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Veröffentlicht am 29.03.2024

Must-read

Schwestern
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Julia Korbik liefert mit ihrem neuen Buch eine Mischung aus Anklage am Ist-Zustand, utopischer Zukunftsvorstellung und hoffnungsvollem So-könnte-es-klappen.



All´ die Gedankengänge, die mich momentan ...

Julia Korbik liefert mit ihrem neuen Buch eine Mischung aus Anklage am Ist-Zustand, utopischer Zukunftsvorstellung und hoffnungsvollem So-könnte-es-klappen.



All´ die Gedankengänge, die mich momentan und über die letzten Jahre hinweg beschäftigen, greift Julia Korbik auf und schafft es auf wunderbar wertschätzende Weise, anklagend ohne erhobenen Zeigefinger, mutmachend, versöhnlich und alltagsorientiert über den Feminismus zu schreiben; das Wir-Gefühl heraufzubeschwören und zu zeigen, wie schön und stark Schwesterlichkeit ist, war und sein kann. Ich liebe es, wie sie Feminismus als Art, individuell zu leben und kollektiv zu kämpfen, auffasst und darstellt. Ich muss weder jede Frau verstehen oder mögen, noch in jeder meiner Handlungen bewusst und dezidiert feministisch sein, um mich als solche zu begreifen, als Schwester zu sehen und mir eine bessere Welt zu erträumen und erkämpfen.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Flirrend schön

Die Entflammten
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Simone Meier ist ein wunderbarer Roman gelungen, der die Geschichte einer unscheinbaren Frau und die unscheinbare Geschichte einer anderen Frau verwebt und gleichzeitig von so viel mehr erzählt; ja vor ...

Simone Meier ist ein wunderbarer Roman gelungen, der die Geschichte einer unscheinbaren Frau und die unscheinbare Geschichte einer anderen Frau verwebt und gleichzeitig von so viel mehr erzählt; ja vor allem das tut: Wortreich erzählt. Und Jo van Gogh die Aufmerksamkeit und Achtung zollt, die ihr zustehen.



Ich mag van Goghs Bilder – gerade das Straßencafé bei Nacht, das bei uns jahrelang in der Küche hing, werde ich immer lieben. Dass er zu Lebzeiten nicht berühmt und gefeiert wie heutzutage war, war mir bewusst. Nicht aber, wie er zu diesem Ruhm kam und wie er diesen einer Frau zu verdanken hat. Zeit, das zu ändern!

Bereits auf den ersten Seiten wurde deutlich, was für ein ungewöhnlicher Roman Die Entflammten ist; von Schreibstil und Erzählperspektive her. Denn Simone Meier verflechtet gekonnt das fiktive Leben einer realen Frau mit dem realen Leben einer fiktiven Frau – über Jo van Gogh-Bonger ist weniger bekannt, als ihr gerecht wird und Erzählerin Gina wie auch die Autorin füllen diese Lücken. Mir gefielen diese Überschneidungen und Vermischungen; wie Gina sich in Jo einfühlt und wiederfindet, ihr widerspricht und an ihr wächst. Gleichzeitig erweckt die Autorin mit ihrer flirrenden Sprache den warmen Süden Italiens genauso wie das wuselige Paris und Amsterdam. Das Buch ist voller Liebe, Wärme und Licht; sei es durch Gemälde, Romantik, Geschwisterliebe oder die Landschaften und dabei sonderbar, wunderbar und wunderschön geschrieben. Die Wortgespinste sind federleicht, verträumt und tänzelnd und doch auch kraftvoll; erzählen von starken, willensstarken, Frauen.

Die Erzählungen an sich handeln von einem Mikrokosmos, es sind Familiengeschichten. Und gleichzeitig geht es um viel mehr; um Kunst und Politik; zwischen den Zeilen und am Rande der Handlung sind Kritik an Patriarchat, Kapitalismus und Religion, das Aufbegehren gegen das Bestehende – egal ob in der Kunst oder Gesellschaft. Umweltschutz und Klassenkampf – Meier gelingt es, historisch und aktuell zugleich zu schreiben; einen großen Bogen zu spannen. Es geht um Männer, Künstler, Ginas Vater; so scheint es jedoch nur, denn letztlich erzählt das Buch einfühlsam von Frauen, ihrem Lebensalltag und ihrer Realität. Ohne Jo keine Gebrüder van Gogh, ohne Gina keine Erzählung von ihrem Vater.

