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Veröffentlicht am 04.04.2024

Veränderungen

So wie du mich willst
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Die Literaturprofessorin Claire ist 48 Jahre alt, ihr Geliebter Jo zwölf Jahre jünger. Um ihn zu bespitzeln, legt sie ein gefälschtes Facebook-Konto an und gibt sich als eine vierundzwanzigjährige junge ...

Die Literaturprofessorin Claire ist 48 Jahre alt, ihr Geliebter Jo zwölf Jahre jünger. Um ihn zu bespitzeln, legt sie ein gefälschtes Facebook-Konto an und gibt sich als eine vierundzwanzigjährige junge Frau aus, die Single ist. Um keinen Verdacht zu erregen, freundet sie sich mit Christophe an, der mit Jo zusammenwohnt. Zwischen Claire und Chris entwickelt sich eine Beziehung, die nur in der virtuellen Welt existiert. Bald wird es schwer für Claire, Realität und Fiktion auseinanderzuhalten.

„Fragen Sie mich nicht, warum. Ich hatte mich gerade von meinem Mann getrennt und hatte keine Lust, allein zu sein, ich brauchte Liebe, zumindest in körperlicher Hinsicht, musste darüber sprechen, daran glauben, na ja, Sie kennen die Leier, man will leben, muss man sagen, warum?“ (Seite 19)

Dieses Buch war sehr ungewöhnlich aufgebaut. Zu Beginn gab es ein Gespräch von Claire mit ihrem Psychiater, der allerdings ausgeblendet wurde, sodass fast ein Monolog entstand. Aus den Antworten von Claire konnte ich auf die Fragen schließen, Unklarheiten gab es nicht. Anfangs glaubte ich alles, was die Insassin sagte, denn dass sie eine war, ergab sich alsbald aus dem Gespräch. Nach und nach wurde mir allerdings bewusst, dass Claire keine zuverlässige Erzählerin war, mal ließ sie etwas aus, mal übertrieb sie und manchmal gab sie selbst eine Unwahrheit zu, sodass es fast eine Wohltat war, als in der Mitte des Buches eine andere Person zu Wort kam, von der ich mir mehr Klarheit versprach.

„Eine psychiatrische Klinik war der ideale Ort für sie, der Ort, an dem sie leben konnte: Die Verrückten und die Verliebten gehören derselben Spezies an, man spricht nicht umsonst von Amour fou.“ (Seite 127)

Durch die vielen Wendungen konnte mich die Autorin immer wieder überraschen, ich weiß immer noch nicht, was ich von der Geschichte halten soll. War es nun so, oder doch ganz anders; hat er nun mit ihr, oder war sie die treibende Kraft, und was ist eigentlich mit Jo passiert? Dies ist aber nicht der Kern der Sache, denn die Botschaft, um die es geht, ist eine andere. Es geht um das Altern der Frauen und den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen. Es geht um die Lust und die Frage, wie man begehrenswert bleibt, wie unterschiedlich die Geschlechter mit diesem Umstand umgehen und wie wertend viele Menschen sind.

Die ungesunde Beziehung, oft einer Erniedrigung gleich, faszinierte und stieß mich gleichermaßen ab. Natürlich verstand ich die Botschaft, aber etwas weniger experimentell ergäbe diese für mich noch mehr Sinn. Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir die Story ab und zu zwar etwas zu chaotisch war, dazu gab es einige langatmige Stellen und Wiederholungen, es aber dennoch ein wichtiges Buch ist und wer ungewöhnliche Geschichten abseits des Mainstreams mag, wird hier gut bedient.

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Dramatisch und spannend

Verborgen
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Bei dem Brand in einem Einfamilienhaus stirbt ein junger Mann, kurz danach ist klar, dass es Brandstiftung gewesen ist. Im Zuge der Ermittlungen findet Kommissarin Elma heraus, dass das Opfer anscheinend ...

