehr ambivalente Beziehung hatte, denn Frust, Spannung und Unsinn gaben sich oft die Klinke in die Hand. Dementsprechend neugierig geworden bin ich bei der Ankündigung von „Kalt und still“, denn die neue Reihe verlagert das Geschehen weiter oben in den Norden an den Polarkreis und bringt auch neue Charaktere mit sich.

Auch wenn so erstmal alles neu erscheint, so habe ich doch gleich viele Parallelen entdeckt und leider auch welche, die mich eher skeptisch machen. Bei der Schärengarten-Reihe hat mich stets gestört, dass für das Marketing Thomas Andreasson genannt wurde, obwohl Nora Linda genauso ein großer Teil der Handlung war. Sie war zwar keine ermittelnde Kommissarin, aber gerade später hat sie Thomas extrem viel zugearbeitet und es wirkte immer unfair, zumal die Reihe von Anfang an auf beide ausgelegt war. Bei „Kalt und still“ findet sich im Titel hier nur Hanna Ahlander, obwohl es mit Daniel Lindskog erneut sofort eine Doppelstruktur gibt. Zudem sind beide nun auch Polizisten, da wäre es nochmal sinniger gewesen, ihn auch in die Werbung mit reinzunehmen. Sowas ist einfach ärgerlich und müsste nicht sein, weswegen ich den Verlag an der Stelle nicht verstehe.

Kommen wir aber nun zum eigentlichen Inhalt, wo wir auch Parallelen sehen, denn wir haben eben einen Mann und Frau, die beide sehr ambivalent angelegt sind und ich habe mich doch auch öfters bei dem Gedanken erwischt, dass mich die ganze Dynamik an Nora und Thomas erinnert, gerade wenn ich an Thomas und Daniel erinnere, wo wir die Überforderung mit dem Familienalltag haben, was die Beziehung belastet. Dennoch kommen auch neue Faktoren ins Spiel und bei Daniel ist das sicherlich sein Temperament, was mehrfach beleuchtet und kritisch angesprochen wird. Ich finde es ohnehin wichtig, dass die Figuren nicht aalglatt sind und bei Daniel merkt man schon deutlich, dass er eine kurze Zündschnur hat, die speziell in seinem Beruf auch gefährlich werden kann. Seine Charaktereigenschaft ist hier aber auch besonders interessant, weil bei Hanna ganz extrem betont wird, was sie vom männlichen Geschlecht hält, weil sie von Berufswegen her oft in die dunkle Seele gucken musste, wenn es um Missbrauch von Frauen, vor allem in privaten Beziehungen, geht. Noch wirkt Hanna von Daniel ganz angetan (was hier erstmal vor allem beruflich gemeint ist), aber was, wenn sie diese Zeit selbst erleben muss, die doch so ein rotes Tuch für sie darstellt? Hier blicke ich vielleicht schon zu weit in die Zukunft, aber ich sehe hier eben auch das Potenzial.

Kommen wir nun aber zum Inhalt und das war immer schon Stens große Stärke. Auch wenn ich ihr nicht nachsagen würde, dass sie spektakuläre Wendungen und Überraschungen stets parat hat, so schafft sie es doch auch immer, klare und spannende Strukturen zu schaffen, die dann in der speziellen Atmosphäre der Landschaft besonders wirken. Das ist hier zum Auftakt auch gut gelungen, zumal ich bei Daniel und Hanna auch das Gefühl hatte, dass sie ähnliche Anteile bekommen und beide viel beigetragen haben. Clever war sicherlich auch, Hannas kleinen Nebenfall schließlich auch in den großen einfließen zu lassen, was endgültig ein sehr rundes Bild ergeben hat. Zwar sind mir beide noch etwas fremd und sie wurden auch sehr extrem gezeichnet, damit wir gleich ein entsprechendes Bild von ihnen haben, aber es zeigt sich immerhin sofort, dass sie gute Instinkte haben und mutig sind. Wie üblich wurde der Fall auch wieder aus vielen Perspektiven geschildert. Das erscheint wie für Sten üblich manchmal etwas willkürlich, aber es gibt eben auch immer inhaltliches Futter, so dass man als Leser ganz eigene Puzzle dargeboten bekommt. Auch wenn ich die Lösung irgendwann erkannt habe, so will ich doch sagen, dass es lobenswert war, dass alles in einem echten Showdown endete und so die etwas abgefallene Spannung wieder aufgefangen wurde.

