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Veröffentlicht am 22.08.2017

Schönes Buch

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Marx trifft Darwin, das Thema hat mich neugierig gemacht.
Beide Personen zählen sicher zu bedeutendsten Männer des 19. Jahrhunderts und sind an sich schon sehr spannende Gestalten.
Die Autorin Ilona ...

Marx trifft Darwin, das Thema hat mich neugierig gemacht.
Beide Personen zählen sicher zu bedeutendsten Männer des 19. Jahrhunderts und sind an sich schon sehr spannende Gestalten.
Die Autorin Ilona Jerger hat ein sehr gut recherchiertes Buch geschrieben.
Um das Leben der beiden alten Männer hat sie dann eine fantastische Geschichte gewoben, bei der sich der Leser gut vorstellen, dass sie sich so zugetragen haben könnte.
Den Kontakt zwischen den beiden Protagonisten vermittelt deren Hausarzt, den Jerger erfunden hat. Neben den fiktiven Gestalten Marx und Darwin ist er eine der interessantesten Figuren im Roman. Selbst ein sehr neugieriger Mensch, klug und interessiert an neuen Erkenntnissen der damaligen Naturwissenschaften, wendet er schon zur damaligen Zeit Prinzipien der heutig geltende Medizin an - so wie Gesprächspsychologie, Homöopathie, Naturheilkunde etc.
Die Darstellung von Darwin als einer der Hauptprotagonisten, ist sehr originell und sympathisch. Ich glaube, die Autorin mochte ihn sehr, da sie ihn auch mit ausgeprägter Fürsorglichkeit beschreibt. Mit Marx ist sie schon deutlich gröber.
Und ein Kompliment bekommt die Autorin von mir für ihre Darstellung ihrer Frauengestalten wie Emma Darwin oder Lenchen, das Hausmädchen von Marx. Beides sind starke Frauen, die sich verantwortungsvoll und liebevoll ihrer Aufgabe widmen, ohne sich in den berühmten Männern zu verlieren.

Der Hauptteil des Buches besteht einerseits aus den sehr informativen Erlebnisse und Lebenserfahrungen der beiden Männer, aber auch aus philosophischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Gesprächen und Gedanken. Wobei ein Thema immer größeren Raum einnimmt, nämlich die Frage, ob es Gott, den Glauben und die Religion gibt oder nicht. Was beide Männer in ihren Werken verneinen, ihre Umgebung aber erzürnt oder sogar verzweifeln lässt, wie Emma oder Lenchen.
Wie die Autorin mit dieser Frage umgeht, ist mein einziger Kritikpunkt an ihrem Buch.Der Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft mag im 19.Jahrhundert ein drängendes Problem gewesen sein, heute aber nicht. Und da sich die Autorin zu diesem Thema auch zu sehr in Details vertieft, machen manche Seiten Mühe sie konzentriert zu lesen.

Die Sprache der Autorin ist klar, aber auch ein wenig beeinflusst vom Schreibstil des 19. Jahrhunderts. Gottseidank hat sie es vermieden, die blumenreiche Attitüden des damaligen Sprachstils zu übernehmen. So konnte der Leser eine moderne, klare mit ein bisschen 19. Jahrhundert durchsetzten Schreibstil genießen. Das machte Spaß zu lesen.

Ich möchte dieses Buch gerne weiter an alle Leser, die ein Interesse an historischen Gestalten und gute Bücher lieben, empfehlen. Es lohnt sich.

Die Autorin erhält von mir 4,5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 22.08.2017

etwas enttäuschend

Swing Time
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"Swing Time" von Zadie Smith ist das erste Buch, das ich von dieser Autorin lese.
Laut Klappentext sollte es um einen Roman von zwei Tänzerinnen handeln, die sich schon als Kinder kennengelernt hatten.
Es ...