Bei dem Brand in einem Einfamilienhaus stirbt ein junger Mann, kurz danach ist klar, dass es Brandstiftung gewesen ist. Im Zuge der Ermittlungen findet Kommissarin Elma heraus, dass das Opfer anscheinend nicht ganz so unschuldig war, wie es den Anschein hat, warum sonst hätte er kurz vor seinem Tod online danach gesucht haben, wie man eine Leiche verschwinden lassen kann. Die Wahrheit aber lässt nicht lange auf sich warten.

Das vorliegende Buch ist der dritte Band der Reihe mit Kommissarin Elma rund um die Kleinstadt Akranes in Island. Die ersten beiden Bücher muss man nicht zwingend gelesen haben, um der Geschichte zu folgen, zum besseren Verständnis allerdings würde ich dazu raten, denn das Privatleben von Elma, ihrer Familie sowie den Kolleginnen und Kollegen wird zu ausführlich thematisiert, um unwichtig zu sein. Hinzu kommt, dass vergangene Begebenheiten erzählt und Dinge verraten werden, die im ersten Teil zur Spannung beigetragen haben. Die Gefahr von Spoilern ist dadurch sehr hoch.

Im dritten Teil der Reihe blieb die Autorin ihrem Erzählstil treu; verschiedene Stränge liefen lange nebeneinander, es dauerte lange, bis sich ein klares Bild ergab. Die Ermittlung nahm bald eine ungewöhnliche Wendung, als eine neue Komponente hinzukam, die dazu führte, dass plötzlich alles erneut rätselhaft erschien. Im zweiten Teil dann ließ die Geschichte einen Einblick in zurückliegende Ereignisse zu, was wesentlich zur Klärung beigetragen hat. Vieles, das bisher unklar war, ergab nun endlich einen Sinn. Ich war erstaunt und fand es beeindruckend, wie gut die einzelnen Aspekte zusammenpassten, jede Einzelheit wurde berücksichtigt und vervollständigte das Bild. Obwohl es unausweichlich war, welche Richtung die Geschichte nahm, war ich überrascht über den Ausgang, denn die Auflösung kam zwar nicht unerwartet, war an Tragik aber nicht zu überbieten. Dramatische Ereignisse folgten, zum Ende hin wurde es noch einmal turbulent und was dann geschah, ging mir unglaublich nah. Dieses Ende hätte ich nicht erwartet, das war nun wirklich ein Abschluss, der es in sich hatte. Nun bleibt mir nur, darauf zu warten, dass der nächste Teil der Reihe baldmöglichst übersetzt wird, damit ich erfahre, wie es mit Elma weitergeht. Ich freue mich darauf!

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Veröffentlicht am 28.03.2024

Jung, jünger, Kind sein

Wir werden jung sein
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Vier Teilnehmer einer Medikamentenstudie an der Berliner Charité, deren Ziel es war, chronische Herzmuskelschwächen zu heilen, sind plötzlich nicht bloß gesund, sondern verjüngt. Und nicht nur das, sie ...

Vier Teilnehmer einer Medikamentenstudie an der Berliner Charité, deren Ziel es war, chronische Herzmuskelschwächen zu heilen, sind plötzlich nicht bloß gesund, sondern verjüngt. Und nicht nur das, sie werden unaufhaltsam immer jünger, was den zuständigen Professor vor eine große Aufgabe stellt, da sich unvorhersehbare Komplikationen einstellen, die es zu stoppen gilt. Gleichzeitig ist die Welt elektrisiert, denn wäre es nicht ein unvorstellbares Glück, für immer jung zu sein?

