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Veröffentlicht am 10.02.2022

Elisa muss nur noch kurz irgendwie die Welt retten…

Die Gilde der Iris
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Die Gilde der Iris von Sylvani Barthur

Manche Tage fühlen sich doch so an, als ob man die Last der Welt auf seinen Schultern tragen müsste. Nicht im wahrsten Sinne des Wortes, aber ungefähr doch fühlbar. ...

Die Gilde der Iris von Sylvani Barthur

Manche Tage fühlen sich doch so an, als ob man die Last der Welt auf seinen Schultern tragen müsste. Nicht im wahrsten Sinne des Wortes, aber ungefähr doch fühlbar. Normalerweise trägt die Last der Welt ein Erlöser, ein Superheld, Spiderman …ähmmm…oder….ein Weltenbaum wie Yggdrasil? Das Geschehen ist das Gleiche. Der Weltenbaum braucht zwei Dinge: Einen starken Stamm und starke und feste Wurzeln um die Welt zu tragen. Und so ist es auch mit den Erlösern und Superhelden unserer Welt. Starke Wurzeln sind das A und O, das Menschen Vertrauen gibt, und sie zu Superhelden macht, die so manche Last tragen müssen. Diese Wurzeln, dieses Fundament, ist bei den meisten das, woher sie kommen, die Familie, Freunde …. Die die Wurzeln und die Last zusätzlich stützen, und ohne die der Baum, also wir zusammenbrechen würden. Denn wie hat mal ein bekannter Mann gesagt? „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“ (jaja okay, ich hör jetzt mit meiner Spiderman – Manie auf). Und wir wissen doch alle: Verantwortung zu haben für andere Menschen, das wiederum BEDARF dann auch wieder Kraft und Anstrengung und Stärke.

Warum ich das Ganze erzähle ist wegen der Verwurzelung von Elisa in vorliegendem Buch. Sie fühlt sich manchmal nicht zugehörig, zwischen den Stühlen, und damit ist ihre Wurzel nicht stark verankert. Trotzdem: dieses Gefühl des nicht dazu Gehörens, der Entwurzelung, das ist fühlbar. Und irgendwie muss man nach dem Roman darüber nachdenken. Natürlich könnte ich euch nun erzählen, dass ihr hier einen Urban Fantasy Roman vor euch liegen habt, in dem es darum geht, dass jemand die Welt retten muss vor den Bösen. Nämlich, und das ist kein Spoiler, Elisa. Doch ist nicht genau das auch das Schicksal aller Superhelden? Die Welt zu retten, die Bösen zu bekämpfen, und dem Rest der Menschheit eine Last abzunehmen? Manchmal offen, und manchmal im Geheimen? Familie und ein Zusammengehörigkeitsgefühl ist es hier, was uns beschäftigt, zusammen mit dem Thema des Zuhauses und einem Zugehörigkeitsgefühl. Ein ganz wichtiger Punkt und Aspekt, wenn es darum geht, seine Wurzeln festzulegen. Denn was ist ein Zuhause? Sind es die eigenen vier Wände? Ist das Zuhause dort, wo die sind, die man liebt? Kann ein Mensch, der uns alles bedeutet, ein Zuhause sein, wenn die Welt um uns herum uns keines bietet? Das ist für mich die zentral angelegte Frage im Buch, TROTZ, dass natürlich noch die Geschichte drum herum spielt. Und es ist eine gute Geschichte, die einem viel Spaß macht beim Lesen, die einen einfängt, und irgendwie bis zum Ende nicht loslässt. Doch nun erzähle ich euch erstmal, worum es eigentlich im Buch geht.

Die Geschichte, die uns das Buch erzählt:

Des Buches Geschichte ist eine, die man als typisch ansehen könnte, wenn man sich nicht damit beschäftigt. Denn wer das tut, und dahinter schaut, der erkennt mehr, als nur den reinen Urban Fantasy Aspekt. Elisa ist unsere Protagonistin. Sie lebt mit ihrer Mutter in Deutschland. Irgendwie doch andersartig, wird sie nicht wirklich in der Schule anerkannt. Sie spricht mit Bäumen, das ist eine ihrer großen Leidenschaften. Die Natur. Mit wem sie dagegen nicht so gerne spricht, das ist Kris, den sie bei einem Norwegisch – Sprachkurs kennenlernt, und der irgendwie …….. wie soll ich das nun ausdrücken? ……. „Babbelwasser“ getrunken hat. Für die, die damit nichts anfangen können, weil das nur in meiner Gegend so heißt: Er redet einen ständig von der Seite an, ununterbrochen, ist ständig im Redefluss und ….. Elisa ist davon wohl etwas genervt. Als plötzlich überall auf der Welt Naturkatastrophen geschehen, die nicht aufzuhalten sind, wird Elisa in ein Geschehen gezogen, von dem sie nicht begeistert ist. Denn die Katastrophen mehren sich, und sie haben einen Grund. Sind es die Bäume? Die norwegische Sprache? Die immer fortlaufenden Worte, die aus Kris‘ Mund plumpsen? Alles zusammen oder gar etwas ganz Anderes? Die Menschheit selbst? Böse Mächte? Genau das gilt es herauszufinden. Denn irgendwie muss Elisa auf einmal die Welt retten. Und wer wäre Kris, wenn er ihr nicht helfen würde. ODER doch nicht?!!? Dann ist da noch ein Geheimbund der Elisas Magie benutzen will. Denn ja, hatte ich das vergessen zu sagen? Magie gibt es auch im Buch. Sehr viel davon. Wie sonst könnte man eine Welt retten?

Cover und Titel:

Cover und Titel gefallen mir sehr gut, weil der Bezug zur Geschichte sofort gegeben ist. Wir haben die Gilde der Iris, den Geheimbund. Um welche Iris geht es hier eigentlich, und was hat sie getan, dass ihr eine Gilde gewidmet wurde? Geht es um Blumen, einen Namen? Wer oder was ist Iris? Es ist offensichtlicher, und ein wenig sieht man es auch schon auf dem Buchcover. Dass dieses so strahlend hinbekommen wurde, gefällt mir gut. Ebenso der angedeutete Geheimbund. Cover und Titel vereinen also alles in einem, und erzählen von der Geschichte des Buches, ohne zu viel zu verraten.

Fazit und Gedankenallerlei:

Erst einmal: Der Schreibstil ist anders, als man es von genretypischen Geschichten sonst kennt. Aber das hat mir selbst nichts ausgemacht. Ganz im Gegenteil war es erfrischend, diesen Mix aus Ideen und Stilen zu lesen, weil mich die Kreativität der Geschichte wirklich beeindruckt hat. Ich fand faszinierend, wie hier eine Geschichte gesponnen wurde, um ein Ereignis, das wirklich in unserer Erdengeschichte stattgefunden hat. Und zum Teil auch stattfindet. Wie sich Realität mit Fiktion mischt, und wie sie uns nachdenken lässt, obwohl die Geschichte sich um Vergangenheit, Legende und ein topaktuelles Thema dreht. Ebenso mag ich den Stilmix, den Genremix…. Wie auch immer man es nennen mag. Es springt von Urban Fantasy in alte Fantasylegenden, mit einem Spritzer Science-Fiction und einer kleinen Prise Dystopie, die dann wieder für weinige Sequenzen bei Romantasy landet und uns im Grunde genommen einfach erzählt, dass wir als Menschen besser auf unsere Erde, auf unsere Natur und unser Drumherum achten sollen, weil alles miteinander verbunden ist. Und ….. dass es immer böse Mächte gibt, die andere unterdrücken möchten, einfach wegen der Macht. Denn Macht haben über andere und alles, das ist ja DER Grund schlechthin für das Böse. Der Genrecocktail wird gerührt geschüttelt und angerichtet. Und 007 ist es diesmal nicht, der die Welt rettet, die ja auch überhaupt nicht genug ist für einige.

Die Idee die hier entwickelt wurde, hätte man anfänglich auf keinen Fall so erwartet. Selbst wenn man einiges erahnen konnte, so kamen dann in der Geschichte selbst doch Überraschungen, mit denen man nicht gerechnet hat.

Auch die Liebe zur Natur ist im Roman verwurzelt, und das im wahrsten Sinne des Wortes, spricht er doch auch über Bäume und Wälder, über die Natur, und was diese anrichten kann mit ihrer Naturgewalt.

Die Geschichte ist minimalistisch in ihrer Erscheinungsform, denn sie spielt fast die ganze Zeit in einer Höhle, in der sich aber so viel ereignet, dass es nicht langweilig wird. Dieser begrenzte Raum macht das im Buch erlebte dann aber umso intensiver, weil alles auf diesen Punkt, die Höhle und ihre Bewohner, fixiert ist. Dass das Ganze nur dort spielt, bzw. an einem Ort, bringt einen gewissen „Schutz“ von außen. Es ist wie als ob man auf die Gemeinschaft der Gilde in der Höhle schaut, und sich dort alles abspielt. Die Geschichte, die Gefühle, eine kleine Prise Lagerkoller, den wir von Formaten kennen, in denen Menschen auf begrenztem Raum aufeinandersitzen, und sich merkwürdige Emotionen entwickeln? Der Widerspruch im Buch ist unheimlich gut beschrieben. Elisa, die nicht vertrauen kann, weil sie enttäuscht wurde, was Gedanken in ihren Kopf bringt, die zumindest ich vollkommen nachvollziehen konnte. Dieses Misstrauen gegenüber allem. Der Mix aus Verlassen, Allein sein, Geborgenheit und Zugehörigkeit. Und schon wieder ….. dem verwurzelt sein. Es geht darum seinen Glauben zu verlieren, und zwar nicht den in eine Religion, sondern in alles um einen herum, in die Menschen, in das Vertrauen selbst, und in sich selbst.

Elisa unsere Protagonistin erscheint vielleicht manchmal trotzig und pubertär, aber diesmal ist es wirklich eine Geschichte, in der ich dieses Verhalten nachvollziehen konnte (was ich manchmal sonst nicht so gut kann). Weil es später eine Wandlung gibt, und sie ihrer Verantwortung nicht mehr entrinnen möchte. Und weil ihr Dinge erklärt werden, die vorher verheimlicht wurden (und belogen wird ja niemand gerne). So ist das Ganze dann auch wieder altersgerecht, und wir haben nicht das Problem, dass wir sagen könnten, die Protagonistin würde sich nicht ihrem Alter entsprechend verhalten. Denn wer große Verantwortung hat ………. Ihr wisst Bescheid ;). Elisa ist nun mal ein Buchwurm, so wie wir alle (und falls nicht … ihr wisst ja gar nicht, was ihr in Büchern alles verpasst :)). Sie liest, träumt sich hinweg, flüchtet aus ihrer Realität …. Weil sie tief in ihrem Inneren weiß, dass da etwas ist, wo es sie hinzieht. Ein Sehnen, etwas tief in ihr verborgen, das sie nicht benennen kann, und was sie völlig überrumpelt. Dann sind da noch die Selbstzweifel, Zweifel an anderen und in andere, und nicht mehr vorhandenes Vertrauen. Eine falsche Selbstwahrnehmung, und ein Leben, in dem man nicht mehr weiß, wer man eigentlich ist. Das Ganze ist rein aus Elisas Sicht geschrieben. Und ja, ich mag es normal lieber, wenn man mehrere Perspektiven hat, oder zumindest eine kleine Sequenz aus einer anderen Sichtweise, um die anderen Charaktere besser kennenzulernen. Hier war das aber tatsächlich nicht nötig, weil die Hauptgeschichte und der Fokus auf Elisa lagen, und ihrer Magie und Wandlung. Deswegen war ich in diesem Punkt über mich selbst überrascht. Für mich lebt die Geschichte wirklich von Elisas Gedankenwelt, da diese wichtig für die Entwicklung und den Verlauf des Buches ist. Dieser Struggle, den man beim Lesen selbst fühlt, und sogar verstehen kann, da Verantwortung einem manchmal Angst machen kann. Was die Geschichte die eigentlich erzählt wird aber nicht unwichtiger macht. Denn in allen Einzel – und Teilstücken ist irgendeine Wichtigkeit, eine Botschaft, die es zu erkennen gibt. Stilmix eben :)