Fazit: Es ist sicherlich eine gute Idee von Sten, eine neue Reihe zu wagen. Dennoch ist ihr Stil ganz klar zu erkennen. Wie frisch das alles dann wirkt, kann nur die Zukunft zeigen, aber hier fand ich es im vertrauten Stil doch neu genug, um sicherlich weiterlesen zu wollen.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Entspanntes Sommergefühl als nette Abwechslung

The Brooklyn Years - Wo wir hingehören
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Mit dem fünften Band aus der Brooklyn Years-Reihe wurde der Band rund um Torhüter Silas Kelly und Sängerin Delilah Sparks bereits deutlich angeteasert und nun war es also so weit. Ich war überrascht, wie ...

Mit dem fünften Band aus der Brooklyn Years-Reihe wurde der Band rund um Torhüter Silas Kelly und Sängerin Delilah Sparks bereits deutlich angeteasert und nun war es also so weit. Ich war überrascht, wie losgelöst dieser Band aus der Reihe war, nämlich inhaltlich hatte er kaum etwas mit Eishockey zu tun, weil die Handlung im Sommer liegt. Ich fand es aber gut gelungen, denn Delilah hat nichts mit dem unmittelbaren Umfeld des Eishockeyteams zu tun und so hat man eine gute Lösung gefunden, denn mitten in der Hochsaison wäre es wohl wirklich kompliziert geworden, die Handlung logisch zu strukturieren.

Was ich dem Band auf jeden Fall anlaste, das ist eine sehr schwache Charaktereinordnung. Man bekommt zwar gut ein Gefühl dafür, wer Silas und Delilah als Personen sind, aber es ist viel zu oberflächlich gegraben worden. Bei ihr wird gezeigt, dass sie im Pflegesystem groß geworden ist, was sie einerseits etwas naiv, aber auch sehr hart gemacht hat. Es wäre interessant gewesen, diesen Gegensatz näher zu ergründen, aber es blieb völlig offen. Bei Silas wiederum haben wir einen Vater, der im Gefängnis sitzt, weswegen er nur von seiner Mutter groß gezogen wurde. Auch hier hätte es so viel zu entdecken gegeben. Doch die Geschichte bleibt sehr an der Gegenwart kleben und bietet dann nur noch Rückblenden zu ihrem gemeinsamen Sommer in der Vergangenheit. Deswegen bleibt insgesamt der Eindruck einer sehr, sehr flott erzählten Geschichte, der noch etwas mehr Tiefe gut gestanden hätte.

Aber wenn wir auf das schauen, was wir geboten bekommen haben, so fand ich das Kennenlernen von Silas und Delilah wirklich süß, denn vor allem er ist wirklich ein anständiger und aufmerksamer Kerl, der wohl mit der einfühlsamste Mann aus dem Eishockeyteam ist, auch weil er in keiner Weise so stereotyp handelt, dass er Delilah ständig retten will. Ich fand es immer wieder großartig, wie sehr er ihr auch vertraut hat, dass sie auf sich aufpassen kann, dass er sich auch inhaltlich in ihre Probleme mit Brett nicht einmischen wollte, da hatte ich großen Respekt vor. Nur am Ende hat er dann eben wegen mehr Wissen den Retter gegeben, aber das passte in die Geschichte. Es war vielleicht etwas seltsam, wie schnell es zwischen den beiden zur Sache ging, als sie sich nach drei Jahren erstmals wiedersehen, auch wenn es natürlich nur durch die vergangene Zeit aufgeschoben wurde. Aber es passt auch zu der gewissen Oberflächlichkeit, die ich schon im Abschnitt davor ansprach.

Insgesamt mochte ich auch die Atmosphäre sehr, denn die Hochzeit als Setting, dass auch Zara aus True North mit ihrer Tochter vorbeischauen durfte, dass all das wirklich locker und leicht war. Nach sechs Bänden fühlt sich so ein Figurenrepertoire eben wie eine Familie an und es war toll, sie zu so einem Anlass zusammenzubringen. Es war auch eine gute Atmosphäre so Silas und Delilah zusammenzubringen, weil sie sofort mit dem konfrontiert wurden, was sein kann. Deswegen mochte ich den inhaltlichen Verlauf des Bandes echt gerne, auch anfangs mit der Twitter-Wette, wie die alle zusammensaßen und Silas aufgezogen haben, es war einfach durchzogen von tollen Beispielen, wie eng alle zusammenhalten. Delilah wirkte natürlich als Nicht-Fan etwas außen vor, aber ich denke, zum Ende hat man deutlich gesehen, dass sie genauso willkommen geheißen wurde wie alle anderen auch.

