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Veröffentlicht am 03.04.2021

Lachsalven am laufenden Band

Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga
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"Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga – Achtsames Ausatmen für Postjugendliche mit aufgehendem Mittelfinger im Morgenrot" heißt der humorvolle Roman von Sabine Bode aus dem Goldmann Verlag.

Die Begriffe ...

"Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga – Achtsames Ausatmen für Postjugendliche mit aufgehendem Mittelfinger im Morgenrot" heißt der humorvolle Roman von Sabine Bode aus dem Goldmann Verlag.

Die Begriffe "Entschleunigung, Entspannung und Achtsamkeit" sind in aller Munde, aber wie konnte die Menschheit die letzten Jahrtausende nur ohne diese Erkenntnisse leben? Wie bekommt man die realen Themen des Alltags mit Achtsamkeitsbemühungen in den Griff? Wie können wir in der allgegenwärtigen Wohlfühl- und Lifestile-Welle mitschwimmen und bringt das wirklich eine Verbesserung der Lebensqualität? Sabine Bode nimmt auf humorvolle Weise Stellung und zeigt, wie innere Ruhe durch die alltäglichen Dinge zum Entspannungswahnsinn führen kann.

In kurzen Kapiteln mit Interesse weckenden Überschriften wie: "Willkommen in der Wohlfühlhölle: 50 Sorten von Weiß" oder "Sangria oder Sagrotan: Irgendwas mir Palmen" nimmt Sabine Bode die Work-Life-Balance auf die Schippe. Sie lässt eigene Erfahrungen mit nicht ganz ernst zu nehmenden Vorschlägen einfließen und zeigt anhand von Checklisten, was man in bestimmten Bereichen wie Vorstellungsgespräch, Familienfeier, Beziehung oder anderswo sagen könnte, oder besser nicht.

Bei diesem Buch prallen slapstickartige Gags und humorvoll überspitzte Bemerkungen fast sekündlich aufeinander. Man kann oft herzhaft lachen, eingefleischte Work-Life-Balancer vielleicht eher weniger. Denn das Verhalten und das Hinterfragen von bestimmten Entspannungsthemen wird hier auf die Schippe genommen, schliesslich klappt es ja nicht bei jedem Anwender gleich gut.

Ich habe viel lachen müssen, es gibt immer wieder Themen und Erlebnisse, die mir bekannt vorkommen oder die ich mir zumindest gut vorstellen kann. In der geballten Menge haben mich die Inhalte dann allerdings auf Dauer doch übersättigt, ich empfehle, dieses Buch kapitelweise in kleinen Häppchen zu lesen.

Die Themenauswahl ist bunt gestreut, so hat mir die Konfliktvermeidung für Dummies gut gefallen und Pudding für dies Seele. Sehr lebensnah finde ich die Überreichung von Geschenken und die Gedanken zum Home-Office beschrieben. Es sprechen mich nicht alle Themen an, aber es ist je nach Geschmack und Lebensgewohnheiten für jeden etwas passendes dabei.

Sabine Bode nimmt in ihrem Buch die Auswüchse der Achtsamkeitsszene aufs Korn, sie unterhält damit, sorgt für humorvolle Szenen, die im Kopf-Kino ablaufen und bringt die vermeintliche Work-Life-Balance ein wenig ins Wanken.

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Veröffentlicht am 07.02.2021

Ein großartiger Fotobildband zum Staunen und Entdecken!

Aves | Vögel. Charakterköpfe
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Das Sachbuch "AVES - Vögel Charakterköpfe" enthält Fotografien von Tom Krausz und Texte von Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni, es erscheint im Dölling und Galitz Verlag.

»Noch nie habe ich in so viele ...

Das Sachbuch "AVES - Vögel Charakterköpfe" enthält Fotografien von Tom Krausz und Texte von Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni, es erscheint im Dölling und Galitz Verlag.

»Noch nie habe ich in so viele faszinierende Vogelgesichter geblickt wie in diesem Buch. Wir sehen sprechende Gesichter, Charakterköpfe: Rechtsanwälte, Mafiosi, Hausfrauen, Charmeure, Betrüger und Naive - wie im richtigen (Menschen-)Leben -, wir sehen den Punk und den strengen Gelehrten. Und wir begreifen die Individualität jedes einzelnen dieser Tiere wie die jedes einzelnen Menschen«, schreibt Elke Heidenreich in diesem ungewöhnlichen Fotobuch.

Aves, lateinisch für Vögel, sind eine Klasse der Wirbeltiere, deren Vertreter Flügel, Federn und einen Schnabel aufweisen.