Durch den angenehmen Schreibstil war ich fast sofort im Buch angekommen, die ersten Kapitel stellten die vier Teilnehmer der Medikamentenstudie sowie ihre Besonderheiten vor, die Sicht des zuständigen Mediziners und eines Mitglieds des Deutschen Ethikrates vervollständigten das Bild. Zu Beginn war ich unsicher, ob mir die vielen wissenschaftlichen Erklärungen nicht zu viel werden würden, aber meine Bedenken waren unbegründet, weil der Autor eine tolle Art hat, die kompliziertesten Vorgänge gut zu erklären. Nicht dass ich mir anmaßen würde, zu behaupten, ich hätte auch nur annähernd verstanden, wie das Verfahren funktioniert, aber ich konnte es mir gut vorstellen. Erstaunlicherweise ist die Fiktion gar nicht mehr so fiktiv, wenn man sich in der Realität über den heutigen Stand der Forschung informiert. Ich weiß noch nicht, ob ich erfreut oder erschrocken darüber bin, wo die Reise hingeht.

Mir gefiel das vorliegende Buch sehr, besonders positiv ist mir aufgefallen, dass Maxim Leo Fragen aufwarf, die mir im Zusammenhang mit einem verjüngenden Medikament nicht eingefallen, geschweige denn überhaupt in den Sinn gekommen wären; beispielsweise gibt es neben Fragen der Ethik und der Moral natürlich die wichtige Frage, wie wir das Problem des Platzmangels lösen würden, wenn die Menschen immer älter oder in Zukunft gegebenenfalls gar nicht mehr sterben würden. Manche Szenarien bekomme ich da wohl nie mehr aus meinem Kopf!

Der weitere Verlauf der Geschichte war spannend und überraschend, eine kriminelle Episode inklusive. Hervorheben möchte ich den feinen Humor, der nie in die Lächerlichkeit abrutschte, was ich als wohltuend empfand. Das Ende war schlüssig und ließ mich zufrieden zurück. Das war ein tolles Leseerlebnis, gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Vage Vermutung

Camus muss sterben
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Der französische Schriftsteller, Philosoph und Kritiker Albert Camus starb am 04. Januar 1960 bei einem Autounfall. Der italienische Schriftsteller und Dichter Giovanni Catelli widmet sich diesem tragischen ...

Der französische Schriftsteller, Philosoph und Kritiker Albert Camus starb am 04. Januar 1960 bei einem Autounfall. Der italienische Schriftsteller und Dichter Giovanni Catelli widmet sich diesem tragischen Ereignis und will Beweise dafür gefunden haben, dass es sich nicht um einen Unfall, sondern einen gezielten Anschlag gehandelt hat.

Der Verlag wirbt für das vorliegende Buch und verspricht eine hochspannende Mischung aus Investigativ-Roman und Spionagethriller, was mich im Zusammenhang mit dem tollen Cover sehr neugierig gemacht hat. Bereits nach wenigen Seiten jedoch bin ernüchtert und überrascht, weil nicht nur die versprochene Spannung, sondern auch Beweise für die gewagte These gänzlich fehlen. Die Vermutungen und Annahmen halten einer näheren Überprüfung leider nicht stand.

„Es sind entscheidende Spuren, die eine kalte und minutiöse Präzision erkennen lassen, die reich an Details sind und in Verbindung mit unbestreitbaren Fakten und Daten stehen.“ (Seite 16)

Der Autor kaut wiederholt den Unfall durch, erstellt eine Chronologie der Ereignisse und hängt sich an Einzelheiten fest, die nicht nur uninteressant, sondern fast absurd sind, denn es mag wichtig gewesen sein, wer im Wagen wo gesessen hat, was die beteiligten Personen aber zum Frühstück gegessen oder im späteren Verlauf zum Mittagessen getrunken haben, kann für die späteren Ereignisse nun wirklich nicht von Bedeutung sein. Auch die Anzahl der anscheinend zahlreichen Geliebten von Camus und dessen Nachrichten an diese vor der verhängnisvollen Fahrt ist meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang irrelevant. Die politischen Vorkommnisse dagegenzustellen hilft ebenfalls nicht weiter, denn natürlich kann man einen Verdacht dadurch erhärten, dass man Tatsachen so lange verdreht, bis sie zur Theorie passen. Wahrer werden diese dadurch aber nun mal nicht.

