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Veröffentlicht am 07.01.2019

Immense Recherche-Leistung

Stieg Larssons Erbe
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Durch Zufall entdeckt der Journalist Jan Stocklassa das persönliche Archiv von Stieg Larsson. Dieser hatte viele Jahre seines Lebens intensive Recherchen zur Ermordung des schwedischen Premierministers ...

Durch Zufall entdeckt der Journalist Jan Stocklassa das persönliche Archiv von Stieg Larsson. Dieser hatte viele Jahre seines Lebens intensive Recherchen zur Ermordung des schwedischen Premierministers Olof Palme betrieben. Beeindruckt von Larssons Material lässt der ungeklärte Mordfall nun auch Stocklassa nicht mehr ruhen und er tätigt selbst einen riesen Aufwand an Recherchen. Er reist nach Südafrika, Zypern, Prag und Israel immer auf der Kontaktsuche zu Verdächtigen. Ihm gelingen zusätzliche Interviews und Beschattungen verdächtiger Personen, wie es die Polizei selbst nie geschafft hat. Ich war ziemlich überrascht, wie wenig Fortschritte die schwedische Polizei mit dem Fall gemacht hat. Es kam mir so vor, als ob viele andere, besonders Journalisten, deutlich mehr Ehrgeiz aufgebracht haben, als es die eigentlichen Ermittler getan hatten.

Stocklassa drückt schon im Vorwort aus, dass er möglicherweise durch seine Recherchen und sein Buch dazu beiträgt, dass der Olof Palme Mord nach über 30 Jahren doch noch aufgeklärt wird. Leider kann ich nach der Lektüre des Buches seine Zuversicht nicht teilen. Denn obwohl er der Polizei so viele Fakten liefert, sind dies Theorien und Spuren, die der Polizei im Laufe der Jahre schon begegnet waren und auch solche, die diese gerne als nicht relevant eingestuft hatte. Ich denke nicht, dass damit der Fall wirklich aufgeklärt wird oder sogar jemand ein Geständnis ablegt.

Auch ich habe die Millenium Trilogie von Stieg Larsson verschlungen und dies bleibt die beeindruckendste Geschichte, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Es gibt die Kritik, dass Stocklassa seinen Buchtitel so wählt, um mit dem berühmten Autorennamen einen Marketingeffekt zu erhaschen. Das sehe ich eben nicht so. Ich finde den Titel genau passend gewählt, mir hat dieses Buch mehr über Stieg Larsson erzählt als über den ermordeten schwedischen Ministerpräsidenten. Es war sicher ein Glücksfall, dass Larssons Archiv aufgefunden wurde und zu einem solchen Werk geführt hat. Für mich ist dieses Buch wirklich ein Abbild des Lebenswerkes von Stieg Larsson.

Es war nicht einfach, dieses Sachbuch zu lesen. Die extreme Vielzahl an Fakten und Personen, die Larsson und Stocklassa präsentiert haben, ist erdrückend. Außerdem sind wohl die meisten deutschen Leser nicht wirklich mit diesem Thema betraut. Trotzdem war es nicht langweilig und trocken und es hat es ein bißchen leichter gemacht, dass die meisten Kapitel kurz waren und man den gebotenen Inhalt somit gut aufnehmen konnte.

Veröffentlicht am 19.12.2018

typisch Sebastian Bergman

Die Opfer, die man bringt (3 MP3-CDs)
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Bei einer Vergewaltigungsserie in Uppsala wird der Kriminalpsychologe Sebastian Bergman um Mithilfe gebeten. Der einzige entscheidende Grund für Sebastian auf die Anfrage einzugehen, ist die Information, ...