Und dann ist da ja noch Kris …… Ein Charakter den ich anfänglich nicht so gut greifen konnte, das gebe ich zu, der aber wichtig für das Buch ist. Elisa hatte dasselbe Problem. Hier gilt es also wieder hinter die Fassaden zu schauen, warum jemand so ist, wie er ist. Sowohl bei Elisa, als auch Kris. Mit Fortführung der Lektüre hat alles einen Sinn ergeben. Alles was anfänglich noch im Dunkeln geschlummert hat, wurde später gelichtet. Im wahrsten Sinne der Worte wurden einem die Augen geöffnet, warum agiert wurde, wie manche es getan haben. Und so konnte man sich mit jedem Benehmen und allen Charaktereigenschaften aussöhnen. Ein Überraschungsbuch eben, das einem ein wahres Feuerwerk an Ideen geboten hat, das dem Feuerwerk einer Iris gleichkommt. Womit wir beim eigentlichen Thema des Buches wären. Die Iris und ihre Gilde….. ähm tja. Ich mal wieder und mein Versuch Brücken zu bauen :D

Mir gefällt die alte Druidenthematik, die Runen im Zusammenspiel mit dem modernen Thema des Schutzes unserer Erde und ihren Naturkatastrophen, die nicht durch Magie oder böse Menschen im eigentlichen Sinne entstehen, sondern durch etwas, das uns alle bedroht. Schmelzendes Eis der Erde und Überflutungen, so wie andere Katastrophen. Außerdem fand ich die Beschreibung und die Namen der Runen samt ihrer Bedeutung sehr gut beschrieben und faszinierend, wie alles miteinander zusammenhängt. Druiden, Runen, Natur und Magie, die alles zusammen innehat. Und als Pluspunkt ebenfalls das angeschnittene Thema der nordischen Mythologie.

Und hier nochmal alles zusammen in kleinen Stichpunkten zum Merken: Spielt erst in Deutschland, dann in Norwegen. In einer Höhle. Beklemmendes Gefühl das schwankt zwischen Schutz und nicht vertrauen zu können. Wo ist das eigentliche Zuhause? Wer ist das Zuhause? Wem kann ich trauen und wer ist meine Familie? Das Thema durchzieht den ganzen Roman. Eine Bedrohung, die über eine dunkle Macht hinausgeht. Verantwortung für sich und für die Anderen, große Verantwortung für die Welt, nicht gewollt, überfordert. Druiden, Runen, Natur, Magie. Naturkatastrophen.

So und nun…..Irgendwie erhoffe ich mir, dass es einen zweiten Band gibt, in der die Geschichte weitererzählt wird. Auch wenn es für den ersten Band erstmal ein Ende gab. Ich bin guter Dinge, dass da etwas kommen MUSS.

Liebe Leute. Zuhause ist da, wo man sich sicher fühlen kann, dort wo man vertraut, da wo man sich fallen lassen kann, und ganz man selbst sein darf, egal was in der Welt für Probleme auf einen warten, und wer man ist. Und ebenso ist ein Zuhause auch bei den Menschen, die für uns genau dasselbe ausstrahlen und sind, bei denen wir uns nicht verstellen müssen, und denen wir vertrauen. Und wenn wir diese starken Wurzeln haben, dann können wir vielleicht auch eines Tages die Welt retten, wenn wir nicht alles alleine auf unseren Schultern tragen müssen.

Heutiges Rezensionslied. Denn es ging mir tatsächlich während der Lektüre ständig im Kopf herum, weil ich diesen ganzen Gedankengang dazu hatte, dass man ein Zuhause braucht, wie auch immer das aussehen mag, um Dinge stemmen zu können. Sein es Welten, oder die Rettung der Menschheit:

„Just to be sure these last days are better. And if I have any enemies, to give me the strength to look the Devil in the face, and make it home safe.

Now tell me: how did all my dreams turn to nightmares? How did I lose it when I was right there? Now I'm so far, that it feels like it's all gone to pieces. Tell me why the world never fights fair?

I'm trying to find Home. A place where I can go. To take this off my shoulders. Someone take me home.“

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Folge dem Piratenwind mitten ins Abenteuer hinein.

Piratenwind
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Piratenwind von Simone Vajda

Liebe Buchmenschen, und alle anderen natürlich auch. Lasst uns heute mal darüber reden, was man alles auf dem Meer verlieren kann. Zuerst einmal: Sich selbst. Man kann sein ...

Piratenwind von Simone Vajda

Liebe Buchmenschen, und alle anderen natürlich auch. Lasst uns heute mal darüber reden, was man alles auf dem Meer verlieren kann. Zuerst einmal: Sich selbst. Man kann sein Herz verlieren an das Meer, oder an eine Frau in der Ferne, so wie an die Meeresgöttin Calypso selbst (Jaaaa okeeee, ich hör ja schon auf mit Davy Jones). Seinen Kopf. Manche verlieren ihr Leben, ihre Erinnerung, oder die Erinnerung an ihr Leben. Ihr Gedächtnis. Mysteriös? Nun ja. Das wird wohl noch so weitergehen. Man kann sein Schiff verlieren (was schlecht ist, denn dann muss man entweder schwimmen, oder hat Schildkröten in der Nähe). Die Orientierung! (Danke an die Erfindung des Kompasses). Seine Besatzung …. (Meuterei!), seine Autorität (noch mehr Meuterei!!!). Sein Menschsein. Menschen und Angehörige (weil jeder, auch jeder Seemann, von jemandem abstammt, den er zurücklassen muss). Sein Geld und die Schiffsladung (immer diese bösen Piraten, die vielleicht gar nicht immer so böse waren, wie ihr Ruf! Denn alternativ geht die Schiffsladung auch verloren, wenn das Schiff verloren geht.). Und ganz wichtig: Rum! (der soll ja auf Schiffen zu Hauf verloren gegangen sein. Meist in den Mündern der Piraten) So. Und warum erzähle ich euch nun eigentlich die ganze Litanei von verlorenen Dingen? Geht es hier um Schiffe? Um das Meer? Um Vergangenes oder die Gegenwart? Natürlich kann man immer und zu jeder Zeit Dinge verlieren, auch wenn das vorliegende Abenteuer uns in die Zeit der Piraten des frühen 18. Jahrhunderts schickt. Und so wie im Heute, so hat man schon damals noch etwas verloren, oder anders gesagt, neu dazu gewonnen. Sehnsucht und Freiheit, die das Meer einem geboten hat. Einen Ausweg. Ein Abenteuer. Etwas von der Weite der Welt, die Schiffe und das Meer umweht. Diese Weite, die man nur hat, wenn man sich auf Wasser befindet, und ringsherum nichts Anderes ist außer noch mehr Wasser und Horizont. Und der Drang, die Ferne zu erreichen, und dort vielleicht nichts zu verlieren, aber definitiv etwas Neues zu gewinnen. Sein es Erinnerungen, Abenteuer, ebenfalls Menschen. Ihr könnt nun ergänzen laut obriger Liste. :). Das Suchen, Verlieren und Finden…. Die Sehnsucht die man bei Verlorenem verspürt… all das spürt man durch die Geschichte hier, weil es die Handlung bestimmt. Und nun fange ich besser mal an, das Buch vorzustellen. Selbst, wenn ich jetzt schon sagen kann, dass ich wohl restlos begeistert war.

Die Geschichte des Buches:

Amy ist 12, fast 13, und ein Mädchen in Plymouth im Jahre 1728. Da nach ihrer Tante nun auch ihr Onkel gestorben ist, soll Amy nun zu einer anderen Tante. Doch Amy hat anderes vor. Denn im Gegensatz zu Onkel und Tante, bei denen sie aufgewachsen ist, ist die andere Tante nicht gerade die Freundlichkeit in Person. Amy findet im Haus eine alte Karte in einer Truhe, und tut das, was ihr Herz ihr sagt. Sie flüchtet, heuert auf einem großen Schiff an, und gibt sich fortan als Robin aus… dem neuen Schiffsjungen des Roten Löwen. Sie möchte mit der Karte ihre Mutter finden, und nimmt das Schiff als Mittel zum Zweck. Was sie aber auf alle Fälle dort findet sind Freunde und nette Menschen, so wie John Black. Als dieser entführt wird, möchte sie helfen. Doch alles kommt anders, und überhaupt ist DAS erst der Anfang all der Abenteuer, die Amy auf Schiffen, Land und dem Meer erlebt. WAS und WEN sie am Ende dann findet, muss jeder beim Lesen herausfinden.

Cover und Gestaltung:

Das Cover? Kommt Leute, es lädt ja quasi zum Träumen über Abenteuer ein :). Die Gestaltung gefällt mir einfach nur richtig gut. Auch im Inneren merkt man, wie viel Mühe im Buch steckt, ist jede Seite doch mit einer kleinen Ratte versehen. Fast so, als ob das Buch selbst das Schiff wäre, das seine Geschichte erzählt, und die kleinen Ratten die sind, die auf Schiffen nun mal gelebt haben. Heißt: Wir sind quasi, wenn wir das Buch lesen, direkt auf dem Schiff. Ist das logisch oder ist das logisch?! :D

Gibt es noch etwas, das ich hervorheben möchte? Ja! Die Überschriften der einzelnen Kapitel, die einem Logbuch gleichen, und auch genau das wiedergeben. Ein Logbuch der Gefühle und Fragen, die sich nicht nur Black als Protagonist stellt, sondern die uns unweigerlich auch an den Gefühlen teilhaben lassen, weil sie genau die Stimmung des Buches wiederspiegeln. Sind die Protagonisten in Schwierigkeiten, merkt das Logbuch, und somit die Kapitelüberschrift es sofort. Sie lebt quasi mit der Geschichte, atmet mit ihr, und geht somit mit ihr den Weg, den der Lauf der Geschichte wohl nimmt. Die Kapitelüberschriften sind der Kompass, der uns durch die Untiefen des Buches führt. Wenn man die Augen für all diese Einzelheiten öffnet, merkt man, wieviel Liebe im Buch steckt.

Fazit und Gedankenallerlei zum Buch:

Schon vom ersten Moment an war ich gepackt, wohl auch, weil mir die Anfangsszene so bekannt vorkam. Als Schwester eines Bruders, habe ich wohl auch immer gesagt bekommen, dass er unser „Piratenschiff“ (einfach das Zimmer) steuert, während ich Dinge auf unserem „Schiff“ erledigen sollte, weil ich ja ein Mädchen bin (den Schatz zählen, oder kochen und schrubben…möhh :/). Ich glaube ich habe schon damals nicht verstanden, wieso ich nicht genauso eine steuernde Piratin sein kann. Okay, genug Einblick in meine Kindheit, und unsere Spiele, auch wenn dies meine Piratenliebe wohl geprägt hat. Vielleicht gefällt mir deswegen die vorliegende Geschichte so gut, weil ein Mädchen all das schafft, wovon andere träumen (in dem Falle mein junges Ich). Habe ich euch also schon mal über meine Passion und Leidenschaft für Piraten und ihre Geschichten erzählt? Der ein oder andere wird es sicherlich schon mitbekommen haben. Es ist nicht nur dieser unbändige Drang der Freiheit und des Meeres, sondern auch die Sehnsucht nach etwas, das einem das Meer bringen kann. Anders zu sein, gesetzlos aber nicht aus Bosheit, sondern weil andere Menschen einen zu dem machen, was man ist. Es geht um Ungerechtigkeiten, Abenteuer, schöne Frauen und Männer, Liebe, das Aufgeben des normalen Lebens. Eine Reise in eine andere Welt, selbst wenn diese Welt das Meer ist, und somit real. Aber Mythen und Legenden um Schiffe, Symbolik in Dingen und Wesen des Meeres machen das Ganze fast so spannend wie erfundene Fantasiewelten. Und vielleicht ist es auch die Angst vor allem Unbekannten, die Angst, die das Meer einem einjagen kann, weil man noch immer nicht weiß, was sich in seinen Untiefen herumtreibt, und weil das Meer so gnadenlos ist und seinen eigenen Kopf hat. Apropos Kopf, ich gebe zu, ich bin ein kleiner (größerer) Freak. Oder halt, vielleicht ja auch nicht! Denn wem geht es nicht genauso wie mir, dass er IMMER, wenn er ein Piratenbuch sieht oder irgendwas, das mit Piraten zu tun hat, sich automatisch das Theme von Fluch der Karibik im Kopf abspielt, und einem sowas rausrutscht wie „Nun kämpf schon du Schurke, ich will mein Schiff zurück!“?! Ich bin machtlos dagegen. Und es ist ja auch mein Kopf, der diese Dinge tut :). Was ich damit eigentlich sagen will ist, dass genau dieses Feeling mich von der ersten Seite beschlichen hat. Irgendwie kommen sofort beim Lesen BlackSailsFluchderKaribikSchatzinselOnePiecePiratenvibes auf. Doch in der Geschichte steckt viel mehr drin, als „nur“ eine Geschichte über Piraten, und dieses MEHR sollte man unbedingt entdecken, ist es doch zeitlos als Botschaft für uns Menschen der Welt wichtig. Uns sogleich ist man in der Geschichte drin, sie schlägt einen in ihren Bann, fängt einen ein, und man ist für die Zeit des Lesens ganz woanders. Auf dem Meer, einem Schiff, einer Insel.

