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Veröffentlicht am 18.03.2019

Denver-Clan auf Extasy - eine wahrlich fantastische Welt mit extremen Charakteren

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
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„Wenn ihr mir folgt, werdet ihr den ersten Winter nicht überstehen.“ (S. 109)

Meine Meinung:
Über dieses Buch hatte ich schon einige sehr euphorische Meinungen gelesen, Vergleiche mit „Harry Potter“ gab ...

„Wenn ihr mir folgt, werdet ihr den ersten Winter nicht überstehen.“ (S. 109)

Meine Meinung:
Über dieses Buch hatte ich schon einige sehr euphorische Meinungen gelesen, Vergleiche mit „Harry Potter“ gab es da, oder auch Stimmen wie „Auf Anhieb ein Klassiker.“ Da stand es für mich schnell fest, dass ich dieses Buch unbedingt lesen muss!

Mein persönliches „Leseerlebnis“ hat über die gesamte Länge von rd. 530 Seiten aber stark variiert. Am Anfang war ich sehr schnell angefixt von der faszinierenden und phantastischen Grundidee dieses Buches. Ein zerstörter Erdball – und die Menschen leben nun auf 21 großen und 186 kleinen Fragmenten (genannt „Archen“), die wie in einem kleinen, eigenen Universum als Trabanten um den heißen Rest der Erde kreisen. Diese Archen weisen ganz unterschiedliche Lebensbedingungen auf und so haben sich auf ihnen Familienclans mit ganz besonderen Fähigkeiten entwickelt. Ein echt spannender Evolutionsgedanke!

Die Protagonistin Ophelia ist ein wahrlich besonderer Charakter. Unscheinbar, tollpatschig aber absolut liebenswert und mit zwei phänomenalen Fähigkeiten gesegnet: Sie kann Dinge „lesen“ (über Berührung von Gegenständen etwas über die Vorbesitzer erfahren) und durch Spiegel reisen. Wenn das mal nicht praktisch ist! Doch schnell wird Ophelia aus ihrer Komfortzone auf der Arche Anima herauskatapultiert, denn sie soll den ihr noch unbekannten Thorn von der Arche Pol heiraten. Dieser entpuppt sich aber schnell als anscheinend dauer-miesepetriges Ekelpaket, das von den Hochzeitsplänen genauso wenig begeistert ist wie Ophelia. Es folgt eine schon fast überstürzte Abreise zur Arche Pol, auf der nicht nur die klimatischen Bedingungen extrem lebensfeindlich sind und wo nicht wirklich so ist, wie es zu sein scheint…

Bis kurz nach der Ankunft auf Pol haben mich die Geschichte und das wirklich außergewöhnliche „Universum“ dieser Geschichte regelrecht gefesselt. Im Folgenden fehlte mir dann aber eine spannende Rahmengeschichte. Es ging über viele Seiten hinweg „nur“ um die Entdeckung der – zugegebener maßen – sehr faszinierenden Welt auf Pol und die Einführung weiterer, durchaus sehr schillernder Charaktere dort. Dennoch hat mir hier im Mittelteil eine stringente Storyline gefehlt. Hätte ich hier eine Bewertung abgeben müssen, wären es wohl mit Mühe und Not grade mal 3 Sterne geworden. Ab den ca. letzten 150 Seiten war ich dann aber doch noch voll und ganz in der Geschichte angekommen. Ab hier haben mich die Verschwörungen, Intrigen, Ränkespiele und das latent immer mitschwingende Misstrauen sowie die allgegenwärtige Gefahr regelrecht gefesselt, so dass mich das Buch am Ende doch durchaus zu überzeugen wusste.

