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mari_liest

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.03.2024

Ein Papagei & eine Pandemie

Die Verletzlichen
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„Uns wurde gesagt, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis wir das Leben führen, von dem wir geträumt haben. Was uns nicht gesagt wurde ist, dass dieses Leben dann bald vorbei sein wird.“ (S. 219)

Wir navigieren ...

„Uns wurde gesagt, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis wir das Leben führen, von dem wir geträumt haben. Was uns nicht gesagt wurde ist, dass dieses Leben dann bald vorbei sein wird.“ (S. 219)

Wir navigieren durch das Gedankenkarussell einer Schriftstellerin in der C-Pandemie, die während des Lockdowns die Wohnung ihrer Freundin Iris hütet, besser gesagt ihren Papagei Eureka. Dies geschieht, da der Sohn einer Freundin von Iris, der zuerst der Hüter des Vogels war, eines Tages einfach nicht mehr kam. Während unsere Erzählerin nun in der Freundinnen-Wohnung bleibt, ihre Wohnung an eine Ärztin untervermietet (die im NY Krankenhaus das pandemische Unwesen (mit) erträgt und eine Bleibe braucht), schippert wider Erwarten der junge Mann doch retour in die traute Hütte. Und da stehen sich nun zwei gegenüber, deren Lebensrealitäten unterschiedlicher nicht sein könnten; die im Grunde nix miteinander gemein haben – außer Eureka, ab und zu eine Tüte und eine Not-WG während einer Pandemie.

Die Geschichte besticht durch einen ruhigen, reflektiven und philosophischen Stil, auch wenn die sprunghafte Erzählweise es mir an einigen Stellen „erschwerte“. Die Geschichte ist ein freundlicher Bekannter, von dem mir aber sicher nicht alle Details in Erinnerung bleiben werden, was uns aber bleiben wird ist, dass wir eine Pandemie überstanden haben. Dennoch war ich auf eine etwas andere Geschichte eingestellt. Ein vermeintliches Öffnen von Herzen habe ich leider nicht empfunden. Aber das ist OK. Vielleicht soll es auch zeigen, dass man unter schwierigen Umständen zueinander finden kann, wie wir es zu dieser Zeit alle mussten. Vielleicht habe ich es aber auch einfach nicht in seiner Gänze verstanden. Auch das ist OK.

Gerne eine #leseempfehlung und für das Cover: 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Einen Löwen fängt mit dem Herzen

Trophäe
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„Einen Löwen fängt man mit dem Herzen, einen Elefanten mit den Füßen, einen Büffel mit den Eiern und einen Leoparden mit Geduld.“ (S. 69)



Wir tauchen in das kontroverse Universum der Großwildjagd ein, ...

„Einen Löwen fängt man mit dem Herzen, einen Elefanten mit den Füßen, einen Büffel mit den Eiern und einen Leoparden mit Geduld.“ (S. 69)



Wir tauchen in das kontroverse Universum der Großwildjagd ein, verkörpert durch Hunter White, einen wohlhabenden Amerikaner mit einer tiefen Leidenschaft für die Jagd. Gemeinsam mit seinem Freund und professionellen Jagdorganisator Van Heeren strebt Hunter danach, seine "Big Five" in Afrika zu vollenden, mit dem Spitzmaulnashorn als letztem Ziel. Die Jagd, die ursprünglich als Tribut an seine Frau gedacht war, die eine Vorliebe für derartige Trophäen hegt, wird unerwartet von Wilderern überschattet. Hunter ist sauer, keine Trophäe. Van Herren schleift Hunter in den Busch auf einen Hochsitz, drückt ihm den Feldstecher in die Hand, um eine Situation zu beobachten und stellt die allumfassende Frage an den Jäger: Interesse an den Big Six?



Schoeters scharfe Beobachtungen und die detaillierten Beschreibungen der afrikanischen Landschaft und der dort lebenden Menschen zeichnen ein lebhaftes Bild der Schönheit und Brutalität der Wildnis. Die Konfrontation mit moralischen Dilemmata wirft u.a. die Frage über die Wahrnehmung Afrikas durch den Westen, den Wert des Lebens und die Konsequenzen menschlichen Eingreifens in die Natur auf. Schoeters gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, die sowohl spannend als auch nachdenklich stimmt, und mich mit einer Mischung aus Bewunderung und kritischer Reflexion über die Welt, in der wir leben, zurücklässt. Ihre Erzählung ist ein meisterhaftes Spiel aus Spannung, moralischer Ambiguität und der tiefen Verbindung zwischen Menschen und Natur, verpackt in eine Sprache, die sowohl scharf als auch poetisch ist. Die Übersetzung trägt das Ihre dazu bei, die Komplexität und Schönheit von Schoeters' Werk zu unterstreichen