Zusammengefasst kann ich sagen, dass es zwar keine Zeitverschwendung war, dieses Buch zu lesen, bereichernd war es allerdings auch nicht. Schade.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Eine Frage der Perspektive

Die Hungrigen
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Die zwei Brüder Paolo und Antonio leben zusammen im elterlichen Haus; der ältere Paolo arbeitet auf der Baustelle und trägt zum Unterhalt bei, der jüngere Antonio ist ziellos und sucht noch nach dem Lebenssinn. ...

Die zwei Brüder Paolo und Antonio leben zusammen im elterlichen Haus; der ältere Paolo arbeitet auf der Baustelle und trägt zum Unterhalt bei, der jüngere Antonio ist ziellos und sucht noch nach dem Lebenssinn. In der süditalienischen Kleinstadt ist kaum etwas los, die Armut ist überall zu spüren, da kommt man schon auf seltsame Gedanken, dabei wollen beide nur eines; glücklich sein.

„Sie hätten gern miteinander gesprochen. Beide. Aber das Schweigen, zu dem sie sich gegenseitig erzogen hatten, war ihnen so zur Gewohnheit geworden, dass sie nicht gewusst hätten, wo sie überhaupt anfangen sollten. Sie blickten sich an, Paolo nahm den Kopf seines Bruders in die Hände und gab ihm ein paar Klapse auf die Wange. Das reichte schon.“ (Seite 97)

Das erste Kapitel fing mit einer Tragödie an, dramatische Szenen entstanden vor meinen Augen und lediglich eine Kleinigkeit ließ der Autor weg, um einen Weg zu ebnen für das, was danach kam. Der Sprung in die Vergangenheit, zwei Monate waren es genau, skizzierte das Leben der Brüder, verriet Werdegang und Grund für die Situation, in der beide sich befanden zu Beginn der Geschichte. Ich schwankte zwischen Entsetzen und Abscheu, suchte in meinem Inneren nach Mitleid, kam aber an meine Grenzen, je mehr ich erfuhr, war empört, angewidert, aber oft einfach nur traurig über die Zustände, die geschildert wurden. Natürlich gab es Stellen, die mich berührten, besonders als ich verstand, was die Brüder zu dem gemacht hat, der sie geworden sind. Aber immer, wenn sich mein Mitgefühl regte, geschah etwas, das alles zerbrechen ließ, die Scherben schnitten in mein Herz und schon war es weg, dieses Gefühl, das nur kurz aufgeblüht ist.

„Wie ein Grashalm beugte er sich in die Richtung, in die der stärkste Wind wehte. Mit Gefühlen konnte er nicht umgehen. Er ließ sich von den Befehlen derjenigen Menschen formen, die ihm nahestanden. Antonio lebte für die anderen, und so starb er jeden Tag.“ (Seite 51)

Vieles ereignete sich in den zwei Monaten, schlimme Dinge geschahen und einiges davon war so entsetzlich, es ergab einfach keinen Sinn. Ich spürte die Hoffnung und die Traurigkeit, verstand die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Ich hätte beiden gewünscht, dass es anders endet und wusste doch, dass dieser Wunsch sinnlos ist und einer Utopie gleich erlöscht, denn so funktioniert das Leben nicht. Aber trotzdem.

Eine Warnung will und muss ich aussprechen, denn eine Stelle im Buch könnte, wie für mich, schwer zu ertragen sein, es handelt sich um abscheuliche Tierquälerei, die der Autor leider nicht der Phantasie der Leserschaft überlassen, sondern in Einzelheiten geschildert hat. Obwohl es wichtig war für den Gesamtzusammenhang, hätte ich es mir anders gewünscht.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieses Debüt mir einiges abverlangt hat, ich aber froh und glücklich darüber bin, durch Zufall auf dieses Buch gestoßen zu sein, und glaube, dass da noch Größeres entstehen wird; ich freue mich sehr darauf. Große Leseempfehlung für dieses Highlight!

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