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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.08.2019

Nicht lustig

Betreutes Trinken
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Doris Kindermann, Ende dreißig und Sozialarbeiterin, lässt sich und ihr Leben so dahin treiben. Halt findet sie bei ihrer besten Freundin Katja und in ihrer Stammkneipe „Dead Horst“ - bis eines Tages ...

Doris Kindermann, Ende dreißig und Sozialarbeiterin, lässt sich und ihr Leben so dahin treiben. Halt findet sie bei ihrer besten Freundin Katja und in ihrer Stammkneipe „Dead Horst“ - bis eines Tages ihre Exliebe Gunnar auftaucht. Gleichzeitig muss Kneipenwirt Raffi ins Krankenhaus, und Doris versucht mit einigen der Stammgäste, ihre zweite Heimat zu retten. Natürlich klappt das nicht ohne Probleme, und nach einem Unfall denkt Doris doch intensiver über ihr Leben nach.
Die Schreibweise soll locker und unkonventionell erscheinen, dem Typ der Protagonistin angepasst, macht jedoch eher einen oberflächlichen Eindruck. Die Formulierungen sind zwar zeitgemäß und sollen witzig oder ironisch sein, wirken jedoch für mein Empfinden sehr aufgesetzt. Die traurige Wirklichkeit in Doris´ Leben, die sie versucht mit Alkohol und kessen Sprüchen zu überdecken, könnte sicher effektiver herausgearbeitet werden. Mir erscheint es zu wenig - nach 300 vorhergehenden Seiten - auf den letzten ca. 20 Seiten Hintergründe zu Doris´ Vorleben zu erfahren und ansatzweise ihre „Entwicklung“ mitzuerleben.

Veröffentlicht am 11.08.2019

Lachen und weinen zugleich

Der Doktor braucht ein Heim
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„Endlich, endlich kehre ich heim“, so der Stoßseufzer des Doktors. Er hat als Chemiker einmal hohe Auszeichnungen erhalten, doch nun ist er alt, allein in seinem Haus und lebt mit seinen Erinnerungen. ...

„Endlich, endlich kehre ich heim“, so der Stoßseufzer des Doktors. Er hat als Chemiker einmal hohe Auszeichnungen erhalten, doch nun ist er alt, allein in seinem Haus und lebt mit seinen Erinnerungen.
Zeitlich ungeordnet, leicht chaotisch, reihen sich die erinnerten Erzählungen des Doktors aneinander, passend zu seiner mentalen Befindlichkeit. Erst nach und nach merkt der Leser, was es mit dem Doktor und seiner vergötterten Schwester Zescha auf sich hat.
Ohne Rührseligkeit, aber mit trockenem Humor und viel Ironie versteht es die Autorin, den Leser zu fesseln. Sie lässt den Doktor seine Lebensgeschichte selbst erzählen - Vergangenheit und Gegenwart, größere und kleinere Ereignisse, wie sie sich aus seiner Perspektive darstellen und ihm gerade in den Kopf kommen. Seine Gedanken und Einsichten mögen zunächst verwirren, dazu kommt das Wortspiel um „heim“ und „Heim“. Ob sich sein Wunsch nach Heimkehr erfüllt?
Lachen und Weinen liegen hier nahe bei einander. „Der Doktor braucht ein Heim“ ist eine Erzählung, in der sich Traurigkeit und Humor vermischen.

Veröffentlicht am 11.08.2019

Anregendes Sachbuch

Tierische Jobs
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Jeder weiß, wie unersetzlich Hunde als Helfer des Menschen sind; ihre vielfältigen Aufgaben als Jagd-, Wach-, Such- oder Rettungshunde sind hoch geschätzt; ebenso wichtig ist ihr Einsatz als Blindenführer. ...

Jeder weiß, wie unersetzlich Hunde als Helfer des Menschen sind; ihre vielfältigen Aufgaben als Jagd-, Wach-, Such- oder Rettungshunde sind hoch geschätzt; ebenso wichtig ist ihr Einsatz als Blindenführer. In Mario Ludwigs neuem Buch erfahren wir, dass sie auch als Diabetikerwarnhunde tätig sein können, die in der Lage sind, „ihrem“ Menschen im Ernstfall das Leben zu retten.
Sehr unterhaltsam und unkompliziert schildert der Biologe interessante und erstaunliche Fakten aus dem Einsatz von Tieren für menschliche Belange. Dabei erwähnt er nicht nur Säugetiere. Seine (gut gelungene) Auswahl erstreckt sich weiter über Amphibien, Fische und Vögel bis hin zu Insekten. So erfahren wir etwa, dass Bienen am Hamburger Flughafen zur Aufdeckung von Luftverschmutzung durch den Flugverkehr beitragen, Adler als Drohnenabwehrjäger eingesetzt werden, Kangalfische als „Fußpfleger“ tätig sind oder eine Milbe namens Tyroglyphus casei an der Herstellung einer speziellen Käsesorte beteiligt ist. Doch bei allen kuriosen Details lässt Ludwig auch die negativen Seiten einzelner „Jobs“ nicht unerwähnt: die Ausbeutung und Gefährdung von Tierbeständen. Abgerundet wird das handliche Buch von einem umfangreichen Literaturverzeichnis, das den Leser zu weiteren Recherche-Streifzügen ermutigt.
Mein Fazit: Ein rundum gelungenes Sachbuch, anregend und informativ, aber nicht mit Fachwissen überfrachtet.