„Sie glauben, dass sie eins sind mit ihrer Beute. Vor allem mit Elenantilopen, die sie als heilige Tiere ansehen, verbindet sie eine Art mystisches Band. Deshalb müssen sie sich ausruhen, als wären auch sie krank, während das Tier stirbt, sonst würde auch die Antilope gesund. Gleichzeitig stirbt auch das Kind in ihnen, und der Jäger wird geboren.“ (S. 117)



Diese Geschichte wird mich bestimmt lange nicht loslassen, denn ich verspüre hohe Achtung vor den Menschen, die dort leben und sich täglich diesen Gefahren beim Jagen aussetzen müssen. Nicht nur den Gefahren von den Tieren, die sie jagen, sondern auch vor den Menschen, die Geld haben und denken, die Welt gehört ihnen. #leseempfehung

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Soghafte Spannung

Yellowface
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June Hayward, eine junge, ambitionierte Autorin, die in einem Akt der Verzweiflung und des Opportunismus die Identität und das unvollendete Werk ihrer verstorbenen „Freundin“ Athena Liu übernimmt. Athena, ...

June Hayward, eine junge, ambitionierte Autorin, die in einem Akt der Verzweiflung und des Opportunismus die Identität und das unvollendete Werk ihrer verstorbenen „Freundin“ Athena Liu übernimmt. Athena, die Bestseller-Literatur veröffentlicht hat und der offensichtlich alle zu Füßen lagen, oder?

Die Geschichte ist gespitzt mit einem scharfen, direkten Erzählstil, der durchzogen ist von beißender Satire und dunklem Humor. Damit wirft Kuang ein grelles Licht auf die Schattenseiten der Literaturindustrie, insbesondere die Problematiken rund um kulturelle Aneignung, Identität und die Suche nach Authentizität in einer Welt, die von Oberflächlichkeit und Profitstreben geprägt ist. Sie navigiert durch komplexe Fragen von Rassismus und Zugehörigkeit und zeigt auf, wie diese Themen in der Verlagsbranche oft missverstanden, missbraucht oder für Marketingzwecke ausgebeutet werden. Sie fordert uns heraus, die eigenen Vorstellungen von Authentizität und die Rolle, die Identität in der Literatur spielt, zu hinterfragen; des Weiteren bastelt sie auch Themen wie kulturelle Aneignung und paradox-oberflächlich ausgeführte Diversitätsbekundungen in den Plot - vermutlich auch mit einem zwinkernden Auge.

Durch die komplizierte und moralisch-ambivalente June erhalten wir ein komplexes Bild der modernen Gesellschaft, welches keine einfachen Antworten bietet. Der Roman ist im Grunde ein Spiegel für reale Herausforderungen, mit denen Autor*innen konfrontiert sind.
"Yellow Face" ist ein provokativer und nachdenklich stimmender Roman, der durch seine scharfe Kritik an der Literaturindustrie, der Frage nach Moral und Ethik sowie seinen tiefgründigen Einblick in die Fragen der kulturellen Identität besticht.

Was zum Schluss wie ein Plottwist anmutet, ist dann bereits das Ende des Buches. Dieses hat mich im ersten Moment entgeistert zurückgelassen.

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Veröffentlicht am 25.11.2023

... er tötet sehr leise ...

Der Wald
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Der Autor entführt uns in eine Welt voller Spannung und Wissenschaft. Das Buch beginnt mit dem Versand von 1.500 kleinen, grauen Päckchen, die Samen einer unbekannten, schnell wachsenden Pflanze enthalten. ...

