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Veröffentlicht am 20.06.2020

Du bist was Du warst

Das Kind in mir will achtsam morden
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Zum Inhalt:
Björn hat das Morden hinter sich gelassen, das Prinzip der Achtsamkeit jedoch weiter verinnerlicht. Aber dann passiert ihm doch wieder ein tödliches Missgeschick und er lässt sich von seinem ...

Zum Inhalt:
Björn hat das Morden hinter sich gelassen, das Prinzip der Achtsamkeit jedoch weiter verinnerlicht. Aber dann passiert ihm doch wieder ein tödliches Missgeschick und er lässt sich von seinem Psychologen beraten. Dieser macht Björn mit dem Prinzip des inneren Kindes bekannt und lässt ihn eine Aussöhnung mit seinem jüngeren Selbst anstreben, - zum Wohle von Björns Ehe, seinem weiteren Leben und Personen, die seinen Weg kreuzen.

Mein Eindruck:
Zwar ist der Humor Dusses nicht mehr so neu und unbekannt, sein zweites Buch packt aber genauso zu wie „Achtsam morden“ und lässt die Muskulatur des Gegenübers nicht so schnell aus den Fängen, - vorzugsweise die Lachmuskulatur.
Wieder einmal nimmt der Autor spritzig die Betroffenheits- und Empörungskultur aufs Korn und hält der politisch korrekten Gesellschaft einen Spiegel vor, der nicht nur zum Lachen, sondern zum Nachdenken anregt. Denn bei aller absurden Komik findet sich nicht nur ein Quäntchen Wahrheit in den Lebensumständen, denen sich ein Anwalt mit Familie, Kindergarten und zwei Verbrechergruppen am Hals ausgesetzt sieht und die man (bis auf die Gangs) durchaus auf die eigenen Probleme anwenden kann. Genau das ist die Besonderheit, die Dusses Krimis aus dem Allerlei der Humor-Kriminalliteratur heraushebt. Der Versuch, mit einem psychologischen Prinzip Lösungsansätze zu finden, die den ganz normalen Wahnsinn erträglich machen. Das innere Kind ist dafür der Katalysator, der das ganze unterfüttert, - und die Chose brüllend komisch macht.
Leider bleibt dabei der Hintergrund des organisierten Verbrechens ein bisschen auf der Strecke; sollte dieser in einem dritten Buch wiederbelebt werden, würde es bestimmt nicht im Regal der Buchhandlung verstauben.

Mein Fazit:
Auch der zweite Aufguss schmeckt

Veröffentlicht am 20.06.2020

Morden im Alter

Mord in Sunset Hall
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Zum Inhalt:
Eine Leiche im eigenen Schuppen von Sunset Hall, eine Leiche im Herrenhaus nebenan. Beides ältere Frauen, beide mit der gleichen Waffe getötet. Und doch ist etwas anders: Während sich die eigene ...

Zum Inhalt:
Eine Leiche im eigenen Schuppen von Sunset Hall, eine Leiche im Herrenhaus nebenan. Beides ältere Frauen, beide mit der gleichen Waffe getötet. Und doch ist etwas anders: Während sich die eigene Tote gut erklären lässt, bleibt die Nachbarin ein Rätsel für die unorthodoxe Hausgemeinschaft: Allesamt Senioren, die im Dienste ihrer Majestät gearbeitet haben - mal mehr, mal weniger geheim – und mit dem Ziel, nicht als Gemüse in einer Senioreneinrichtung zu versauern. Da genau dieses Ziel auf der Kippe steht, als die Polizei und die Tochter der eigenen Toten zu schnüffeln beginnen, besinnen sich die Bewohner Sunset Halls auf ihre alten Fähigkeiten, um den Mord im Nebenhaus aufzuklären.