Die angesprochenen Thematiken haben eine ungeheure Vielschichtigkeit und Bandbreite von Themen, die alle zum Nachdenken anregen sollten. Sklavenhandel, Unterdrückung, Rassismus, Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich und in der Welt, Geld – und Goldgier, der Status von Frauen, sich über andere stellen, und die Frage, ob Menschen die frei leben wollen wirklich die Bösen sind, oder eher die Gesetzestreuen, die mir ihrer Machtgier dafür sorgen, dass man in die Gesetzlosigkeit getrieben wird. Ein Thema, das sich durch alle Zeitepochen zieht, und einem gleichzeitig aufzeigt, was im Leben wirklich wichtig ist. Dass das alles so, oder zumindest so ähnlich stattgefunden haben muss, macht es dann gleichzeitig noch realistischer, aber auch trauriger, weil es einen zwingt zu akzeptieren, wie die Welt war (und noch ist). Ab und an ist die Geschichte dann auch mit Melancholie durchzogen, die einfach der Umstände geschuldet ist.



Amy als erzählende Kraft in der Geschichte, die aus ihrer Sicht erzählt wird, ist sozusagen der Leitfaden, wegen dem wir auf hoher See nicht verloren gehen. Nur ab und an wird das Ganze unterbrochen durch einen Gedanken von einem der anderen Protagonisten, was angenehm ist. Es ist kein ausladender Perspektivwechsel, nur einzelne Abschnitte, die trotzdem reichen, um auch in die Köpfe der anderen blicken zu lassen (Larou, Black oder Will, um ein paar Namen zu nennen). Amys Neugier und ihre Fragen sind es dann auch, die uns durch die Geschichte führen, und uns alles über Seefahrten, Schiffe, Piraten, Piraterie, Gepflogenheiten, andere Sitten und Länder und die damalige Zeit berichten. So fließt die Leidenschaft der Autorin, aber auch die Befriedigung des eigenen Wissensdurstes mit ein. Das Ganze ist eine Mischung aus Realität und Fiktion, Geschichtsunterricht, Wahrheit, Legende, und hinzugedichteten Dingen über Piraten, die die Geschichte abrunden, sich zusammenfügen und einfach passen, um in einem Abenteuer zu enden. Lehrreich, gewitzt und spannend abenteuerlich. Vom Genre schwer einzusortieren, was es nur noch spannender macht. Und obwohl die Menschen authentisch sind, weil gerade die Piraten und Seemänner wirklich gelebt haben, wird die Atmosphäre des Abenteuers vollkommen transportiert und wir befinden uns mitten in einer Piratengeschichte mit allem was dazugehört, und diese Atmosphäre haftet der Geschichte an.

Es ist schwer zu beschreiben, dass die Geschichte sowohl junge Jugendliche ansprechen kann, als auch Erwachsene. Damals waren die Kinder oftmals schon mit 13 erwachsen, oder zumindest an der Schwelle daran, und man findet alle menschlichen Begierden und Sehnsüchte im Buch zumindest als Gedanke. Man fühlt mit. Natürlich können das Buch auch Jüngere lesen, weil es einem viel beibringt. Und trotzdem würde ich es nicht rein als Buch für Jugendliche ansehen, denn auch Erwachsene können hier noch viel lernen. Hinter jeder Geschichte der Charaktere steckt eine Wahrheit, ein Auslöser, etwas Unbekanntes, das wir erst erkennen, wenn wir die Gesamtheit der Geschichte sehen und annehmen, dass nicht alles immer nur Schwarz oder Weiß ist, wir mehr auf die Grautöne dazwischen achten, und uns fragen WARUM Menschen Dinge tun, und was sie hat zu dem werden lassen, was sie sind. Und das ist nicht nur lehrreich für Kinder, und sollte immer in ihren Köpfen sein, sondern auch für Eltern und Erwachsene, damit diese tolerant durch die Welt gehen, und hinter Fassaden von Menschen schauen, um diese besser zu verstehen. Augen auf, würde ich mal sagen ;). Da in der Geschichte alles von der menschlichen Seite ausgeht, leidet man oft mit bei Gefahren und Kämpfen, so wie beim Leid, und einigen Geschichten. Man leidet, bangt, aber vor allen Dingen versteht man, auch einige Beweggründe.

Das Buch erinnert in seinen Anfängen an abenteuerliche Geschichten wie die Schatzinsel, die tatsächlich eine meiner Lieblingsgeschichten ist. Und ja! Ich bin vielleicht etwas parteiisch, wegen meiner Piratengeschichtenliebe. Aber so soll es ja auch sein. Man liest ein Buch über etwas, das man mag. Besonders authentisch erscheint die Geschichte schon nochmal deswegen, weil all die Piraten, oder der große Teil, wirklich existiert haben. Man kann also nicht sagen, dass die Geschichte einfach nur so erfunden wurde, weil sie zum Teil aus echten und realen Personen und ihrer Geschichte besteht, und zum Teil fiktiv ist, aber irgendwie auch angelehnt an die Geschichten der realen Persönlichkeiten. DAS fand ich so toll, weil ich besser ins Thema reinrutschen konnte, einiges schon wusste, einiges ergänzt wurde, und mit einigem Wissen überrascht wurde. Auch die historische Geschichte wurde grandios und sorgfältig recherchiert, so wie die Zeitabläufe, die Namen der Schiffe, die Geschichten die sich um die Piraten ranken, die Legenden. Und Legenden bedeuten Spannung. Man merkt in diesem Buch die Liebe zu Schiffen und Piraten. Fast wie ein Lehrbuch, aber natürlich nicht mit dem Hauch eines Lehrbuches, dem die Langeweile anhaftet. Man erfährt sehr viel über Schiffe, das Leben der Piraten auf See, den Tagesablauf, und wie alles vorangegangen ist. Gleichzeitig entführt uns das Buch aber auch in ein Abenteuer. Und diese Atmosphäre wurde besonders gut hinbekommen. Denn tatsächlich wähnt man sich auf dem Meer, glaubt mitten unter den Seemännern zu sein, und bangt mit allen. Geschichten über Mädchen, die sich verstecken müssen um nicht entdeckt zu werden, und deswegen in Jungsklamotten schlüpfen, dafür hatte ich wohl schon immer eine Schwäche. Wenn sie zusätzlich noch so mutig sind wie Amy, die mir selbst noch einiges vormacht, dann macht es umso mehr Spaß. Denn gerade ihre Figur ist es, die der ganzen Geschichte Lebendigkeit einhaucht. Aber auch die anderen Figuren sind bemerkenswert real beschrieben, so, dass wir sie als Freunde gewinnen.

Was mir besonders gut gefallen hat sind dann auch die kritischen Untertöne, die uns eine Zeit der Piraterie zeigen, aber von Menschen sprechen, die genau dieselben Probleme haben, die wir heute noch in unserem Leben bezwingen müssen. Armut gegen Reichtum, dass die Reichen die Armen unterdrücken, dass sich einige gefangen in ihrer Verantwortung fühlen, und manche die Freiheit, das Adrenalin und Abenteuerlust suchen (samtschäumender wilder See und Gefahr). Und fast JEDER das große Geld. Aber dass auch die Sehnsüchte da sind, die Liebe, die Anziehung, Familienleben, Zuhause und Heim, und der Glaube an gute Menschen und gute Taten.

Die Geschichte zeigt uns von allem zwei Seiten, beide Seiten einer Medaille (oder Piratengoldmünze). Die See, so ruhig und wunderschön und frei, und die See, wie sie rau, unerbittlich und stürmisch sein kann, tosend, Menschen mit sich reißend. Die Piraten, und die Seefahrer. Gut und Böse. Familie wie sie sein sollte, und wie nicht. Abenteuer gegen Sicherheit. Arm gegen Reich. Heimat und die Sehnsucht danach, nach Familie und Zugehörigkeit, danach heimatlos zu sein, nicht nur auf dem Meer als Seemann. Es handelt von Meer und Freiheit, gleichzeitig aber auch dem Sehnen nach Heimat und Sesshaftigkeit und Familie, nach Liebe und geliebten Menschen. Der Sehnsucht nach Vater und Mutter, nach Heimat, nach Erinnerungen an sich selbst. Oder verlorene Dinge, wie die eigene Identität. Diese innere Zerrissenheit ist super toll eingefangen und man wähnt sich selbst im Zwiespalt zwischen Abenteuer, der großen weiten Welt und der Sicherheit der Heimat. Doch wo ist Heimat? Was ist Familie, wenn nicht die eigene Blutsverwandtschaft? Wem und was fühle ich mich zugehörig? Das Buch spielt nicht nur mit diesen Themen, sondern lässt einen auch in seiner eigenen Gedankenwelt zurück.

Das heutige Rezensionslied fand ich passend, weil es in seinem Text die Sehnsucht widerspiegelt, die einige Menschen hatten, wenn sie jemanden auf See, oder an die See mit all ihren Verführungen verloren haben. Und weil es aufzeigt, dass Gold nicht alles ist, wenn diese Sehnsucht einen ereilt:

„Kommt all ihr hübschen Mädchen, ganz gleich, wer ihr auch seid, die ihr liebt nen tapfren Seemann, der auf den Meeren weilt.

Mein Herz durchbohrt von Amor, ich verschmäh das Glitzergold. Und rein gar nichts kann mich trösten. Bloß mein tapfrer Seemann hold.“

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Veröffentlicht am 12.01.2022

Wahrheit oder Pflicht? In dieser Geschichte spielt beides eine Rolle.

Wir zwei in diesem Augenblick
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Wir Zwei in diesem Augenblick von Isabell May

Momente und Augenblicke, liebe Buchmenschen. Es sind gleichsam die beiden Dinge im Leben die uns erfreuen, uns das Fürchten lehren, die uns berühren, uns ...