Auch wenn die Storyline für meinen Geschmack deutlich ausbaufähig bleibt, hat dieses Buch zwei sehr große Stärken, die es aus der literarischen Masse herausstechen lassen. Zum einen ist das die unglaublich faszinierende Welt mit ihren verschiedenen Archen und zum anderen sind das die absolut schillernden Außnahmecharaktere. Allen voran natürlich Ophelia und ihr „Verlobter“ Thorn, dessen wahres ich selbst Ophelia ein Rätsel ist („Dabei hatte sie nicht die leiseste Ahnung, wer er wirklich war: ein ungehobelter Bär? Ein wichtiger Staatsbeamter? Ein ruchloser Mörder? Ein Mann der Pflicht? Ein seit seiner Geburt entehrter Bastard? Das waren zu viele Facetten für einen einzelnen Mann, und sie wusste nicht, welche davon sie bald heiraten würde.“ - S. 162). Neben diesen beiden gibt es ein gutes Dutzend weiterer unglaublich starker, größtenteils sehr rätselhafter Charaktere, wie etwa der Botschafter Archibald (der Hobby-Deflorateur), der undurchschaubare Kavalier (auch wenn er so aussehen mag – keinesfalls die Unschuld in Person!) oder auch die Dame Berenilde, ein weiteres Fixum in dieser Geschichte, über deren Absichten man nur rätseln kann. Eine so heterogene Ansammlung außergewöhnlicher Charaktere findet man selten – und eine teilweise überraschende Charakterentwicklung ist vorprogrammiert. Besonders das Detail der „Super-Eigenschaften“ der verschiedenen Clans hat mich dabei überzeugt, so können die Drachen beispielsweise jemanden durch reine Gedankenkraft verletzen, während die Familie Archibalds als „Gespinst“ existieren. Wahrlich fantastisch!

Auch der Schreibstil der Autorin konnte mich voll und ganz überzeugen: Modern, locker, stellenweise aufmüpfig, immer wieder humorvoll und wunderbar bildlich (über Thorns Großmutter: „Sie erinnerte wirklich an eine Schildkröte, mit ihren langsamen Gesten, dem höckerigen Rücken, dem welken Hals und einem Lächeln, das wie ein Riss in ihrem runzeligen Gesicht klaffte.“ - S. 166). So macht das Lesen einfach Spaß!

FAZIT:
Verschwörungen, Intrigen, Täuschungen und Misstrauen – ein extrem faszinierendes, phantastisches Universum mit absoluten Außnahmecharakteren!

Veröffentlicht am 15.03.2019

Die Macht des Silbers – ein düsteres und extrem spannendes Fantasyabenteuer

Herzenmacher
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„Wie viele Stunden hast du bereits in deinem Leben verstreichen lassen? Wie viele sind dir wie Sand zwischen den Fingern zerronnen, ungenutzt geblieben und vergeudet worden?“ (S. 102)

„Léo war in etwas ...

„Wie viele Stunden hast du bereits in deinem Leben verstreichen lassen? Wie viele sind dir wie Sand zwischen den Fingern zerronnen, ungenutzt geblieben und vergeudet worden?“ (S. 102)

„Léo war in etwas hineingeraten, das er nicht verstand. Aber es war zu spät, sich dem Geheimnis zu entziehen. Längst war er von einer nie gekannten Abenteuerlust angesteckt worden.“ (S. 125)

Meine Meinung:
Akram El-Bahay hat sich in meinen Augen innerhalb weniger Jahre zu einem der wichtigsten deutschen Autoren für phantastische Kinder- und Jugendliteratur entwickelt. Nach „Flammenwüste“, „Henriette und der Traumdieb“, der „Bibliothek der flüsternden Schatten“ und „Wortwächter“ legt er mit „Herzenmacher“ einen neuen Fantasy-Roman für junge und junggebliebene Leser ab ca. 12 Jahren vor.

Diesmal entführt er uns in das südfranzösische Bergdorf Briançon – und dazu gleich noch in eine fantastische Spiegelwelt. Gekonnt verwebt er hierbei klassische Märchenmotive mit einer modernen Fantasygeschichte – allerdings mit einer sehr düsteren Grundstory. Bereits auf Seite 21 betritt man diese verwunschene Parallelwelt zusammen mit dem herzensguten Protagonisten Léonce „Léo“ Mellino, der einen geheimnisvollen Fremden dorthin verfolgt hat. Doch viel Zeit zum Innehalten und Bestaunen dieser einerseits ähnlichen und andererseits doch wieder so gänzlich anderen Welt bleibt weder Léo noch dem Leser. Sehr schnell nimmt die Gefahr auf dieser Seite konkrete Formen an und es gibt die ersten Todesopfer der Geschichte zu beklagen. Hier zeigt sich schnell der düstere Charakter dieses modernen Märchens. Hier wird durchaus aufgeknüpft und enthauptet! Dennoch verliert Akram El-Bahay niemals das Alter seines Publikums aus den Augen, so dass man keine Angst vor allzu grausamen Szenen haben muss.

