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Veröffentlicht am 02.07.2025

Die Abgründe einer vermeintlichen Freundinnenschaft

Before we were innocent
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Elizabeth Winter, genannt Bess, traut ihren Augen kaum, als Medienstar Joni Le Bon plötzlich vor ihrer Tür steht. Seit etwa zehn Jahren haben sich die beiden nicht mehr getroffen. Damals war ihre gemeinsame ...

Elizabeth Winter, genannt Bess, traut ihren Augen kaum, als Medienstar Joni Le Bon plötzlich vor ihrer Tür steht. Seit etwa zehn Jahren haben sich die beiden nicht mehr getroffen. Damals war ihre gemeinsame Freundin Evangeline Aetos mit nur 19 Jahren auf tragische Weise ums Leben gekommen. Evs Tod hat Bess und Joni schließlich entfremdet. Doch nun bittet Joni die zurückgezogen lebende Single-Frau Bess um Hilfe, denn ihre Verlobte Willa, ebenfalls eine bekannte Persönlichkeit, wird vermisst…

„Before we were innocent“ ist ein Roman von Ella Berman.

Die durchdachte Struktur des Romans besteht aus 61 Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Bess. Dabei gibt es zwei sich abwechselnde Erzählstränge: die gegenwärtigen Ereignisse im Jahr 2018 rund um Willas Verschwinden und das Geschehen in den Jahren 2008/2009 vor und nach Evs Tod. Die Schauplätze befinden sich in den USA und Griechenland. Trotz dieser Komplexität ist die Geschichte sehr gut nachvollziehbar.

Die Sprache ist atmosphärisch und anschaulich, allerdings auch unspektakulär. An einigen Stellen wird sie sogar unnötigerweise etwas vulgär. Die Übersetzung von Elina Baumbach ist angenehm unauffällig und damit sehr gelungen.

Drei Frauenfiguren stehen im Zentrum des Romans: Bess, Joni und Ev, drei interessante und vielschichtige Protagonistinnen. Die Figuren werden mit psychologischer Tiefe dargestellt. Auch die übrigen Charaktere sind reizvoll ausgestaltet.

Vordergründig geht es in der Geschichte um zwei mysteriöse Fälle: den Tod Evs und das plötzliche Verschwinden Willas. Den Antworten auf die Frage, was mit den beiden Frauen passiert ist, wird sich sukzessive genähert. Auf den rund 440 Seiten sorgen die bei Fälle, nach einem gemächlichen Beginn, für andauernde Spannung. Falsche Fährten und mehrere Wendungen diesbezüglich machen die Geschichte fesselnd und abwechslungsreich. Die Auflösungen wirken größtenteils schlüssig. Obwohl ich es mag, wenn eine Geschichte Interpretationsspielräume lässt, bleiben mir am Ende jedoch zu viele Widersprüchlichkeiten und offene Fragen.

Auch beim zweiten großen Thema des Romans, der Freundinnenschaft, hat mich die Geschichte zunehmend verloren. Die Botschaft, dass bewusste, absichtliche Verletzungen und Machtspielchen zu einer Freundschaft einfach dazugehören, finde ich falsch und toxisch. Solche Beziehungen sollten vertrauensvoll, unterstützend und wertschätzend sein. Dass hier ein völlig ungesundes Bild von Freundinnenschaft schöngeredet wird, halte ich vor allem mit Blick auf jüngere Leserinnen für bedenklich.

Der mehrdeutige Titel, der 1:1 vom Original übernommen wurde, passt zur Geschichte. Auch das Covermotiv, das ebenfalls von der Originalausgabe übertragen wurde, ist aus inhaltlicher Sicht durchaus passend, wirkt auf mich aber zu sexistisch.

Mein Fazit:
„Before we were innocent“ von Ella Berman ist ein sehr unterhaltsamer und packender Roman. Leider hat mich die Geschichte aber in mehreren Details nicht komplett überzeugen können.

Veröffentlicht am 23.06.2025

Ein Kind um jeden Preis?

