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Veröffentlicht am 28.03.2024

Lebendig geschilderte Geschichte über die drängenden Fragen unserer Zeit, wenn auch für eine Familie etwas zu viel Drama

Der längste Sommer ihres Lebens
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Claudia Berner ist Geschäftsführerin und Erbin eines Autohandels in Meutlingen. Als junge Frau hatte sie ihre eigenen Träume aufgegeben, um in den Familienbetrieb einzusteigen, doch nun mit knapp 50 Jahren ...

Claudia Berner ist Geschäftsführerin und Erbin eines Autohandels in Meutlingen. Als junge Frau hatte sie ihre eigenen Träume aufgegeben, um in den Familienbetrieb einzusteigen, doch nun mit knapp 50 Jahren möchte sie einen neuen Weg gehen und die Verantwortung für die Firma an ihren Mann übergeben. Claudia beabsichtigt, als Bürgermeisterin in der schwäbischen Kleinstadt zu kandidieren und den konservativen Amtsinhaber zu ersetzen.
Als sie den Rückzug aus ihrer beruflichen Laufbahn verkündet, beginnt ihre bisher vernünftige, gerade volljährig gewordene Tochter Anouk, zu rebellieren, die Schule abzubrechen und sich als militante Klimaschützerin öffentlichkeitswirksam zu engagieren.
Schon bald werden Zweifel laut, ob die Mutter einer solchen Tochter die geeignete Kandidatin für die Aufgabe der Bürgermeisterin ist, während dem Autohandel die Aufträge verloren gehen.

Der Roman handelt im Sommer 2022 in der fiktiven, schwäbischen Kleinstadt Meutlingen und ist überwiegend aus der Sicht der sympathisch engagierten, patenten Claudia Berner geschrieben. Daneben gibt es auch Einblicke in die beiden anderen erwachsenen Hauptfiguren, Matriarchin Marianne und den um seine Position ringenden Ehemann Martin.

Die Geschichte ist politisch und gesellschaftlich aktuell und lebendig geschrieben. Es fällt leicht, sich in Claudia hineinzuversetzen, die als Mutter, Ehefrau, Geschäftsfrau, angehende Politikerin und Frau mit persönlichen Zielen und Träumen zwischen allen Stühlen sitzt.

Themen, die uns alle angehen, werden geschickt mit der Geschichte über eine Familie verknüpft, in der alles zusammenzubrechen droht. Neben der Firma steht die Ehe der Berners und der Verlust der Tochter auf dem Spiel, die sich unnachgiebig und selbstzerstörerisch der Organisation "Fünf nach zwölf" verschrieben hat und zu einer Klimakleberin in den Schlagzeilen mutiert ist.

Die Situation in dem heißen Sommer, was das Gefühl um die Klimakatastrophe untermauert, spitzt sich unaufhaltsam zu. Dabei ist sowohl der Konflikt zwischen den Generationen als auch zwischen den unterschiedlichen politischen Ansichten eindringlich dargestellt. Man versteht die Positionen, auch wenn nicht alle Handlungen dafür gutzuheißen sind.
Die festgefahrenen Haltungen und die Sorgen um die Tochter sorgen für Spannung, wie die Geschichte für jeden einzelnen ausgehen wird. Dabei ist auch die Entwicklung der Charaktere interessant, die sich selbst hinterfragen müssen.

"Der längste Sommer ihres Lebens" ist eine unterhaltsame Geschichte über die drängenden Fragen unserer Zeit, eine Geschichte über Zukunftsängste und die Verantwortlichkeit der Generationen und daneben eine Geschichte über den Wunsch nach Selbstentfaltung, den Mut seine Träume zu leben und die Schwierigkeit, ein guter Mensch zu sein.
Das Buch ist reichlich konfliktgeladen, hat dafür aber ein versöhnliches Ende - für die Familie und jeden einzelnen von ihnen, der sich in dem Sommer entscheidend weiterentwickelt hat.