Die Personenliste am Anfang fand ich ausgesprochen hilfreich; ein kurzes historisches Nachwort hätte ich mir dennoch gewünscht – so habe ich im Nachhinein noch recherchiert; gerade zum Thema Prostitution und sexuelle Ausbeutung im künstlerischen Umfeld hätte ich aber gerne noch eine Einordnung und Ausführung gelesen.

Für mich hat diese Verschmelzung zweier Lebens- und Handlungsstränge, von Vergangenheit und Gegenwart funktioniert; Simone Meier konnte mich inhaltlich wie sprachlich abholen und ungeachtet der Kürze des Buches an jenes fesseln. Auf Schreibstil und Erzählweise müssen sich Leser*innen jedoch einstellen können und wollen - ich empfehle einen Vorabblick in die Leseprobe. Mich hatte die Autorin dort schon und hielt die gemachten Versprechen erfreulicherweise auch.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Aeneis neu erzählt

Elyssa, Königin von Karthago
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Eine geschickt konzipierte, durchweg unterhaltsame und berührende Erzählung von Politik und Macht, Krieg und Liebe und dem Streben nach Freiheit.



Retellings der Odyssee und anderer griechischer Sagen ...

Eine geschickt konzipierte, durchweg unterhaltsame und berührende Erzählung von Politik und Macht, Krieg und Liebe und dem Streben nach Freiheit.



Retellings der Odyssee und anderer griechischer Sagen aus weiblicher Sicht gibt es momentan viele und ich liebs. Die Aeneis, die sich an den Trojanischen Krieg anschließt und zu Roms Gründungssaga gehört, kam bisher zu kurz; wie schön, dass Irene Vallejo das nun ändert!

Vorweg: Dieses Buch ist nicht wie Circe, Die Stille der Frauen oder XY eine reine Geschichte von und über die Schwestern, Töchter, Ehefrauen und Geliebten. Elyssa und ihre Schwester erzählen, aber nicht nur. Auch Aeneas selbst und Vergil kommen zu Wort und streckenweise fieberte ich mehr mit diesen beiden als mit dem karthargischen Schwesternpaar. Dass die Männer Elyssa und Anna überstrahlten, störte mich jedoch, nachdem ich mich an ihre Erzählperspektive gewöhnt hatte, nicht und der ausgesprochen angenehme Schreibstil ließ mich zudem durch die Seiten fliegen.

Elyssa ist keine Liebesgeschichte, auch wenn Eros durchaus mitmischt und die Liebe eine wichtige Rolle einnimmt. Politik und Selbstbehauptung, das Streben nach dem eigenen Glück und Freiheit sind jedoch bedeutendere Motive und Vallejo zeigt wunderbar, wie Liebe an falschen Erwartungen und fehlender Kommunikation scheitert.

Dank dieser wunderschön geschriebenen und durchweg spannenden Geschichte konnte ich meine mythologische Wissenslücke schließen, wie es nach dem Fall Trojas weiterging, zu Roms Aufstieg kam und warum Rom und Karthago verfeindet waren – reichte mein Vorwissen doch nicht darüber hinaus, dass Vergil das Epos um Aeneas geschrieben hatte und jener zu den Ahnen der Römer gehörte. Ich wüsste noch gerne, warum sich die Autorin beim Namen der titelgebenden Figur für Elyssa statt für das bekanntere "Dido" entschieden hat.

Ein überraschender, und wie ich finde genialer, Schachzug von der Autorin war es, die Geschichte Vergils mit den Ereignissen in Karthago zu verknüpfen und Eros eine erzählende Rolle zuzugestehen; das rundete das Buch für mich ab.

