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Veröffentlicht am 26.05.2019

spannender aber brutaler 4.Band, nur für Fans der Reihe und mit offenem Ende

10 Stunden tot
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„10 Stunden tot“ von Stefan Ahnhem ist bereits der 4.Band aus er Reihe um seinen Ermittler Fabian Risk und wartet wie schon die Vorgänger mit einer drastischen Handlung und Sprache auf, die nicht für zartbesaitete ...

„10 Stunden tot“ von Stefan Ahnhem ist bereits der 4.Band aus er Reihe um seinen Ermittler Fabian Risk und wartet wie schon die Vorgänger mit einer drastischen Handlung und Sprache auf, die nicht für zartbesaitete Gemüter zu empfehlen ist.
Man sollte wissen, dass dieser Band nicht als alleinstehende Geschichte angelegt ist; sie baut stark auf den Ereignissen aus Band 3 mit dem Titel „Minus 18°“ auf, endet in vielen Punkten offen und wird Band 5 fortgesetzt, dessen Veröffentlichung für 2020 geplant ist. Bei den meisten Online-Buchhändlern wird dies inzwischen deutlich kommuniziert, wer den gedruckten Band in die Hand nimmt, kann da schnell in die Irre geführt werden. Ich habe die Erwähnungen der Vorgeschichte als hilfreich empfunden, um mein Gedächtnis aufzufrischen, sie werden für einen Neueinsteiger nicht ausreichen, um die Reaktionen und Konflikte der Hauptfiguren zu verstehen.
In „Minus 18°“ wurden gleich mehrere Familienmitglieder Fabian Risks in aktuelle Fälle verwickelt, sie wurden zum Teil lebensgefährlich bedroht und traumatisiert. Während Fabian Risk versucht, das Auseinanderbrechen seiner Familie zu verhindern, widmet er sich den Hinweisen, dass sein Kollege Ingvar Molander hinter einigen grausamen Morden stecken könnte.
Während dessen wird Helsingborg von einer ganzen Reihe brutaler Morde erschüttert, so dass Risk seine Beurlaubung abbrechen und die Kollegen unterstützen muss. Bei einem grausamen Mord an einem Migrantenjungen ist unklar, ab es sich um einen pädophilen oder ausländerfeindlichen Hintergrund handelt. Dazu versetzt ein psychopathischer Mörder, der mit Hilfe von Würfeln seine Opfer wählt, die Stadt in Angst und Schrecken. Die Kripo in Helsingborg ist nicht nur notorisch unterbesetzt, sondern wird zum Teil persönlich in die Ereignisse involviert.
Auch die vorhergehenden Bände der Reihe hatten es in sich, hier bewegen sich die schonungslosen Schilderungen der Verbrechen und Ereignissen in einem Bereich, der für mich persönlich das erträgliche Maß schon übersteigt. Mir gefallen Thriller dann besser, wenn Raum für Kopfkino gelassen wird, hier mutet der Autor mit seinen drastischen Schilderungen der Handlungen und Phantasien seiner Protagonisten sehr viel zu. Das Buch ist mit Themen wie Pädophilie, Ausländerfeindlichkeit, brutaler Gewalt und Sexsucht geradezu überfrachtet. Der Spannungsbogen ist hoch, trotz einiger paralleler Handlungsstränge verliert man nie den Überblick, die knapp 500 Seiten reichen jedoch bei weitem nicht aus, um alle Fäden aufzulösen, so dass der Leser auf die Fortsetzung vertröstet werden muss.
Meine Begeisterung für diese Thrillerreihe und den Schreibstil des Autors ist hier etwas gesunken, er scheint sich hier in etwas zu verrennen und schafft eine zu übertrieben düstere bis abstoßende Atmosphäre.

Veröffentlicht am 22.05.2019

interessantes Konzept, abwechslungsreiche Gerichte für experimentierfreudige Köche

Die One-Pot-Challenge
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Von One-Pot-Gerichten und den entsprechenden Kochbüchern hatte ich schon gehört, mich aber nie näher damit beschäftigt, obwohl ich als berufstätige Mutter mit drei Teenager-Kindern immer auf der Suche ...