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Sehr gefühlsbetonter Roman mit einer Familiengeschichte, die einzig auf Lügen basiert, so dass wenig Verständnis für die Protagonisten aufgebracht werden kann

Wort für Wort zurück ins Leben
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Pearl Flowers lebt zusammen mit ihrem Mann Denny in einem Cottage im Wald bei Sévérac-le-Chateau in Frankreich. Sie sind zufrieden mit ihrem gleichförmigen Leben zu zweit, als ein Anruf von Pearls älterem ...

Pearl Flowers lebt zusammen mit ihrem Mann Denny in einem Cottage im Wald bei Sévérac-le-Chateau in Frankreich. Sie sind zufrieden mit ihrem gleichförmigen Leben zu zweit, als ein Anruf von Pearls älterem Bruder Greg die Routine durchbricht und ihr mitteilt, dass ihr Vater Francis im Sterben liegt. Pearl hat ihren Vater, der die Familie verlassen hatte, um eine andere Frau zu heiraten, seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Dennoch beschließt sie, nach England zu fahren.
Pearl hat nicht mehr die Gelegenheit mit ihrem Vater zu sprechen, erbt neben einem kleinen Geldbetrag jedoch seine Tagebücher, die er seit über 30 Jahren geschrieben hat. Auch wenn ihre Brüder und ihr Mann sich Sorgen um die zerbrechliche Pearl Sorgen machen und Francis neue Familie das Erbe anfechtet, beginnt Pearl die Aufzeichnungen in Kurzschrift zu lesen und kommt zu Gewissheiten - auch über sich selbst.

"Wort für Wort" zurück ins Leben ist eine sanft erzählte Geschichte, in deren Mittelpunkt eine Frau steht, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, um sich vor Verletzungen zu schützen. An ihrer Seite ist ein treuer Ehemann, der vereinnahmend überbehütend und bevormundend ist, woran Pearl sich gewöhnt hat.
Nach der Testamentseröffnung setzt sich Pearl über alle Einmischungen hinweg und widmet sich den Tagebüchern ihres Vaters - ein Vermächtnis über sein Leben - das überraschend auch Details über Pearls Leben beinhaltet, was sie gleichzeitig schockiert und berührt.

Ein weiterer Erzählstrang, der im Klappentext nicht erwähnt ist, handelt von Caroline Haskett aus Bristol, einer jungen Frau, die ihrer Mutter auf dem Sterbebett versprechen musste, Pearl zu kontaktieren.
Auch wenn Carrie durch ihre todkranke Mutter und die Trennung vom Vater ihres Kindes das Glück auch nicht gepachtet zu haben scheint, ist diese Perspektive weit weniger schwermütig zu lesen, als die Sicht von Pearl. Carrie ist ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht und sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Ihr Geplänkel mit ihrer kleinen Tochter Emmie und selbst ihrem Exfreund Ian sind erfrischend und herzlich.

Wie Pearl und Carrie zusammenhängen, erfährt man nach der Hälfte des Romans. Die Offenbarung ist überraschend und nur ein weiteres Puzzlestück, das neugierig macht, die gesamte Geschichte von Pearl zu erfahren.

Der Roman handelt von einer Entfremdung und einer späten Annäherung, von Reue und Vergebung, von Trauer und Einsamkeit, von zweiten Chancen und Selbstbehauptung.
Die Aufzeichnungen in den Tagebüchern von Francis werden nicht im Detail dargestellt und spielen eine geringere Rolle, als erwartet. In den Fokus rücken die Charaktere und ihre verletzten Gefühle, ihr emotionaler Ballast und ihre Täuschungen, Lügen und Geheimnisse, die die langsam erzählte Geschichte allmählich vorantreiben.
Allerdings überwiegt so viel Ungesagtes und Misstrauen untereinander und die Handlungen der Charaktere sind wenig nachvollziehbar, dass die Geschichte holprig wirkt und von zu vielen Dramen und Geheimnissen dominiert ist, dass die Familienkonstellation schon fast toxisch wirkt. In der Vergangenheit wurde viel falsch gemacht und in der Gegenwart ist das Verhalten der Figuren ähnlich (ent)täuschend. Weder der schwache Francis noch das "graue Mäuschen" Pearl sind Identifikationsfiguren, die übrigen Familienmitglieder bleiben Statisten.