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Veröffentlicht am 18.11.2023

Wohlfühlroman

Lighthouse Bookshop
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Ein wohlig-warmer Roman, perfekt für die ungemütliche Jahreszeit und für ein paar schöne Lesestunden mit einer gelungenen Mischung aus Liebe, Freundschaft, Geheimnissen und den Schwierigkeiten des alltäglichen ...

Ein wohlig-warmer Roman, perfekt für die ungemütliche Jahreszeit und für ein paar schöne Lesestunden mit einer gelungenen Mischung aus Liebe, Freundschaft, Geheimnissen und den Schwierigkeiten des alltäglichen Lebens. Besonders angetan hat mich die Stärke der Frauen und ihre Unterstützung untereinander.



Die verschrobenen, liebenswerten Menschen machen den Charme des Buches aus - Figuren mit Ecken und Kanten, ihren eigenem Schicksal und gleichzeitig warmen Herzen. Dieses Buch ist eine gemütliche Geschichte, wenig unerwartbare Ereignissen und sicherlich klassisch im Aufbau; es gibt ja schon allerhand "Kleine Läden"-Bücher und dorfige Liebesgeschichten, die genau wegen dieses charmanten Schemas funktionieren. So auch diese Geschichte, die mich dennoch in den Einzelheiten überraschen konnte und vor allem mit den Dynamiken der Frauen überzeugen konnte.

Denn es spielen zwar Männer, nun ja - mit. Doch handlungstragend sind im Guten wie im Schlechten die Frauen, ihre Ambitionen und ihre Beziehungen untereinander. Ich habe es geliebt, zuzuschauen, wie sich zwischen Edie und Gilly eine Freundschaft entwickelt, wie die Frauen füreinander da sind, sich zuhören und ganz viel Wärme und Respekt schenken. Es gibt keinen sinnlosen Optimismus und keine krampfhafte Bemühung, in einer Beziehung zu sein, sondern gemächliche Entwicklungen und ehrliche Auseinandersetzungen und Gespräche.

Ich habe mich von der ersten Seite an wohlgefühlt im Schottland Goslings und wäre am liebsten zu Tee und Shortbread dazugestoßen und fühlte mich bestens unterhalten, da die Geschichte weder unnötig aufgeregt noch komplett vorhersehbar und flach verlief.

Der Schreibstil las sich wunderbar leicht, war gespickt mit lustigen Passagen und die Perspektivwechsel trugen zur Spannung bei, da die Autorin an geschickt gewählten Momenten sprang, ohne dabei jedoch Unübersichtlichkeit zu verursachen.

Kurzum, ein Wohlfühlroman mit viel Tee und Süßem, wunderbaren Frauenfreundschaften und Spannung ohne schockierende Dramatik.

Ohne Fishergirl´s Luck gelesen zu haben, meine ich doch die Referenz auf Sharon Goslings Debüt verstanden zu haben - eine süße Anspielung und obwohl das Buch ohne Leuchtturm und Buchhandlung so gar nicht meinem üblichen Leseverhalten entspricht, bin ich geneigt, auch diese Geschichte zu lesen; so wohl habe ich mich im buchigen Schottland gefühlt!

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Veröffentlicht am 04.11.2023

Wohlfühlfantasy

Girl, Goddess, Queen: Mein Name ist Persephone
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Die Art von Jugendbuch, von der es mehr geben muss - inhaltlich überzeugend, spaßig zu lesen und mit gesunden Darstellungen von Liebe, Freundschaft und Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen und Zielen.




Bea ...

Die Art von Jugendbuch, von der es mehr geben muss - inhaltlich überzeugend, spaßig zu lesen und mit gesunden Darstellungen von Liebe, Freundschaft und Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen und Zielen.




Bea Fitzgeralds Interpretation von Hades und Persephone holte mich von der ersten Seite an ab. Und zwar literally von der ersten - mir gefiel das "Vorwort" ausgesprochen. Zu wissen, welchen potentiellen Inhalt ich (nicht) zu erwarten hatte, kreierte für mich ein angenehmes Leseklima.