Wir Zwei in diesem Augenblick von Isabell May

Momente und Augenblicke, liebe Buchmenschen. Es sind gleichsam die beiden Dinge im Leben die uns erfreuen, uns das Fürchten lehren, die uns berühren, uns ängstigen, uns entmutigen oder uns Mut zuflüstern. Die uns verletzen, oder uns gut fühlen lassen. Ganz kleine Momente nur, manchmal Sekunden, die uns zu Höchstleistungen aufstacheln, oder uns scheitern lassen, Und manchmal, ja, da bedeuten sie für uns die Welt, im positiven oder negativen Sinne. Denn es gibt erste Augenblicke und letzte Augenblicke die uns vor Freude strahlen lassen, oder uns einfach nur in Trauer versinken lassen. Momente, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen, aber auch Momente des Lachens. Dass es in folgendem Buch um einen Augenblick, gar mehrere geht, das sagt der Titel schon unweigerlich. Und trotzdem muss man die Geschichte erleben, um die Fülle an Momenten durchzumachen. Denn davon gibt es einige. Jetzt aber erstmal die Geschichte, und die Augenblicke, die sie uns beschert und erzählt.

Die Geschichte der Augenblicke:

Max und Anna lernen sich auf einer Party kennen. So weit, so gut. Wären Anna und Max nicht zwei völlig verschiedene Charaktere von Menschen. Er ist lebensbejahend, spontan, lässig, locker und freiheitsliebend. Sie eher vorsichtig, alles planend, vorausschauend, pflichtbewusst und sicherheitsliebend. Doch das hindert die beiden nicht daran, dass sie bald völlig fasziniert voneinander sind, und gar ein Gefühl entsteht, das die beiden immer enger zueinander treibt. Wäre dies eine normale Geschichte, wäre hier nun Schluss, und die Geschichte nimmt ihren normalen Verlauf, indem sich die Protagonisten verlieben, und ihr Happy End bekommen. Doch diese Geschichte ist anders. Denn sowohl Max als auch Anna haben Altlasten in ihren Familien, die besser nicht ans Licht kommen würden, es durch ein Foto aus der Vergangenheit aber tun. Und ich weiß was ihr nun denkt: „Sowas ähnliches habe ich doch aber auch schon mal gelesen“. Vergesst es. DAS hier wird anders sein :). Denn Max der Fotograf, der jeden Moment des Lebens in Bildern festhalten möchte, und Anna, für die Sicherheit alles im Leben ist, haben beide ihre Gründe so zu sein, wie sie sind. Und die erfährt man natürlich am besten durch die Lektüre.

Cover und Titel:

Das Buchcover zeigt wunderbar die Verästelungen im Leben, wie sie miteinander kollidieren, wie sie nebeneinander herlaufen, sich begegnen, voneinander wegwachsen, aufeinander zu, wie sie ein Chaos anrichten und fast schon undurchsichtig sind, aber alle irgendwie trotzdem eine gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames Wachstum haben. Verästelt eben, wie in einer Baumkrone……. Oder in einer Familie….. oder in anderen Verhältnissen, die Menschen miteinander pflegen und haben. Verästelt wie in der Liebe, mit all ihren Liebesverästelungen. Und um diese Augenblicke der Verästelungen, wie alles miteinander verästelt und verbunden ist, wie alles zusammenhängt, darum geht es in einem Buch, in dem nicht nur zwei Menschen einen Augenblick miteinander teilen, sondern fast alle, die darin vorkommen.

Fazit und Gedankenallerlei:

Dieses Buch ist ein Loblied auf Momente, das sich mit einem Trauersong auf genau diese abwechselt, winzige Augenblicke im Leben die mehr sagen und uns mehr fühlen lassen als ganze Tage, Stunden, Monate oder gar Jahre. Momente, die einander verbinden, und schicksalshaft sind. Zum einen spürt man im Roman, wie es ist, wenn uns Menschen in genau einem Augenblick unseres Lebens begegnen, und sie uns in diesem jenen Augenblick genau das geben, was wir meinen zu vermissen, oder gar selbst nicht wissen, DASS wir es überhaupt vermissen. Sie erinnern uns daran, und geben uns genau das, so, dass wir im Moment leben, im Augenblick, ohne mit den Konsequenzen zu rechnen, und an die Zukunft zu denken. Zum anderen zeigt uns das Buch auf, wie ein einzelner Moment nicht nur das Leben ändern kann, sondern auch einen Menschen selbst, wie eine Wandlung im Mensch selbst entsteht, auch manchmal nur wegen winziger Lebensaugenblicke, die große, oder kleine Auswirkungen aufs Leben haben. Ich mag, dass das Buch so ehrlich geschrieben und real ist, so lebendig und echt, und trotzdem nachdenklich macht. Nicht künstlich, sondern so, wie es wirklich laufen könnte, manchmal sollte, manchmal lieber nicht, und manchmal bedauernd leider auch wirklich so ist, selbst wenn man es nicht wahrhaben möchte. Denn auf alle Fälle hat die Geschichte mich bewegt, und bewegende Geschichten sind ja schon mal immer etwas Gutes.

Man hat in der Geschichte dieses Gefühl von zwei Menschen die offensichtlich gesehen zu verschieden sind, um zueinander zu passen, doch der Augenblick sagt uns, dass hinter Fassaden mehr Gemeinsamkeiten lauern, als man im ersten Augenblick erkennt. Und die Augenblicke sind es hier im Buch, die unbeschreiblich wichtig sind und zählen, und auch Titel gebend sind. Die Anziehung ist sozusagen sprichwörtlich vom ersten Augenblick an zwischen Max und Anna zu spüren. Anna selbst ist als Protagonistin vergleichbar zu mir. Vielleicht ist sie mir auch deshalb gleich so sympathisch gewesen. Vorsichtig und sicherheitsliebend. Ihre Handtasche, in der alles immer dabei ist, und die eine gewisse Ähnlichkeit mir Hermines Tasche bei Harry Potter hat, und die ich mir immer gewünscht habe. Ich meine …… „komm wir ziehen mal ein Zelt aus der Tasche, und Wechselklamotten? Hab ich natürlich auch immer dabei, so dass wir Tage lang nur mit dieser Tasche überleben könnten :D“. Ihr versteht?! Nun…. Ich schweife ab. Aber unerwähnt lassen kann ich die Tasche in der Rezi nicht. Vielleicht weil sie gar nicht mal so eine unwichtige Rolle spielt.

Der Schreibstil ist melancholisch leicht, was eine merkwürdige Mischung ist, die einen aber gefangen hält, denn er zieht einen weder mit runter in seine Dunkelheit, noch sprüht er über vor Fröhlichkeit, wobei es diese lichten Momente und hoffnungsvollen Augenblicke öfter gibt.

Alles erscheint einem beim Lesen wie ein Rausch, ein Augenblickrausch der Momente, die aufeinanderfolgen, und schreit somit heraus, jeden einzelnen Moment des Lebens zu genießen. Denn es geht um spontan sein, und es nicht zu sein (oder dann für einen Augenblick im Leben doch). Um Unsicherheiten, und die Kontrolle zu haben und zu behalten, darum auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Es geht um Sicherheitsmensch vs. Leichtigkeit, Lockerheit, Lässigkeit, Freiheit und alles auf sich zukommen lassen. Um Verantwortungsbewusstsein, Verantwortung abgeben, Pflichtbewusstsein, und das Denken, dass es ohne einen nicht geht, weil man sich verpflichtet fühlt.

Wir befinden uns abwechselnd auf zwei Zeitebenen und in wechselnden Perspektiven. Da ist die Gegenwart in der wir uns befinden, und dann werden wir in die 1990er zurückversetzt. Da sind nicht nur Anna und Max, sondern auch andere Perspektiven, an deren Gedanken wir teilhaben, und das, über die Jahre hinweg. Wir erfahren am Ende, warum alle Menschen des Romans genau so sind, wie sie sind, und warum sie sich so entwickelt haben, und zu dem eigenen Selbst ihrer Gegenwart geworden sind. Die Vergangenheit und Gegenwart gehen im Buch ineinander über, streifen sich, verschmelzen… sind zwei Geschichten in einer, und doch für sich selbst gesehen individuell, und hängen doch so sehr miteinander zusammen.

Aber was das Buch vor allen Dingen mit einem tut? Es lässt einen nachdenklich zurück. Lässt einen nachdenken, darüber, was im Leben zählt, was wirkliche Zufriedenheit ist, dass die Zufriedenheit eines einen, nicht die eines anderen sein muss, dass Menschen verschieden denken und sind….. dass Unzufriedenheit im Leben schlimme Auswirkungen haben kann. Dass miteinander reden IMMER wichtig ist. Dass zu viel Liebe beengend sein kann, und zu wenig eine Leere bringt, und man sich fragen muss, ob Beengung und Erdrücken, oder Leere besser ist. Es geht um Freiheit, um die Frage als was man sich selbst definiert. Ob man im Leben, wenn man sich für etwas entscheidet, automatisch so definiert wird, oder noch ein Teil von einem selbst, einem früheren Ich, bleibt. Es geht darum, als was uns andere sehen, als was wir uns sehen, und als was wir uns gerne sehen würden. Und es geht um Liebe, in allen Formen. Mutterliebe, Liebe zwischen Menschen die sich brauchen, Liebe zwischen Paaren, Liebe, von der man glaubt, dass es eher ein Verliebtsein ist in etwas, das jemand darstellt. Dies alles lässt einen mit den eigenen Gedanken zurück, und man fragt sich automatisch: Bin ich eigentlich glücklich mit dem, was ich im Leben tue? Wo ich lebe? Mit wem? Gibt es Dinge, die ich nur tue, weil andere sie von mir erwarten? Machen diese mich glücklich? Oder fühle ich mich gefangen, und will eigentlich etwas ganz Anderes tun, trau mich aber nicht, aus meiner Gefangenschaft herauszutreten, weil Neues mir Angst macht? Wer dies alles erkennt, und tiefgründige Romane liebt, wird hier auf seine Kosten kommen. Denn die Charaktere sind nicht automatisch einzuteilen in Sympathie und Unsympathie. Alle haben ihre Gründe, keiner ist rein gut oder böse. Es gibt für alles einen Grund, einen Hintergrund, und den gilt es beim Lesen herauszufinden, ohne die Protagonisten vorzuverurteilen. Denn am Ende muss man hinter die Charaktere schauen, um sie zu verstehen. Deswegen geht es auch um Vergebung und Verzeihen. Vor allem ist das Buch eines über Selbstfindungen in allen möglichen Variationen. Und obwohl die Geschichte um das Buch Thematiken hat, die einen tief berühren, einen bewegen, die zum Nachdenken anregen, oder einen nachdenklich zurücklassen und stimmen, spürt man beim Lesen ein gewisses Licht, einen Hoffnungsschimmer. Zwar einen kleinen zarten nur, nämlich den zwischen Anna und Max. Aber er ist da. Ziehen sich hier Gegensätze also an?

Die Sprache und der Schreibstil sind fast schon poetisch anheimelnd. Man hat im Buch die Unterschiede zwischen Provinz, Landleben, pulsierender Großstadt und kleiner Großstadt vor Augen, und welcher Lebens(t)raum für jeden einzelnen der Richtige ist, sein kann, oder nur im Kopf existiert. Selbst die Nebenfiguren sind tiefgründig und einfach nur gut herausgearbeitet, und es macht Spaß ihnen und ihren Wegen zu folgen, selbst wenn diese nicht spaßig sind. Die Charaktere sind dann auch so vielschichtig, dass man sich ihnen ungewohnt nahe fühlt. Auch durch die Perspektive erscheint es, als ob sie uns abwechselnd direkt ihre Geschichte erzählen, oder besser gesagt ihren Teil der gemeinsamen Geschichte, die alle miteinander verbindet. Manchmal scheint es gar wie zwei Ausgaben von ein – und demselben Menschen. Derjenige, der wir sein wollen, und derjenige, der wir glauben sein zu müssen, weil ihn andere so haben wollen, und man irgendwann selbst glaubt, dass es das ist, was wir möchten, nur um andere zufrieden zu stellen. Dieses Pflichtgefühl und erzwungene Verantwortungsbewusstsein, das in und allen schlummert.