Bei einer Vergewaltigungsserie in Uppsala wird der Kriminalpsychologe Sebastian Bergman um Mithilfe gebeten. Der einzige entscheidende Grund für Sebastian auf die Anfrage einzugehen, ist die Information, dass Vanja an dem Fall arbeitet. Der Fall weitet sich aus, so dass die Reichsmordkommission um Torkel Höglund hinzugezogen wird. Ungewollt findet sich das bekannte Team wieder zusammen. Es läuft immer auf das gleiche hinaus: niemand möchte Sebastian Bergman im Team haben, aber der psychologische Aspekt des aktuellen Falles zwingt den Leiter dazu, ihn zur Reichsmordkommission zu holen. Da ich von den bisherigen 5 Bänden immerhin die ersten drei kenne, sind mir die Protagonisten schon sehr vertraut und ich habe das Zusammenspiel bzw. die Zwistigkeiten im Team genießen können.

Zum Ende hin bleiben sich die beiden Autoren treu: dem Leser wird noch ein Cliffhanger präsentiert, bei dem klar wird, dass über kurz oder lang wieder ein brisanter Fall auf das Team zukommt. Und auch den werde ich gerne lesen.

Als Hörbuch war dieser Fall sehr gut zu genießen. Der Sprecher Douglas Welbart hat eine eigenwillige Stimme, die mir für einen skandinavischen Krimi sehr ideal erscheint.

Nicht ganz zufrieden bin ich mit dem Fall selbst. Ich finde die Auflösung nicht ganz stimmig, will das aber nicht genau aufdrösseln, um nicht zu spoilern.

Veröffentlicht am 16.12.2018

Mein Respekt gilt Bruno Reichart

Herzensangelegenheiten
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Dieses Buch entstand anlässlich des 50. Jahrestages der ersten Herztransplantation und kombiniert eine Patientengeschichte mit einem Überblick über die Wege hin zur ersten Herztransplantation, deren Entwicklung ...

Dieses Buch entstand anlässlich des 50. Jahrestages der ersten Herztransplantation und kombiniert eine Patientengeschichte mit einem Überblick über die Wege hin zur ersten Herztransplantation, deren Entwicklung und mögliche Zukunftsaussichten.

Die Geschichte der Herztransplantation von Ursula Lebert wird aus der Sicht der beiden Söhne erzählt. Ich finde sie autentisch; direkt aus der Patientensicht wäre wohl noch einiges Interessantes hinzugekommen. Das Überstehen und Verarbeiten einer solch großen medizinischen Leistung ist sowohl für den Patienten wie auch seine Angehörigen eine große und schwere Aufgabe. Jeder wird seine eigenen Ängste und Erlebnisse noch lange mit sich tragen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Professor Dr. Bruno Reichart erzählt in mehreren Abschnitten, welche Ärzte sich Ende der 1950er weltweit mit der Vision einer möglichen menschlichen Herztransplantation befassten. Während ich selbst nur Christaan Barnard präsent hatte und noch zu seinen Lebzeiten über ihn Schlagzeilen und Berichte gesehen habe, war mir neu, dass es in den 1960ern geradezu einen Wettlauf um die erste menschliche Herztransplantation gab. So gab es in Amerika 3 Chirurgen, die ehrgeizig und nahezu besessen von diesem Ziel waren. In Südafrika gab es Christaan Barnard, der auch in Amerika mittels Stipendien viel Erfahrung in der Herzchirurgie gesammelt hat. Dass ausgerechnet er diesen Wettlauf gewonnen hat und für immer in die Medizingeschichte einging, war wohl sehr überraschend. Bruno Reichart hat die 4 Pioniere der Herztransplantation kennengelernt und z.T. mit ihnen zusammengearbeitet, was seine Darstellung so wertvoll macht.

Interessant fand ich auch die Beschreibung von Elke Reichart über die Zeit der beiden in Südafrika. Bruno Reichart hat am Groote Schuur Hospital in Kapstadt die Nachfolge des legendären Christaan Barnard angetreten und dort die Herz-Lungen-Transplantation eingeführt. Die Apartheit und der große Umbruch in Südafrika waren wohl Hindernisse, die man sich in ihrer Auswirkung auf den Alltag und auch auf das Krankenhaus gar nicht vorstellen kann.

