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Veröffentlicht am 09.03.2023

Gesetzlose

Der Paria
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Alwyn, ein junger Gesetzloser ist nicht nur gut mit einer Waffe sondern hat auch einen scharfen Verstand. Als seine Bande von Gesetzlosen verraten wird, steht er alleine da und findet sich auf dem Weg ...

Alwyn, ein junger Gesetzloser ist nicht nur gut mit einer Waffe sondern hat auch einen scharfen Verstand. Als seine Bande von Gesetzlosen verraten wird, steht er alleine da und findet sich auf dem Weg in die Minen wieder, wo er als Gefangener arbeiten soll. Dort lernt er Sihlda kennen, eine gottesfürchtige Frau, die ihn Lesen und Schreiben lehrt und ihm viel über den Glauben an die Märtyrer beibringt. Später, den Minen nur mit Müh und Not entkommen, trifft er eine weitere gottesfürchtige Frau, Evaldine, die ihn mit ihren Worten in den Bann schlägt, und anderen Seite er fortan gegen die dunklen Mächte kämpft, die das Reich bedrohen.

Der Auftakt zu Anthony Ryans neuer Trilogie ist ganz anders als ich erwartet hatte. Die erste Hälfte ist überraschend langatmig und teilweise sogar langweilig und man wird nur lagsam in die Geschichte und Alwyns Welt eingeführt. Ryan schafft es zwar eine Atmosphäre heraufzubeschwören, dies geht jedoch im Falle des "Paria" etwas auf Kosten der Spannung. Auch von den angekündigten Fantasyelementen ist nur wenig zu spüren, auch wenn mit dem Glauben an die Märtyrer hier der Grundstein für alles Kommende gelegt wird, vermute ich.

Ab der Hälfte wurde die Geschichte dann jedoch zunehmend interessanter, ich mochte den Umgang mit Intrigen und mit den zwischenmenschlichen Aspekten, sodass ich mich zunehmend für die einzelnen Charaktere erwärmen konnte. Wie von Ryan gewohnt spart er auch nicht an Blut oder Exkrementen und so geht es manchmal doch sehr brutal zu, ohne dass ich jedoch das Gefühl hatte, es wird mir zu viel. Alwyn selbst ist ein interessanter Charakter und Ryan stellt seinen erzälerischen Fokus auch sehr auf seinen Hauptcharakter ein. Was ich nicht ganz so mochte, waren die ständigen Einwürfe aus der Zulkunft à la 'Hätte ich damalas das gewusst, was ich jetzt weiß, hätte ich anders gehandelt' aber das mag ich generell nicht so in Büchern.

Alles in allem mutet "Der Paria" teilweise eher wie ein historischer Roman inklusive religiösem Eifer und Fanatikern an, statt wie ein Fantasy-Roman. Das letzte Drittel hat mir tatsächlich am besten gefallen, da ich hier wieder das für Anthony ryan typische Fantasyfeeling bekam und ich mich endlich 'angekommen' fühlte. Man mag nun sagen, das ist sehr spät um Interesse an einer Geschichte zu entwickeln, dennoch hat Anthony Ryan genug Interesse bei mir geweckt um Alwyns Geschichte weiter zu verfolgen. Man sollte allerdings im Hinterkopf behalten, dass "Der Paria" kaum mit der Rabenschatten-Trilogie o.ä. vergleichbar ist, und ein deutlich gemächlicheres Erzähltempo hat.

Veröffentlicht am 03.03.2023

Dschomba

Dschomba
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Ein regnerischer Novembertag 1954 bringt ein Spektakel auf dem Friedhof von Erferding: Auf den Gräbern tanzt ein nackter Mann während in der Leichenhalle die Kränze gerichtet werden sollten. Dieser nackte ...

Ein regnerischer Novembertag 1954 bringt ein Spektakel auf dem Friedhof von Erferding: Auf den Gräbern tanzt ein nackter Mann während in der Leichenhalle die Kränze gerichtet werden sollten. Dieser nackte Mann ist Dragan Džomba, der schließlich im Pfarrhaus unterkommt und sich langsam in die Dorfgemeinschaft eingewöhnt. Nur einer will ihn nicht akzeptieren und hetzt beständig gegen ihn.