Anders als in der Beschreibung des Verlags erfährt man fast nichts über die Vater-Tochter-Beziehung und auch bleiben Wärme und Witz in der Geschichte weitgehend aus. Die Familiengeschichte basiert einzig auf Lügen, was ihr den Charme nimmt. Zudem entwickelt sich die Geschichte nach einem altbekannten Schema, in dem erst jemand sterben muss, bevor ein Stein ins Rollen gebracht wird. Hier sind es direkt drei Annäherungen zwischen den Generationen, wovon mindestens eine zu viel ist.

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Ein Kindheitstrauma und die Entzweiung einer Familie - aus Sicht des Opfers anstrengend zu lesen

Ein falsches Wort
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Bergljot hat vor Jahren mit ihrer Familie gebrochen und den Kontakt zu ihren Eltern eingestellt. Mit einer ihrer jüngeren Schwestern steht sie sporadisch in Verbindung, ihre Kinder treffen zu Feiertagen ...

Bergljot hat vor Jahren mit ihrer Familie gebrochen und den Kontakt zu ihren Eltern eingestellt. Mit einer ihrer jüngeren Schwestern steht sie sporadisch in Verbindung, ihre Kinder treffen zu Feiertagen die Großeltern und Tanten.
Das Erbe unter den Kindern sollte in den Augen der Eltern gerecht aufgeteilt werden: die jüngeren Töchter, zu denen eine enge Bindung besteht, erben jeweils eine Ferienhütte, während Bergljot und ihr Bruder Bård dafür ausgezahlt werden. Als Bård jedoch erfährt, dass der Schätzpreis der Hütten zu niedrig angesetzt wurde, bricht ein erbitterter Erbstreit aus, in den Bergljot unfreiwillig hineingezogen wird. Sie wird damit wieder an den Grund ihres Bruches erinnert und dass dieser innerhalb der Familie nicht anerkannt und totgeschwiegen wird. Nach Jahren von Alpträumen und Therapie ist Bergljot bereit, ihr Schweigen zu brechen und die Familie mit der ungeschönten Wahrheit zu konfrontieren.

Auch wenn Bergljots Trauma anfangs nicht direkt benannt wird, wird durch ihr Verhalten und die angsterfüllten Gedanken deutlich, was zwischen ihr und ihrem Vater in der Kindheit vorgefallen ist, was die Mutter ignoriert und was die jüngeren Schwestern nicht miterlebt haben.

Der Roman ist in kurze Abschnitte unterteilt, in denen zwischen Gegenwart und Vergangenheit willkürlich gewechselt wird. Aus Sicht der traumatisierten Ich-Erzählerin, die fast 50 Jahre nach ihren einschneidenden Erlebnissen und 23 Jahre nach dem Bruch mit ihrer Familie, leidet und auf eine Art von Gerechtigkeit, Entschuldigung oder wenigstens Anerkennung hofft, ist die Geschichte sehr intensiv.
Neben dem Erbstreit, der das fragile Familiengefüge belastet, ist Bergljots Trauma und der Vorwurf an Vater und Mutter zentral. Verzweiflung, Angst und Wut stehen im Raum und nehmen Bergljot die Luft zum Atmen.

Auch für den Leser ist die Lektüre anstrengend. Nicht, weil Details aus der Kindheit lautwerden, sondern weil die Seelenqual Bergljots, die Ignoranz ihrer Primärfamilie und der eigentlich lächerliche Streit über den Wert zweier Hütten, so einnehmend sind. Eine aktive Handlung gibt es in dem Roman kaum, die Themen drehen sich im Kreis, in Bergljots Gedanken und in der Auseinandersetzung mit Angehörigen und Freunden.