"Swing Time" von Zadie Smith ist das erste Buch, das ich von dieser Autorin lese.
Laut Klappentext sollte es um einen Roman von zwei Tänzerinnen handeln, die sich schon als Kinder kennengelernt hatten.
Es werden in diesem Buch sehr viele Themen angesprochen, das Thema Tanz hat aber keinen großen Raum in diesem Buch. Was ich sehr vermisst habe.Dafür haben Frauenthemen, schwarze Frauenthemen, Leben als schwarze Frau in Großbritannien, Frauenleben in Afrika, Frauenleben im Islam, Rassismus, Popkultur etc. einen immens hohen Anteil an dem Buch. Und trotzdem ist es kein Buch für Frauen, kein Buch über Feminismus - dazu bezieht es einfach nicht genug Stellung oder geht nicht genug in die Tiefe.Dem ganzen Buch fehlt es an Struktur, manchmal plätschert es einfach nur so vor sich hin. Und als Leser fragt man sich oft: Und jetzt?Die Ich-Erzählerin berichtet, oft auch emotional, über 600 Seiten, aber sie entwickelt sich nicht. Viele andere Figuren entwickeln sich zwar, aber bei den meisten versteht der Leser die Entwicklung bzw. den Weg nicht.
Am Ende legt der Leser das Buch mit Bedauern beiseite: So viele gute Ideen - nicht zum Ende gebracht. So interessante Protagonisten - zuwenig Tiefe und Entwicklung. So viele gute Ansätze - viel zu viele, weniger wäre mehr gewesen. Und so viele kritische, meisterhaft beobachtete Situationen - nicht zu Ende betrachtet, keine Lösungsansätze.
Und ganz besonders schade ist, dass die Autorin mit einer wunderbaren Schriftsprache begnadet ist, und sich selbst in dieser außergewöhnlich bildhaften Sprache verzettelt.
Eigentlich kann man nur sagen: SCHADE .


Das Buch erhält von mir aufgrund der wunderschönen Sprache und der Bemühungen noch 3 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 22.08.2017

Unglaublicher Roman

Heimkehren
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Der Debut - Roman " Heimkehren" von Yaa Gyasi ist ein wunderbares Buch. Die Autorin Yaa Gyasi hat einen Roman geschrieben, der das Leben zweier afrikanischer Schwestern und die vielen folgenden Generationen ...

Der Debut - Roman " Heimkehren" von Yaa Gyasi ist ein wunderbares Buch. Die Autorin Yaa Gyasi hat einen Roman geschrieben, der das Leben zweier afrikanischer Schwestern und die vielen folgenden Generationen erzählt.
Dieser Roman ist keine der üblichen Familiengeschichten, sondern ein hoch politischer Roman. Er fängt im 18. Jahrhundert an und zeigt anhand historischer Begebenheiten das Leben afrikanischer und afroamerikanischer Nachkommen der beiden Schwestern bis heute. Dabei gelingt der Autorin durch einen schriftstellerischen Kniff, dass der Lebensweg der Schwestern und ihrer Nachkommen auf zwei verschiedenen Kontinenten parallel verlaufen.Das Buch ist sehr gut recherchiert, und so verwebt Yaa Gyasi ihre Geschichte mit der historisch verbürgten Wahrheit. Und diese Wahrheit ist so brutal und hart, dass dem Leser der Atem stockt. Und immer wenn er meint, schlimmer geht es nicht, bringt das nächste Kapitel neue Schrecken. Das soll nicht als Horrorbuch verstanden werden, niemals vergisst der Leser, dass hier historische Fakten wiedergegeben werden, dass Menschen dies erleben mussten.
Mir ist an diesem Buch erschreckend klar geworden, dass zwischen Schwarzen und Weißen wohl noch sehr lange Gräben bestehen werden, denn das kollektive Bewusstsein beider Rassen ist noch tief verankert in uns. Dieses Buch ist ein sehr "schwarzes" Buch. Man spürt in der Sprache der Autorin das Unverständnis, die Hilflosigkeit, den Zorn und die Mystik afrikanischer Völker.
Das war auch einer der spannenden Aspekte des Romans. Hier durfte der Leser viel über die Kultur, Geschichte und das Leben des heutigen Ghanas erfahren. Ohne Tourismus-Schönfärberei, ohne Glorifizierung der afrikanischen Kultur.