Das Ganze ist wie eine Geschichte, deren Geschichte man zu kennen glaubt, die uns auf etwas zum und zu einem Ereignis hinführt, das wir zwar erahnen, uns aber nicht ganz sicher sind. Doch diese nebulösen Ahnungen geben der Spannung der Geschichte keinen Abbruch, weil wir uns ganz langsam an das Ereignis, den einen Moment herantasten, der zählt, und an dem alles hängt. Verwicklungen kollidieren miteinander, Schicksale sind miteinander verwoben, alles hängt irgendwie zusammen. Wie das Abdrücken des Auslösers um genau den richtigen Moment einzufangen, und ihn nie mehr gehen zu lassen. Das Konservieren von Momenten, die schönen, die schrecklichen, diejenigen, die unser Leben beeinflussen, festgehalten in Momentaufnahmen, in Fotos und Bildern. Es gibt Orte die uns gefangen halten, aber auch Menschen, deren Anwesenheit uns so sehr gefangen hält, dass es einem wie ein Gefängnis vorkommt. Menschen die uns Freiheit nehmen, obwohl wir frei zu sein scheinen, Menschen und Dinge die einen erdrücken und einem die Luft zum Atmen nehmen. Und Menschen die uns Freiheit an Orten geben, an denen wir uns dann wiederum gefangen fühlen.

Wir begeben uns auf ein Spiel mit der Zeit, einen Weg des Gefangenseins im eigenen Leben, erleben Sorglosigkeit vs. Verantwortung. Für die durchgeplante Anna ist der spontane Max eine Reise oder Fahrt ins Ungewisse. Aber wir erleben auch die Bedeutung von Familie und von Menschen, die uns geben, was wir brauchen, und das gerade in einem bestimmten Augenblick oder Moment, oder eben längerfristig fürs Leben. Man mag den Weg der Geschichte zu ihrem Ende hin kennen, kann darüber nachdenken, ob man ihn erahnt, ob er einem fern bekannt vorkommt, ob das, was zum Ende der Geschichte führt das ist, was man tief im Inneren erahnt hat. Wenn das Ende dann aber auf einen zukommt, ist man machtlos. Überrascht. Und das vorhergesehene verschwimmt, und weicht einer anderen Wahrheit mit einem anderen Augenblick. Denn wenn die Vergangenheit die Gegenwart kaputt macht, eine Gegenwart, die das Vergangene nicht mal kennt, und nichts von dem Vergangenem weiß, dann ist das immer tragisch. Die Wahrheit und die Pflicht spielen nämlich ebenso eine große Rolle in der Geschichte. Nicht nur als Spiel das wir kennen, sondern auch als genau das, was es ist. Wahrheiten verschweigen, und Pflichten erfüllen müssen, wollen…. Wie auch immer.

Die Geschichte ist unsagbar intensiv in einigen ihrer Momente, in denen wir an Sommertagen teilhaben dürfen, an intensiven Partys teilnehmen, und einfach die Leichtigkeit des Seins genießen. Dass das Buch in zwei verschiedenen Zeitebenen spielt, macht es nur umso lebendiger. Umweht mit dem Flair einer anderen Zeit, erscheint das Buch thematisch doch aktuell in seinen Wünschen und Regungen der Menschen. Alles ähnelt sich, alles gleicht sich, und doch auch wieder nicht. Wir erleben die 1990 er Jahre abwechselnd mit der Gegenwart, oder zumindest EINER Gegenwart von Max und Anna, und selbst, wenn wir die beiden Zeiten nicht selbst erlebt haben (was bei mir dann doch der Fall ist), so würden wir uns spätestens mit der Lektüre zurückversetzt fühlen, weil die Einzelheiten und einige Elemente so gut passen, dass man die Jahre in ihrer eigenen Individualität super unterscheiden kann. Es ist ein gewisser Spirit, ein Geist, der durch das Buch weht, und uns in die jeweilige Zeit mitnimmt, und diesen Wechsel auch spielend hinbekommt, ohne, dass es sich merkwürdig lesen würde. Schön finde ich ebenso die Symbolik, die Tiefe, alles, was man erst durchschauen muss. Max, der Fotograf ist, und quasi JEDEN Augenblick festhalten will für die Ewigkeit, ihn konservieren, damit man sich an diese schönen Augenblicke erinnert. Was ein toller Bezug zum eigentlichen Thema des Buches ist. Augenblicke und Momente. Denn für mich ist das ganz klar das Thema, um das es geht, kombiniert mit Liebe und Gefühlen.

Es geht um die bunte Vielfalt des Lebens, nicht das Gefangensein in ihm, diese Vielfalt in jedem Augenblick zu erkennen. Aber auch darum, etwas zu tun, was man tief im Inneren nicht möchte, und seine eigene Vielfalt nicht mehr fühlen zu können. Sich wie ein anderer Mensch zu fühlen, sich zu verstellen, und in Situationen gefangen zu sein. Und auch ein wenig darum, dass jeder sein eigenes Glück im Leben finden muss, um dann auch ein glückliches Leben führen zu können. Zumindest annähernd und ohne größere Schicksalsschläge. Darum, eigene Erinnerungen zu erschaffen. Alles ist mit allem verwoben. Schicksal, Vergangenheit und Gegenwart laufen unaufhörlich aufeinander zu, und enden…. In einem Moment :). Zugegeben einem sehr wichtigen. Wie so viele Augenblicke im Roman, die wichtig für die Handlung, aber auch für die eigene Seele sind. Das Buch lebt von Momenten und Augenblicken, ist fast schon aus ihnen gemacht, und so bekommen wir mit, wie ein Augenblick Auswirkungen auf andere Augenblicke im Leben von anderen hat. Schicksalshaft. Schicksalslastig. Und das hat mich beim Lesen nicht mehr losgelassen. Ich habe mit einer Geschichte gerechnet, die im Universitätsmilieu spielt, eine Liebesgeschichte, die ich im Normalfall sehr gerne mag. Aber hier wurde mit so viel mehr offenbart. Eine Geschichte hinter der sich so viel mehr versteckt. Und das alles vom ersten Augenblick an. Und genau deswegen haben wir hier keine typische Liebesgeschichte vor uns

Liebes Buch: Du und ich, wir zwei, in genau diesem Augenblick, das hat schon etwas in mir verändert. Danke dafür :). Wahrheit oder Pflicht?

Und weil es um Momente, Augenblicke, und Fotografie geht, darum wo sein Zuhause ist, und in wem, dachte ich, dass das heutige Rezensionslied zum Buch passt. Und es hat natürlich rein gar nichts damit zu tun, dass ich einer der größten Ed Sheeran Fans bin, die auf diesem Planeten wandeln :D:

„We keep this love in a photograph. We made these memories for ourselves. Where our eyes are never closing. Hearts are never broken. And time's forever frozen, still.

So you can keep me, inside the pocket of your ripped jeans, holding me closer 'til our eyes meet.
You won't ever be alone, wait for me to come home.“

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Veröffentlicht am 18.09.2021

Von Jugendliebe und zweiten Chancen in Zeiten der Intoleranz

The promises we made. Als wir uns wieder trafen
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The Promises we made von Simona Ahrnstedt

Vergangenheit und prägende Ereignisse darin. Versprechungen, die man sich gegeben hat, als man jung war. Eigentlich eine schöne Sache. Zumindest, wenn die Versprechen ...

The Promises we made von Simona Ahrnstedt

Vergangenheit und prägende Ereignisse darin. Versprechungen, die man sich gegeben hat, als man jung war. Eigentlich eine schöne Sache. Zumindest, wenn die Versprechen gehalten werden, und man die Verbindung zueinander von der Jugend ins Erwachsenenalter mittragen kann. Doch das ist leider nicht immer der Fall. Und oftmals ist das, was uns in unserer Jugend als so sicher erscheint mit einem Rückblick darauf aus einer ganz anderen Sichtweise zu sehen. Eben der eines Erwachsenen. Doch gibt es natürlich Jugendliche, die sich erwachsen v erhalten, und Erwachsene, die sich …. Eigentlich nicht mal jugendlich, sondern schlimm verhalten. Doch wo liegt die Grenze? Was ist richtig und was falsch? Sollte man sich die Jugend bis ins Erwachsenenalter bewahren? Für mich gibt es hier ein definitives JA. Denn Jugendlichkeit hat nichts damit zu tun, dass man „naiv“ ist. Das können sogar Erwachsene sein. Und oftmals haben junge Menschen mehr Weitblick für die Welt und die Geschehnisse in ihr, als Erwachsene es haben, die nur daran denken, wie etwas sein muss, oder zu sein hat, um normal zu sein. So, oder so ähnlich, kann man den Inhalt des Buches beschreiben.

Die Geschichte, die das Buch erzählt:

Es ist die Geschichte von zwei Teenagern, in Schweden lebend, aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, die sich ineinander verlieben, es aber geheim halten, weil… ja warum eigentlich? Weil ein reiches Mädchen nicht mit einem armen Jungen zusammen sein darf? Weil dieser ein Flüchtling aus dem Iran ist? Weil es sich nicht gehört? Ich sehe keinen Grund. Aber dass das Ganze durchaus Konfliktpotenzial hat, und unweigerlich in Dingen wie Verleumdungen, Hass, der eigentlichen Liebe der Beiden, und (nicht) zueinanderstehen endet, das kann man sich irgendwie denken. Der Junge ist Sam, das Mädchen Dessie. Und Jahre später ist aus ihm ein reicher Besitzer mehrerer Hotels geworden, und aus ihr eine toughe Frau mit Militärausbildung, die nun bei einer Sicherheitsfirma arbeitet, und somit auch im Personenschutz. Sam hingegen muss diesen Schutz in Anspruch nehmen, denn Rassisten schicken ihm immer öfter Nachrichten, so dass sein Leben in Gefahr scheint. Und so treffen die beiden das erste Mal aufeinander, seit sich in ihrer Jugend mit 19 die Wege getrennt haben, wegen eines Ereignisses, das aller beider Leben verändert hat. Und da es für beide damals nicht nur die erste, sondern auch die große Liebe war, kann man wunderbar verfolgen, wie die beiden im Heute miteinander auskommen MÜSSEN (wegen der Gefahr, und weil sie ja wohl nun so erwachsen sind, um mit der Situation und miteinander klarzukommen). Wie das Ganze endet, ob es eine zweite Chance gibt, ob beide sich gegenseitig verzeihen können, das findet man dann in der Lektüre heraus :)

Cover und Titel:

Der Titel spricht für sich, erzählt er uns doch von den Versprechungen, die man einander macht, wenn man das erste Mal verliebt ist, und die gehalten, oder eben gebrochen werden. Das Cover gefällt mir einfach schon wegen der intensiven Farbgebung, die mal so anders ist, als das helle Pastell. Und ganz eventuell habe ich auch eine kleine Schwäche für Lila :D

Fazit und Gedanken zum Buch:

Zusammengefasst ist das Buch eine wilde Mischung aus Alltagsrassismus, Missverständnissen, Schweigen, Umweltthemen, Gleichberechtigungsthemen, Narzissmus, perfektionistischem Denken, Frauenbenachteiligungen, Diversität, Frauenunterdrückung, Rassismus in der Gesellschaft, dem Verhalten von Mächtigen gegen den kleinen Bürger, Respekt, Liebe und Anziehung, Misstrauen, Lust, Humor, Enttäuschung, einer gemeinsamen Vergangenheit, dem Umgang miteinander, Erwachsenwerden, sich selbst finden und behalten ;). Und dies alles sehen wir in allen Figuren des Buches, nicht nur in Sam und Dessie als Protagonisten, sondern auch den Nebenfiguren. Und auch wenn es von den Gefühlen nicht ganz zu den 5 Sternen gereicht hat (was, Achtung Wortspiel, nur an meiner eigenen Gefühlswahrnehmung liegt), so würde ich der Geschichte gerne 4 Sterne geben. Denn gefühlsmäßig vielleicht nicht vollkommen überzeugt, hat sie was Anderes mit mir angestellt. Sie hat mich überrascht in ihrem ganzen Sein, weil ich diese Art und Kombination von Charakteren so noch nicht in anderen Geschichten gefunden habe. Was ich ein wenig schade fand war, und das ist dann auch das, was ich zu bemängeln habe, dass ich nicht dauerhaft und immer, eben durchgängig die Gefühle und die Zugehörigkeit von Dessie zu Sam, und umgekehrt, gespürt habe. Ich mag Liebesgeschichten, wo die Protagonisten zueinanderstehen, unbeirrbar, wo beide nichts zwischen sich kommen lassen, und wenn doch, dass sie dieses Problem zu beseitigen versuchen. Das war hier sogar der Fall, nur nicht die ganze Zeit (für mich) spürbar. Gerade beim umeinander kämpfen hätte ich mir von Sam mehr Initiative gewünscht. ABER eventuell kam das auch nur so rüber, weil die Rollenverteilung im Buch eben anders war, und man das so nicht gewohnt ist. Schlecht ist das Ganze trotzdem auf gar keinen Fall, das Buch hat mir gefallen, es sind kleine Einzelnuancen, die nicht zum 5-Sterner gereicht haben. Und doch würde ich das Buch empfehlen. Weil gerade bei solchen Dingen wie Emotionen ja jeder eine andere Weise hat, damit umzugehen, und sie wahrzunehmen. Das einzige kleine Makelchen war also, dass ich mir ein klein wenig mehr Prickeln, Nähe, und richtiges Vertrauen ineinander gewünscht hätte (und weniger Zweifel und Misstrauen gegenseitig, und in die eigenen Emotionen, denen man nicht über den Weg traut), und das, obwohl wirklich Prickeln vorhanden war. Aber von manchen Menschen in Büchern wünscht man sich eben dauerhaftes und mehr als MEHR Prickeln. Denn überhaupt, kann man ja nie genug Prickeln und Anziehung haben :P.