Fazit: Es ist einfach inzwischen eine Familie bei der Brookyln Years-Reihe, weswegen ich diese leichte Atmosphäre abseits der Eishockeywelt sehr genossen habe. Es hat für die Geschichte von Silas und Delilah absolut Sinn ergeben und es gab ja auch Ernsthaftigkeit. Dennoch in der Charakterarbeit ausgerechnet an den spannenden Stellen zu oberflächlich.

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Veröffentlicht am 06.08.2022

Kleine emotionale Barriere

Nothing Left for Us (deutsche Ausgabe von Radio Silence)
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Nachdem ich „Heartstopper“ von Alice Oseman durch Netflix entdeckt habe, habe ich natürlich auch mitbekommen, dass Loewe nun nach und nach auch die anderen Werke der Autorin übersetzen und auflegen lässt. ...

Nachdem ich „Heartstopper“ von Alice Oseman durch Netflix entdeckt habe, habe ich natürlich auch mitbekommen, dass Loewe nun nach und nach auch die anderen Werke der Autorin übersetzen und auflegen lässt. Nachdem ich schon das wirklich großartige „Loveless“ lesen durfte, zu dem ich noch nie etwas Vergleichbares gelesen habe, war nun also „Nothing Left for Us“ dran, das im Englischen unter „Radio Silence“ erschienen ist. Hier war ich wieder sehr gespannt, welche Geschichte mich diesmal erwarten würde.

Während es bei „Loveless“ nach Anlaufschwierigkeiten schnell die große Liebe wurde, ist es mir bei „Nothing Left for Us“ etwas anders gegangen. Ich war gespannt, weil ich schon gehört hatte, dass mit Aled jemand eine Hauptfigur ist, die mit Charlie aus „Heartstopper“ befreundet ist. Ich wollte mehr über ihn herausfinden, doch die Geschichte ist aus der Sicht von Frances geschrieben, während Aled erstmal sehr unscheinbar bleibt. Nun ist Frances eine Figur, mit der ich mich durchaus auch gut identifizieren konnte, denn wieder schafft es Oseman viele Themen anzusprechen, die für mich in der Jugend Alltag waren, aber über die nie jemand sprechen wollte und die man auch sonst nirgendwo verarbeitet sah. Hier bei Frances ist eben besonders interessant, dass sie in der Schule im Grunde eine Marionette ist, die glaubt, ihren Intellekt unbedingt für etwas Großes einsetzen zu müssen und deswegen sklavisch alles lernt, ohne es aber wirklich für sich zu tun, sondern für ein Außenbild. Zudem bezeichnet sie viele Mitschülerinnen immer wieder als Freundinnen, doch es ist schnell festzustellen, dass es wahrlich keine Freundschaften, sondern vielleicht eher Zweckgemeinschaften sind. Dazu ist das alles mit der ‚Schul-Frances‘ verbunden, denn sie ist dort eine andere Person, als sie bei ihrer liebevollen Mutter zuhause ist. Das hat sich vertraut angefühlt, da ich auch lange für etwas gearbeitet habe, das völlig abstrakt war und mich immer unter Druck gesetzt habe, was später aber nie wichtig wurde und war ich dabei jemals wirklich ich selbst?

Der mit Frances geschaffene Rahmen war für mich also wieder mal sehr vertraut und ich fand es tröstlich, die ganzen Gedankengänge zu lesen. Dennoch hatte für mich die Geschichte lange keinen richtigen roten Faden. Große ‚Schuld‘ trägt daran Universe City, der Podcast mit Skript von Aled. Zwar waren immer mal wieder Auszüge abgedruckt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass ich mir wirklich ein Bild davon machen konnte. Die Auszüge waren nämlich weniger dazu da, einen Eindruck vom Podcast zu schaffen als vielmehr eben aufzuzeigen, wie sehr Aleds Zustand, hier personifiziert durch Radio, immer mehr in einer Abwärtsspirale geriet. Das hat mir aber nicht gereicht, um mich wirklich in diesen Kult um Universe City einzudenken. Zwar sind im weiteren Verlauf immer mehr inhaltliche Geheimnisse aufgedeckt worden und es war sicherlich auch interessant, die Macht von Fans online mit ihren Recherchenkünsten zu beleuchten und dennoch war es mir einfach zu wenig, um mich wirklich inhaltlich in diese Teilhandlungen einzusteigen.