Veröffentlicht am 06.08.2019

Zeitreise

1793
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Gute alte Zeit? Niklas Natt och Dag belehrt uns in seinem historischen Kriminalroman eines besseren. Er verortet einen ungewöhnlichen Kriminalfall im Stockholm des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wo der ...

Gute alte Zeit? Niklas Natt och Dag belehrt uns in seinem historischen Kriminalroman eines besseren. Er verortet einen ungewöhnlichen Kriminalfall im Stockholm des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wo der bereits von der Tuberkulose gezeichnete, todkranke Jurist Cecil Winge den Auftrag erhält, die Identität eines schrecklich verstümmelten Toten und dessen Mörder zu finden. Ihm zur Seite steht der Kriegsveteran Jean Michael Cardell, der die Leiche aus dem Wasser des Fatburen gefischt hat.
Aus den Perspektiven mehrerer unterschiedlicher Personen (und ebenso verschiedener Lebensbedingungen) werden dem Leser nach und nach Details zum Hergang des Verbrechens geschildert, wobei das Mordmotiv erst am Ende der Geschichte enthüllt wird.
Der ausgezeichnet recherchierte geschichtliche Hintergrund, eigentlich nur als Setting gedacht, gerät für mein Empfinden zusehends in den Mittelpunkt; denn der Autor weiß die damaligen politischen Gegebenheiten, den Einfluss der französischen Revolution auf die Politik Schwedens und zeitgeschichtliche Milieustudien sehr plastisch miteinander zu verbinden. Dabei fühlt sich der Leser mitten ins Geschehen hineinversetzt. Die teilweise drastische Wortwahl, die schonungslosen, ungeschönten Schilderungen mit grausamen und unappetitlichen Details passen zu jener nicht gerade zimperlichen Zeit.
Dass der Krimianteil nicht unbedingt im Vordergrund steht, sondern in die Historie integriert wird, hat mir gut gefallen. Ebenso erscheinen die Charaktere, selbst von Krankheit und Leiden gezeichnet, authentisch. Eine klare Leseempfehlung für alle, die eine Lese-Zeitreise unternehmen wollen!

Veröffentlicht am 25.07.2019

Vernetzung und weitreichende Folgen

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
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Elektrizität - das ist etwas, das wir als ganz selbstverständlich betrachten. Ein alltäglicher Vorgang: es wird hell in der Wohnung, wenn wir den Lichtschalter betätigen, unsere Waren holen wir frisch ...

Elektrizität - das ist etwas, das wir als ganz selbstverständlich betrachten. Ein alltäglicher Vorgang: es wird hell in der Wohnung, wenn wir den Lichtschalter betätigen, unsere Waren holen wir frisch und gut gekühlt aus dem Kühlschrank und wenn uns kalt ist, drehen wir die Heizung auf … Was aber geschieht, wenn der Strom über mehrere Tage, vielleicht gar Wochen, ausfällt?
Ein solches Szenario schildert Elsberg in seinem überaus packenden Roman „Blackout“. Ein tagelanger Stromausfall hat für die Bevölkerung weitreichende, erschreckende Konsequenzen. Fast ganz Europa (und später auch die USA) ist betroffen; denn die Stromnetze der einzelnen Länder sind miteinander verbunden. Dem Autoren gelingt es, die technischen Details verständlich zu erklären und die Auswirkungen einer solchen Katastrophe überzeugend darzulegen. Stück für Stück wird der Leser in eine apokalyptisch anmutende Szenerie hineingezogen. In kurzen Kapiteln, die Elsberg in unterschiedlichen Gegenden Europas stattfinden lässt, wird das Geschehen aus den Perspektiven verschiedener Personen wiedergegeben. Nach und nach setzt sich ein genaueres Bild zusammen; wir erfahren Details zu dem Vorfall, zu den Auswirkungen in den einzelnen Ländern und den Lösungsstrategien von Politikern und Spezialeinheiten. Doch schließlich ist es der nicht mehr ganz junge IT-Spezialist Piero Manzano, der die entscheidenden Hinweise geben kann. Welches sind die Hintergründe de Katastrophe? Welche Motive stecken dahinter?
Wer sich bislang nur wenige Gedanken gemacht über das Thema Strom und seine Vernetzung, wird nach diesem Roman sicher nachdenklicher und vielleicht auch kritischer.