Der Anfang ist vielversprechneder, ich mochte den Dechant und Dragan sehr gerne, generell gefallen mir die Dynamiken zwischen den Personen. Der eine, der ihn nicht akzeptieren will, der grundlos jemanden sucht um seine Wut abzulassen trübt die Stimmung und lässt Dragan doch immer das Fremde anhaften. Leider flacht die Geschichte um Dragan im Mittelteil recht schnell ab, ich mochte den Handlungsstrang der Gegenwart nicht so richtig und es fehlte mir insgesamt etwas an Tiefe. Die Geschichte wird jedoch wieder interessant und zunehmend melancholischer und entwickelt sich zu einer Geschichte über Freundschaft, Familie, Ausgrenzung und Verlust, die mir dann wieder gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 20.02.2023

Young Mungo

Young Mungo
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Mungo ist sanfter als seine Geschwister, er versteht nicht, warum sich Protestanten und Katholiken bekämpfen müssen, doch sein Bruder will ihn als Mitglied seiner Bande, er will einen Mann aus Mungo machen. ...

Mungo ist sanfter als seine Geschwister, er versteht nicht, warum sich Protestanten und Katholiken bekämpfen müssen, doch sein Bruder will ihn als Mitglied seiner Bande, er will einen Mann aus Mungo machen. Die Mutter ist Alkoholikerin und schert sich nur wenig um ihre Kinder, Mungos Schwester sorgt sich um den kleinen Bruder, denkt jedoch vorrangig an ihre eigenen Träume und Ziele aus den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen. Als Mungo den Nachbarsjungen trifft, entwickelt sich eine Freundschaft und Mungo scheint zum ersten Mal glücklich. Als aus der unbedarften Freundschaft mehr wird und Munos Bruder die beiden entdeckt, schickt ihn seine Mutter auf einen Angelausflug mit zwei alten Männern, sie sollen ihm zeigen, wie es ist ein Mann zu sein und ihm die Homosexualität austreiben. Denn alles ist egal, nur "so einer" darf Mungo nicht sein.

Douglas Stuart hat, wi schon bei Shuggie Bain, mit Young Mungo einen sehr deprimierenden und hoffnungslosen Roman geschrieben. Mungos Leben ist trostlos ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Nur die Beziehung zu James gibt ihm einen Funken Zuversicht, er will mit ihm weggehen, ausbrechen aus dem Glasgow, das er kennt. Doch diese damals verbotene Liebe ist so schambehaftet für die ausenstehenden Familienmitgliedern, dass die Mutter ihn lieber mit zwei völlig fremden, pädophilen Alkoholikern auf Angeltour schickt, statt sich mit ihrem Sohn auseinanderzusetzen.

Ich muss gestehen, mir war das Setting auf Dauer zu gewaltvoll und hoffnungslos, nirgends lauert ein Funke ZUversicht, Mungo ist auf sich allein gestellt und schwankt zwischen kindlicher Unschuld und dem gewalttätigen und starken Mann, den dieser Ausflug aus ihm zu machen droht. Denn er muss viel erleiden und viel tun um ihn zu überstehen. Young Mungo ist kein schlechtes Buch, Stuart weiß zu schreiben und Szenen eindrücklich zu beschreiben, doch v.a. in der ersten Hälfte hatte ich als Leserin teilweise das Gefühl auf der Stelle zu treten, wusste ich doch noch nicht, wohin sich diese Reise entwickelt. Erst ab der Hälfte passieren gravierende Dinge und man hat das Gefühl, die Geschichte nun zu verstehen, das ganze Ausmaß zu begreifen.

Veröffentlicht am 20.02.2023

Familien

Männer sterben bei uns nicht
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Ein prachtvolles Anwesen am See, eine Familie voller Frauen, die Männer abwesend oder tot, die Stimmung angespannt, die Kluft zwischen dem reichen teil der Familie und dem angeheirateten, der nur geduldet ...