Die Geschichte selbst hat mich von Beginn an vollends in ihren Bann gezogen und vom ersten Kapitel bis zur letzten Seite durchgängig gefesselt (Gänsehaut-Finale!). Sie besticht dabei neben ganz wunderbaren Charakteren (die sogar wie z.B. Kafir oder auch Silbermund stellenweise für wohl dosierten Humor sorgen), durch immer wieder überraschende Wendungen und unglaublich atmosphärische Settings, angefangen vom doppelten Briançon, über einen hoch aufragenden Hexenturm, einen tief gebauten unterirdischen Zwergenbahnhof bis hin zu den Sehenswürdigkeiten einer weltberühmten Stadt. Der Autor versteht es ganz hervorragend, bei seinen Lesern die phantastischsten Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Hinzu gesellen sich noch viele kleine, liebevolle Detailausschmückungen dieser Welt, wie etwa die Feuermotten oder Schattenspiegel. Sehr gefreut hat es mich auch, dass Akram El-Bahay Léo im Verlauf der Geschichte auch noch eine ganz starke und wunderbare weibliche Protagonistin zur Seite gestellt hat.

Aber nicht nur die Geschichte weiß voll und ganz zu überzeugen, auch der Schreibstil und die immer wieder mitschwingenden Botschaften machen dieses Buch zu einem absoluten Leseerlebnis. Scheinbar mühelos spielt Akram El-Bahay mit der Sprache, nutzt sie, um mit ihrer Hilfe wortmalerische Bilder entstehen zu lassen („Es war ein leises Lachen, so kurzlebig wie die Schneeflocken, die mit dem Wind in das warme Zimmer schwebten.“ - S. 150 / „Der Mond über ihnen stach wie ein Auge aus der Finsternis, und der Himmel war mit Sternen übersät, als würden sie auf ihm wachsen wie Blüten auf dunklem Gras.“ - S. 206). Dazu finden sich auch immer wieder kleine Weisheiten, mal mehr, mal weniger versteckt, die diesem Buch eine gehörige Portion Tiefgang und eine stellenweise schon lyrische Anmutung verleihen („Ich habe begriffen, dass der Schmerz etwas ist, das von selbst gehen muss, und nichts ist, vor dem man fliehen sollte.“ - S. 372 / „Selbstlosigkeit ist ein Schlüssel, der oft passt.“ - S. 369).

Dies alles macht dieses moderne Märchen zu einer Geschichte über ethische Fragestellungen, über die Kraft der Liebe und zu einem Plädoyer für den Mut zur Vergebung. Sowie gleichsam zu einer Parabel darüber, was mit einer Welt geschieht, wenn der persönliche Komfort über das Wohl aller gestellt wird…

FAZIT:
Ein kleines Meisterwerk der modernen phantastischen Literatur – eines meiner Lesehighlights der letzten Monate!

Veröffentlicht am 13.03.2019

Die Legende vom Meer - Ein mitreißender Genre-Mix mit vielen Stärken

Windborn. Erbin von Asche und Sturm
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„Sich in einem Buch zu verlieren, war eine ganz andere Art der Freiheit. (…) Es war, als würde man all seine Sorgen und Ängste zurücklassen, wenn man die Welten bereiste, die einen zwischen den Zeilen ...

„Sich in einem Buch zu verlieren, war eine ganz andere Art der Freiheit. (…) Es war, als würde man all seine Sorgen und Ängste zurücklassen, wenn man die Welten bereiste, die einen zwischen den Zeilen erwarteten.“ (S. 361)

Meine Meinung:
Jennifer Alice Jager entführt ihre Leser in „Windborn“ in eine raue, lebensfeindliche Welt. Alisha lebt mit ihrer Sippe in der großen Wüste, und als letzte verbliebende Wolkenstürmerin ist es ihre Aufgabe, das überlebensnotwendige Wasser aufzuspüren. Aber nicht nur die sengende Sonne in einer nahezu schattenlosen Welt und das rare Wasser machen ihnen das Leben schwer, denn in schwarzen Festen herrschen die sagenumwobenen Skar. Diese schicken regelmäßig ihre Häscher aus, um die letzten freien Menschen zu unterwerfen und zu versklaven…