Durch diese Barriere ist es mir glaube ich auch nicht wirklich gelungen, mich mit Aled zu arrangieren, obwohl vollkommen klar ist, dass er eigentlich eine Figur sein müsste, die ich ganz fest in den Arm nehmen möchte sollte. Doch irgendwie passierte das nicht. Ich habe auch nie wirklich verstanden, wenn Frances betonte, sie und Aled seien quasi gleich, denn bei ihr war ich mittendrin, bei ihr hatte ich wirklich das Gefühl, sie zu kennen, aber Aled? Zudem fand ich die ganze Familiengeschichte mitsamt Carys sehr mysteriös und sie erschien mir auch ein weniger zu viel des Guten. Dennoch fand ich das Ende schön, denn Frances kommt zu wichtigen Erkenntnissen, die ich auch machen konnte und am Ende sind auch all die ungewöhnlichen Figuren zusammengekommen und dadurch wurde alles zu einem guten Abschluss gebracht.

Fazit: „Nothing Left for Us“ hat auch wieder viele wichtige Themen für Jugendliche und junge Erwachsene zu bieten, doch diesmal hat der zentrale Handlungsstrang rund um den Podcast mich nicht richtig überzeugen können. Ich bin nicht auf die Ebene gekommen, die wohl intendiert war und damit hat mich ein wichtiger Teil nicht erreicht. Dennoch ohne Frage wieder ein wichtiges Buch von Oseman, mit breitem Themenspektrum.

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Veröffentlicht am 17.07.2022

Gut, aber mit Luft nach oben aus der Startbox gekommen

Westwell - Heavy & Light
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Lena Kiefer ist schon länger sehr erfolgreich im Buchgeschäft unterwegs und ich habe durchaus einige Bücher von ihr und die Begeisterung darüber wahrgenommen, aber so richtig Klick hatte es noch nicht ...

Lena Kiefer ist schon länger sehr erfolgreich im Buchgeschäft unterwegs und ich habe durchaus einige Bücher von ihr und die Begeisterung darüber wahrgenommen, aber so richtig Klick hatte es noch nicht gemacht, was bei der Breite des Angebots oft auch einfach nur Glückssache ist. Bei ihrer ersten Reihe bei Lyx, Westwell, habe ich nun aber gerade zugegriffen, denn Lyx ist der Verlag, auf den ich mich bei New Adult immer verlassen kann und natürlich haben auch die Cover wieder etwas Besonderes ausgestrahlt.

Bei New Adult habe ich mich vor allem an Reihen mit wechselnden Paaren gewöhnt, weswegen ich es durchaus interessiert aufgenommen haben, dass Kiefer hier offenbar die Geschichte eines Paares über drei Bände verteilt erzählen wird. Auch wenn das nicht grundlegend falsch ist, so habe ich in diesem Genre bislang noch leider keine Trilogie gelesen, bei der ich die Geschichte durchgehend stark bis zum Ende empfunden hätte, weswegen gewisse Sorgenfalten nicht zu verheimlichen sind. Dennoch gilt es nun nicht, für die Zukunft zu prophezeien, stattdessen geht es eindeutig vor allem um den ersten Band, der nun erschienen ist und uns mit Helena und Jess vertraut macht. Was in meinen Augen definitiv sehr gut gelingt, das ist die besondere prickelnde Chemie zwischen den beiden Figuren. Es hat sich schnell etwas aufgebaut, wobei ich gerne mitgefiebert habe und ich fand die ganzen intimen Szenen und das Hinarbeiten darauf wirklich gut gemacht. Deswegen ist im Grunde vieles vom Rest egal gewesen, weil für mich einfach klar wurde, ich will das Happy End der beiden miterleben, auch wenn es noch über zwei weitere Bände hinweg erst geschehen wird. Das ist auf jeden Fall schon einmal ein großes Kompliment, weil die unfassbare Chemie zwischen zwei Figuren definitiv die Königsklasse in diesem Genre ist.

