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Veröffentlicht am 04.11.2018

Schön erzählt

Ich komme mit
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Die 72jährige Vita kennt den jetzt 21jährigen Lazy, Lazar Laval, seit er als Junge mit seinem Vater in das selbe Haus in Zürich gezogen ist. Jetzt als junger Mann ist er hierhin zurückgekehrt. Er scheint ...

Die 72jährige Vita kennt den jetzt 21jährigen Lazy, Lazar Laval, seit er als Junge mit seinem Vater in das selbe Haus in Zürich gezogen ist. Jetzt als junger Mann ist er hierhin zurückgekehrt. Er scheint schwer erkrankt zu sein. Vita ist verwitwet, hat sehr viel Zeit und kümmert sich ein bißchen um ihn. Daraus entsteht allmählich ein immer näherer Kontakt, beinahe eine Freundschaft.

Dem Leser wird das Geschehen abwechselnd aus beiden Perspektiven präsentiert. Lazys Geschichte wird im Gegensatz zu Vitas Part in der Ich-Form erzählt. Auch sehr viel in wörtlicher Rede. Seine Sichtweise kommt mir erfrischend und sehr jugendlich vor. Es gab viele toll formulierte Sätze; Beispiel S. 44: >>Maier sieht nicht viel anders aus als damals. Ist wie Schiffszwieback, hell und trocken und haltbar. >>
Mir hat es Spaß gemacht, die Begegnung dieser beiden so unterschiedlichen Menschen zu begleiten. Jeder ist ein bißchen aus der Welt gefallen und so leisten sie sich gegenseitig Gesellschaft und haben jemanden zum Reden gefunden.

Veröffentlicht am 24.10.2018

Eigene Perspektive auf Deutsche Geschichte

Deutsches Haus
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Eva Bruhns ist 24 Jahre alt, lebt bei ihren Eltern, einem Wirtsehepaar, in Frankfurt. Sie ist Dolmetscherin für Polnisch und wird von ihrer Kanzlei meist für Vertrag- und Wirtschaftsangelegenheiten eingesetzt. ...

Eva Bruhns ist 24 Jahre alt, lebt bei ihren Eltern, einem Wirtsehepaar, in Frankfurt. Sie ist Dolmetscherin für Polnisch und wird von ihrer Kanzlei meist für Vertrag- und Wirtschaftsangelegenheiten eingesetzt. Sie steht kurz vor der Verlobung mit Jürgen, einem wohlhabenden Sohn eines Versandhändlers. Gerade an dem Tag, an dem Jürgen zum ersten Mal ihren Eltern vorgestellt wird, wird Eva kurzfristig zu einer Übersetzung gebeten. Sie soll eine Aussage eines polnischen Mannes übersetzen, da ein offizieller Übersetzer nicht rechtzeitig anreisen konnte. Bei dieser ersten Übersetzung erkennt Eva überhaupt nicht den Hintergrund. Es handelt sich um die Vorbereitungen von Zeugenaussagen polnischer Menschen, die Auschwitz überlebt haben. Die Staatsanwaltschaft bereitet in Frankfurt die Auschwitz-Prozesse vor um die menschenverachtenden Handlungen dort umfangreich aufklären zu können. Evas Unbedarftheit erkennt man gut daran, dass sie anfangs die Aussage übersetzt mit „Gästen und Herberge“ und dann bei genauerem Nachblättern feststellt, dass der Mann von Häftlingen, Blocks und Vergasen erzählt hat. Sie ist geschockt, denn sie hatte bisher nie was von Auschwitz gehört und keinerlei Vorstellungen zu den Geschehnissen in einem Konzentrationslager. Ab jetzt interessiert sich Eva für die Auschwitz-Prozesse und da sie im Vorfeld schon einmal für die Staatsanwaltschaft übersetzt hat wird sie sogar in den Prozessen eingesetzt, da der geplante Übersetzer weiterhin nicht zur Verfügung steht.

Mir hat in dieser Geschichte sehr gut Evas Entwicklung gefallen. Anfangs war sie vollkommen unbedarft, nimmt jetzt aber im Prozess das volle Ausmaß von Auschwitz war. Sie entwickelt Mitgefühl mit den Opfern und hat kein Verständnis mehr für die ablehnende Haltung ihrer Eltern gegen diesen Prozess. Diese lehnen den Prozess ab mit gängigen Floskeln wie „wir alle hatten es schwer im Krieg“ , „das muss auch mal ein Ende haben“ und „das sind doch ehrenwerte Mitbürger“.
Ich finde, Annette Hess hat daraus eine echt große Erzählung gemacht.

Veröffentlicht am 24.10.2018

Familienclans

Mexikoring
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Dass in Hamburg nächtens Autos brennen war nichts neues. Allerdings ist nun in einem Auto ein junger Mann verbrannt und so hat die Staatsanwältin Chastity Riley einen Fall. Der Tote ist Nouri Saroukhan, ...