Dieser Bildband enthält Schwarz-Weiß-Fotografien von den Porträts einzelner Vögel aus rund 60 Vogelarten. Dabei werden Lebensräume und Umgebung ausgeblendet, es gibt nur den direkten Blickkontakt mit dem einzelnen Indiviuum. So wird der Blick auf die jeweilige Physiognomie des einzelnen Vogels gelegt.

Doch nicht nur die Fotografien begeistern, auch die Texte, die Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni auf humorvolle, ernste und immer der Vogelgattung spezifizierte Weise beisteuern, lassen sich unterhaltsam und lehrreich lesen.

Interessant ist auch ein Essay zur Physiognomie der Vögel von Literaturwissenschaftler Dietmar Schmidt. Zu allen Vogelarten gibt es einen Überblick der biologischen Kurzmerkmale, mit Angaben zum Vorkommen, zur Lebensweise und dem Status auf der Roten-Liste der gefährdeten Arten.

Wir befinden uns Auge in Auge mit verschiedenen Vögeln, alles unterschiedliche Gattungen und individuelle Charakterköpfe, die mit ihrem Blick den Betrachter anvisieren. Was geht dabei wohl in ihnen vor? Jeder einzelne Vogel ist vor den Menschen auf der Hut, ist mit seinem Überlebenskampf beschäftigt und der Mensch zerstört den natürlichen Lebensraum.

Was macht das Verhältnis zwischen Mensch und Vogel aus? Wir betrachten sie, lauschen ihrem Lauten und bestenfalls ihrem Gesang und erleben sie in ihrem Lebensraum, den sich der Mensch immer mehr zu eigen macht. Bei diesen Auge-in-Auge-Porträts scheint es so, als ob die Vögel uns betrachten und man bemerkt ihre individuellen Charakterzüge.

Diese ausdrucksstarken Vogelporträts zeigen die Persönlichkeit jeden Vogels und das ist nicht nur für Hobbyornithologen ein großes Vergnügen. Bei Elke Heidenreichs Texten kann man schmunzeln, sie erwähnt neben allerlei Erbaulichem auch kleine Kurzgedichte. Auch Urs Heinz Aerni weiß einige Anekdoten zum Besten zu geben und so bilden die Texte den passenden Rahmen für die Vorstellung der Vogelgesichter.

Ob exotisch oder einheimisch, hier zeigen Spatz, Meise, Mönchsgeier, Andenkondor, Harpyie, Schuhschnabel und Schleiereule aus nächster Nähe ihre Vogelgesichter und mit scheinbar großer Würde. Sie haben fast menschliche Ausdrücke und wirken neugierig, ängstlich, skeptisch, verletzlich, kämpferisch und bemerkenswert sonderbar. Es sind verletzbare Individuen, die von ihren Lebensräumen abhängig sind. Wir müssen uns ihrer annehmen, um die Arten erhalten.

Auge in Auge mit einzelnen Vögeln, so sieht man sich sonst nie. Ein wunderbarer Fotoband zum Staunen, Freuen, Wundern oder Entdecken. Für Vogelfreunde ein ganz besonders schönes Geschenk!

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Veröffentlicht am 22.09.2020

Überzeugender Regionalkrimi mit Spannung und viel Lokalkolorit

Baskische Tragödie
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"Baskische Tragödie" von Autor Alexander Oetker ist bereits Luc Verlains vierter Fall, der im Hoffmann und Campe Verlag erscheint.

Drogenhändler agieren auch in der schönsten Idylle, so finden sich an ...

"Baskische Tragödie" von Autor Alexander Oetker ist bereits Luc Verlains vierter Fall, der im Hoffmann und Campe Verlag erscheint.

Drogenhändler agieren auch in der schönsten Idylle, so finden sich an den Stränden der Aquitaine massenhaft Pakete mit Kokain. Unglücklicherweise probiert ein kleines Kind davon und fällt kurz darauf ins Koma. Commissaire Luc Verlain untersucht den Fall, bis ihn eine Nachricht aus San Sebastián erreicht. Als er dieser folgt, wird er als Drogenschmuggler unter dringendem Mordverdacht verhaftet. Wer spielt ein böses Spiel mit dem Commissaire?

Im vierten Fall wird Luc Verlain von einer mysteriösen Nachricht ins Baskenland gelockt. Schon länger spielt ein Unbekannter ein böses Spiel mit ihm, welches in der Vergangenheit Lucs begründet ist. Endlich kommt Licht hinter diese Sache, allerdings begibt sich Luc dabei in große Gefahr, er wird sprichwörtlich vom Jäger zum Gejagten.