Von One-Pot-Gerichten und den entsprechenden Kochbüchern hatte ich schon gehört, mich aber nie näher damit beschäftigt, obwohl ich als berufstätige Mutter mit drei Teenager-Kindern immer auf der Suche nach Rezepten für schnelle und leckere Mahlzeiten bin. Hier hat mich das Konzept angesprochen, dass verschiedene Köche jeweils um eine Hauptzutat herum ganz unterschiedliche Gerichte vorstellen.
Das Buch umfasst 192 Seiten, ist aber mit vielen Bildern gestreckt, und enthält insgesamt lediglich 60 Rezepte, was aber auf den ersten Seiten klar kommuniziert wird.
Von Gemüse über Nudeln und Fisch bis hin zu deftigen Fleisch-Gerichten ist alles dabei, die Zutatenlisten sind überschaubar, und soweit ich es bisher überblicken kann in gut sortierten Supermärkten problemlos zu erwerben. Die Arbeitsschritte sind nicht bildlich erklärt aber gut verständlich, es gibt eine Angabe über die Zubereitungsdauer und die enthaltenen Kalorien. Die Mengen sind jeweils für 2 Personen ausgelegt, da wird es bei unseren 5 Personen in Topf oder Pfanne etwas enger, da die Portionen großzügig bemessen sind, können viele Gerichte durchaus erweitert werden.
Die Zubereitungszeiten variieren stark, es gibt viele schnelle Gerichte, die nach einer halben Stunde fertig auf dem Tisch stehen, insbesondere bei deftigeren Fleisch- und Schmorgerichten, dauert es auch mal bis zu drei Stunden.
Wie in vielen Kochbüchern werden nicht alle Rezepte jeden Geschmack treffen, so kürt auch „Jumbo“ als Moderator in keiner der Kategorien einen Gewinner sondern stellt die Besonderheiten der Gerichte in den Vordergrund. Das nimmt in dem Buch zwar einigen Raum ein, erleichtert aber den Überblick über die Gerichte und die Auswahl.
Neben Klassikern wie Chili-Con-Carne, Kartoffelsuppe, Mac’N Cheese oder Schnitzel, bei denen man durchaus etwas genauer hinsehen sollte, gibt es auch ausgefallenere Kreationen wie Brokkoli-Risotto, Hähnchen-Tajine oder Süßkartoffelsalat mit Cranberrys und Pecannüssen.
Die bislang ausprobierten Rezepte waren ein voller Erfolg und wirkten geschmacklich abgerundet. 19,99 Euro sind ein stolzer Preis, dafür ist das Buch mit den Vorankündigungen der einzelnen Köche und Jumbos Kommentaren zu sehr aufgebauscht, ich gebe 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 18.05.2019

brillante Mischung aus Krimi und Erzählung

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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„Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ ist für mich das erste Buch von Joël Dicker, nach der Lektüre kann ich die Begeisterung über sein Erzähltalent verstehen und freue mich schon darauf sein Debüt „Die ...

„Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ ist für mich das erste Buch von Joël Dicker, nach der Lektüre kann ich die Begeisterung über sein Erzähltalent verstehen und freue mich schon darauf sein Debüt „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ bald als Hörbuch genießen zu können.
Zum Inhalt: Vor 20 Jahren wurde in der amerikanischen Kleinstadt Orphea am Tag der Premiere des Theaterfestivals der Bürgermeister mit seiner Familie und eine Joggern vor seinem Haus erschossen. Dieser 4-fach Mord wurde unter anderem von Jesse Rosenberg und seinem Partner Derek Scott aufgeklärt, 20 Jahre später meldet sich die Journalistin Stephanie Mailer bei Jesse, die offenbar über andere Informationen verfügt. Bevor Jesse Rosenberg Details zu ihrem Verdacht erfahren kann, verschwindet sie spurlos. Als kurz darauf in Orphea eine weitere Leiche auftaucht, beginnt Jesse zu ahnen, dass tatsächlich mehr hinter der Geschichte steckt, er beginnt mithilfe seines alten Freundes und der Polizistin Anna Kanner, die neu in Orphea ist, den Fall neu aufzurollen, auch wenn er damit alte persönliche Wunden aufreißt.
Der Roman ist inszeniert wie ein Puzzlespiel mit vielen falschen Fährten, der Leser tappt über die Zusammenhänge und die tatsächlichen Tathergänge ebenso im Dunkeln wie die Ermittler. Die Kapitel wechseln zwischen verschiedenen Zeitebenen und unterschiedlichen Erzählperspektiven. Im Jahr 2014 zur Zeit der aktuellen Ermittlungen werden die Tage in einer Art Countdown zur Premiere der 20. Auflage des Theaterfestivals herunter gezählt, das eine Art roten Faden des Romans darstellt. Während manche Kapitel an eine Reportage erinnern, sind andere Abschnitte sehr persönlich gehalten oder lassen durch viele Dialoge das Geschehen lebendig werden.
Das Buch bietet eine brillante Mischung aus Krimi und Erzählung, es beschäftigt sich nicht nur mit der Lösung eines Mordfalls sondern karikiert auch das Leben und Sozialgefüge in der Kleinstadt Orphea, indem es in den Biographien einiger Bewohner zum Teil sehr skurril anmutende Begebenheiten und Entwicklungen zum Vorschein bringt. In seiner Überzeichnung und seiner Satire erinnert mich der Roman an Filme der Brüder Ethan und Joel Coen. Die Vielzahl an Charakteren ist anfangs verwirrend, es gibt am Ende des Buches eine Auflistung der wichtigsten Figuren, damit der Leser nicht den Überblick verliert.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen, auch wenn der Autor in einigen Punkten den Bogen meiner Meinung nach etwas sehr überspannt hat. Kirk Harvey und sein Theaterstück habe ich mit der Zeit als nervtötend empfunden, die Auflösung der Geschichte hatte für mich ein paar Verwicklungen zu viel.