Der Einstieg in die Geschichte ist mir sehr leicht gefallen. Das Buch besticht von Anfang an durch ein extrem atmosphärisches Setting und tolle Hauptcharaktere, allen voran natürlich Ashara, die trotz ihrer grade mal 17 Jahre ein schweres Schicksal zu verkraften und eine riesengroße Verantwortung auf ihren Schultern zu tragen hat. Sehr schnell nehmen die Geschichte und auch der Spannungsbogen an Fahrt auf, als das Nomandendorf von den Häschern der Skar überfallen wird und Ashara fliehen muss. Von hier an beginnt für sie eine Odyssee durch eine verwundete Welt, die sowohl für Ashara, als auch für die Leser, die ein oder andere Überraschung bereithält. Dazu kommt mit Kiyan sehr schnell ein zweiter Protagonist hinzu, der ebenfalls zu überzeugen weiß und der für ein irisierendes Wechselspiel zwischen den beiden starken Charakteren sorgt.

Neben der überzeugenden Grundidee der Elementwandler (die die Autorin gekonnt und immer wieder überraschend umgesetzt hat) hat mich insbesondere auch die faszinierende Welt mit ihren unterschiedlichen, sehr gut herausgearbeiteten und extrem atmosphärischen Schauplätzen (wie etwa die schwarze Feste Salehan) gefesselt. Hier verschmelzen die Genre-Grenzen zwischen Fantasy, Science Fiction, Dystopie oder auch Endzeit – und genau das macht diese Geschichte ganz besonders. Bis zum Schluss darf man sich als Leser nicht sicher sein, wohin die Reise wohl führen und die Geschichte enden wird. Spannung und überraschende Wendungen gibt es hier also zur Genüge, garniert mit dem einen oder anderen Schuss Dramatik. Letztendlich sind hierdurch die Seiten beim Lesen regelrecht dahin geflogen und ich konnte als Leser sehr tief in diese Welt abtauchen. Am Ende schafft es Jennifer Alice Jager, dass ich das Buch mit einem guten Gefühl zuklappen konnte, ohne dass sie sich nicht auch gleichzeitig ein Hintertürchen offen halten würde, um ihre Geschichte weiter zu erzählen (was mich sehr freuen würde!).

Abgerundet wird dieses durch und durch überzeugende Buch von dem sehr angenehm zu lesenden Schreibstil der Autorin, die durchaus mal in harten Worten die rauen Gegebenheiten schildert, an anderer Stelle aber auch durch stimmungsvolle, leise Töne eine fast schon intime Stimmung zaubert („Kiyans und meine Kräfte waren wie Sand in unterschiedlichen Farben, der sich miteinander vermengte. Weiße Wolken und blaues Meer – meine Fähigkeit und die seine, die eins wurden in dem Tanz, zu einem Lied, das nur wir hören konnten und nur in unseren Herzen.“ - S. 117).

FAZIT:
Extrem starke, dystopische Fantasy mit SciFi-Elementen - Ganz großes Kino zum Lesen!

Veröffentlicht am 06.03.2019

Leichen pflastern seinen Weg - Ein harter Page-Turner mit viel Blut und Dramatik

Lazarus
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„Wenn du in einen Abgrund schaust, dann schaut auch der Abgrund in dich hinein.“ (ebook S. 479)

Meine Meinung:
„Lazarus“ ist bereits der siebte Band um den Ermittler Joona Linna. Obwohl ich bislang noch ...

„Wenn du in einen Abgrund schaust, dann schaut auch der Abgrund in dich hinein.“ (ebook S. 479)

Meine Meinung:
„Lazarus“ ist bereits der siebte Band um den Ermittler Joona Linna. Obwohl ich bislang noch keinen der sechs Vorgängerbände gelesen habe, hatte ich überhaupt keine Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzufinden und mit den Charakteren vertraut zu werden. Dennoch bin ich mir sicher, dass die Leseunterhaltung noch besser ist, wenn man auch die Vorgänger gelesen hat.