Es ist vielleicht nicht die typisch rosarote Liebesgeschichte, die uns erwartet. Aber unter der Authentizität und Realität erwartet uns trotzdem Liebe, selbst wenn diese im Buch und der Geschichte einen anderen als den typischen Weg geht. Das ist auch gut so, und ganz in der Tradition des Buches, das von untypischen Dingen nur so trotzt, die aber eigentlich gar nicht untypisch sein sollten, sondern Einlass in unseren Alltag und unsere Normalität finden sollten. Der Roman hat Themen angesprochen, die ich für absolut wichtig befinde, und das, ohne dass diese Themen in den Vordergrund gedrängt werden. Sie sind da, erzählen die Geschichte in sich selbst, wir nehmen sie wahr, reagieren darauf, es macht uns wütend, hilflos, und trotzdem schafft die Autorin es, dass wir uns weiterhin in einer Liebesgeschichte befinden, die nicht übermütig, sondern langsam prickelnd vorangeht. Aber immerhin geht sie voran. Wenn auch nicht schnell. Die Themen sind also nicht, wie absichtlich hineingeworfen, damit sie abgehandelt werden, sondern die Geschichte selbst beschäftigt sich mit ihnen, sie passt sich ihnen an, und nimmt die Thematiken mit sich in ihrem Geschichtenfluss. Und trotz all der ernsten Thematiken gab es trotzdem unterschwellig und dauerhaft irgendwas zum Schmunzeln, denn die Dialoge waren es auch, die ich besonders herausstechend fand. Weil es im Buch eben ein wenig auch ums Reden ging. Oder besser gesagt darum, was passieren kann, wenn man NICHT miteinander redet. Oder schweigt.

Die Gefühle zwischen Dessie und Sam sind fremd, misstrauisch und neu, sowie alt und verlässlich zugleich, und diese Kombination muss man als Autorin erstmal hinbekommen. Des Weiteren hat mir sehr gut gefallen, wie die Intimität zwischen Sam und Dessie rüberkommt, zumindest manchmal. Man spürt das Besondere, dass Einzigartige, das es sowohl in der Jugend als auch jetzt war und ist manchmal durchblitzen. Diese Besonderheiten, die einem kein anderer Partner geben kann, nur der Eine. Denn auch das ist Intimität. Und diese liebe ich nun mal. Es ist aber auch ein bisschen eine Berg – und Talfahrt der Gefühle, die man selbst als Leser miterlebt. Es ist der Hass, der kein Hass ist, die Enttäuschung als junger Mensch, als gegenwärtiger Mensch, die gemeinsame Geschichte, die Anziehungskraft, ein wenig die Lust und das Verlangen, es sind die Missverständnisse, Dinge die niemals angesprochen wurden wegen Enttäuschungen und gebrochenem gegenseitigem Vertrauen und Herzen. Es ist die Nähe zueinander, und dass man eigentlich Abstand haben will, oder haben sollte. Aus beruflichen Gründen, oder um sein Herz zu schützen. Es sind Dinge, die man aus Wut und Angst und Enttäuschung sagt, um andere Dinge ins Rollen zu bringen oder zu verhindern, Dinge die nicht stimmen, Dinge die uns einfach zu schnell aus unseren Mündern plumpsen, und welche die niemals auch nur ausgesprochen werden, weil sie deutlich schwerer zu sagen sind. Das Ganze lässt einen als Leser nicht kalt, man fiebert mit, und irgendwie hat es mir natürlich trotzdem auch deswegen gefallen. Denn wir als Leser sind natürlich viel schlauer, und kenne die Gefühle der Protagonisten manchmal besser, als sie selbst es tun :D.

Die Figuren sind gut beschrieben, und man kann sich in ihre Gefühlswelt einleben und mitfühlen. Selbst bei Sam fühlt man die Zerrissenheit, die gar keine ist, die aber trotzdem die Seiten seiner Heimat aufzeigt, in der er geboren wurde, und der Heimat, die nach der Flucht zu seinem neuen Zuhause wurde. Auch, dass wir immer wieder kleine Einblicke in die Geschichte beider Protagonisten bekommen, finde ich toll. Es ist nicht so, dass es ganze Absätze sind, die uns entführen. Die Erinnerungen kommen in die aktuellen Situationen, und wir befinden uns mitten in ihnen, um schnell wieder in die Gegenwart zurück zu wandeln. Dabei lernen wir durch kleine Rückblicke die Geschichte von Dessie und Sam als Teenager kennen, und erkennen, dass beide nun erwachsen, und an den Erfahrungen im Leben gewachsen sind. Was ich trotzdem schön finde ist, dass ab und an in kleinen Nuancen die Teenager in den erwachsenen Menschen durchscheinen, und man einen Hauch davon erkennt, was einmal war, obwohl doch nun das JETZT und die Gegenwart ist. Dass das ganze Buch abwechselnd aus Sicht von Dessie und Sam geschrieben ist, fügt sich nochmal gut ins Buch ein, und lässt einen an allerlei Gefühlswelten beiderseits teilhaben, und beide besser verstehen. Dessie muss sich in einer Männerdomäne als Frau behaupten, um allen zu beweisen, dass sie als Frau die Beste ihres Fachs ist. Sam dagegen muss sich behaupten, um allen zu beweisen, dass er, der aus einem anderen Land kommt, es auch zu etwas bringen kann. Und vor allen Dingen, dass andere ihn ernst nehmen, ihn akzeptieren, und ihn nicht dafür hassen, dass er, gerade weil er aus einem anderen Land kommt, auch noch Erfolg hat. Was eine schreckliche Ansichtsweise ist, aber leider ja auch in unserer Gesellschaft sehr verbreitet.

Ich mag es ja immer, wenn beim Lesen zwischen zwei Menschen die Emotionen, und die Anziehung rüberkommt, und das, ohne dass man mit langen Worten beschreibt, was da passiert. Ich mag, wenn die Anziehung aus Gesten und Blicken besteht, und wenn man sie durch die Seiten hindurch spürt, ohne große Beschreibungen. Was soll ich sagen? DAS ist meiner Meinung nach hier sogar gelungen. Es sind diese Stellen im Buch, die uns als Leser lächelnd zurücklassen, während wir denken „Jaja ihr beiden, redet euch bloß ein, dass aus euch niemals mehr etwas werden kann, aufgrund eurer gemeinsamen Vergangenheit. Aber wir als Leser wissen es besser“. Und genau das macht es in meinen Augen so unterhaltsam, ringt einem öfter ein Lächeln ab, und das, trotz, dass das Buch durchaus auch mit ernsten Themen und Thematiken durchzogen ist. Vorurteile, die man gegen bestimmte Gruppen hat, Diversität, Gewalt gegen Frauen, üble Nachrede, Gerüchte, erzählte Unwahrheiten, die eine Menge Schaden anrichten. Hasskommentare, Rufschädigung, Rufmord, ein geschädigter Ruf: Das alles umweht die Geschichte, und macht sie ernster als andere Liebesgeschichten, in denen alles nur locker und leicht wirkt. Wir haben nicht die romantische Verklärung, denn die Geschichte ist geprägt von Realitäten, von Misstrauen, und dem Lauf der Welt. Und trotzdem wurde das Buch so geschaffen, dass man unter der Oberfläche der Realität und des Misstrauens eine Anziehungskraft der Protagonisten spürt, die sowohl neu als auch alt ist. Wir haben hier nicht, wie in so vielen Romanen des Genres, einfach Menschen, die sich wieder treffen. Wir haben hier wirklich zwei Personen, die Schlimmes erlebt haben, gemeinsam und alleine, und bei denen es einen Bruch gab, der fast nicht zu kitten ist. Ebenfalls ist da Vertrauen, das da war, dann weg, und nun neu aufgebaut werden muss, schon allein, weil ein Mensch jemandem vertrauen muss, der für seine Sicherheit zuständig ist. Das macht das Ganze ziemlich komplex. Es ist ein langsames Annähern, ein Kennenlernen, obwohl man sich von früher kennt, ein Neukennenlernen der Personen, zu denen man geworden ist, mit dem Hintergrund dessen, was man früher einmal gemeinsam war. Das Ganze geht schleichend voran, und ich mag es ungemein, wie sich Dessie entwickelt. Von der harten Frau, die ihren Job gut macht, und keine Gefühle zulässt, zur Frau, die das weiterhin tut, aber auch immer mehr ihre Weiblichkeit und ihr Frausein zeigt und auslebt. Etwas, das ja durchaus zusammen existieren kann. Dessie ist zum einen eine Frau, die ehemals beim Militär war, aber unter ihrer Fassade steckt eine Frau, die wir nicht nur als die harte Kämpferin sehen, sondern auch als Frau mit Bedürfnissen, unter deren harter Fassade ein wenig von dem Mädchen schlummert, das sie einst war. Denn wir haben im Buch immer noch eine Frau in der Beschützerrolle, und einen Mann, der Schutz bedarf. Vielleicht hat mir auch genau das so gut gefallen. Umgekehrte Rollen, abseits dessen, was wir als Normalität ansehen.

Tatsache ist auch mal wieder, dass uns vor Augen gehalten wird, wie wichtig es ist, miteinander in allen Situationen zu reden, da sonst Missverständnisse entstehen, die große Auswirkungen aufs Leben haben können. Doch der Mensch scheint nicht zum Reden geschaffen, und so laufen nicht nur die Missverständnisse über, sondern auch die Ereignisse, die den Lebenslauf in eine ganz andere Richtung schieben. Und all das in genau dieser Geschichte. Vertrauen, Vorverurteilungen, Unglauben, Misstrauen, Unsicherheit……. Eine explosive Mischung, nicht nur in Jugendjahren. Mir gefällt, dass man im Roman sieht, wie die eigene Vergangenheit und Ereignisse daraus einen prägen können, ja gar aus uns genau das machen, was wir im Heute sind. Denn wenn andere Dinge passiert wären, diese eine Nacht mit dem schrecklichen Ereignis nicht sowohl Dessie als auch Sam geprägt hätten, wer weiß wo beider Wege dann hingegangen wären, wo sie hingeführt worden wären? Da ist ein Grund - / Urvertrauen ineinander, das irgendwann bricht, zusammen mit der Loyalität zueinander, der gemeinsamen Nähe, aber nicht der Ernsthaftigkeit der beidseitigen Gefühle.