Dass in Hamburg nächtens Autos brennen war nichts neues. Allerdings ist nun in einem Auto ein junger Mann verbrannt und so hat die Staatsanwältin Chastity Riley einen Fall. Der Tote ist Nouri Saroukhan, der Sohn eines Mhallamiye Clan-Chefs aus Bremen. Von dieser Problematik mit kurdisch-libanesischen Familienclans hatte ich bisher noch nichts gehört. Es scheint aber so, dass die Polizei neben Bremen auch in Essen und Berlin damit kaum fertig wird. Im Gegensatz zu den bisherigen Büchern spielt die Stadt Hamburg in diesem Band nicht die Hauptrolle. Die Ermittlungen sind zum großen Teil nach Bremen verlagert.
Da ich einige der Vorgängerbände kenne, bin ich mit den Menschen vertraut, die für Chastity wichtig sind. Ich glaube, das ist für das Reinkommen in Simone Buchholz‘ Erzählweise von Vorteil.
Mittlerweile habe ich Chastity Riley echt liebgewonnen. Ich mag ihre Sprache und besonders die witzigen oder sarkastischen Kommentare und Gedanken, die sie in den einzelnen Situationen abgibt. Diese klingen vordergründig ziemlich rauh und lakonisch, aber bei mir kommen sie meist warmherzig rüber. Obwohl die Geschichte insgesamt nicht sehr lang ist, hatte sie zwischenzeitlich einige Längen, weshalb sie bei mir einen Stern einbüßt. Trotzdem bleibe ich Chastity Riley treu und freue mich auf ein/zwei Bücher der Reihe, die ich noch nicht gelesen habe.

Veröffentlicht am 24.10.2018

Berührend

Unsere Seelen bei Nacht
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Dies ist eine mutige Geschichte über Addie und Louis und ihren Versuch, die Einsamkeit des Alters gemeinsam zu überwinden. Mir hat es gefallen wie Addie und Louis miteinander umgehen. Im Verlauf kommt ...

Dies ist eine mutige Geschichte über Addie und Louis und ihren Versuch, die Einsamkeit des Alters gemeinsam zu überwinden. Mir hat es gefallen wie Addie und Louis miteinander umgehen. Im Verlauf kommt noch Addies Neffe Jamie hinzu dem die beiden ein liebevolles Umfeld bieten.

Kent Haruf hat mich mit seinem Schreibstil berührt. Er schafft es, Einsamkeit, Melancholie und Humor perfekt auszudrücken. Schön waren auch die kurzen, fragenden Dialoge, um zu verstehen was der andere genau meint oder sich wünscht.

Schon „Lied der Weite“ hat mir sehr gut gefallen und ich würde gerne weitere Geschichten über Menschen aus Holt lesen. Ein Problem hatte ich mit dem Ende. Das hätte ich mir ganz anders gewünscht. Aber es ist wohl ziemlich realistisch, so dass ich es inzwischen akzeptieren kann und meinen Genuss beim Lesen dieses Buches nicht schmälert.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Sex, Drugs & Rock'n Roll

Drei freundliche Tage und ein Todesfall
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Von Anfang an ist es der Journalist Holger Diekmann der die Vorkommnisse rund um ein Rockkonzert in Osterode sonderbar findet und den Ungereimtheiten nachgeht. Zuerst verschwindet die junge Carina, die ...

Von Anfang an ist es der Journalist Holger Diekmann der die Vorkommnisse rund um ein Rockkonzert in Osterode sonderbar findet und den Ungereimtheiten nachgeht. Zuerst verschwindet die junge Carina, die in dem Bassisten Torsten Dreyer ihren vermeintlichen Vater ausgemacht hat. Kurz darauf wird dieser Torsten Dreyer tot aufgefunden, es sieht nach Selbstmord aus.

Anders als man erwarten würde, scheint Diekmann aber nicht auf die große Story oder Schlagzeile aus zu sein. Im Gegenteil, es ist immer eher persönliches Interesse, das ihn auf die Fährte des Verbrechens bringt. Durch seine Fragen und Gespräche bringt er die Sache immer wieder voran, während sein Freund Kommissar Ingo Behrends sich lieber dahinter verstecken würde, nicht zuständig zu sein. Und so ergibt sich dem Leser öfter das Bild, dass Holger Diekmann fast der bessere Polizist bzw. Ermittler wäre.

Für mich fehlten dem eigentlichen Fall ein bißchen die überraschenden Wendungen. Aber insgesamt ist dieser Harz-Krimi flüssig und angenehm zu lesen. Man merkt, dass der Autor ein Herz für Rockmusik hat und gerne mal diese Geschichte rund um eine Band schreiben wollte.