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Veröffentlicht am 19.05.2019

Wie ein sonniger Herbsttag, ein Lesegenuss!

Alte Sorten
1

Sally und Liss trennen nicht nur dreißig Jahre, sie sind darüber hinaus grundverschieden: Sally ist abweisend, sehr intelligent, zornig und artikuliert ihren Hass auf alles Mögliche lautstark. Liss dagegen ...

Sally und Liss trennen nicht nur dreißig Jahre, sie sind darüber hinaus grundverschieden: Sally ist abweisend, sehr intelligent, zornig und artikuliert ihren Hass auf alles Mögliche lautstark. Liss dagegen ist in sich gekehrt, beherrscht und wortkarg.
Sally ist aus einer therapeutischen Einrichtung geflüchtet, als sie unterwegs auf Liss trifft, die allein ihren Hof bewirtschaftet. Liss bittet Sally, kurz mit anzupacken, um einen Hänger aus dem Graben zu ziehen und bietet ihr eine Unterkunft für die Nacht an. Liss stellt Sally keine Fragen, und so bleibt Sally nicht nur über Nacht sondern für Wochen auf Liss Hof. Durch gemeinsame Arbeiten, auf die sich Sally nach und nach einlässt, nähern sich die beiden Frauen ohne große Worte einander an. Beide haben ein Gespür für die Verletzungen, die beide erlitten haben, deren Ursachen allmählich enthüllt werden.
Der Autor versteht es, das Innenleben der beiden Frauen, ihre Erfahrungen, Enttäuschungen auf eine so feinfühlige Art zu schildern, wie man es einem Mann kaum zutrauen möchte, und dazu noch ohne Anflug von Kitschig-Sentimentalem.
Ihre gemeinsamen Arbeiten sind so geschildert, dass der Leser sie mit allen Sinnen miterleben kann, man hört förmlich das Summen der Bienen, riecht die frische Erde bei der Kartoffelernte, schmeckt die unterschiedlichen Birnensorten und erfährt dazu noch einiges über Weinernte, Schnapsbrennen usw.
Das schön gestaltete Cover hat mich sofort angezogen, und dann fühlt sich das Buch auch noch so gut in der Hand an.
Ich bin froh, auf diese Weise den Autor Ewald Arenz und seinen einzigartigen Schreibstil kennengelernt zu haben. "Alte Sorten" gehört zu meinen Lesehöhepunkte in diesem Jahr. Es ist ein Buch , das traurig, wütend und letztlich hoffnungsvoll macht, danke dafür.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 25.03.2019

Mehr als die Geschichte einer Freundschaft

Bella Ciao
1

1946 kommt Guilia Masca als wohlhabende Frau zurück in ihre Heimat, sie besucht das Städtchen, das sie 45 Jahre zuvor fluchtartig verlassen hatte. Auslöser ihrer Flucht war, dass sie sich hintergangen ...

1946 kommt Guilia Masca als wohlhabende Frau zurück in ihre Heimat, sie besucht das Städtchen, das sie 45 Jahre zuvor fluchtartig verlassen hatte. Auslöser ihrer Flucht war, dass sie sich hintergangen sah von ihrer besten Freundin Anita. In Genua hatte sie 1901 die erstmögliche Passage nach New York gebucht und dort in eine italienische Emigrantenfamilie eingeheiratet. Zurück in Borgo di Dentro besucht sie zunächst die Plätze ihrer Vergangenheit, und es stellt sich die Frage, wie es Anita in all den Jahren ergangen ist, und wie wohl ein Zusammentreffen der ehemals besten Freundinnen ausfallen wird.
Was die beiden Freundinnen verbunden hat, wie es zu Anitas Verrat gekommen ist, die Geschehnisse in Italien wie auch in New York während fast einem halben Jahrhundert der Trennung, all das erfährt der Leser in Rückblenden, jeweils aus der Sicht der handelnden Personen, und die sind zahlreich (die den drei Abschnitten vorangestellten Stammbäume der Familien und die Listen der weiteren Presonen sind hilfreich). Die Autorin versteht es durch ihre anschauliche Sprache Bilder so direkt zu vermitteln, dass trotz ständig wechselnder Erzählperspektiven auf mir unbegreifliche Weise immer klar ist, wer gerade auf welcher zeitlichen Ebene seine Erlebnisse schildert.
Hier wird Zeitgeschichte anhand von sehr persönlichen Schicksalen geschildert, Schicksalen von einzelnen Personen wie auch von ganzen Familien. Man erfährt von den Zuständen in den Seidenspinnereien und dem Widerstand der Arbeiter(innen), den Nöten der Weinbauern, dem Aufstieg des "Duce" 1922, der Brutalität der "Schwarzhemden", dem Kampf der Partisanen und dem schrecklichen Massaker an ihnen, und muss lesen, was all dies und die Kriege und Naturkatastrophen mit den Menschen macht.
So wird Geschichte vermittelt und zugleich ein eindrückliches Bild des Lebens der Menschen im Piemont, das mitfühlen lässt.
Ein großartiges Leseerlebnis, das ich noch vielen Lesern wünsche!

