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Veröffentlicht am 08.03.2020

Mein schönstes Kochbuch

Herr Wondrak kocht so wunderbar.
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Vorab: Vegetarier ist Herr Wondrak nicht. Trotzdem kommen die meisten seiner Rezepte ohne Fleisch aus. Es handelt sich ja meist um typische Alltags- bzw Arme-Leute-Rezepte aus seiner Jugend. Sogar die ...

Vorab: Vegetarier ist Herr Wondrak nicht. Trotzdem kommen die meisten seiner Rezepte ohne Fleisch aus. Es handelt sich ja meist um typische Alltags- bzw Arme-Leute-Rezepte aus seiner Jugend. Sogar die Bratkartoffeln werden nur zu besonderen Anlässen mit Speck veredelt.
So liebevoll, wie die Zubereitung der Gerichte beschrieben wird, fällt es sicher leicht, davon einige nachzukochen. Die Linsenrösti habe ich mir schon einmal vorgemerkt, obwohl es heißt, das Herr Wondrak große Mengen davon für die Kinder brät, die sie lieben, er selbst sie aber gar nicht mag.
Es sind die Geschichten um die einzelnen Rezepte und Janoschs Illustrationen, die dieses Kochbuch so besonders machen.
Was den Fleischkonsum angeht, ist Herr Wondrak zwiegespalten. Als das Schwein ihm klarmacht, dass es für seinen Schweinegulasch nicht sterben will, geht er zum Metzger und kauft dort eine Dose Schweinegulasch. Für Herrn Wondrak kommt wohl auch der Strom aus der Dose.
Das Rezept für den Hasenbraten wird begleitet von Illustrationen von Janosch, die zunächst Herrn Wondrak mit Flinte im Wald zeigen, wo er den Hasen trifft und abschließend steht nicht etwa ein Hasenbraten auf dem Tisch, sondern man sieht Hernn Wondrak und den Hasen am Tisch sitzen und gemeinsam an Möhren knabbern.

Als Nicht-Kochkünstlerin liebe ich Kochbücher schon allein wegen der bunten Bilder. Dieses hier wird sicher eins meiner schönsten sein.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.11.2019

Zauberhafte Poesie

Das Leben und andere Zaubertricks - Depression and Other Magic Tricks
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In "Das Leben und andere Zaubertricks - Depression and Other Magic Tricks" werden Gedichte und Texte der kanadischen Autorin präsentiert, die die unterschiedlichsten Gefühlszustände um Liebe, Einsamkeit, ...

In "Das Leben und andere Zaubertricks - Depression and Other Magic Tricks" werden Gedichte und Texte der kanadischen Autorin präsentiert, die die unterschiedlichsten Gefühlszustände um Liebe, Einsamkeit, dem Wunsch sich Mitzuteilen und dem Unvermögen dazu, Nähe und Isoliertsein ausloten, Gefühlszustände, die auch nicht-depressiven Menschen geläufig sind.
Den Originaltexten ist jeweils die deutsche Übersetzung so gegenübergestellt, dass man beim Lesen leicht den Blick von einer Version zur anderen schweifen lassen kann, ohne den Lesefluss zu unterbrechen.
Wer den Youtube-Clip von Sabrina Benaims "Explaining my depression to my mother" noch nicht kennt, dem sei hier ans Herz gelegt, dies nachzuholen. Ihre emotionale und sprachgewandte Vortragsweise hatte mich tief beeindruckt und hat auch hier bewirkt, dass ich immer wieder auf dieses Gedicht zurückgekommen bin. Doch auch die "Zaubertricks 001 - 004" fand ich schlicht zauberhaft. In die längeren, zusammenhängenden Texte muss man sich einlesen, aber das Gemeinsame aller Texte ist die wunderbare oft bilderhafte Sprache.
In zwei Texten wendet sich Sabrina Benaim an Beyoncé, betitelt "Liebe Beyoncé" I und II, an eine, die sich mit Depression auskennt. Das ist nicht der einzige Bezug zur Musikwelt: Im größtenteils geschwärzten Text "Better together Jack Johnson, erased" bleiben einzig zwei Sätze der Lyrics des Singer-Songwriters Jack Johnson übrig, im Text "House of Cards a radiohed erasure" bleiben vom Songtext der britischen Band nur einzelne Satzfetzen stehen, und im Text "Since I met you baby Black Joe Lewis & the Honeybears erasure" ist der Songtext der Bluesband bis auf einzelne aus dem Kontext gerissene Wörter ausradiert.
Es gibt noch ein Gedicht, das mir ganz besonders gefallen hat: "Gedicht von dem Moment, nachdem du fortgegangen bist für Chimwemwe". Die Nähe, die darin zum Ausdruck kommt, tut gut.
Eine Bemerkung noch zu der grandiosen Übersetzung (von Jochen Winter): Obwohl der Übersetzer ganz nah am Originaltext bleibt, schafft er es, sowohl den Rythmus als auch die Stimmung von Sabrina Benaims Texten wiederzugeben.