Hello Baby
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Sie sind sechs Frauen in Südkorea und sie eint ihr bisher unerfüllter Kinderwunsch: Munjeong Kang (44, Journalistin), Juin Han (38), Jeonghyo Kim (46), Sora Yun (37, Tierärztin), Hyekyoung Lee (44, Anwältin) ...

Sie sind sechs Frauen in Südkorea und sie eint ihr bisher unerfüllter Kinderwunsch: Munjeong Kang (44, Journalistin), Juin Han (38), Jeonghyo Kim (46), Sora Yun (37, Tierärztin), Hyekyoung Lee (44, Anwältin) und Unha Jang (37, Polizistin). In einer Fruchtbarkeitsklinik in Seoul lernen sie sich kennen und schreiben fortan in der Gruppe „Hello Baby“ miteinander. Erst taucht die Älteste von ihnen plötzlich in der Gruppe ein Jahr ab, dann mit einem Kind wieder auf. Kann das mit rechten Dingen vor sich gehen?

„Hello Baby“ ist ein Roman von Kim Eui-kyung.

Die Struktur ist sinnvoll durchdacht und funktioniert prima: Der Roman gliedert sich in zwei Teile, die wiederum aus insgesamt 14 Kapiteln bestehen.

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven aus der Sicht der sechs Frauen, die aus sprachlicher Sicht leider wenig Varianz aufweisen. Ansonsten ist der Text anschaulich und unauffällig.

Die sechs Frauen stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Die Charaktere wirken glaubwürdig und interessant.

Auf der inhaltlichen Ebene ist der Roman keine leichte Kost. Schonungslos werden die Schmerzen und Herausforderungen beleuchtet, die die Hormonspritzen, Eizellentnahmen und Embryotransfers bei den Frauen verursachen - sowohl in körperlicher wie auch in psychischer Hinsicht. Die vielen Fehlschläge und seelischen Nöte sind nicht leicht zu ertragen. Besonders weh taten mir jedoch beim Lesen die misogynen Widersprüchlichkeiten, denen die Frauen ausgesetzt sind: Einerseits erfahren sie besonders in Südkorea großen Druck, ein Kind auf die Welt zu bringen; andererseits wird dort von der Wirtschaft alles daran gesetzt, dass eine Schwangerschaft und Kinder Gift für eine berufliche Karriere sind. Zudem zeigt sich, dass Unfruchtbarkeit nur Frauen angelastet werden darf. Dass sich die Autorin mit diesem Thema gut auskennt, verdeutlicht das Nachwort, in dem sie ihre leidlichen persönlichen Erfahrungen damit schildert.

Zwar sind die Umstände hierzulande weniger drastisch. Grundsätzlich sind solche Tendenzen allerdings auch in Deutschland nicht von der Hand zu weisen, was die Lektüre in Westeuropa ebenfalls aktuell macht. Im feministischen Zusammenhang liefert der Text daher viel Material zum Nachdenken und Diskutieren.

Auf den 220 Seiten ist die Handlung kurzweilig und fesselnd. Sie bleibt durchweg schlüssig.

Das bunte, ungewöhnliche Covermotiv passt zum Thema und erregt Aufmerksamkeit. Schade, dass bei der Gestaltung künstlerische Intelligenz zum Einsatz gekommen ist.

Mein Fazit:
Mit „Hello Baby“ ist Kim Eui-kyung ein aufrüttelnder und aufschlussreicher Roman gelungen, der auch einen Unterhaltungswert besitzt. Lesenswert!

Veröffentlicht am 20.06.2025

Eine äußerst ungewöhnliche Wohngemeinschaft

Der Kaiser der Freude
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East Gladness in New England (USA) im Herbst 2009: Hai, Sohn einer vietnamesischen Einwanderin, ist tablettenabhängig, gescheitert und verzweifelt. Der queere 19-Jährige hat sein Studium abgebrochen und ...