Veröffentlicht am 30.03.2020

Zwei ungleiche Schwestern

Die Glasschwestern
0

Aufgewachsen in einem Dorf an der deutsch-deutschen Grenze, hatten sich die Lebenswege der Zwillingsschwestern Dunja und Saphie

Aufgewachsen in einem Dorf an der deutsch-deutschen Grenze, hatten sich die Lebenswege der Zwillingsschwestern Dunja und Saphie

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  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 08.03.2020

Mein schönstes Kochbuch

Herr Wondrak kocht so wunderbar.
0

Vorab: Vegetarier ist Herr Wondrak nicht. Trotzdem kommen die meisten seiner Rezepte ohne Fleisch aus. Es handelt sich ja meist um typische Alltags- bzw Arme-Leute-Rezepte aus seiner Jugend. Sogar die ...

Vorab: Vegetarier ist Herr Wondrak nicht. Trotzdem kommen die meisten seiner Rezepte ohne Fleisch aus. Es handelt sich ja meist um typische Alltags- bzw Arme-Leute-Rezepte aus seiner Jugend. Sogar die Bratkartoffeln werden nur zu besonderen Anlässen mit Speck veredelt.
So liebevoll, wie die Zubereitung der Gerichte beschrieben wird, fällt es sicher leicht, davon einige nachzukochen. Die Linsenrösti habe ich mir schon einmal vorgemerkt, obwohl es heißt, das Herr Wondrak große Mengen davon für die Kinder brät, die sie lieben, er selbst sie aber gar nicht mag.
Es sind die Geschichten um die einzelnen Rezepte und Janoschs Illustrationen, die dieses Kochbuch so besonders machen.
Was den Fleischkonsum angeht, ist Herr Wondrak zwiegespalten. Als das Schwein ihm klarmacht, dass es für seinen Schweinegulasch nicht sterben will, geht er zum Metzger und kauft dort eine Dose Schweinegulasch. Für Herrn Wondrak kommt wohl auch der Strom aus der Dose.
Das Rezept für den Hasenbraten wird begleitet von Illustrationen von Janosch, die zunächst Herrn Wondrak mit Flinte im Wald zeigen, wo er den Hasen trifft und abschließend steht nicht etwa ein Hasenbraten auf dem Tisch, sondern man sieht Hernn Wondrak und den Hasen am Tisch sitzen und gemeinsam an Möhren knabbern.

Als Nicht-Kochkünstlerin liebe ich Kochbücher schon allein wegen der bunten Bilder. Dieses hier wird sicher eins meiner schönsten sein.

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Veröffentlicht am 13.02.2020

Tod an der Theologischen Fakutät in Aix-en-Provence

Mord in der Rue Dumas
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Gleich vorweg: Der Krimi hat mich positiv überrascht, denn ich habe Vorurteile was "Regional"-Krimis angeht, die in angesagten Regionen oder Orten spielen, zumal wenn die Autoren nicht dort ansässig sind ...

Gleich vorweg: Der Krimi hat mich positiv überrascht, denn ich habe Vorurteile was "Regional"-Krimis angeht, die in angesagten Regionen oder Orten spielen, zumal wenn die Autoren nicht dort ansässig sind oder, noch schlimmer, Ausländer sind, die unter einem Pseudonym schreiben, das dies vortäuscht.
Mary L. Longworth macht zumindest keinen Hehl daraus, dass sie Kanadierin ist.

Mord in der Rue Dumas lebt weniger von dem Kriminalfall, der allerdings auch sehr schlüssig ist, als vielmehr durch die Personen und ihre Beziehungen untereinander, die anfangs nicht leicht zu durchschauen sind, wenn man die Reihe nicht kennt, und vor allem durch die Atmosphäre der Stadt Aix-en-Provence.
Hier kennt man sich untereinander wie typisch in einer Kleinstadt, ist verwandschaftlich, beruflich, gesellschaftlich miteinander verbandelt. Entsprechend gelangen auch die Informationen auf teilweise ungewöhnlichen Kanälen zu den beiden Ermittlern, Untersuchungsrichter Antoine Verlaque und Kommissar Bruno Paulik.

Das liest sich sehr angenehm und hat mich gut unterhalten, so dass ich nicht übel Lust hätte, mehr aus der Reihe zu lesen.

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