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Veröffentlicht am 05.10.2017

Eiskalte Rache

SOG
1

Wie soll man richtig handeln, wenn man in einer Zeitkapsel Morddrohungen findet? Die Briefe, Wünsche und Prophezeiungen sind immerhin schon zehn Jahre alt als sie bei Kommissar Huldar auf dem Tisch landen. ...

Wie soll man richtig handeln, wenn man in einer Zeitkapsel Morddrohungen findet? Die Briefe, Wünsche und Prophezeiungen sind immerhin schon zehn Jahre alt als sie bei Kommissar Huldar auf dem Tisch landen. Ignorieren? Ermitteln? Es war doch nur eine Schulaufgabe, in denen Kinder sagen sollten, wie sie sich die Welt in 10 Jahren vorstellen. Doch trotzdem ist die Liste mit Initialen der potentiellen Opfer besorgniserregend und als dann noch in kurzen Abständen zwei schwer entstellte Leichen auftauchen, kann die Polizei nicht anders als alles miteinander zu verknüpfen.
Gekonnt wie eh und je wirft uns Yrsa Sigurdardóttir in die Geschichte von SOG, dem zweiten Teil ihrer neuen Reihe um den Ermittler Huldar und die Kinderpsychologin Freya. Beide noch beruflich angeschlagen dank ihrer abstrusen und nicht ganz konformen Ermittlung des ersten Bandes, stehen nun vor einem neuen Fall, der zu Beginn nicht chaotischer sein könnte. Doch trotzdem ermitteln die Beiden über alle Hürden hinweg, fügen lose Enden zusammen und nicht nur einen Teil ihres Rufs, sondern auch ihrer Beziehung wieder auf. Zwischenmenschlich kriegen wir auch mehr geboten. Huldar nimmt – in gewohnter Manier – jedes Fettnäpfchen mit, Freya hingegen versteht weiterhin viel falsch.
Gewohnt dunkel, kühl und düster – ein typischer Islandkrimi, wie wir ihn spezial von Yrsa Sigurdardóttir gewohnt sind. Ihr Schreibstil ist weiterhin fantastisch, schön rau und schnörkellos. SOG fesselt ab der ersten Seite und lenkt auch gekonnte Krimileser auf deutlich falsche Spuren, so dass das Ende noch sehr lange unerkannt bleibt.
Wer nun – wie ich - Dóra Gudmundsdóttir vermisst, der hat spätestens mit dem zweiten Band Huldar und Freyja als neue Weggefährten gefunden, die zwar unserer Rechtsanwältin nicht das Wasser reichen können, aber auf ihre eigene liebenswerte Weise die Geschichten tragen. Die Reihe hat um die beiden hat sich auch gut weiterentwickelt. DNA war ein solider, angenehmer Krimi, SOG hingegen ist an Spannung und Handlung wesentlich umfangreicher und ausgereifter, so dass die Hoffnung und Erwartung auf den dritten Band direkt steigt.

Veröffentlicht am 14.08.2017

Rasanter Thriller mit der perfekten Prise Cross!

Spectrum
1

Eine unknackbare, sichere Möglichkeit wertvolle Dinge aufzubewahren, das ist GoBox. Hier kann alles verwahrt werden, was von größter Wichtigkeit ist. Die Tresore liegen unter der Erde, Zugang nur mit Retinascan ...

Eine unknackbare, sichere Möglichkeit wertvolle Dinge aufzubewahren, das ist GoBox. Hier kann alles verwahrt werden, was von größter Wichtigkeit ist. Die Tresore liegen unter der Erde, Zugang nur mit Retinascan und diversen Ausweisen. Aber was, wenn ein paar Kriminelle, gerade dabei sind diesen unknackbaren Tresor auszurauben, es ihnen sogar gelingt und sie dann aus einer vollkommen umstellten Filiale ohne Aufsehen verschwinden? Dann ist sogar das FBI ratlos und zieht ihren neusten Berater Dr. August Burke hinzu. Wunderlich und anders, dafür mit einem Blick für Details, die den meisten verborgen bleiben.

Für den Auftakt seiner neuen Thriller-Reihe „Spectrum“ suchte der Autor der Sheperd-Bücher nach einem neuen noch nicht da gewesenen Protagonisten. Mit Burke, der unter dem Asperger-Syndrom leidet, hat er das geschafft. Es hat ein bisschen was von Sherlock Holmes, die Fähigkeiten durch Verworrenheiten eines Falles sehen zu können, gleichzeitig anderen aber in der sozialen Interaktion mit seinen neuen Kollegen hindert. Das macht das Konzept des neuen Buches aber gleich auch spannender. Burkes agiert nicht alleine, weil – wahrscheinlich auch durch seine Erkrankung – eine allein tragende Rolle zu viel für den Charakter gewesen wäre. Daher schrieb Cross ihm den FBI Agent Carter an die Seite und gesellte noch den Polizisten Nic dazu. Die drei ergeben eine gute Grundlage für ein wildgemischtes Trio und bügeln alle die Schwächen des anderen aus.