East Gladness in New England (USA) im Herbst 2009: Hai, Sohn einer vietnamesischen Einwanderin, ist tablettenabhängig, gescheitert und verzweifelt. Der queere 19-Jährige hat sein Studium abgebrochen und will nun Suizid begehen. Aber Grazina, eine alte Frau und Migrantin aus Litauen, kann ihn davon gerade noch abbringen. Zwischen den beiden entsteht eine besondere Verbindung…

„Der Kaiser der Freude“ ist ein Roman von Ocean Vuong.

Aufgeteilt in 25 Kapitel, wird die Geschichte aus der Sicht von Hai erzählt. Die Handlung umspannt mehrere Monate und spielt in den Jahren 2009 und 2010.

Vor allem in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman begeistert. Mit poetischer Note, authentischen Dialogen und eindrücklichen Beschreibungen: So lässt sich der atmosphärisch starke Stil charakterisieren.

Auch die Figuren wirken sehr lebensnah. Sie besitzen psychologische Tiefe und werden schlüssig gezeichnet. Das gilt insbesondere für Hai, den Protagonisten, dessen Denken und Fühlen nachvollziehbar geschildert wird.

Es geht um Menschen am Rand der Gesellschaft. Um einen Alltag außerhalb des Amerikanischen Traums. Um ein unglamouröses Leben, das viele kennen. Trostlosigkeit und Einsamkeit auf der einen, kleine Augenblicke des Glücks und Gemeinschaft auf der anderen Seite. Dadurch schafft die Geschichte einige Anknüpfungspunkte und regt zum Nachdenken an.

Auf den mehr als 500 Seiten ist der Roman unterhaltsam und berührend, aber wenig temporeich und ohne größere Überraschungen. Das recht offene Ende habe ich als stimmig empfunden.

Der deutsche Titel kommt zwar leider nicht an die Wortspielerei des Originals („The Emperor of Gladness“) heran, passt aber dennoch gut. Auch das reduzierte und gleichzeitig stimmungsvolle Cover ist gleichwohl ansprechend wie inhaltlich angemessen.

Mein Fazit:
Mit Der Kaiser der Freude“ hat Ocean Vuong einen außergewöhnlichen, lesenswerten Roman geschrieben.

Veröffentlicht am 13.06.2025

Ein besonders gefährliches Spiel mit dem Feuer

Devil's Kitchen
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New York City an der Ostküste der USA: „Engine 99“, die Eliteeinheit der Feuerwehr, bekämpft nicht nur Brände, sondern legt sie auch, um abzulenken. Etliche große Beutezüge gehen auf das Konto der Gruppe. ...

New York City an der Ostküste der USA: „Engine 99“, die Eliteeinheit der Feuerwehr, bekämpft nicht nur Brände, sondern legt sie auch, um abzulenken. Etliche große Beutezüge gehen auf das Konto der Gruppe. Andrea Nearland, eine freiberufliche Ermittlerin, ist das neueste Mitglied der Crew. Sie wurde vom FBI auf die Gruppe angesetzt. Ben ist ihr als einziger der Einheit sympathisch. Nun steht der wohl größte Coup an und es wird immer klarer, dass das Spiel mit dem Feuer für Andy sehr riskant ist.

„Devil‘s Kitchen“ ist ein Thriller von Candice Fox.

Trotz der nicht ganz simplen Struktur lässt sich die Geschichte gut nachvollziehen. Der Roman beginnt mit einem Prolog. Auf ihn folgen sechs lange Kapitel, die in weitere Abschnitte unterteilt sind. Erzählt wird fast ausschließlich aus der Perspektive von Andy und der von Ben, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Die Handlung umfasst die Jahre 2005 bis 2013.

Die Sprache des Thrillers ist teilweise etwas vulgär. Die Dialoge wirken jedoch authentisch und lebhaft, die Beschreibungen sind anschaulich.

Eine Stärke von Candice Fox ist das Zeichnen der Charaktere. Auch in dieser Geschichte wird sie ihrem Ruf gerecht, kantige und zugleich glaubhafte Figuren darzustellen.