Mein Eindruck:
Obwohl Leonie Swann ihrem Prinzip eines tierischen (Mit-)Ermittlers – hier die Schildkröte Hettie - treu bleibt, kommt der dadurch früher mitschwingende Humor in diesem Buch erst sehr spät zur Geltung. Das liegt zum einen daran, dass Hettie zwar einige Male die Truppe auf den richtigen Weg bringt; dieses passiert aber nonverbal und unbeabsichtigt. Zudem weist die Autorin gefühlt in jedem zweiten Satz auf die Gebrechlichkeit der Hauptperson Agnes hin (knackende Hüfte, alles übertönender Tinnitus), welches einem Grinsen ebenfalls abträglich ist. Vielleicht wollte sich Swann Sozialkritik im Umgang mit der älteren Generation auf die Fahnen schreiben und die furchtbaren Verhältnisse in Pflegeheimen anprangern, hat damit aber leider die Erwartungshaltung ihrer Leser enttäuscht. Glücklicherweise bekommt die Autorin irgendwann die Kurve, führt einen verfressenen, kleinen Enkelsohn ein und die unterschwellige Komik kommt doch noch zum Tragen. Außerdem verleiht sie ihren Figuren mehr Esprit, die im Dienst erlernten Fähigkeiten treten in den Vorder- und die Zipperlein in den Hintergrund.
Besonders gut ist das Buch an den Stellen, wenn die vermeintlich hilflosen Alten diese Idee in die Hirne ihrer Gegner pflanzen und sie damit übertölpeln.
Am Schreibstil Swanns gibt es nichts zu kritisieren, die mordende Person ist zwar relativ schnell zu identifizieren, der Weg zur Entdeckung aber raffiniert erdacht.
Das Buch nimmt zum Schluss so viel Fahrt auf, dass man sich einen weiteren Band mit der Senioren-Truppe von Sunset Hall wünscht; eine Erkenntnis, die nach 100 Seiten des Buches in weiter Ferne lag.


Mein Fazit:
Nach einer zu ausgedehnten Ruhe am Beginn doch noch spritzig

Veröffentlicht am 30.05.2020

Distanziert

Die Oxford-Morde
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Zum Inhalt:
Ein Stipendium in Oxford führt den jungen, südamerikanischen Ich-Erzähler nach England in das Haus einer Witwe, die er kurz danach – gemeinsam mit dem Mathematik-Professor Seldom – tot auffindet. ...

Zum Inhalt:
Ein Stipendium in Oxford führt den jungen, südamerikanischen Ich-Erzähler nach England in das Haus einer Witwe, die er kurz danach – gemeinsam mit dem Mathematik-Professor Seldom – tot auffindet. Da Seldom angibt, eine mysteriöse Nachricht gefunden zu haben, welche auf eine Mordserie hinweist, und um Beth, die Enkelin der Ermordeten zu entlasten, versuchen sie, der Polizei behilflich zu sein. Und das ist kein dummer Einfall, denn weitere Nachrichten treffen ein, weitere Tode geschehen.

Mein Eindruck:
Es ist kein Wunder, dass dieses Buch verfilmt wurde, denn es verfügt über eine überaus clevere Geschichte, zwei interessante Hauptpersonen unterschiedlichen Alters, eine schöne Umgebung und ein gewisses Niveau. Darüber hinaus lassen sich Anflüge von britischem Humor (obwohl der Autor – wie sein Protagonist – Argentinier ist) finden, subtil und selten, dafür umso feiner. Leider lassen sich ein paar Kritikpunkte nicht verhehlen: Die Frauenfiguren wirken unausgegoren und trotz einiger Todesfälle fehlt es der Erzählung an Spannung und Gefühl. In den Passagen, in denen es um mathematische Probleme, deren Lösung und die Abfolge von Reihen geht, läuft der Autor zur Hochform auf, will er allerdings Liebe oder Verzweiflung darstellen, fehlt ihm das Händchen dafür, - möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass Martinez selber Mathematiker ist und sich gerne in dieser Profession verliert.

Mein Fazit:
Absolut intelligent, sehr klinisch

Veröffentlicht am 28.05.2020

Déjà vu

Schwestern im Tod
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Zum Inhalt:
Zwei junge Studentinnen wurden ermordet. Schwestern, die Fans des Autors Erik Lang waren und auf eine ähnliche Weise wie Opfer in einem seiner Bücher ihr Ende fanden. Doch bei diesen Toten ...

Zum Inhalt:
Zwei junge Studentinnen wurden ermordet. Schwestern, die Fans des Autors Erik Lang waren und auf eine ähnliche Weise wie Opfer in einem seiner Bücher ihr Ende fanden. Doch bei diesen Toten bleibt es nicht – 25 Jahre später steht Kommissar Martin Servaz wieder vor dem Schriftsteller, denn jetzt ist dessen Frau tot – und wieder ähnelt der Tathergang einem Buch Langs.