Die Sprache der Autorin ist voller Zartheit, bildhaft, in Teilen mystisch, intelligent und berührt Herz und Verstand. Das klingt wirklich sehr kitschig, aber es ist wirklich so. Selten habe ich so eine berührende Sprache gelesen, und selten hat sich mein Verstand über die sprachlichen Feinheiten, über die Fantasie der Wortschöpfungen, über den manchmal fremdartigen Klang ihrer Sprache erfreut.

Yaa Ghasi hat einen ungeheuer beeindruckenden und wichtigen Roman geschrieben, indem sie neben der Geschichte der Sklaverei auch aufzeigt, wie tief der Rassismus auch heute noch in den Menschen vorhanden ist.
Dieses Buch bietet keinen Ansatz für eine Lösung des Konfliktes zwischen Schwarzen und Weißen. Vielleicht ein bisschen Hoffnung in den letzten Kapiteln. Aber wahrscheinlich ist das eher mein eigener Wunsch. Denn nach der Lektüre dieses Buches möchte ich immer noch die Hoffnung nicht aufgeben, dass eines Tages die Hautfarbe eines Menschen wirklich und wahrhaftig keine Rolle mehr spielen wird.


Mich hat dieses Buch neben den außergewöhnlichen schriftstellerischen Fertigkeiten auch vom Inhalt tief berührt und erschüttert.
Und ich halte dieses Buch für ein kolossal wichtiges Buch, dass unbedingt sehr viele Menschen lesen sollten.

Dieses Buch erhält von mir 5 von 5 möglichen Sternen und wird in meinem Lieblingsbuchregal seine Heimat finden.

Veröffentlicht am 18.07.2017

etwas enttäuschend

Swing Time
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"Swing Time" von Zadie Smith ist das erste Buch, das ich von dieser Autorin lese.
Laut Klappentext sollte es um einen Roman von zwei Tänzerinnen handeln, die sich schon als Kinder kennengelernt hatten.
Es ...

"Swing Time" von Zadie Smith ist das erste Buch, das ich von dieser Autorin lese.
Laut Klappentext sollte es um einen Roman von zwei Tänzerinnen handeln, die sich schon als Kinder kennengelernt hatten.
Es werden in diesem Buch sehr viele Themen angesprochen, das Thema Tanz hat aber keinen großen Raum in diesem Buch. Was ich sehr vermisst habe.Dafür haben Frauenthemen, schwarze Frauenthemen, Leben als schwarze Frau in Großbritannien, Frauenleben in Afrika, Frauenleben im Islam, Rassismus, Popkultur etc. einen immens hohen Anteil an dem Buch. Und trotzdem ist es kein Buch für Frauen, kein Buch über Feminismus - dazu bezieht es einfach nicht genug Stellung oder geht nicht genug in die Tiefe.Dem ganzen Buch fehlt es an Struktur, manchmal plätschert es einfach nur so vor sich hin. Und als Leser fragt man sich oft: Und jetzt?Die Ich-Erzählerin berichtet, oft auch emotional, über 600 Seiten, aber sie entwickelt sich nicht. Viele andere Figuren entwickeln sich zwar, aber bei den meisten versteht der Leser die Entwicklung bzw. den Weg nicht.
Am Ende legt der Leser das Buch mit Bedauern beiseite: So viele gute Ideen - nicht zum Ende gebracht. So interessante Protagonisten - zuwenig Tiefe und Entwicklung. So viele gute Ansätze - viel zu viele, weniger wäre mehr gewesen. Und so viele kritische, meisterhaft beobachtete Situationen - nicht zu Ende betrachtet, keine Lösungsansätze.
Und ganz besonders schade ist, dass die Autorin mit einer wunderbaren Schriftsprache begnadet ist, und sich selbst in dieser außergewöhnlich bildhaften Sprache verzettelt.
Eigentlich kann man nur sagen: SCHADE .


Das Buch erhält von mir aufgrund der wunderschönen Sprache und der Bemühungen noch 3 von 5 Sternen.