Das Setting des neuen Buches finde ich interessant und ungewöhnlich. Dass die Autorin sorgsam recherchiert hat, ist dem Thriller an einigen Stellen anzumerken. Neben dem Schwerpunkt Feuerwehr geht es um Sexismus und toxische Männlichkeit. Damit trifft das Buch den Nerv der Zeit und gibt Denkanstöße.

Auf den mehr als 400 Seiten nimmt die Geschichte schnell an Tempo auf. Die Handlung ist, wie von den anderen Werken der Autorin gewohnt, durchweg kurzweilig und spannend. Auch die Auflösung, die nicht leicht vorhersehbar ist, hat mich überzeugt.

Das deutsche Covermotiv ist atmosphärisch und passt gut zum Inhalt. Der Titel wurde 1:1 vom Original übernommen.

Mein Fazit:
Mit „Devil‘s Kitchen“ stellt Candice Fox erneut unter Beweis, dass sie zu recht eine feste Größe im Spannungsgenre ist. Wieder einmal hat sie meine hohen Erwartungen erfüllt. Sehr empfehlenswert vor allem für diejenigen, die keine 08/15-Thriller lesen möchten!

Veröffentlicht am 13.06.2025

Der Griff nach den Sternen

Stars
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„Freiheit für Mittmann“, so steht es mit Kreide auf den Bürgersteig geschrieben. Carla Mittmann entdeckt den Schriftzug, nachdem ein Stein durch ihr Fenster geflogen war. Was hat das alles zu bedeuten? ...

„Freiheit für Mittmann“, so steht es mit Kreide auf den Bürgersteig geschrieben. Carla Mittmann entdeckt den Schriftzug, nachdem ein Stein durch ihr Fenster geflogen war. Was hat das alles zu bedeuten? Nach ihrer erzwungenen Exmatrikulation hat die alleinstehende Philosophin zwar keinen Doktortitel, aber nun zwei Jobs. Sie arbeitet nicht nur als Aushilfskraft für einen Möbelhersteller, sondern bietet als „Cosmic Charly" übers Internet auch individuelle Horoskope an. Doch welchen Einfluss haben die Sterne wirklich? Und was sieht das Schicksal noch für Carla vor?

„Stars“ ist das Romandebüt von Katja Kullmann.

Der Roman gliedert sich in drei Teile, die aus mehreren unnummerierten Abschnitten bestehen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Carla.

Mit satirischem Unterton, aber ungekünstelt und anschaulich ist die Sprache des Romans. Obwohl mich die humoristischen Spitzen nicht immer erreichen konnten, hat mich der Schreibstil dennoch überzeugt.

Protagonistin Carla ist nicht die typische, sympathische Heldin. Ihr vor allem anfangs phlegmatisches Wesen und ihr unorthodoxes, nicht immer rationales Verhalten lassen sie über weite Teile der Geschichte seltsam und ungewöhnlich erscheinen. Schwer habe ich mich auch mit einigen Nebenfiguren getan, die deutlich überzeichnet wirken.

Ein thematischer Schwerpunkt liegt auf der Astrologie. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob die Sterne tatsächlich unser Schicksal beeinflussen oder ob die Astrologie bloße Scharlantanerie ist. Hintergründig beleuchtet der Roman nicht nur die Sternendeuterei an sich, sondern zeigt die zugrundeliegenden Träume, Ängste und Sehnsüchte der Fans der Astrologie auf. Dies regt zum Nachdenken an und schafft Anknüpfungspunkte.

Auf den rund 250 Seiten ist die Geschichte trotz des eher gemäßigten Erzähltempos unterhaltsam und voller Überraschungen. Leider habe ich nicht alle Entwicklungen als glaubwürdig empfunden. Zudem bleiben für meinen Geschmack am Ende noch zu viele Fragen offen.

Als sehr gelungen betrachte ich die Covergestaltung des Romans. Der mehrdeutige Titel ist ebenfalls eine vortreffliche Wahl.

Mein Fazit:
„Stars“ ist eine unterhaltsame Lektüre mit einer interessanten Fragestellung. Leider hat mich der Roman nicht in allen Punkten begeistern können.