"Ein falsches Wort" handelt von einem brisanten Thema und der Entzweiung einer Familie. Was kann es Schlimmeres geben, als wenn Kinder nicht einmal in ihrer eigenen Familie sicher sind? Die Schuld kann nur bei den Erwachsenen gesucht werden, das Kind ist immer das Opfer.
Eine Vergebung erscheint aussichtslos, ein Ausweg nur in einem Befreiungsschlag und endgültiger Lossagung möglich.
Durch die zahlreichen - zum Teil wortwörtlichen - Wiederholungen und den willkürlichen Wechsel zwischen Zeiten und Schauplätzen ist das Lesen anstrengend. Als Stilmittel, um Bergljots Trauma nachzuvollziehen, sind die retardierenden und wirren Gedanken nachvollziehbar, als Roman jedoch zäh und ermüdend. Die Geschichte, die sich letztlich auf eine Wut und dem Wunsch nach Anerkennung auf und durch die verbliebenen Familienmitglieder fixiert und retardierend darlegt, wie verfahren und ausweglos die Situation ist, hätte auch auf die Hälfte der Seite heruntergebrochen werden können.

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Veröffentlicht am 21.03.2024

Spannender Thriller, in dem nichts so ist, wie es so offensichtlich scheint - eigensinnige Charaktere, angetrieben von einem Konglomerat aus Erpressung, Rache und Wunsch nach Gerechtigkeit

Schatten im Glashaus
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Kit Darling arbeitet als Haushaltshilfe für die Firma Holly's Help in Vancouver, wo sie in den Häusern der oberen Zehntausend sauber macht. Sie ist gründlich und hat einen tadellosen Ruf und konnte bisher ...

Kit Darling arbeitet als Haushaltshilfe für die Firma Holly's Help in Vancouver, wo sie in den Häusern der oberen Zehntausend sauber macht. Sie ist gründlich und hat einen tadellosen Ruf und konnte bisher immer gut verbergen, dass sie klammheimlich in den Sachen ihrer Arbeitgeber schnüffelt.
Im Haus ihrer neuen Arbeitgeber, Daisy und Jon Rittenberg entdeckt Kit ein kompromittierendes Geheimnis, das sie schockiert und dessen Aufdeckung das Leben des Paares zerstören könnte. Gleichzeitig wird das Wissen gefährlich für Kit, denn für die Bewahrung des Geheimnisses wären Menschen bereit zu töten.
In der Nacht von Halloween ereignet sich ein Blutbad in einem Luxushaus, in dem auch Kit regelmäßig sauer gemacht hat. Die Ermittler finden jedoch keine Leiche, die Eigentümer sind verschwunden und bei der Nachbarin, einer todkranken alten Frau, handelt es sich um eine Zeugin, die regelmäßig die Polizei alarmiert.

Der Thriller handelt auf zwei Zeitebenen, vor und nach dem Mord und wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Der Wechsel erfolgt zwischen den Tagebucheinträgen der Haushaltshilfe und den Perspektiven von Daisy und Jon in der Vergangenheit, während die Handlung immer weiter an die Mordnacht heranrückt. Die Gegenwart erfolgt aus der Sicht der erfahrenen Ermittlerin Mallory van Alst, die den Mord ohne Leiche aufklären muss, während sie sich um ihren Ehemann sorgt, der unter Demenz leidet und über Sterbehilfe nachdenkt.

Schon von Anbeginn ist zu ahnen, dass in diesem Kriminalfall nichts so ist, wie es scheint. Einerseits scheint die Sachlage klar, dass Kit Darling in dem Glashaus ermordet wurde, denn alle Spuren deuten daraufhin und auch der Prolog treibt die/ den LeserIn in diese Richtung. Andererseits kann es aber nicht so einfach und durchschaubar sein, dass Daisy und Jon ihre Haushaltshilfe ermordet haben, um ihr Geheimnis zu wahren, denn das wäre zu offensichtlich und letztlich haben in der Geschichte alle etwas zu verbergen und handeln aus Motiven, die die anderen nicht kennen.

