Die Autorin kannte ich bislang nicht, aber das Cover in Kombination mit dem Titel hat mich sofort neugierig gemacht, weil mir das Konzept "That Girl" in feministischen Kreisen schon begegnet ist.
Die Geschichte ...
Die Autorin kannte ich bislang nicht, aber das Cover in Kombination mit dem Titel hat mich sofort neugierig gemacht, weil mir das Konzept "That Girl" in feministischen Kreisen schon begegnet ist.
Die Geschichte hat eine extreme Sogwirkung entfaltet, ich habe das Buch innerhalb eines Tages gelesen. Die verschiedenen Textformen (Chats, Manuskriptausschnitte, normale Erzählung) machten das Lesen leicht und abwechslungsreich. Das Titelthema wird in meinen Augen ausreichend dargestellt und kritisiert. Es nimmt jedoch bei Weitem nicht die komplette Geschichte ein. Vielmehr geht es um toxische Beziehungen und Dating, vor allem aber auch um Freundinnenschaft. Die Protagonistin ist vielschichtig, ihre Freundinnen hätten für mich noch ausführlicher dargestellt werden können.
Vor allem die zentrale Beziehungsgeschichte ist so geschickt geschrieben, dass ich selbst nicht wusste, ob das ungute Bauchgefühl nun berechtigt ist oder nicht. Die Loyalität der Freundinnen hat sich währenddessen immer wie eine liebevolle Umarmung angefühlt.
Alle, die Wut auf Selbstdarstellung, übersteigerte Optimierungsansprüche und Männer haben, werden hier eine tolle Lesezeit haben.
Was für ein großartiger Roman, ich bin nur so durchgeflogen - schon jetzt unter meinen Top 3 dieses Jahr!
Das Cover ist rückblickend einfach so gut gewählt, weil es auf seine schlichte Art irgendwie schön ...
Was für ein großartiger Roman, ich bin nur so durchgeflogen - schon jetzt unter meinen Top 3 dieses Jahr!
Das Cover ist rückblickend einfach so gut gewählt, weil es auf seine schlichte Art irgendwie schön und traurig zugleich ist - genau wie der Inhalt.
Protagonistin der Geschichte ist Jess. In ihrem ersten Job bei Goldman Sachs ist sie die einzige Frau und die einzige Schwarze - eine Kombination, die es ihr alles andere als leicht macht. Der Roman dreht sich aber gar nicht in erster Linie um ihre Diskriminierungserfahrung, auch wenn mensch beim Lesen trotzdem ein gutes (beklemmendes) Gefühl dafür bekommt. Vielmehr ist „Alles gut“ eine Enemies-to-Lovers-Geschichte mit einem ausgeprägten gesellschaftskritischen Blick. Denn in ihrem Job trifft Jess nach der Uni wieder auf Josh, der auf den ersten Blick ihr Gegenteil zu sein scheint: weiß, mittelständig, männlich, konservativ. Das klingt verdammt unattraktiv, I know, aber ich muss sagen, dass die Autorin ein unfassbares Talent für ihre Charaktere hat. Ich sympathisiere überhaupt nicht schnell mit männlichen, konservativen Figuren, bei Josh ist das aber passiert. Manche Leser:innen fanden wiederum Jess unsympathisch, weil zu emotional. Dem kann ich nicht zustimmen, ich halte ihre Emotionalität zumindest überwiegend für eine verständliche Reaktion auf ihre Erfahrungen. Der Roman wirft für mich sehr differenziert die Frage auf, wie sehr eine Person gesellschaftliche Missstände sachlich und analytisch betrachten kann, wenn sie selbst unter ihnen leidet - und ob diese Betrachtung nun wertvoller ist als eine Reaktion aus Betroffenheit heraus.
Beide Protagonist:innen sind unfassbar vielschichtig geschrieben. Ich konnte mich sehr gut in sie einfühlen, beide sind mehr als die Summe ihrer (politischen) Einstellungen und haben trotz aller Unterschiede eine Menge Gemeinsamkeiten, gleichzeitig rollten sich mir an manchen Stellen die Fußnägel hoch. Sei es wegen rassistischer Einstellungen von Josh oder wegen konfliktvermeidenden Verhaltens von Jess. Ein extrem nuanciertes Buch, das es schwer macht, sich klar auf eine Seite zu schlagen und dafür plädiert, sich nicht in Echokammern zurückzuziehen ohne dabei diskriminierende Einstellungen unkritisch zu billigen. Das Ende strotzt nur so vor Spannung aufgrund ungelöster Konflikte, was durchaus etwas unzufriedenstellend ist für harmoniebedürftige Wesen, aber irgendwie auch eine Realität von Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten abbildet. In meinen Augen ein verdammt gutes Debüt und eine absolute Leseempfehlung.
Liv Strömquist hat hier wieder eine gut recherchierte und vielfältige Graphic Novel geliefert, die mit dem typisch trockenen Strömquist-Humor daherkommt. Mir dröhnte nach der Lektüre ein wenig der Kopf, ...