Etwas schwerer haben es mir aber das Setting und auch Helena als Figur gemacht. Zunächst habe ich gegen die gehobene Gesellschaft als Setting nichts, denn auch „Gossip Girl“ habe ich immer gerne gesehen, das ist also kein No-Go, aber es ist natürlich auch die Frage, wie man es einbindet und was daraus gemacht wird. Die Welt der Westons und Coldwells wird sehr kalt dargestellt und es ist wirklich schwer, sympathische Figuren auszumachen, denn gerade bei den Familien finden sich viele Stolperstellen und ich bin als Leserin schon darauf angewiesen, dass ich vor allem ein solides Set an Sympathieträgern habe, so dass sich die Antagonisten leichter ertragen lassen. Hier kommt aber auch hinzu, dass auch Helena alleine es mir manchmal verdammt schwer macht. Man merkt zwar deutlich, dass sie im Grunde ein sehr sympathischer Mensch ist und auch ihr Bedürfnis, den Ruf ihrer Schwester Valerie wiederherzustellen, kann ich gut nachempfinden, aber wie unverantwortlich und rücksichtslos sie dabei vorgeht, das hat mich schon erschreckt, auch weil es zu ihrem restlichen Charakter nicht zu passen scheint. Wenn es um die Nachforschungen geht, wirkt sie unfassbar mutig mit einem Hang zum Wahnsinn, aber wenn es um die Familie geht, ist sie sehr klein mit Hut. Auch sonst sind mir einige inkonsequente Vorgehensweisen aufgefallen, denn der Boxclub schien zunächst eine große Rolle zu spielen, sowohl für Helena als auch für Jess, ist dann aber einfach unter den Tisch fallen gelassen worden.

Auch wenn mir in diesem ersten Band wahrlich nicht langweilig wurde, auch weil ich das Mysterium um den Tod von Valerie und Adam spannend finde, so befürchte ich dennoch, dass dieses künstliche Erzeugen von Drama, weil die Eltern im Hintergrund immer intrigieren, über drei Bände anstrengend werden könnte. Deswegen hoffe ich einfach, dass sich die Ansätze von Helena und Jess als Paar und vor allem auch von ihm als Einzelfigur durchsetzen werden. Denn bei ihm merkt man schon deutlich seine Abscheu, seine innere Rebellion, die er nur für seinen kleinen Bruder zurückstellt. Bei Helena ist es leider noch so, dass sie Loyalität gegenüber etwas zu empfinden scheint, was nur wie Schall und Rauch wirkt. Das ist etwas schade, weil ich mir wünschen würde, dass sie gemeinsam auf einer Seite stehen und das System so richtig auseinandernehmen. Zudem wäre es definitiv hilfreich, noch ein wenig mehr auf die Nebenfiguren zu setzen, dass hier noch mehr sympathisch werden dürfen.

Fazit: Lena Kiefer schafft mit dem Auftakt zu „Westwell“ gleich das Kunststück, mich für das Hauptpärchen einzunehmen, weil eine besondere Chemie geschaffen wird. Abseits davon ergeben sich aber auch Schwächen wie inkonsequente Entscheidungen bei Helena oder in der Handlung und es droht auch, mit drei Bänden zu sehr in die Länge gezogen zu werden. Dennoch war der Auftakt spannend und ebnet den Weg, wo noch durchgehend Gutes leicht möglich wäre. Ob das von der Autorin auch umgesetzt wird, muss sich erst noch zeigen.

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Veröffentlicht am 22.05.2022

No-Gos, aber doch auch mit Highlights

More than Words
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„More Than Words“ ist meine erste Begegnung mit Mia Sheridan, auch wenn mir der Klappentext sehr bekannt erschien, aber ich glaube, dass Brittainy C. Cherry und eine weitere Autorin einmal eine recht ähnliche ...

„More Than Words“ ist meine erste Begegnung mit Mia Sheridan, auch wenn mir der Klappentext sehr bekannt erschien, aber ich glaube, dass Brittainy C. Cherry und eine weitere Autorin einmal eine recht ähnliche Idee hatten, wo ein Pärchen aus der Jugend sich aus den Augen verliert, um nach Jahren wieder zueinander zu finden. Aber gerade weil mir die Story so ein wenig vertraut wirkte, war ich doch etwas unsicher, ob ich wirklich zuschlagen sollte. Letztlich habe ich dem Buch eine Chance gegeben und war definitiv überrascht.