Veröffentlicht am 29.04.2019

liebevoll erzählte Geschichte eines norddeutschen Dorfes und ihrer Bewohner

Mittagsstunde
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Dörte Hansens Roman „Mittagsstunde“ ist eine Hommage an ihre norddeutsche Heimat, vergleichbare Charaktere und Szenarien gibt es sicher auch in anderen ländlichen Gegenden, die windgepeitschte norddeutsche ...

Dörte Hansens Roman „Mittagsstunde“ ist eine Hommage an ihre norddeutsche Heimat, vergleichbare Charaktere und Szenarien gibt es sicher auch in anderen ländlichen Gegenden, die windgepeitschte norddeutsche Geest ist aber schon etwas Besonderes. Die Menschen sind es gewohnt, den Widrigkeiten der Natur zu trotzen, schon zu Schulzeiten sind die „Kapuzenkinder“ Wind und Regen ausgesetzt, während sie auf den „Kartoffelroder“ warten, den Bus, der sie zu den weiterführenden Schulen bringt und dabei in den Dörfern die Kinder aufliest.
Ingwer Feddersen ist Ende 40, als er aus Kiel für ein Sabbatjahr in sein Heimatdorf zurückkehrt, um seine Großeltern zu pflegen, auf der Fahrt über das raue Land kehren Erinnerungen an seine Kindheit zurück. Sönke und Ella Feddersen sind über 90, Ella wird zunehmend dement, ihr Mann Sönke akzeptiert nur zögernd, dass seine besten Zeiten ebenso vorbei sind, wie die des Dorfkrugs, den er in der dritten Generation führt.
Dörte Hansen zeichnet mit viel Liebe zu ihren Figuren und zu Details die Geschichte des fiktiven Brinkebülls nach, das sich ebenso wie seine Bewohner im Laufe der Zeit vielen Veränderungen stellen musste. Viele ist verschwunden, wie die Pflastersteine, die kleinen Höfe, der Kaufmannsladen oder auch die Mittgasstunde, die früher den Dorfbewohnern heilig war.
Durch die Augen Ingwer Feddersens, der das Dorfleben ebenso kennt wie das in der Stadt, bekommt der Leser einen Einblick in die Geschichte des Dorfes und ihrer zum Teil sehr speziellen bis eigenwilligen Bewohner, wie Hanni Thomsen der tagtäglich mit seinem Mofa durch das Dorf düst oder Ingwers Mutter Marret, die mit ihren Klapperlatschen durch das Dorf läuft und auch jedem, der es nicht hören will, den nahenden Untergang voraussagt. "Man konnte Marret Feddersen von Weitem hören, wenn sie in ihren weißen Klapperlatschen angelaufen kam. Sie trug die alten Dinger immer. Schiefgetretene Holzsandalen, auch bei Schnee und Eis. Wozu noch Schuhe kaufen. Die Leute seufzten, wenn sie das Klappern auf der Straße hörten. Dor kummt de Ünnergang al wedder. Es passte manchmal schlecht." Aber auch Marret mit ihrer speziellen Art hat ihren Platz in der Gemeinschaft, das Dorf hält zusammen in guten und in schweren Zeiten. Beispielhaft dafür stehen Ingwers Großeltern, die einige Schicksalsschläge haben meistern müssen und trotz einiger tragischer Erlebnisse auf die Gnadenhochzeit zusteuern, die groß gefeiert werden soll.
Der Roman vereint Melancholie und Witz, Hannelore Hoger liest ihn pointiert und mit viel Gefühl für die Charaktere. Stellenweise hat mich bei ihrem Vortrag die Tendenz zum Nuscheln gestört, Dörte Hansen großartiger Erzählstil hat mich wieder vollauf begeistert.