Liv Strömquist hat hier wieder eine gut recherchierte und vielfältige Graphic Novel geliefert, die mit dem typisch trockenen Strömquist-Humor daherkommt. Mir dröhnte nach der Lektüre ein wenig der Kopf, aber das spricht nur für die Dichte des Buches. Außerdem fühlte ich mich wiederholt bestätigt und motiviert. Inhaltlich kann ich also kaum etwas Negatives sagen.
In sieben Abschnitten widmet sich die Autorin dem Selbstoptimierungsdruck unserer neoliberalen Gesellschaft und argumentiert im Kern antikapitalistisch. So beleuchtet sie die milliardenschwere Wellnessbranche, welche Spaß und Glück kommodifiziert und kaufbar gemacht hat, während diese genau durch diese Nutzbarmachung quasi unerreichbar werden; ebenso wie den menschlichen Versuch, den Tod als absolut unkontrollierbares und dadurch zutiefst beängstigendes Ereignis durch unzählige Selfcare-Elemente doch kontrollieren zu wollen. Spannend fand ich die Darstellung der zunehmenden Unfähigkeit unserer Gesellschaft, Raum zu lassen für unangenehme Gefühle (Enttäuschung, Trauer, ...). Diese resultiert in einem individualisierten Druck, alle Probleme zu lösen bzw. sich selbst zu heilen - wobei die zwanghafte Vermeidung von Schmerz schlussendlich zu weniger Lebendigkeit führt.
Im Weiteren geht es um Menschen, in der Öffentlichkeit oder nicht, die anderen ungefragte Ratschläge geben - und dass das nicht aus einem vermeintlichen Altruismus heraus passiert, sondern weil sich das Beratschlagen so gut anfühlt. Zudem wird die These dargestellt, dass es vielleicht gar kein "authentisches Selbst" gibt, weil das immer in Relation zu anderen Menschen (ent-)steht, und dass das von spirituellen Influencer:innen/Autor:innen gepredigte "Folgen der inneren Wahrheit als einzige moralische Instanz" genauso brandgefährlich ist, wie es für mich klingt - weil dann grundlegende Moralfragen einfach individualisiert übergangen werden können (erinnert mich an Spiris, die nach jahrelangem Veganismus auf "körperliches Drängen" hin doch wieder Fisch essen mussten). Dass die Startbedingungen im Kapitalismus vor allem von Glück bestimmt sind und eben nicht alle die gleichen Chancen haben, wussten wir schon. Interessant fand ich hier aber den Vergleich von Religion und Selbsthilfe insofern, dass in beiden Fällen Priviligierte ihre Position zu legitimieren versuchen ("von Gott so gewollt" vs. "hart erarbeitet, verdient"). Und dass wir, statt unser eigenes, gar nicht mal so beinflussbares Leben kontrollieren zu wollen, unsere Kapazitäten lieber gemeinsam darauf verwenden sollten, die ungerechten Systeme umzubauen - denn die sollten ja gerade die angeborenen Ungleichheiten auffangen und sie nicht verschärfen. Und abschließend gibt es zu lernen, dass Selbsthilfelektüre sowie entsprechende Coachings uns versprechen, alle Lebensbereiche optimieren zu können, wobei durch die erneute Kommodifizierung das Leben zu einem einzigen Leistungsbereich wird, in welchem wir aufgrund unzähliger Optionen und angesichts der Möglichkeit eines ständigen Scheiterns nur unglücklich sein können. Also ganz klar: Finger weg von Heils- und Optimierungsversprechen, stattdessen Ärmel hoch für die Schaffung gerechter Utopien.
Nun zum Negativen: Nicht ganz passend fand ich den Klappentext, laut welchem sieben Influencer:innen dieser Branche in den Fokus genommen werden sollten. Das habe ich so nicht als zentrales oder leitendes Element wahrgenommen. Gestört haben mich außerdem die englischsprachigen Textauszüge. Ich selbst kann sie zwar übersetzen, aber so wird meiner Meinung nach die Zugänglichkeit reduziert. Und das Ende kam mir ein wenig abrupt vor, da hätte ich mir irgendwie einen runderen Schluss gewünscht. Aber vielleicht ist auch genau das der Punkt - schließlich soll ja auch Raum sein für Enttäuschung und offene Fragen. 😉
Eine klare Empfehlung für alle, die sich philosophische Positionen und wissenschaftliche Erkenntnisse rund um Selfcare/Selbsthilfe auf kompaktem, aber dennoch anspruchsvollem Weg zu Gemüte führen wollen.
Dieser Roman zeigt einmal aufs Neue, welch hohe Qualität der Pola-Verlag in seinem ersten Programm zu bieten hat. Auch „The Freedom Clause“ behandelt eine progressive Geschichte rund um weibliche Selbstbestimmung ...
Dieser Roman zeigt einmal aufs Neue, welch hohe Qualität der Pola-Verlag in seinem ersten Programm zu bieten hat. Auch „The Freedom Clause“ behandelt eine progressive Geschichte rund um weibliche Selbstbestimmung und hinterfragt ansatzweise den Standard einer heteronormativen, monogamen Beziehung.