Bereits auf Seite 13 begegnet uns die erste Leiche – und es wir bei Weitem nicht die Letzte sein! Schnell wittert Joona Linna die Gefahr, dass sein totgeglaubter Erzfeind – der brandgefährliche Psychopath Jurek Walter – entgegen allen nahezu wasserdichten Indizien doch noch am Leben sein könnte. Nicht nur seine Kollegen und Familie zweifeln an Joonas Theorie, die sehr paranoid klingt, denn als Leser habe ich genauso mitgezweifelt. Lars Kepler lässt uns hier eine ganze Weile im Dunkeln tappen, ob Jurek Walter wirklich hinter allem steckt. Dabei wird man als Leser selbst regelrecht paranoid und vermutet hinter jeder Kleinigkeit eine Gefahr und für jede Figur eine konkrete Lebensbedrohung. Das ist schon sehr geschickt gemacht!

Durch teilweise sehr kurze Kapitel und die vielen Szenen- und Perspektivwechsel besticht dieser Thriller über weite Strecken durch ein extrem hohes, stellenweise fast schon atemloses Tempo. Immer wieder gibt es – quer durch Europa – Morde, die meist extrem blutig und grausam sind. Das ist schon harte Kost, die man mögen muss. So halten die beiden Autoren das Spannungslevel auf einem fast kaum noch aushaltbaren Niveau, und man mag dieses Buch eigentlich gar nicht mehr aus der Hand legen, bis nicht auch die letzte Seite gelesen ist. Genau so muss ein guter Psychothriller sein!

Wo Licht ist, ist aber auch Dunkel: Das Ermittlerteam um Joona und wir als Leser bekommen es hier mit einem waschechten „Über-Antagonisten“ zu tun, der stets einen Schritt voraus zu sein, alles zu wissen scheint – und dem einfach alles an seinem kriminellen Masterplan gelingt. Dazu ist er Manipulator par excellence, der anscheinend jeden Menschen zu einer „willenlosen Marionette“ und seinem Werkzeug machen kann. Das erscheint stellenweise – vor allem in der Kumulation – schon etwas unrealistisch. Aber das ist für mich nur ein Abzug in der B-Note, den ich für diese fesselnde Unterhaltung gerne in Kauf genommen habe.

FAZIT:
Extreme Spannung, viele Leichen, noch mehr Blut und ein Antagonist, der seines Gleichen sucht. Dazu Tempo und Dramatik – ein absoluter Page-Turner!

  • Einzelne Kategorien
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  • Geschichte
  • Figuren
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 05.03.2019

Solide Fantasy - allerdings mit ein paar Längen und leider wenig sympathischen Charakteren

Das gefälschte Siegel
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„In der Welt der Menschen war so etwas nicht möglich, schon weil der Mensch von Grund auf kein perfektes Wesen war, und hätte Enidin sich nicht an der Illusion festgehalten, dass alles um sie herum ihr ...

„In der Welt der Menschen war so etwas nicht möglich, schon weil der Mensch von Grund auf kein perfektes Wesen war, und hätte Enidin sich nicht an der Illusion festgehalten, dass alles um sie herum ihr eigenes Werk war, sie hätte weinen und ihr Gesicht vor Scham verbergen müssen, selbst so ein unperfektes Wesen zu sein, das die Muster störte bei jedem Schritt.“ (S. 376)

Meine Meinung:
Eine geheimnisvolle Schriftrolle, in die eine mächtige Zauberin vor langer Zeit einen gefürchteten Dämon gebannt haben soll. Ein Zweifel, ob das Siegel der Schriftrolle noch immer ungebrochen ist und der Zauber weiter wirkt. Ein kleine Reisegruppe, die sich aufmachen soll, diesen Zweifel aus der Welt zu räumen. Das ist doch ein Stoff, aus dem Fantasy-Träume gemacht sind!