Veröffentlicht am 05.04.2019

ein erschreckend düsterer aber realistischer historischer Krimi aus Stockholm

1793
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Der Roman „1793“ von Niklas Natt och Dag fällt ins Auge durch sein schlichtes und doch prägnantes Cover. In Schweden ein Erfolgsroman wird er vom Piper Verlag stark beworben und hat bei mir als Liebhaber ...

Der Roman „1793“ von Niklas Natt och Dag fällt ins Auge durch sein schlichtes und doch prägnantes Cover. In Schweden ein Erfolgsroman wird er vom Piper Verlag stark beworben und hat bei mir als Liebhaber sowohl skandinavischer Krimis als auch historischer Romane Neugier geweckt. Die Beschreibungen als düsterer und sehr brutaler Roman haben mich abgeschreckt eine Weile zögern lassen, inzwischen bin ich froh, der Geschichte doch eine Chance gegeben zu haben.
Dieser Roman lässt sich schwer in eine Schublade stecken; für mich ist er in erster Linie ein historischer Roman mit einer Kriminalgeschichte als Rahmenhandlung, anhand derer die zu dieser Zeit herrschenden Lebensbedingungen und politischen Entwicklungen im Stockholm des Jahres 1973 geschildert werden. Es entsteht ein sehr düsteres Bild, viele Menschen leben in Armut unter sehr schwierigen Bedingungen, Unrat verdreckt die Stadtviertel, Krankheiten breiten sich aus, daneben lebt der Adel im Überfluss und herrscht mit Willkür über die einfacheren Menschen, die sich nicht wehren können.
Cecil Winge ist ein für diese Zeit ungewöhnlicher Jurist, der den Angeklagten Gelegenheit geben möchte, sich zu erklären und zu verteidigen. Als im sogenannten „Fatburen“, einem verdreckten See in der Stockholmer Innenstadt, der Mitte des 19. Jahrhunderts zugeschüttet wurde, ein grausam zugerichteter Leichnam gefunden wird, bekommt Winge den Auftrag, den Fall aufzuklären. Die Zeit ist knapp zum einen aufgrund drohender Machtverschiebungen in der Stadt aber auch durch seine fortschreitende TBC Erkrankung. Unterstützung bekommt Winge durch den ehemaligen Soldaten Mickel Cardell, einem Einzelgänger, dem die Praktiken der Stadtwache ein Dorn im Auge sind und dem das Schicksal des Toten keine Ruhe lässt, nachdem er zur Bergung des Leichnams hinzugerufen wurde.
Das Buch ist in 4 Teile untergliedert, im ersten und vierten stehen Cecil Winge und Mickel Cardell mit der Aufklärung des Falls um den Toten im Fatburen im Mittelpunkt. Der 2.Teil stellt einen Bruch dar mit einem überraschenden Rückblick, einer anderen Erzählperspektive und einer neuen Hauptperson. In beiden Mittelteilen stehen die historischen Umstände im Mittelpunkt, die Missverhältnisse unter den verschiedenen Gesellschaftsschichten. Nach und nach erschließen sich die Zusammenhänge und die Bedeutung der scheinbar zufällig auftretenden Figuren für die Entwicklung des Kriminalfalls.
Mich hat der Roman nach meinen anfänglichen Vorbehalten positiv überrascht und sowohl sprachlich als auch inhaltlich begeistert. Man spürt dem Roman an, dass dem Autor die Geschichte Stockholms und besonders dieser Zeit sehr am Herzen liegt, in der zum ersten Mal von Teilen der Bevölkerung die bis dahin übliche Vererbung von Macht infrage zu stellen, und in der der Grundstein für unsere heutige Demokratie gelegt wurde. Der Roman wirkt sehr gut recherchiert, die Darstellungen sind sehr detailliert, sehr bildhaft, die verschiedenen Erzählperspektiven machen sie Geschichte lebendig und ergeben eine vielschichtige Sicht auf die Situation. Es entsteht ein deutliches wenngleich erschreckend düsteres Bild dieser Stadt, die heute so viel leuchtender und freundlicher erscheint. Wenn ich im Sommer ein paar Tage in Stockholm verbringe, werde ich einige Straßen und Viertel mit ganz anderen Augen betrachten.
Ich habe mich gefreut zu lesen, dass Niklas Natt och Dag bereits an einem weiteren historischen Roman arbeitet, der im Folgejahr 1794 angesiedelt sein soll.