Der aufmerksame Leser dieser Krimireihe weiß, dass Alexander Oetker mit seinen stimmungsvollen Beschreibungen von Landschaft, Lebensgefühl und kulinarischen Köstlichkeiten immer viel landestypisches Flair einbaut. Damit hat er mich auch dieses Mal nicht enttäuscht und ich habe den Krimi fast in einem Zug gelesen.

Der eingängige Schreibstil und die kurzen Kapitel lesen sich wunderbar flüssig, bei diesem Fall kommt ein Stein ins Rollen, der mit Lucs Vergangenheit zu tun hat und ihn auch persönlich sehr involviert. Er setzt sich durch diese Schnitzeljagd Gefahren aus, die für fesselnde Momente sorgen. Immerhin verlässt er das Hoheitsgebiet seiner französischen Heimat und begegnet im Baskenland seinem Rächer.

Diesen Krimi kann man wieder wunderbar lesen, die Ermittlungen sind mit unterhaltsamen Teilen geschickt in die Handlung eingebaut und auch die Charaktere werden sehr ausdrucksstark dargestellt.

Die "Baskische Tragödie" sorgt mit der spannender Story und etwas Urlaubsflair für fesselnde Lesezeit und hat mich voll überzeugen können.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Ein echter Pageturner

Nach dem Feuer
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"Nach dem Feuer" ist der neue Krimi von Autorin Petra Hammesfahr aus dem Diana Verlag.

Ein Junge entkommt schwer verletzt aus einem brennenden Wohnmobil, seinen Namen gibt er nicht preis. Hauptkommissarin ...

"Nach dem Feuer" ist der neue Krimi von Autorin Petra Hammesfahr aus dem Diana Verlag.

Ein Junge entkommt schwer verletzt aus einem brennenden Wohnmobil, seinen Namen gibt er nicht preis. Hauptkommissarin Rita Voss führt die Ermittlungen und kann nicht sagen, ober er geistig zurückgeblieben oder ein schauspielender Jugendlicher ist. Ihr früherer Vorgesetzter Arno Klinkhammer findet mehr über den Jungen heraus. Seine Mutter beschuldigte ihren Mann, die eigene Tochter missbraucht zu haben. Der Mann verschwand vor 8 Jahren und nun wurde die Frau auf grausame Weise ermordet. Hat der Sohn mit dem Mord zu tun oder ist der Vater darin verwickelt?

Bei diesem Krimi muss man wirklich von ausgereifter Krimihandlung sprechen. Ein raffinierter Plot mit interessantem Kapitelaufbau, hervorragend in der sprachlich nüchternen Umsetzung und mit einer ansteigenden Spannungskurve durchsetzt, sorgt Petra Hammesfahr für einen interessanten Krimi, der es in sich hat.

Auch die Charaktere wirken sehr lebensnah und authentisch, der Ermittler Kommissar Klinkhammer fachlich versiert und Rita Voss hat eine besonders einfühlsame Art, sich auf ihr Gegenüber einzulassen. Am eindrucksvollsten ist die Darstellung des Jungen David gelungen, ihm nimmt man alle Regungen, Äußerungen und Ängste ab, er ist für mich die spannendste Figur im Buch.

Geschickt spinnt die Autorin die Fäden der Geschichte und verteilt sie in kleinen Häppchen auf kürzere Kapitel, die dem Leser immer neue Sichtweisen aus verschiedenen Blickwinkeln ermöglichen. Zwischendurch erleben wir aus Erzählungen und Erinnerungen die Kindheit Davids und bekommen so einen Einblick in sein schwieriges Leben. Er lebte in einer disfunktionalen Famlie, anfangs aufgefangen vom Vater, nach der Scheidung haltlos und ohne große Unterstützung bei seiner Mutter lebend, die anderen das Leben schwer machte.

Die Ermittlung geht langsam vonstatten, die Spurensuche erweist sich als schwierig, denn der Junge schweigt entweder eisern zu den Vorgängen oder er redet ungereimtes wirres Zeug. Zeitliche Wechsel und neu hinzukommende Personen erschweren es, die Hintergründe sofort zu durchschauen, außerdem werden falsche Fährten eingebaut, die einige Dinge in andere Richtungen lenken. Das erfordert Aufmerksamkeit beim Lesen, aber es lohnt sich, denn die Puzzleteile ergeben ein stimmiges Bild über die wahren Hintergründe und Zusammenhänge. Ein Personenregister wäre bei diesem Buch hilfreich gewesen, weil die verwandtschaftlichen Zusammenhänge nicht so einfach waren.