Trotz meiner bislang guten Erfahrungen mit dem Verlag war ich ein bisschen skeptisch, ob ich hier nicht einfach zwei Protagonist:innen auf ihrer 6uellen Reise begleite. Doch auch, wenn der Aufhänger die teilweise Öffnung der Beziehung von Daphne und Dominic ist, geht es erstaunlich wenig um spicy Szenen und umso mehr um viel grundlegendere Fragen zu Selbstentwicklung und Beziehungen.
Das Paar im Zentrum der Handlung kennt sich seit Unibeginn und ist dementsprechend schon das gesamte Erwachsenenleben zusammen. 6uell scheint es dabei weniger rund zu laufen als in manch anderen Lebensbereichen, was Dominic dazu bringt, Daphne ein Abkommen vorzuschlagen: Die Freiheitsklausel erlaubt es ihnen, einmal jährlich eine Nacht mit einer anderen Person zu verbringen. Im Abkommen sind zudem weitere Regeln definiert, die diese Idee aber wenig überraschend auch nicht zu einer sonderlich guten machen. Dabei wird jedoch an keiner Stelle suggeriert, offene Beziehungsformen seien grundlegend irgendwie besser oder schlechter. Der Roman bezieht dazu meiner Meinung nach gar keine Stellung und behandelt alternative Beziehungsmodelle schlicht neutral.
Im Laufe der kommenden fünf Jahre tritt zutage, dass die beiden ganz grundlegende Unterschiede haben und sie sich noch in einer Lebensphase befinden, in der viel persönliche Entwicklung stattfindet. Und genau das ist das authentische Kernelement des Romans, welches ihn für mich so fesselnd gemacht hat. Dominic hat mit konkreten Unsicherheiten und auch einer bestimmten Männlichkeitsvorstellung zu kämpfen, für Daphne stehen vielmehr die eigenen (6uellen, aber nicht nur) Bedürfnisse im Fokus. Das Buch behandelt darüber hinaus die gesellschaftlichen Ansprüche an Frauen und transgenerationale Weitergabe.
Hannah Sloane hat hier einen Roman geschrieben, der so gut von seinen Figuren getrieben wird, dass ich ihn nicht aus der Hand legen wollte. Sie entwickelt die beiden Protagonist:innen unglaublich stark, ohne in Klischees abzurutschen. Ich mochte den klaren feministischen Ton, den lockeren Schreibstil, die emotionale Vielschichtigkeit und den fein eingesetzten Humor, mit dem Daphne ihre Erlebnisse verarbeitet. Ich habe mir fast ein bisschen mehr Spice gewünscht, allerdings hätte der vielleicht auch vom eigentlichen Thema abgelenkt. Das Cover finde ich ein wenig „billig“ gehalten, was der Tiefe der Geschichte nicht gerecht wird. Abgesehen davon aber eine klare Leseempfehlung.
Ich glaube, wer Giulia Beckers Humor kennt und mag, wird hier sehr glücklich sein - ich zumindest war es. ❤️
Das zweite Buch der Autorin ist kein Roman, sondern eine Sammlung verschiedenster Texte und ...
Ich glaube, wer Giulia Beckers Humor kennt und mag, wird hier sehr glücklich sein - ich zumindest war es. ❤️
Das zweite Buch der Autorin ist kein Roman, sondern eine Sammlung verschiedenster Texte und auch Textformen. Ob diverse Selbsttest („Bin ich ein Vampir?“), ein Michael-Bublé-Haiku, endlich einmal ernstzunehmende Horoskope (Gesundheitlich sollten sich wirklich alle Sternzeichen in Acht nehmen!) oder die Erzählung der einen Nacht, in welcher die Autorin nachts bei Media Markt eingeschlossen wurde. Und wer wollte nicht schon immer einmal wissen, welchem Strandtyp die Städte Hamburg und Leipzig eigentlich entsprechen? Einen krönenden Abschluss bildet meiner Meinung nach die Folge „Das perfekte Dinner“, die so chaotisch wie nur irgend möglich abläuft.
Beckers ganz spezieller Humor ist schwer in Worte zu fassen. Hier trifft eine bis ins kleinste Detail zugespitzte Absurdität des Alltags auf Satire und Selbstironie. Die Stimme der Autorin im Ohr zu haben, fand ich beim Lesen sehr bereichernd. Ohne das, ist es vielleicht ein bisschen zu abgedreht. Auch ich habe mich wiederholt gefragt, was ich eigentlich gerade gelesen habe, aber genau darum geht es irgendwie.
Doch die Texte kommen auch nicht gänzlich ohne Gesellschaftskritik aus. Die muss mensch zwar manchmal suchen, doch auf diese Art thematisiert die Autorin z. B. hegemoniale Männlichkeit, Sexismus und Fettfeindlichkeit.
Ich hatte einfach eine richtig gute Zeit mit dem Buch. Es wird mich thematisch aufgrund der Überspitzung jetzt nicht mehr großartig beschäftigen, aber den Anspruch hatte ich auch nicht. Klare Empfehlung für Fans der Autorin!