Ein prachtvolles Anwesen am See, eine Familie voller Frauen, die Männer abwesend oder tot, die Stimmung angespannt, die Kluft zwischen dem reichen teil der Familie und dem angeheirateten, der nur geduldet wird, deutlich spürbar. Dort lebt Luise, Liebling der Großmutter, als glorreiche Erbin des Reichtums auserkoren. Als die Großmutter stirbt, kommen alle Frauen der Familie wieder zusammen, doch mit ihnen kommen auch die alten Geheimnisse und Vorwürfe.

Annika Reich erzählt hier eine Familiengeschichte, die sie solide ausarbeitet, doch die Charaktere der Frauen bleiben blass. Im Grunde passiert kaum etwas auf den knapp 200 Seiten, es geht mehr um die Gedanken und zwischenmenschlichen Verknüpfungen, auf die Geheimnisse und Wahrheiten vor denen Luise all die Jahre die Augen verschloss. Und sie muss sich fragen, will sie ihr Erbe antreten und so werden wie die Großmutter? Oder will sie entkommen aus diesem abgelegenen Anwesen, das sie immer von anderen abgetrennt hat?

Keine der Frauen hat mich sonderlich berührt, doch die Geschichte lässt sich zügig und problemlos lesen. "Männer sterben bei uns nicht" ist kein zwingend schlechtes Buch, hat mich jedoch nicht umgehauen und die Personen haben mir leider nichts gegeben. Ich hätte mir mehr charakterliche Tiefe gewünscht, mehr Einblicke in die Familie, sodass ich ihr Wesen, ihr Fundament besser verstehen kann. Deshalb gibt es von mir eine eingeschränkte Empfehlung, kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 15.02.2023

(Ohn)Macht

Macht
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Vor Jahren gab es einen Vorfall, der Livs Leben für immer verändert hat, ein Vorfall, den sie lange nicht beim Namen nenne kann: Vergewaltigung. Sie gibt sich dem Glauben hin, die Vergangenheit hinter ...

Vor Jahren gab es einen Vorfall, der Livs Leben für immer verändert hat, ein Vorfall, den sie lange nicht beim Namen nenne kann: Vergewaltigung. Sie gibt sich dem Glauben hin, die Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben, lebt ihr Leben, sie ist glücklich mit ihren Kindern und ihrem Mann Terje. Doch immer wieder schleichen sich die Folgen in ihren Alltag ein, alltägliche Situationen machen ihr Angst und drohen sie zurück zu werfen in ein kleines Zimmer, das sie lieber verschlossen hielte. Liv ist Pflegerin und als eine neue Patientin eingeliefert wird, deren Bruder der Vergewaltigung beschuldigt war, kommt die Vergangenheit noch viel stärker zurück und Livs Leben droht auseinander zu fallen.

Mit "Macht" schildert Heidi Furre die Folgen einer Vergewaltigung ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Die Auswirkungen auf Livs leben sind spürbar, erlebbar und doch wirkt durch Furres Schreibstil alles auch irgendwie distanziert. Liv steht mehr für ihre Geschichte, denn als eigenständige Person, sie ist eine von 10 Frauen, eine von 10 die einen Vorfall durchlebt haben, doch sie selbst ist wenig greifbar. Dadurch weckt Furre einerseits die Aufmerksamkeit, sie lenkt den Blick auf die anderen, auf alle Betroffenen, nicht nur auf einen Einzelfall. Überall könnte eine von diesen 10 Frauen stehen, vielleicht lebt sie direkt neben uns?

"Macht" ist ein wichtiges Buch, denn noch immer werden Vergewaltigungen zu oft unter dem Deckmantel des Schweigens begraben, die Scham ist zu groß, die Macht des Gegenübers zu niederschmetternd. In "Macht" geht es nicht um die Tat als solche, sondern um die Auswirkungen auf ein Leben, um die Macht, die sich alle Oper wieder zurückerobern müssen, um den Mut, die Vergewaltigung zu überleben, um den Weg, nicht mehr nur das Opfer zu sein, sondern ein(e) Überlebende(r).

Sprachlich und stilistisch hat mich Heidi Furre mit diesem Buch nicht ganz überzeugt, das Ende wirkt etwas abrupt, die Interpretation bleibt offen, doch ich sehe "Macht" als ein Buch, das für das Thema Vergewaltigung sensibilisiert und den Blick auf das Leben danach lenkt.