Die Geschichte ist typisch Ethan Cross – spannend, verworren und actiongeladen. Letzteres jedoch nicht im Stile von der Sheperd-Reihe, die oftmals wie ein abgelehntes Drehbuch wirkte, das Grundlage für die Romane wurde. Explosionen, wilde Verfolgungsjagden – Seite um Seite wurde aufgetrumpft und es noch gewaltiger gemacht. Während die Reihe um Ackermann zwar stets spannend war, aber oftmals die Substanz fehlte, kommt Spectrum ganz anders daher. Viele Abschnitte sind komplex, keine „schnell-lesen“-Kapitel und brauchen Verständnis und Aufmerksamkeit. Ein schöner neuer Aspekt, der dem Buch den Status der „Eintagsfliege“ genommen hat.
Das Leseerlebnis bleibt aber cross-like. Die Kapitel sind kurz, knackig und eignen sich perfekt, um schnell noch eins zu lesen. Einzig und allein die verschiedenen Handlungsstränge verhindern das sofortige Einfinden in die Geschichte. Die ersten Seiten sind teilweise sehr verworren, da sowohl die Sicht der Täter, der Polizisten und anderen Charakteren, deren Erscheinen erst mit der Zeit Sinn ergibt, beschrieben werden. Doch ist diese Hürde genommen, macht das Buch wahnsinnig Spaß. Burke, Carter und Nic wachsen einem schnell ans Herz und die Geschichte hat genug Drehungen, Irrungen und Wirrungen, so dass die Auflösung lange genug im Dunkeln bleibt.

All das lässt die Vorfreude auf den zweiten Teil wachsen, etabliert Cross auch mit seiner neuen Reihe im Thrillergenre und beweist, dass er auch andere Ideen haben kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Figuren
  • Atmosphäre
  • Spannung
Veröffentlicht am 16.09.2021

Endlich wieder ein guter Schreiber

Der Mauersegler
0

Da liegt er nun, der dritte Roman von Jasmin Schreiber. Mit Mariannengraben hat sie sich in mein Herz geschrieben, mit Abschied von Hermine grenzenlos enttäuscht.
Nun liegt „Der Mauersegler“ vor mir, ...

Da liegt er nun, der dritte Roman von Jasmin Schreiber. Mit Mariannengraben hat sie sich in mein Herz geschrieben, mit Abschied von Hermine grenzenlos enttäuscht.
Nun liegt „Der Mauersegler“ vor mir, der an nur einem Vormittag gelesen wurde und das Vertrauen in Schreibers Schreibkünste wiederhergestellt hat. So hat sie hier wieder vertrautes Terrain betreten. Ähnlich wie bei „Mariannengraben“ geht es um den Tod, um Schuld und um Trauerarbeit, jedoch auf eine andere Art und Weise. Während ihr erster Roman wie ein traurig-schöner Roadtrip-Roman war, ist der Mauersegler viel ernsthafter und auch düsterer.
Es geht um Prometheus, der als Arzt seinen krebskranken besten Freund behandelt. Er verliert sich irgendwo zwischen der Behandlung, Rationalität, Emotionalität und folgenschweren Entscheidungen. Der einzige Ausweg: die Flucht, die ihn weinend nach Dänemark verschlägt, wo er durch Zufall auf ein altes, lesbisches Pärchen trifft, die einen Pferdehof betreiben. Obwohl Prometheus panische Angst vor Pferden hat und die alten Frauen eher grimmig sind, scheint all dies ihm bei seiner Trauerbewältigung und dem Schuldbekenntnis zu helfen.
Während die Protagonisten in Mariannengraben sympathisch, warmherzig und liebenswert waren, ist Prometheus vor allem eins: ein Arschloch. Man mag ihn nicht. Er wirkt unsympathisch, narzisstisch und vor allem egoistisch. Auch wenn seine Trauer, seine Gedanken und seine Schuldgefühle nachvollziehbar und vor allem auch begründet sind, ist Prometheus vielleicht nicht der beste Protagonist, tut aber seinen Dienst. Er bringt den Leser in ein tiefes, düsteres Tal aus Gedanken und Gefühlen, die besser gar nicht beschrieben hätten werden können.
Der Mauersegler ist ganz anders als erwartet und vielleicht nicht das Highlight wie Mariannengraben. Trotzdem ein wunderbares, vor allem gut geschriebenes, Buch. Schreiber kann eben schreiben, den Leser abholen und nebenbei immer wieder mit kleinen Fakten, die man nie vergisst, punkten. Lesenswert. Absolut.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.09.2021

Typisch McFarlane

Du hast mir gerade noch gefehlt
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Stell dir vor, du verlierst deine beste Freundin mitten in deinen Dreißigern? Wie viel gibt es noch, was ungesagt geblieben ist? Was wird sie alles verpassen? Und wie soll das Leben einfach weiter gehen?
So ...