Ich wurde selbst in Großhadern transplantiert. Dieses Buch hatte mich sehr interessiert, ich fand es gelungen und auch nicht mit Fachwissen überfrachtet. Es bietet einen gute Mischung aus Patientengeschichte und geschichtlicher Entwicklung und Zukunftsaussichten der Herztransplantation. Chapeau, ich ziehe meinen Hut vor der Lebensleistung des Bruno Reichart: er hat vielen hundert Menschen das Leben gerettet. Ich bin eine davon.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Frau Oberst ermittelt

Tod eines Weinbauern
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Der alte Weinbauer Emser liegt tot in seinem Weingarten. Sein Tod liegt schon einige Zeit zurück: er war eingeschneit und wurde erst nach dem Verschwinden des Schnees aufgefunden. Die Ermittlungen zum ...

Der alte Weinbauer Emser liegt tot in seinem Weingarten. Sein Tod liegt schon einige Zeit zurück: er war eingeschneit und wurde erst nach dem Verschwinden des Schnees aufgefunden. Die Ermittlungen zum Tod des Winzers bringt Frau Oberst Luise Pimpernell direkt in ihren eigenen Wohnort. Der Tote ist ihr auch gut bekannt: sie ist gerne nach Spaziergängen bei ihm im Weinkeller auf ein Gläschen eingekehrt.

Luise stellt schnell fest, dass die wortkarge, manchmal spröde Art des alten Emsers seinen Kindern und ihren Familien das Leben schwer gemacht hat. Nie war ganz klar, wem seiner Kinder er was von seinem Vermögen vermachen wollte und auf Nachfragen oder auch ernstgemeintes Interesse reagierte er immer abwehrend. Er stellte nur klar, dass es keine Verteilung vor seinem Tod geben wird. So muss die Polizei natürlich im direkten Umfeld des Toten genau nach Motiven und Streitigkeiten Ausschau halten. Die Familie ist jedoch von Luises Ermittlungsarbeit und Befragungen nicht sehr angetan.

Ich kannte Luise Pimpernell bisher noch nicht. Es ist der Autorin eine interessante Person geglückt: Optisch ist Luise wohl sehr eigen und irgendwie aus der modernen Zeit gefallen. Ihr Kollege Roman Grümpl erscheint eher unauffällig, was durch seine durchweg graue Kleidung noch verstärkt wird. Zusammen bilden sie aber ein ideales Team, das sich bei ihrer Ermittlungsarbeit durch unterschiedliche Denkweisen gegenseitig ergänzt.

Die Geschichte ist klug und mit Bedacht erzählt. Die Beschreibung der Einheimischen ist stimmig und gelungen, das Umfeld rund um den österreichischen Weinbau scheint mir gut getroffen. Auch der österreichische Einschlag mit vielen mir unbekannten Begrifflichkeiten hatte für mich seinen Reiz. Dass beispielsweise Kriminalbeamte Titel wie Frau Oberst haben ist amüsant. Den in Aussicht gestellten Folgeband werde ich auch gerne lesen.

Veröffentlicht am 21.11.2018

Gedanken übers Gehen

Gehen. Weiter gehen
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Man merkt dem Autoren seine Begeisterung fürs Gehen an. Das hat er wohl selbst von seinen Eltern erfahren und beobachtet die Wichtigkeit ebenso am Altern seiner Oma als auch an den ersten Gehversuchen ...

Man merkt dem Autoren seine Begeisterung fürs Gehen an. Das hat er wohl selbst von seinen Eltern erfahren und beobachtet die Wichtigkeit ebenso am Altern seiner Oma als auch an den ersten Gehversuchen seiner kleinen Tochter Solveign. Ihm ist das Gehen sehr wichtig und so beschreibt er tausende kleiner Wege im Alltag und auch ganz große Unternehmungen, die er überall in der Welt gemacht hat. Diese hat er lose aneinandergefügt mit den Gedanken großer Denker zum Gehen bzw. zur Bewegung.

Dem Untertitel „Eine Anleitung“ wird das Buch meiner Meinung nach nicht gerecht. Dafür würde ich erwarten, dass der Autor den Leser direkter anspricht: nach seiner bisherigen Einstellung zum Gehen fragt, ihm Motivation und Zielsetzungen anbietet, um in der Zukunft dem Gehen eine größere Bedeutung zuzumessen.