Insgesamt großartig und unbedingt eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.10.2019

Authentisch, sachlich, nicht ohne Witz

Mein Leben nach dem Tod
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In "Mein Leben nach dem Tod: Wie alles begann" beschreibt der Kriminalbiologe Mark Benecke zusammen mit Co-Autor Andreas Hock in Episoden einzelne Stationen seines Lebens: thematisiert werden die behütete ...

In "Mein Leben nach dem Tod: Wie alles begann" beschreibt der Kriminalbiologe Mark Benecke zusammen mit Co-Autor Andreas Hock in Episoden einzelne Stationen seines Lebens: thematisiert werden die behütete Kindheit im Rheinland, die Wahl seiner Studienfächer, seine Zeit in New York bis hin zu der Entwicklung seiner Tattoos und seinem politischen Engagement. Neben seinem Werdegang erfährt der Leser viel über seine Sicht der Dinge, seine Einstellung zu seiner Arbeit und seiner eigenen Person.
Dass es schon einige Bücher von Mark Benecke gibt, war mir bisher gar nicht bekannt. Dies ist jedoch die erste Autobiografie, und daher handelt sie auch nicht von seiner Arbeit bzw seiner Forschung sondern seine Person und sein Werdegang steht im Mittelpunkt.
Bisher kannte ich Mark Benecke vor allem aus den kurzen Einspielern in der TV-Serie "Medical Detectives", bei denen er vor allem durch die lebhafte aber sachliche Art auffällt, in der er Zusammenhänge detailliert aber in einfacher Sprache dem Zuschauer verständlich macht.
Die Autobiografie liest sich genauso, man meint fast, Mark Beneckes Stimme beim Lesen zu hören. So gern, wie man ihm zuhört, liest man auch die einzelnen Passagen in "Mein Leben nach dem Tod". Er erweist sich als ausgesprochen sympathischer Wissenschaftler, der zielstrebig in seinem Wissendrang, völlig uneitel und mit großem Respekt vor dem Leben handelt und sich dabei der Eigenheiten seiner Person durchaus bewusst ist, sich selbst aber nicht zu ernst nimmt.
Beachtlich ist, dass er, obwohl schon als Kind speziell, dennoch während seiner Schulzeit nicht zum Außenseiter wurde. Dagegen musste ich herzlich darüber lachen, dass er sich als Student ausgerechnet des Themas "Das Liebesleben der Weinbergschnecken" angenommen hat.
Dass Mark Benecke sich durch den Film "Bladerunner" bzw. die Romane von Philip K. Dick inspiriert fühlte, kann ich gut nachvollziehen.
Er bezeichnet sich selbst als "emotionsverschoben" und zitiert Asperger, der meint, dass ein "Schuss Autismus" nötig sei, um so detailverliebt arbeiten zu können. Diese Einschätzung der eigenen Person finde ich bemerkenswert.

Das sich diese Autobiografie so gut lesen lässt, liegt nicht nur daran, dass sie den richtigen Ton trifft. Es ist die Person, um die es geht, die soviel zu erzählen hat, und deren Sicht der Welt zum Nachdenken anregt, besonders, was die Achtung vor dem Leben angeht.

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Veröffentlicht am 31.08.2019

Widerstand

Jeder stirbt für sich allein
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Spannender kann kein Thriller sein. Packend ist ist die Geschichte der Eheleute Quangel, die ihren persönlichen Widerstand leben. Ihr Schicksal und das der anderen Figuren zeigen, wie unterschiedlich Mensschen ...

Spannender kann kein Thriller sein. Packend ist ist die Geschichte der Eheleute Quangel, die ihren persönlichen Widerstand leben. Ihr Schicksal und das der anderen Figuren zeigen, wie unterschiedlich Mensschen auf Unterdrückung reagieren und in einem verbrecherischen Regime agieren, und das macht betroffen.
Nach dem Ende des Romans war ich einen Augenblick fassungslos, als ich umblätterte und mich die realen Personen, die Vorlage für Falladas Romanfiguren, von den Gestapophotos anblickten.

Veröffentlicht am 04.08.2019

Zwischen zwei Welten, grandios!

Die Rabenringe - Fäulnis (2)
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Die Erwartungen waren groß nach dem großartigen ersten Band der Trilogie. Odinskind hatte mich als eigentlich nicht durch Fantasy zu Begeisternde komplett überzeugt.
Nach der ersten Verwunderung, mich ...

Die Erwartungen waren groß nach dem großartigen ersten Band der Trilogie. Odinskind hatte mich als eigentlich nicht durch Fantasy zu Begeisternde komplett überzeugt.
Nach der ersten Verwunderung, mich mit Hirka in London wiederzufinden (was hatte ich denn erwartet, was geschehen würde, nachdem Hirka die Rabenringe passiert hat?), konnte ich nicht anders, als mitzufiebern. Wie schon im ersten Band gelingt es der Autorin, ihren Figuren einschließlich der Nebenfiguren eine Tiefe zu verleihen, die dem Leser erlauben, das Geschehen - und es gibt wieder einige unvorhersehbare Wendungen - bis zum Schluss mitzuerleben. Nach einem packenden Showdown gegen Ende und einer darauf folgenden schwerwiegenden Entscheidung bleibt nur die Hoffnung auf eine baldige Fortsetzung und die Vorfreude auf den abschließenden dritten Band. Grandios!