Natürlich ist das Motiv einer Reisegruppe, die auf eine lange und gefährliche Reise mit ungewissem Ausgang aufbricht, alles andere als neu in der Fantasy-Literatur und wurde seit Tolkiens Meisterwerken schon sehr oft adaptiert. Nach einem atmosphärischen und sehr leichtgängigen Start in die Geschichte hinein schickt Maja Ilisch eine kleine, bunt zusammengewürfelte und extrem heterogene Reisegruppe auf ihren Weg zu den Alfeyn, dem sagenumwobenen Nebelvolk. Unter der Führung von Prinz Tymur machen sich der Wächter Lorcan, der Fälscher Kevron und die junge Magierin Enidin auf, diese gefährliche Mission zum Erfolg zu bringen. So weit, so gut, so Fantasy!

Von den vier Gefährten hat jeder einzelne mit seinen ganz eigenen Dämonen zu kämpfen, was immer wieder für Spannungen und Zwist innerhalb der Gruppe sorgt und die gemeinsame Mission mehr als einmal behindert. Persönlich hatte ich hierbei das Problem, dass ich mit keinem der vier über den Verlauf der Geschichte so richtig „warm“ geworden bin. Prinz Tymur war für mich eher ein eitler Geck als (z.B.) ein tougher Anführer, Lorcan war mir irgendwie zu unnahbar, Kevron zu abgehalftert (ernste Alkoholprobleme gehören doch eher zu skandinavischen Ermittlern) und Eniden oft zu „anti“ und wenig konstruktiv. Ich muss in einem guten Buch nicht alle Charaktere mögen, aber wenigstens ein Sympathieträger tut doch jedem Buch gut. Kevron hat mich hierbei am meisten enttäuscht. Es heißt noch über ihn „Aber irgendwo, tief in seinem Innersten, gut verborgen hinter einer Mauer aus Feigheit, war Kevron ein Abenteurer.“ (S. 179) muss ich leider sagen, dass sich dieser innere Abenteurer nicht wirklich ans Licht gekämpft hat. Ich hätte von einem alten Fälscher ein Aufblühen, gerissene und überraschende Einfälle erwartet, ein sich „hin entwickeln“ zum zentralen Charakter der Gruppe – aber leider ist dies ausgeblieben.

Vielleicht lag es aber auch an den ständigen Reibereien und dem immer wiederkehrenden „Aufwärmen“ der gleichen Themen, die mich beim Lesen stellenweise ermüdet und für Längen gesorgt haben. Dazu kam noch ein „Gefühlstechtelmechtel“ um eine Person, bei der ich es eigentlich gar nicht nachvollziehen konnte – und die sich ihrer Gefühlslage selbst nicht so sicher war. Hierauf hätte ich gut verzichten können, was aber sicherlich persönlicher Geschmack ist. Letztendlich hätte ich den Reisenden gerne das ein oder andere Mal ein beherztes „Reißt euch mal am Riemen und konzentriert Euch auf eure Mission!“ zugeworfen. Statt Zänkereien und (heimlichen) Schwärmereien hätte ich lieber „links und rechts des Weges“ die ein oder andere unvorhergesehene Herausforderung gesehen, die die Reisenden zusammen gemeistert und -geschweißt hätten.

Am Ende bietet „Das gefälschte Siegel“ dennoch solide Fantasy-Unterhaltung, ohne allerdings aus der breiten Masse des Genres herauszuragen. Da es sich um den ersten Band einer Reihe handelt, endet dieses Buch mit einem durchaus überraschenden Cliff-Hanger (der mich etwas ratlos zurückgelassen hat) und bietet eine gute Grundlage für Folgebände, für die ich auf eine ausgefeiltere Charakterentwickung hoffen würde.

Positiv empfunden habe ich die dichte Atmosphäre, die Maja Ilisch stellenweise in fantasy-tauglicher Schreibweise immer wieder zu erschaffen weiß. Ebenso konnte mich Ihre Welt, die sie „erschaffen“ hat, durchaus überzeugen, auch wenn es hier für mein Geschmack noch Möglichkeiten der weiteren Ausgestaltung gibt, um wirklich in die Gattung „High Fantasy“ aufzusteigen. Hier ist es allerdings zugegebener Weise nicht leicht in die Liga von Patrick Rothfuss & Co. aufzusteigen.

Am Ende vergebe ich gut gemeinte 3 Sterne.

FAZIT:
Eine solide Fantasy-Unterhaltung mit einigen Längen aber Potenzial für die Folgebände – nicht mehr, aber auch nicht weniger!