Der Autor entführt uns in eine Welt voller Spannung und Wissenschaft. Das Buch beginnt mit dem Versand von 1.500 kleinen, grauen Päckchen, die Samen einer unbekannten, schnell wachsenden Pflanze enthalten. Diese Pflanze erweist sich als hochinvasiv und gefährlich, sogar tödlich für Menschen. Die Frage, die sich stellt, ist, ob es sich hier um einen Akt des Bioterrorismus oder um die Aktionen übereifriger Klimaaktivisten handelt.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Marcus Holland, ein charismatischer Charakter, dessen Umgang mit seinem Sohn Otto und seine Überlegungen zu Pflanzen besonders hervorstechen, und Waverly Park, eine Archäobiologin, tragen wesentlich zur Spannung des Romans bei. Ava, eine weitere zentrale Figur, spielt eine wichtige Rolle in der Entfaltung der Geschichte, sie ergänzt die Perspektiven von Marcus und Waverly und trägt durch ihre eigenen Einsichten und Handlungen entscheidend zur Aufklärung der mysteriösen Ereignisse bei. Ihre Figur verleiht dem Roman zusätzliche Tiefe und trägt zur Komplexität des Plots bei.

Was das Buch auszeichnet, ist nicht nur die actionreiche Handlung, sondern auch die tiefgehende Recherche und die detailreichen Informationen über Pflanzen und ihre Eigenschaften. Der Roman ist ein Wissenschaftsthriller, in dem Biologie und Botanik eine wesentliche Rolle spielen. Die Leser werden in eine Welt entführt, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.

Die Geschichte entwickelt sich um die Frage, ob Marcus und sein Team die Verbreitung der gefährlichen Pflanze stoppen und die Menschheit retten können. Dabei spielen auch politische Aspekte eine Rolle, und die Spuren führen überraschend zu Johann Wolfgang von Goethe.

Insgesamt ist "Der Wald. Er tötet leise." ein fesselnder Thriller, der von der ersten Seite an packt und in eine Welt voller Rätsel und wissenschaftlicher Entdeckungen führt.

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Veröffentlicht am 25.11.2023

Eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte

Die Formel der Hoffnung
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„Ich habe einmal eine Frau eingestellt. Vor drei Jahren. […] Sie hat sich in einen Studenten verliebt und meine Abteilung blamiert. Ich bin nicht geneigt, noch einmal das Risiko einzugehen, eine Frau einzustellen. ...

„Ich habe einmal eine Frau eingestellt. Vor drei Jahren. […] Sie hat sich in einen Studenten verliebt und meine Abteilung blamiert. Ich bin nicht geneigt, noch einmal das Risiko einzugehen, eine Frau einzustellen. […] Und wenn ein Mann einen ähnlichen Fehler macht? […] Würden Sie nicht davon ausgehen, dass es ein Fehler dieses speziellen Mannes war, und zur Tagesordnung übergehen? Doch wenn eine Frau etwas falsch macht, wird es 50 Jahre lang nicht vergessen. […].“ (S. 67)

M.D. Horstmann, eine Frau, die sich in einer Männerdomäne behaupten musste und trotz der ständigen Unterbewertung unbeirrt ihren Forschungen nachging. Cullens Roman ist nicht nur eine Hommage an Horstmanns außergewöhnliche Leistungen im Kampf gegen Kinderlähmung, sondern auch ein lebendiges Zeitdokument der Herausforderungen, mit denen Frauen in der Wissenschaft konfrontiert waren und leider immer noch sind.

Horstmann ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Ihre Zurückhaltung und Bescheidenheit machen sie zu einer umso faszinierenderen Figur. Cullen schildert eindrücklich, wie Horstmann trotz der ständigen Geringschätzung ihrer Arbeit durch männliche Kollegen, die stetige Kämpferin bleibt. Sie zeigt uns eine Frau, die in einer Zeit großer sozialer und geschlechtsspezifischer Ungerechtigkeiten lebte, aber niemals ihre Vision aus den Augen verlor.

Dieses Buch ist nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit, sondern auch ein Spiegel unserer Zeit. Es zeigt uns wie weit wir noch gehen müssen, besonders in der Wissenschaftswelt. Es ist auch ein kraftvolles Plädoyer für mehr Gleichberechtigung und Anerkennung der Leistungen von Frauen in allen Bereichen.

Diese Geschichte ist eine sehr besondere. Eine, die wirklich über zwei Jahrzehnte stattfand, die viele Kinder sterben lies! Eine vergessene Person, die maßgeblich an der Forschung beteiligt war, wird vor den Vorhang geholt! Cullens Werk feiert die Errungenschaften einer bemerkenswerten Frau und hinterfragt auch kritisch die gesellschaftlichen Strukturen ihrer Zeit.

Eine Steilvorlage zur COVID-Pandemie – hatten wir doch gerade erst; war vor ca. 80 Jahren nicht anders (was sich die Menschen da so lieferten).

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