Mit diesem Krimi kann der Herbst beginnen, eine fesselnde Geschichte, die mit vielen Aspekten aufwarten kann und richtig gut geschrieben ist.

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Veröffentlicht am 19.07.2020

Ein echter Lesegenuß durch individuelle Figurentypen im Zeitgeist der 50er Jahre

Die Wunderfrauen
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Im Fischer Verlag erscheint Stephanie Schusters Trilogie "Die Wunderfrauen". Band 1: 'Alles, was das Herz begehrt'.


Der Auftaktband der Wunderfrauen-Trilogie startet 1953 in Starnberg und zeigt vier ...

Im Fischer Verlag erscheint Stephanie Schusters Trilogie "Die Wunderfrauen". Band 1: 'Alles, was das Herz begehrt'.


Der Auftaktband der Wunderfrauen-Trilogie startet 1953 in Starnberg und zeigt vier Frauen zu Beginn der Wirtschaftswunderjahre. Die Jahre des Mangels sind vorbei, die Sehnsucht nach lange vermissten Konsumgütern ist groß: Nun wollen alle ihr privates Glück finden, es geht um die Lebensträume und Gefühle der Frauen, ihre Berufstätigkeit und die Emanzipation.

Luise Dahlmann träumt von ihrem eigenen kleinen Lebensmittelgeschäft und muss davon noch ihren Mann Hans überzeugen. Ihr jüngster Bruder Manni hat das Down-Syndrom und auch um ihn muss sie sich kümmern.

Annabel von Thaler ist gutsituierte Arztgattin, die für ihre Ehe ihre Heimat im westfälischen Münster verlassen hat und sich in ihrer neuen Heimat immer noch fremd fühlt.

Marie Wagner floh aus Schlesien und versucht einen Neustart.

Helga Knaub, Tochter aus reichem Hause hat gerade ihr Abitur verhauen, ihr Vater sucht für sie einen Ehemann, der die familieneigene Schuhfabrik weiterführen kann. Doch dieses Leben als Ehefrau kann sich Helga nicht vorstellen, sie nimmt eine Stelle als Lernschwester an.


Stephanie Schuster schreibt so lebendig, anschaulich und mitreißend, dass man das Buch in einem Rutsch auslesen muss. Von Anfang an habe ich mit den Figuren mitgefiebert und den Werdegang der Frauen und die atmosphärische Zeitbeschreibung gerne miterlebt.

Es sind einfühlsam erzählte Geschichten und Einblicke in die Familien der Frauen, die sie geprägt haben. Anders als ihre Mütter suchen sie ihr persönliches Glück und wollen selbst entscheiden und nicht nach der Façon ihrer Väter oder Männer leben. Es sind die hoffnungsvollen Lebensträume, die auch emotional berühren und durch die besonderen Charakterzüge der unterschiedlichen Frauen so interessant und nahbar wirken. Mich hat Luises bisheriges Leben mit der schwierigen Schwiegermutter berührt, die nach ihrem Tod noch eine besondere Überraschung für sie hat. Aber auch die Kriegserinnerungen ihres Mannes sind mir zu Herzen gegangen. Oder ich habe mich mit der aufmüpfigen und unangepassten Helga verbunden gefühlt, die um keinen Preis der Welt von ihrem Vater an den Nachfolger der Schuhfabrik verheiratet werden möchte. Mitfühlen musste ich auch mit Marie, die schreckliche Dinge erlebt hat und nun einen Job auf einem Pferdehof sucht. Und da ist noch Annabel, die im goldenen Käfig lebt und in ihrer Ehe mit Eifersucht und Einsamkeit zu kämpfen hat.

Die Autorin zeichnet so viele unterschiedliche Stimmungen und Lebensgefühle und bringt die Träume der Frauen lebensnah zu Papier, man kann mit den Figuren regelrecht mitleben. Das alles geschieht vor der anschaulich gezeigten Starnberger Kulisse und lässt uns einen authentischen Blick werfen in die Gegend und den Zeitgeist der 50er Jahre, als die Kriegszeit noch ihre langen Schatten warf.


Diese Lektüre war für mich ein echter Genuss, bei dem mir das Leben der 50er Jahre sehr lebendig und unterhaltsam vor Augen geführt wurde. Auf die Fortsetzung dieser Reihe freue ich mich schon sehr und bin gespannt, welche Entwicklungen die Frauen vorantreibt.

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