Der Mix aus "Geld regiert die Welt", Erpressung, Rache und dem Wunsch nach Gerechtigkeit macht den Plot aus und wird klug inszeniert. Die Charaktere handeln eigensinnig und skrupellos bis hin zu brutal, wenn es darum geht die eigene Haut zu retten oder andere an den Pranger zu stellen.
Kurze Kapitel und schnelle Szenenwechsel sowie zahlreiche Wendungen sorgen für Dynamik und halten die Spannung hoch. Die Ermittlungen sind nicht detailliert, aber bis auf wenige Details schlüssig und ergänzen den weitaus vielseitigeren Handlungsstrang der Vergangenheit bis es zum großen Showdown - der Mordnacht zu Halloween - kommt und allmählich alle Rätsel um die Figuren und ihre Taten entschlüsselt werden.
Dem Tagebuch der Haushälterin kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, das den Leser aufgrund fehlender Datumsangaben in die Irre leitet, was am Ende ein klein wenig ernüchternd ist.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Ein spannendes Zukunftsszenario über den Wunsch nach ewigen Leben, das jedoch als Gedankenexperiment verhallt

Wir werden jung sein
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Der Wissenschaftler Martin Mosländer forscht an einem Medikament zur Behandlung von Herzmuskelschwäche und teste das Resultat an vier Probanden, sich selbst und seinem Hund aus. Der frisch verliebte jugendliche ...

Der Wissenschaftler Martin Mosländer forscht an einem Medikament zur Behandlung von Herzmuskelschwäche und teste das Resultat an vier Probanden, sich selbst und seinem Hund aus. Der frisch verliebte jugendliche Jakob hat plötzlich Erektionsstörungen, die ehemalige Profischwimmerin bricht überragend einen Rekord bei einem Benefizschwimmen, Jenny wird nach einer erfolglosen Kinderwunschbehandlung auf natürlichem Weg schwanger und der dem Tod geweihte Patriarch und Immobilienmogul Karl Menger sieht sich nun doch nicht gezwungen, sein Leben vorzeitig zu beenden.
Die Nebenwirkungen des neuen Medikaments verursachen eine Verjüngung der Zellen, was nicht nur die Medien, sondern auch den Deutschen Ethikrat auf den Plan ruft. Eine Diskussion über Generationengerechtigkeit, Chancengleichheit und Überbevölkerung entsteht, die zum Teil auch in Gewalt umschlägt.

Die Geschichte handelt wenige Monate in der Zukunft und mutet nicht nur aufgrund der zeitlichen Nähe, sondern auch aufgrund der schlüssigen Erklärungen zur Forschung und den schon kurzfristig entstehenden Folgen wenig utopisch und erschreckend real an.

Man erhält einen Einblick in sechs verschiedene Leben, die auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Medikament - als Wissenschaftler, Patient und Mitglied des Ethikrats - in Berührung kommen. Auch die Konsequenzen für die Probanden und die Gedanken, die sie sich machen, sind ganz unterschiedlich. Es geht nicht mehr nur um die körperlichen, sondern auch die seelischen Folgen und welcher Druck durch die Aussicht auf ein längeres oder gar ewiges Leben entsteht.
Neben den persönlichen Folgen sind die Auswirkungen für Gesellschaft und Weltbevölkerung kaum auszudenken. Fraglich ist, ob so ein Medikament - gegebenenfalls mit einer weniger starken Wirkung - zugelassen werden darf und ob eine Verbreitung überhaupt zu stoppen ist, wenn die Formel bereits in kriminelle Hände geraten ist.

Mit "Wir werden jung sein" stellt der Autor ein interessantes Szenario vor, das nachdenklich stimmt und das Für und Wider eines Einsatzes eines Medikaments betrachten lässt, das Krankheiten lindern, das Leben verlängern und sogar ein ewiges Leben möglich machen könnte, aber keine Lösung für das moralische Dilemma präsentiert. Ob die Folgen einer Zulassung des Medikaments mehr Vorteile oder mehr Nachteile birgt, ist unfassbar komplex und hängt sowohl von der Perspektive - Politik, Wissenschaft, Religion? - als auch vom Individuum und der Gesellschaft ab.

Der Erzählstil ist im Vergleich zur ernsthaften Thematik humorvoll, weshalb es dem Roman trotz des beängstigenden Zukunftsvision an Thrill und Spannung fehlt. Brisante Situationen werden charmant, aber recht simpel gelöst. Auch sind die Einblicke in die vier bzw. sechs Leben auf 300 Seiten zu kurz, als dass man ein Gefühl für die Charaktere bekommen und deren Situation und Misere besser nachvollziehen könnte. Die jeweiligen Enden wirken deshalb recht willkürlich gewählt.

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