Stell dir vor, du verlierst deine beste Freundin mitten in deinen Dreißigern? Wie viel gibt es noch, was ungesagt geblieben ist? Was wird sie alles verpassen? Und wie soll das Leben einfach weiter gehen?
So geht es Eve. Sie ist seit Studienzeiten mit Susie, Ed und Justin befreundet und genau an dem Abend, an dem Eds Freundin, in dem sie seit Jahre heimlich verliebt ist, ihm einen Heiratsantrag macht, erleidet Susie einen Unfall. Dadurch erscheint auch Susis älterer Bruder Finlay in Eves Leben und sorgt für jede Menge Chaos. Als Eve feststellt, dass sich unter Finlays rauer Schale ein gar nicht so unattraktiver Kern verbirgt, spielt Ed plötzlich mit dem Gedanken, die Hochzeit abzusagen. Was für Eve ein Grund zur Freude sein sollte, hat ihr jetzt gerade noch gefehlt …
Mhairi McFarlane – ein Garant für gute Literatur und ein Name, der bei mir immer Freude hervorruft, sobald ich ihn auf der Liste der Neuerscheinungen sehe. So groß war daher die Vorfreude als „Du hast mir gerade noch gefehlt“ auf der Bühne erschien.
Und wie immer, McFarlane hat abgeliefert. Ihr neuster Roman ist ganz typisch ein McFarlane und doch so gar nicht. Im Mittelpunkt von „Du hast mir gerade noch gefehlt“ steht diesmal nicht nur eine zauberhafte Liebesgeschichte, sondern auch Trauerarbeit. Sie nimmt den Leser mit auf die Reise von Verlust, Freundschaft und dem „mit dem Leben wieder anfangen“. In all das baut sie eine aufkeimende neue Liebe ein.
All das macht sie wie gewohnt mit leichten Worten, schafft eine zuckersüße Geschichte, die doch so viel mehr Tiefgang hat als man zunächst denkt.
Das McFarlane sich nicht nur mit einem Thema beschäftigt, das kennen die treuen Leser. Geschickt und leicht für den Leser baut sie Rassismus, Feminismus, Demenz und auch die Trauer ein. Doch ihre Bücher wirken immer leicht, fluffig und haben trotzdem genau das richtige Maß an Tiefgang und snd mehr als nur eine Liebesgeschichte. Mit „Du hast mir gerade noch gefehlt“ hat sie ein mitreißenden, ans Herz gehenden Roman verfasst, der allen Erwartungen der treuen Fans gerecht wird, aber auch für jeden neuen Leser einen toller Einstieg bietet.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Schwere Familiengeschichte

Die Überlebenden
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"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das ...

"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das Schönste, was es gibt. Wenn du oft genug durch diesen Wald läufst, kennst du bald jeden Stein, jeden schwierigen Weg..."
Wir sind mitten in Schweden, vor einem roten Sommerhaus – doch nichts mit Idylle. Drei Brüder liegen sich prügelnd in den Armen. Die Gefühle sind übergekocht. Sind sie doch eigentlich aus einem Grund hier: Die Asche ihrer Mutter verstreuen und damit ihren letzten Wunsch erfüllen.
In seinem Roman „Die Überlebenden“ erzählt Alex Schulmann abwechseln in der Gegenwart und Vergangenheit wie es zu dieser Situation kam. Es ist eine bedrückende, schwere Familiengeschichte über drei Brüder, unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Um einen alkoholkranken Vater, eine in sich gekehrte und aggressive Mutter. Alle Jungs wirken um Anerkennung buhlend, angestrengt und ein bisschen verloren. Pierre, Benjamin und Nils – die Brüder – sind sich fremd geworden. Zwischen ihnen viel Ungesagtes, viel liegt in der Luft. Es geht um das Miteinander, den Bruch der Brüder, viel Zwischenmenschliches.
Die Überlebenden liest sich nicht einfach, aber die Geschichte zieht den Leser mit. Schulman erzählt unaufgeregt, bildhaft, ruhig. So bedrückend die Stimmung ist, so sehr kann man den Sommer, die Hitze und den Wald förmlich spüren. Obwohl die Geschichte so bedrückt, spürt man förmlich eine träge Kindheit, warme Sommerabende und das kindliche Freisein. Es ist eine Geschichte über Familie, Beziehungen, aber vor allem auch über Schuld, Verdrängung und Trauma.

Absolute Leseempfehlung.

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