Das Überraschendste an „More Than Words“ ist sicherlich, dass das Buch mir unheimlich viele unterschiedliche Eindrücke vermittelt hat, so dass ich lange nicht wusste, wie ich Mia Sheridan als Autorin einordnen soll. Die Kennenlerngeschichte von Jessie und Callen hat definitiv schon die nötige Schwere, die ich oft suche, denn gerade bei Callen hat man gleich gemerkt, dass diese definitiv von einigen Dämonen gejagt wird. Jessie wirkt dagegen zunächst sehr träumerisch und naiv, aber letztlich ist es glaube ich genau diese Kombination, die die beiden so perfekt füreinander in diesem Moment gemacht hat. Nach dem Zeitsprung in die Gegenwart war ich mit Callen dann erstmal gar nicht glücklich. Natürlich hat seine bereits in der Kindheit angedeutete Geschichte Spuren hinterlassen und dennoch lernen wir ihn als Mann kennen, wo wirklich mit der Lupe nach positiven Aspekten zu suchen ist, weswegen ich auch wirklich erst das Schlimmste befürchtete. Denn nicht nur ist Callens Perspektive zunächst viel von schmutzigen Gedanken geprägt, sondern er ist menschlich auch wirklich kalt, abweisend und damit einfach nicht zu packen. Deswegen war auch die Wiederbegegnung mit Jessie echt schrecklich, denn er hat sie nicht mal erkannt und ich dachte mir, was soll das denn für eine Liebesgeschichte sein? Vielleicht bin ich da auch zu romantisch, aber das ist schon ein Punkt, der so einer Geschichte Magie nehmen kann.

Zum Glück hat die Geschichte aber Jessie, die definitiv der ruhende Pol ist. Sie hat sich immer noch etwas von ihrer kindlichen Naivität behalten, aber gleichzeitig ist sie auch eine junge Frau, die ich gerne begleitet habe, sich noch besser selbst in der Welt zu finden. Zudem stand sie auch im krassen Gegensatz zu Callen, denn als Expertin für altfranzösische Sprache hat sie eine sehr außergewöhnliche Leidenschaft und deswegen war ich überrascht, wie intensiv ihre Arbeit auch eingebunden wurde. Auch wenn ich die Geschichte aus dem Umkreis von Jeanne D’Arc nicht gebraucht hätte, war es schon außergewöhnlich und es hat mir eben auch bewiesen, dass Mia Sheridan durchaus eine Autorin ist, die meinen Geschmack treffen kann. Als sich das Geschehen dann auch in das französische Loiretal verschiebt, greift dann langsam aber sicher diese Atmosphäre auch auf Callen über und es wurde wirklich deutlich besser. Er alleine, aber sie beide zusammen natürlich auch. Die beiden haben auch wirklich einige schöne intensive Momente, wenn doch auch immer das Damoklesschwert über ihnen schwebt, dass sich Callen für das feste Beziehungsleben nicht bereit oder vielmehr nicht würdig fühlt.

Als schließlich später sich die Konflikte häufen, hat die Geschichte wieder einen kleinen Bruch erfahren, denn ihr Streitgespräch war wirklich heftig und von beiden Seiten wurden Aussagen getätigt, die ich als viel zu viel empfunden habe, denn da wurde sich in einem Ausmaß verletzt, wovon es manchmal auch kein Zurück gibt. Dementsprechend konnte ich in dem Moment auch nicht für beide mitleiden, sondern war regelrecht entsetzt. Andererseits kommt dann dieses Ende, was wiederum echt perfekt ist. Natürlich kitschig, aber dennoch in einem Rahmen, den ich als perfekt für die gemeinsame Geschichte fand und deswegen haben mich die Schwachstellen zwischendurch umso mehr geärgert.

Fazit: Mia Sheridan hat mir mit „More Than Words” eigentlich bewiesen, dass ich sie auf dem Zettel behalten sollte, weil sie über genüg Tiefgründigkeit und außergewöhnliche Ideen verfügt, aber gleichzeitig gab es eben auch klare No-Gos. Diese konnten zwar immer behoben werden, weil ich auch nicht abgebrochen habe. Ideal war es deswegen aber definitiv nicht, weswegen ich hoffe, dass sowas in späteren Büchern nicht mehr so negativ auffällt.

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