Mein Eindruck:
„Schwestern im Tod“ ist der fünfte Band einer Reihe, beschäftigt sich aber auch mit Vorgängen, die sich noch vor dem ersten Buch abspielen. Beeindruckend ist insbesondere der Stil des Autors: Minier beherrscht es wunderbar, seinen Lesern die Gedanken und Gefühle seines Protagonisten nahe zu bringen. Da viele Charaktere verschroben bis psychisch schwer gestört sind, hätten sie wie Karikaturen oder Zerrbilder wirken können; hier zeigt sich die Kunst, diese Figuren trotz allem wahrhaftig wirken zu lassen. Ein besonderes Augenmerk legt Minier dabei auf Interaktionen, - Dialoge wie nonverbale Kommunikation – die absolut bemerkenswert choreographiert sind. Interessante Einfälle und bemerkenswerte Twists in der Handlung sorgen für einen Spannungsbogen, der bis zu einem Ende mit Knall-Effekt erhalten bleibt.

Toller Stil, gute Geschichte, perfekte Spannung. Trotzdem gibt es ein Manko für Neu-Einsteiger in die Reihe: Die große Lücke von 25 Jahren macht es an einigen Stellen schwer, das volle Verständnis aufzubringen, - beispielweise wenn der in der ersten Hälfte verheiratete Martin plötzlich von der Liebe seines Lebens spricht, die einen völlig anderen Namen als die Ehefrau hat. Schlimmer noch, wenn augenscheinlich sehr wichtige Personen aus den Vorgängern nur per Name-Dropping auftauchen und die Leser gänzlich im Unklaren über die Funktion dieser Figuren gelassen werden.

Mein Fazit:
Besser die Bücher in der richtigen Reihenfolge lesen, trotzdem ein guter Stil mit einer fulminanten Auflösung

Veröffentlicht am 28.05.2020

Traurig

Hollow Kingdom
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Zum Inhalt:
Shit Turd (kurz S.T.) ist eine zahme Krähe in Seattle, die gemeinsam mit ihrem Hausgenossen Dennis, einem Bluthund, vor ihrem Herrchen fliehen muss, als dieses von einem weltumspannenden Virus ...

Zum Inhalt:
Shit Turd (kurz S.T.) ist eine zahme Krähe in Seattle, die gemeinsam mit ihrem Hausgenossen Dennis, einem Bluthund, vor ihrem Herrchen fliehen muss, als dieses von einem weltumspannenden Virus getroffen wird, welches sämtliche Menschen zu Untoten mutieren lässt. Zuerst hofft S.T. noch, gesunde MoFos (kurz für Motherfucker) zu finden, nach einigen Fehlschlägen startet er eine neue Mission: Die Rettung eingeschlossener Haustiere mit dem Wissen, dass er sich durch sein Zusammenleben mit den Menschen angeeignet hat und mit Hilfe von Dennis, der sich als ein dummes, aber williges Werkzeug zeigt. Auf seiner Reise trifft er auf andere Tiere – einige feindlich, einige freundlich – und auf das, was von den Menschen übrig bleibt.

Mein Eindruck:
Es gibt ein paar witzige Momente in diesem Buch, - ganz klar überwiegt jedoch Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit. Bei „The Walking Dead“ gibt es wenigstens ein paar Überlebende der Apokalypse, hier mutiert die gesamte Menschheit durch einen Virus – ausgelöst durch unsere Techniksucht - und das ist tatsächlich gerade in der heutigen Zeit schwer verdaulich. So fällt dann auch die Rezension schwer. Die Autorin hat viele gut geschriebene Momente in ihrem Buch, insbesondere die Protagonistin ist ihr äußerst liebenswert und sehr „menschlich“ gelungen. Wenn sie ihr früheres Leben beschreibt und wie sie die Macken der MoFos auf sich selbst übertragen hat (übrigens etwas, was vielen Haustieren gemein ist), kommt man gar nicht umhin, sich darüber zu amüsieren. Doch das sind nur kurze Blitzer, in der Hauptsache wird gekämpft: Gegen die Umstände, mutierte MoFos, andere Tiere – bis aufs Blut und zum Teil bis zum Tod. Dagegen helfen auch nicht die Größe der Gemeinschaft vieler Tiere, die sich zum Schluss zusammenfinden und gemeinsam trauern, kämpfen, arbeiten und der kleine Silberstreif am Ende, - in der Hauptsache ist es traurig. Sehr traurig.

Mein Fazit:
Ein gutes Buch, eine gute Geschichte, kein Mutmacher