Man denkt die ganze Zeit es geht in eine Richtung, und am Ende kommt etwas heraus, was man so auf keinen Fall vorhergesehen hat. Und was wiederspiegelt wie schlimm bestimmte Gruppierungen sind. Trotz der Situationen der Gefahr, strahlt die Geschichte irgendwie Ruhe und eine ruhige Atmosphäre aus, die zwischendrin gespickt ist von Themen, die auf eine Unruhe lenken. Das Ganze ist eine Mischung, denn ich würde es nicht als reine Liebesgeschichte bezeichnen. Und schon gar nicht als eine der Art, die so vor sich hinplätschert. Es gibt ein Geheimnis, und die Lösung findet man erst am Ende heraus. Dabei überrascht das Buch dann auch ziemlich. Denn durch die Art von Beruf, den Dessie hat, kommen auch finstere Gestalten im Buch vor. Und wenn sie nicht vorkommen, dann werden sie zumindest erwähnt. Und das macht das Buch zum einen so realistisch, zum anderen verliert es aber dabei nicht den Geist davon, was es eigentlich sein soll: Eine Geschichte über zwei Menschen, die sich als Teenager unheimlich geliebt haben.

Toll fand ich also, dass es um aktuelle Themen wie Rassismus, Einwanderer, Anpassung, Eingliederung in die Gesellschaft, Flüchtlinge, Probleme, die manche Menschen damit haben und Gewalt gegen Frauen, geht (und das ist nur eine kleine Auswahl der Realitätsthemen, die unterschwellig angemahnt werden). Das macht das Ganze authentisch, regt zum Nachdenken an, ist tiefgehend, und man erkennt trotzdem unter allem die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten. Auf alle Fälle ist die Geschichte anders, als man sie sich am Anfang vorstellen mag, aber nicht minder gut. Heißt… man erwartet die Liebesgeschichte so sicherlich nicht, und trotzdem berührt sie etwas in einem, gerade wegen der Aktualität, und Ernsthaftigkeit, mit der sie geschrieben wurde.

Und da es immer noch auch um Versprechen geht, die Sam und Dessie sich vielleicht in der Jugend gegeben haben, kann ich nur dieses Lied als heutiges Rezensionslied hinzufügen. Denn manchmal erinnert man sich an genau diese Versprechen aus der Jugendzeit, und man sollte in Zeiten füreinander da sein, wenn der andere Part Hilfe benötigt:

„Tell me….you'll be there in my hour of need….you won't turn me away…help me out of the life I lead.
Remember the promise you made. Remember the promise you made.“

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Wer zuletzt lügt, lügt am besten.

Wer zuletzt lügt
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Wer zuletzt lügt von L.E. Flynn

Lügen und die Vorenthaltung von Wahrheit sind zwei verschiedene Dinge, so könnte man zumindest meinen. Ist eine Sache besser zu ertragen, wenn sie einem einfach nicht gesagt ...

Wer zuletzt lügt von L.E. Flynn

Lügen und die Vorenthaltung von Wahrheit sind zwei verschiedene Dinge, so könnte man zumindest meinen. Ist eine Sache besser zu ertragen, wenn sie einem einfach nicht gesagt wird? Oder ist es leichter für uns, Lügen zu ertragen, wenn sie Wahrheit zu verletzend ist? Ab wann genau fängt eine Lüge an? Ich war schon immer ein Lügengegner, ABER… ist es nicht auch eine Lüge, wenn wir uns anders geben, als wir eigentlich sind? Ist es eine Lüge, wenn man mit einer kleinen Notlüge versucht jemanden etwas vorzuenthalten, von dem man wüsste, dass es ihm nach der Information sehr schlecht gehen würde? Wer sind wir überhaupt wirklich, wenn wir uns vor allen Menschen die wir kennen, anders geben, und dann bei jedem auch noch verschieden anders? Welche Version ist die richtige, und welche die Lüge? Bin ich eher schüchtern, oder spreche ich Leute direkt an? Kann ich nicht auch beides sein zu verschiedenen Zeiten? Oder muss ich immer so bleiben, wie ich einmal war, und darf mich nicht verändern? Wenn ihr euch alle diese Fragen stellt, dann habt ihr ungefähr die Thematik dieses Buches herausbekommen.

Die Geschichte, die uns am Ende sagt, wer zuletzt lügt:

Im Buch geht es um Fiona und ihr Umfeld sowie verschiedene Umstände im letzten Jahr der Highschool. Vor einem Jahr verschwand Toby, Sportler und unangefochtener „Highschoolkönig“, nach einer Party. Was erstmal für die Geschichte nicht wichtig scheint. Aber manchmal trügt der Schein. Alles ändert sich, Freundschaften zerbrechen, neue werden eingegangen. Fiona, die im Cheerleader Team der Schule ist, freundet sich plötzlich mit Trixie an, die eher eine Außenseiterin ist, jedoch trotzdem einzigartig, und die sich von anderen nicht dazwischenreden lässt. Grund dafür ist auch das Zerwürfnis zwischen Fiona und ihren beiden Freundinnen. Denn ja, da gibt es noch Beau, in den Fiona verliebt ist, der sich aber von einen Tag auf den anderen verändert, sich von ihr zurückzieht, etwas mit ihrer Freundin anfängt…… und ganz einfach der Bruder von Toby ist. Ist das eine Erklärung für den Rückzug? Steckt da mehr dahinter? Und plötzlich verschwindet auch noch Trixie, mit der Fiona nun eine richtig tiefe Freundschaft verbindet. Wie alles zusammenhängt, wer sich wie zeigt, was alles miteinander zu tun hat, das findet man nach der Lektüre heraus.

Cover:

Tatsächlich ist es für mich eines der schöneren, weil man nicht genau durchblickt, was es zu bedeuten hat, zumindest anfänglich. Zerteilte Schrift, roter Lippenstift, im Klappentext ein verschwundenes Mädchen und Lügen, und überhaupt. Zerteilt, neu zusammengefügt, nicht mehr dasselbe, Sein und Schein, wie wir uns geben, das alles ist im Cover vereint. Auch wenn man es erst nach der Lektüre erkennt.

Fazit und Gedanken zum Buch:

Vielleicht ist das Buch nicht direkt ein Psychothriller, aber sicher für eine bestimmte Altersgruppe geeignet. Und für die, die gerne Geschichten in dieser Altersgruppe lesen. Es geht nicht direkt um kriminelle Handlungen, aber dafür ist das Buch duchwoben von Lügen und ganz viel Psychologie die mitspielt. Warum Dinge getan werden, warum man Dinge tut, wie man sich fühlt, wie das eigene Selbstbild ist, wie wir anderen erscheinen, was wir für Menschen tun, wenn wir sie lieben, wenn diese uns zurücklieben, oder eben auch nicht. Wenn sie nur denken, dass sie uns lieben. Oder wenn sie einfach Jemanden an der Seite brauchen, weil sie denken, niemand sonst will mit ihnen zu tun haben. Das Selbstbild eben. Von der psychologischen Komponente kann ich also nicht klagen, denn wer mich kennt, weiß, dass ich psychologische Dinge in Büchern ziemlich liebe, weil sie mich Protagonisten besser verstehen lassen, oder eben manchmal auch gar nicht. Auf alle Fälle bergen die psychologischen Hintergründe Wissen, was es leichter macht, allgemein etwas nachzuvollziehen. Für mich steht der Roman somit unter dem großen Thema der Lüge, was sie bedeuten kann, in welchen Formen es sie gibt, warum wir lügen, warum wir verheimlichen, und dass manche Lüge nicht immer eine ist, wenn es nur Verschweigen ist. Und schlussendlich fragt man sich dann wirklich, wer im Buch die letzte Lüge ausspricht, und vor allem, was hinter dieser Lüge steckt. Gibt es eine letzte Lüge? Oh ja. Die muss man selbst herausfinden, und zwar Schicht um Schicht. Denn die Lügen offenbaren sich uns nicht sofort, sondern sind wie Kleidung, die man ablegt. Anfangs noch vollkommen dick eingepackt mit Kleidern, zieht sich die Lüge immer weiter aus, um am Ende nackt da zu stehen, und sich vor uns zu offenbaren. Wer Psychothriller erwartet, wird vielleicht nicht ganz zufrieden sein. Wer Psychospiele lesen möchte, der wird einiges mehr von der Handlung haben.

Das Ganze ist ein Strudelgemisch aus menschlichen Enttäuschungen, ungesagten und verschwiegenen Wahrheiten, gesagten Lügen, Verschweigen an sich und daran, sich an Jemandem rächen zu wollen, anderen egal zu sein, seinen Selbstwert falsch einzuschätzen, kein Selbstvertrauen in sich zu haben, sich ausnutzen zu lassen als Folge dessen, oder aus Mangel an besagtem Selbstbewusstsein alles mit sich machen zu lassen. Es spricht sozusagen von zweiten Wahlen und billigen Ersätzen. Ein Buch von Vertrauen ineinander, davon, dass es oft falsche und richtige Zeitpunkte im Leben gibt, davon, dass manchmal nicht die rechte Zeit ist, und davon, was es bedeutet, wenn wir das nicht aussprechen, was wir eigentlich wollen und nach dem wir uns sehnen. Was es für Konsequenzen haben und Dinge ins Rollen bringen kann, wenn wir unsere Wünsche ignorieren und unterdrücken. Und was es nach sich zieht, wenn wir nicht ehrlich zueinander sind. Man kennt niemanden wirklich, kann niemandem vertrauen. Diese Atmosphäre ist gut gelungen.

Besonders toll sticht für mich der Schreibstil hervor. Denn uns erwartet ein Buch das ausschließlich aus der Sicht von Fiona erzählt wird, was ich normal gar nicht so sehr mag. Trotzdem: Wir bekommen Rückblicke, Fragestellungen an sich selbst. In einigen Kapiteln richtet Fiona das Wort direkt an Trixie, ihre verlorene Freundin. Wir sind in der Gegenwart, und im nächsten Augenblick gibt es wieder einen Rückblick. Ein ganzes Kapitel, nur einzelne Sätze die an Vergangenes erinnern. Mir hat das Ganze auf alle Fälle in dieser Form gefallen, denn ich fand es tiefgründig. Und obwohl sich alles um Fiona dreht, weil nur sie spricht, muss es das wohl irgendwie tun, um eine Person zu haben, die uns durch die Lügen des Buches führt, durch die wir auch den anderen Figuren näherkommen. Jedes Kapitel fängt mit einer Überschrift an. Fiona spricht darin mit Trixie, und gibt damit eine Einführung in die Rückblicke, die dann im Kapitel folgen, die Vergangenheiten, die Verwicklungen der Jugendlichen miteinander. Durch diese Rückblicke werden die Gründe klarer, warum manche agieren, wie sie es tun. Und am Ende weiß man nicht, wem man die Schuld geben soll. Denn jeder hat gelogen, in irgendeiner Weise, mehr oder weniger, mit Worten und Taten.