Und wow, die Figuren. Ich liebe, wie sehr sich Persephone (und Hades) im Laufe des Buches weiterentwickelten; wie viel Wachstum da zu sehen war. Auch die Beziehung der Beiden zueinander ist davon geprägt und ich bin begeistert über das Level an Kommunikation - in Jugendbüchern läuft die Entwicklung zum Paar ja häufig non-verbal und in Sprüngen ab. Und ganz viel unangenehme Missverständnisse. Persephone und Hades hingegen sprechen viel miteinander und lernen, ihre Bedürfnisse zu formulieren und rücksichtsvoll miteinander zu sein. Keine unnötige Misskommunikation, die das Buch nur in die Länge zieht und Augenrollen auslöst, sondern Gespräche und Rückfragen. Das feiere ich - schade eigentlich, dass es mir auffiel; das sollte im echten Leben wie in Büchern immer so sein...

Und auch die Handlung an sich überzeugte mich - gerade weil nicht von einer Actionszene zur nächsten gehetzt wird, sondern Zeit für alltägliche Ratssitzungen, Feiern mit Freunden und Erkundungstouren ist. Dadurch hatte ich das Gefühl, die Unterwelt und Persephone kennenzulernen und bei der langsamen Rache mitzuwirken. Denn die Wut über die unfaire patriarchale Welt und der Wunsch, sie besser zu machen, treibt Persephone kontinuierlich an - ich habe es geliebt, ihr auf diesem Weg zu folgen. Spannend fand ich auch das Mutter-Tochter-Verhältnis, das nicht auf Verurteilung heruntergebrochen wird, sondern in seiner Komplexheit bestehen darf. Außerdem bin ich begeistert über die Frauenfreundschaften und wie Hades´ Bisexualität nur eine Randnotiz ist.

Die Narrativumkehr zieht Bea Fitzgerald zudem konsequent durch - Hades hat Persephone nicht geraubt; sie ist zu ihm gekommen. Nicht sie nimmt seinen Antrag an, sondern er ihren. Sie krönt sich zur Königin; nicht sie wird gekrönt. Viele Details und gleichzeitig ausdrucksstarke Szenen. Ich liebs.

Feminismus, Mythologie, ganz viel Humor und eine Prise Liebe - was für eine grandiose Kombination! Ich hatte viel Spaß und flog durch die Seiten, denn Bea Fitzgeralds Schreibstil liest sich wunderbar. Ich liebe die Schlagabtäusche zwischen Persephone und Hades und das Knistern zwischen den Beiden. Zudem gab es etliche Momente, in denen ich mich hervorragend mit Persephone identifizieren konnte und ihr oder der Autorin für gelungene Momente, Aussagen und Szenen applaudieren wollte. Ich feiere die Botschaften des Buches an junge Leser*innen - consent is sexy, Feminismus geht auch Männer was an, weil das Patriarchat tatsächlich auch sie einschränkt, Liebe ist schön, aber nicht das einzige Lebensziel und "vollständig" bist du allein schon, dafür brauchst du niemanden. 💥

Wohlfühlfantasy; der Begriff schwebte nach Beenden des Buches in meinem Kopf herum - genau das will ich künftig lesen. Denn auch wenn ich mittlerweile deutlich weniger Fantasy lese als früher, mag ich das Genre noch immer. Aber ich will keine toxischen Liebesbeziehungen mit problematischem Verhalten. Ich will keine Gewalt (gegen Frauen) nur um zu schocken bzw. ich will allgemein wissen, was ich (nicht) erwarten kann. Ich will starke Frauen, die Gefühle haben dürfen, lieben dürfen - und trotzdem selbstständig bleiben. Die nicht vollkommen in einer Beziehung aufgehen, sondern sie kontinuierlich prüfen und reifen. Ich will Frauenfreundschaften. Und all das bot mir Girl, Goddess, Queen - ich konnte die Liebesgeschichte genießen, weil sie realistisch und respektvoll war und gleichzeitig die eigentliche Handlung nicht überschrieb.

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