An manchen Stellen war das Buch emotional fast schon zu intensiv, so dass man kurz pausieren musste und der Dinge harrte, die noch passieren würden. Denn ja, irgendwie war einem atmosphärisch die ganze Zeit klar, dass am Ende das große Ganze, das Geheimnis aller Geheimnisse, die Lüge aller Lügen kommt. Und doch war der Weg zur „Endlüge“, der letzten Lüge überhaupt, gepflastert von Lügen, die aufeinander aufgebaut waren. Lügen, die, wenn sie nicht ausgesprochen worden wären, zu einem ganz anderen Ende, und zu einer anderen Geschichte geführt hätten. Doch irgendwo zwischendrin sind alle Protagonisten falsch abgezweigt, so dass sie den Weg der Lügen gegangen sind. Ausnahmslos alle? Zumindest der große Teil. Keiner ist frei von Schuld, alle haben ein Stück dazu beigetragen, dass Dinge passieren, die eben passiert sind. Doch diese Intensität, die auch gut in ein Erwachsenenbuch gepasst hätte, hat mich gepackt. Ich kann die Dinge nicht gutheißen, die getan wurden, so als Verfechterin der Wahrheit. Ich kann gesagte Lügen nicht gut finden, und getane Dinge nicht loben. Ich kann sie gar hassen, oder verabscheuen. Und trotzdem fand ich die Intensität, dieses Intensive im Roman so gut, dass ich mit den Protagonisten gemeinsam den falsch abgezweigten Weg der Lüge gegangen bin. Wenn auch als stiller Lesebeobachter. Kann ich jemand verurteilen? Hat jemand mehr Schuld als andere? Nutzt es hier, in Schwarz und Weiß, in Schuld und Nichtschuld zu denken? Oder ist es mal wieder so, dass wir uns auch die Grautöne dazwischen anschauen sollten? Das Buch ist nicht mahnend im Sinne von „Mit dem Fingerzeig etwas verbieten“. Es macht sanft auf Missstände aufmerksam, auf Dinge, die passieren können, uns aber auch aufzeigen, wie man mit den Konsequenzen umgehen muss, wenn man zu viel lügt, zu viel vertraut, nicht miteinander redet. Und ja, das Ganze läuft wohl unter einer ganzen Menge voller toxischer Freundschaften und Beziehungen. Nochmal zum Fingerzeig: Das Buch zeigt viele Dinge, die man nicht tun sollte, viele Menschen, mit denen man sich nicht einlassen sollte, und viele Menschen, die uns durchschauen, und unsere Schwächen gegen uns ausnutzen, weil sie wissen, dass es uns besonders weh tut. Aber die Geschichte zeigt uns auch ein wenig die Reise von Fiona zu sich selbst. Weg von der Fiona die abhängig von ihrer Mutter war, abhängig von ihren Freundinnen die sie hintergangen haben, und erst recht abhängig von Trixie, Hin zu einem Mädchen das zwar alles verloren hat, aber im Verlust zu sich selbst gefunden hat, und dazu, was sie wirklich will. Dass man Dinge auch ausspricht, die man möchte und begehrt. Und das wiederum ist eine schöne Lehre aus dem Buch, gerade auch für Jugendliche. Dass man immer man selbst sein soll, und sich von Niemandem sagen lassen sollte, wie man zu sein hat. Dass man sich nicht von jedem alles gefallen lassen sollte. Dass man zu sich stehen sollte, egal wie man ist. Und dass man mehr Mut haben sollte, um dafür zu sorgen, dass man ein glücklicher Mensch wird. Es geht aber auch viel um emotionale Abhängigkeit, und dass manche Menschen einfach wissen, wie sie diese ausnutzen, das Ausnutzen von Menschen allgemein, nachdem sie sich in unser Herz geschlichen haben, um an ihre eigenen Ziele zu kommen. Und dass wir erkennen müssen: Je tiefer eine Freundschaft war, desto mehr schmerzt es, wenn diese endet. Erst recht, wenn man erkennen muss, dass die Freundschaft auf einer Lüge basiert, und man nie die Person kennengelernt hat, die in dieser Freundschaft wirklich und wahrhaftig war, beinahe so, als ob man zwei Personen in einer kennenlernen würde. Was im Buch wahnsinnig gut rüberkommt ist dieser innere menschliche Konflikt, das Aufzeigen dessen, dass eigentlich jeder sich selbst am nächsten ist, und dass es immer etwas gibt, was wichtiger ist als das, was wir für wichtig befinden, dass es immer einen Mittelpunkt gibt, um den sich unser Leben dreht, dem wir loyal beistehen, und wofür wir andere Personen vergessen. So entstehen kleine und große Lügen, um das eine zu wahren, was wichtiger ist, als alles. Und wir haben die Auswirkungen der kurzen Sekunden von falschen Entscheidungen in unserem Leben. Es geht um Angst davor sich Jemandem zu öffnen, und durchschaut zu werden. Darauffolgend dann auch darum, wie wir uns darstellen, ob wir uns vollkommen offenbaren, ob wir so sind, wie uns jemand haben will, oder ob wir gar einfach bei einer Person der Mensch sein können, der wir wirklich sind. Sich nicht zu verstecken in Form von jemand anders zu sein, oder sein zu wollen. Hinter einer Maske zu leben, die uns zu einem anderen Menschen macht, weil keiner ins wahre Innere schauen kann. Und um Menschen die in uns sehen, was wir sind.

Man muss in diesem Buch oftmals mit Dingen klarkommen, die zwischen Lüge und Wahrheit stehen, denn es gibt nicht immer die einzig wahre Wahrheit, und die lügenswerteste Lüge. Das Buch spielt in der Zwischenwelt aus Lüge und Wahrheit, in der man nicht zuordnen kann, was richtig und falsch ist, weil man das für sich selber entscheiden muss. Leute werden hintergangen und betrogen. Doch wer nun denkt, man müsse sich automatisch auf die Seite derjenigen stellen, die betrogen werden, der irrt. Denn hier hat jeder Dreck am Stecken, und keiner ist völlig unschuldig. Weil alle etwas in Kauf nehmen, bei dem sie riskieren, jemand anderem wehzutun. Mit vollem Bewusstsein und Absicht. Man empfindet Mitleid mit denen, die Böses tun, und hasst auf einmal diejenigen, die man kurz vorher noch mochte. Kurz gesagt. Das Buch ist ein Karussell aus Empfindungen und Emotionen, die einen mitreißen und mitnehmen. Das nicht nur im guten Sinne. Aber hey, ich mag Bücher, die einen emotional herausfordern. Das ist hier passiert. Ich wurde herausgefordert, wurde gezwungen Dinge zu vergeben, die für mich eigentlich nicht vergebenswert sind, und habe mich ein paar Mal zu oft in den Buchprotagonisten getäuscht. Kurzum: Die Atmosphäre des Hintergehens, des Belügens, aber auch einer eigenen Wahrheit in der Lüge, war gegeben. Und ich habe mich oftmals gefragt, ob ich einige Dinge im Buch vergeben könnte. Wohl eher nicht. So gesehen meinen vollsten Respekt an Fiona. Wie alles miteinander zusammenhängt ist wirklich gut konstruiert und oftmals befindet man sich in der Konstruktion eines Netzes voller Lügen. Doch nichts ist immer nur so wie es scheint, manchmal gibt es eine andere Wahrheit als die offensichtliche. Und dass Wahrheit und Lügen irgendwie zueinander gehören, wie zwei Seiten einer Medaille, wie Schatten und Licht, das kann man im Buch wunderbar sehen. Ebenso, dass Wahrheit auch oftmals in einer Lüge liegt, und eine Lüge oft mit etwas verwechselt wird, was man einfach verschweigt. Das Buch zeigt uns, wie es sich anfühlt, wenn man sich aus den Lügen einer Gruppe herausschält. Doch wer lügt in diesem Buch wirklich? Trixie? Fionas alte Freundinnen? Beau? Manche Dinge hängen nicht direkt mit Lügen zusammen, sondern mit moralischen Vorstellungen. Hier werden Dinge getan, die ich nicht gutheißen kann, ein Netz aus Lügen wird aufgebaut, was aber nicht mal das Schlimmste ist. Denn wenn man die Wahrheit unter Enttäuschung erkennt, dann ist das oftmals schlimmer zu ertragen, als die Lüge an sich. Hier werden viele Jugendthemen angesprochen, und das ist auch okay, handelt es sich doch um ein Jugendbuch. Trotzdem merkt man eine Entwicklung. Gerade in Fiona. Anfangs bekommen wir all ihre Unsicherheiten mit. Und mit dem Aufdecken des großen Geheimnisses des Buches, reift sie immer mehr, wird alleine erwachsen. Erwartungshaltungen von anderen werden nicht mehr erfüllt, weil sie nicht zum eigenen Selbst passen. Irgendwie ist alles und jeder miteinander verbunden, hat eine gemeinsame Geschichte, oder in ihr einen gemeinsamen Baustein, ein Puzzleteil, das zusammen das Ganze ergibt, das wir am Ende erfahren. Aber darüber kann ich euch natürlich nichts erzählen. Wer uns allerdings Dinge erzählt, das ist Fiona, denn aus ihrer Sicht hören wir die Geschichte, die Zeitebenen, die Vergangenheit, die Rückblicke, und die Gespräche mit Trixie. Die Atmosphäre im Buch war also teilweise nicht angenehm, hat mich in ihrer Spannung aber trotzdem mitgenommen. Ähnlich anderen Geschichten um Geheimnisse und Intrigen, in denen Leute Dinge tun, die man nicht gutheißen kann. Die Essenz der Lüge wird im Buch sehr interessant dargestellt, und das auf jugendliche Art und Weise. Ist ja auch ein Jugendbuch. Als Thriller würde ich es deswegen nicht einordnen, aber definitiv als spannende Geschichte, die ihre Geheimnisse hat, die gelöst werden müssen. Denn immerhin geht es um verschwundene Jugendliche. Das Buch besteht aus einer Kettenreaktion von Ereignissen, die alle auf einem Ereignis basieren, das auf Entscheidungen von Menschen basiert. Alles baut aufeinander auf, und das ist das Spannende. Es besteht aus diesen Situationen, die anders verlaufen wären, wäre nur eine Sekunde vorher eine andere Entscheidung getroffen worden.

Wir lernen einiges über Lügen und Wahrheit. Wahre und gelogene vorgespielte Gefühle. Gefühle, die nicht echt und wahrhaftig sind, sondern von denen man es nur denkt, weil man es will. Wir lernen wahre Freundschaften kennen, und was sie bedeuten, wahre Liebe und wahre Emotion. Aber all das auch in falsch. Falsche Freundschaften. Freunde, die einen ausnutzen, weil sie genau wissen, was man sagen muss. Freunde, die uns ausnutzen, weil sie uns so haben wollen, sie sie es möchten. Freunde, die uns nicht wir selbst sein lassen, und unsere eigenen Lügen, wenn wir nicht wir selbst sind, sondern so, wie andere uns haben wollen. Große Lügen, kleine Lügen, sie alle begegnen uns das ganze Buch über. Und hier muss man selbstreflektierend fragen, ob man die kleinen nicht selbst ab und an benutzt. Die viel größere Frage was das Lügen angeht ist, warum wir es tun. Für wen würden wir lügen? Und würde eine Lüge weniger schwer wiegen, wenn man FÜR jemanden lügt? Kann man hier mit zweierlei Maß messen? Genau DAS, was das Buch so schön beschreibt, ist im Titel festgelegt. Wer zuletzt lügt. Denn manchmal sieht man vor lauter Lügen im Buch die Wahrheit nicht mehr :). Und manchmal weiß man nicht mehr, wer überhaupt die Wahrheit sagt, oder mit jemand andrem ein Geheimnis teilt, das er vor anderen verbirgt.

Nicht mit allen Charakteren bin ich klargekommen, weil sie oftmals einfach von ihrem Moralverständnis nicht so ganz nah bei mir waren. ABER, und nun kommt es, das ist der Geist, der das Buch durchweht. Ich mag lügende Menschen nicht, die andere hintergehen. Doch wenn wir uns den Titel anschauen………. Hier geht es nun mal nicht anders. Die Menschen haben Geheimnisse, sie lügen andere an. Und Lügen führen zu neuen Lügen. Wegen der Charaktersache bekommt das Buch also einen halben Stern Abzug, was eine 4,5 ergibt. Wie immer runde ich hier bei den Communities auf, die keine halbe Sternvergabe haben.

Heutiges Rezensionslied? Manche lügen eben gut, und manche sehr viel schlechter:

„I wish I could escape. I don't wanna fake it. Wish I could erase it. Make your heart believe.

But I'm a bad liar, bad liar. Now you know. Now you know.
I'm a bad liar, bad liar. Now you know, you're free to go.“

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