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Veröffentlicht am 25.04.2021

so nah und doch so fremd

So wie du mich kennst
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"Time heals nothing by itself. [...] Der Gedanke tröstet mich. Wenn Zeit allein wirklich keine Wunden heilt, dann haben wir ja glücklicherweise genügend dann, um es zumindest auszuprobieren. Zerbrochenes ...

"Time heals nothing by itself. [...] Der Gedanke tröstet mich. Wenn Zeit allein wirklich keine Wunden heilt, dann haben wir ja glücklicherweise genügend dann, um es zumindest auszuprobieren. Zerbrochenes mit allen, was uns guttut, aufzufüllen. All die verdammt guten Momente sammeln und von dieser allgemeinen Fabelhaftigkeit ein Bild schießen."

Obwohl die beiden Schwestern Klara und Marie nicht unterschiedlicher sein könnten, sind sie sich doch so nah. Zumindest bis zu Maries tragischem Tod, der Klara mit unendlich vielen Fragen zurücklässt.

Getrennt durch den Ozean haben Klara und Marie es trotzdem geschafft, ihre Verbundenheit als Schwestern zu pflegen. Doch in den Monaten vor Maries Tod hat sie traumatische Erlebnisse alleine durchmachen müssen, welche aus den Erzählungen in ihren Kapiteln aufgearbeitet werden und ihre Beweggründe für ihre Abwesenheit gegenüber Freunden und Familie erklärten.

In der Heimat noch betäubt von der Trauer über Maries Tod, geht Klara nach New York, um die letzten Dinge die Marie hinterlassen hat einzusammeln und stößt dabei auf etwas Verstörendes, was sie sich nicht erklären kann. In wechselnden Perspektiven erfahren wir wie Klara den Tod ihrer Schwester bewältigt und wie Maries letzten Monate und Jahre weit weg von der Familie aussahen. Voller Hilflosigkeit und Verzweiflung zieht sich in beider Leben eine schwere und bedrückende Atmosphäre.

Dass Maries Beobachtungen die Karla in Form von Fotos auf Maries Laptop wiederfindet ein Trigger für Maries eigenen Erlebnisse sind, wird dem Leser nach und nach enthüllt. Gleichzeitig erfahren wir, wie Klara neben der Trauerbewältigung mit ihren eigenen Beobachtung der Situation umgeht. Der Wechsel der Perspektiven bringt eine aufregende Spannung um die Auflösung des Geheimnisses, welches Marie niemandem anvertrauen konnte.

Auch nachdem das Geheimnis um Marie bekannt war, fand ich das Buch zum Ende hin immer noch sehr zufriedenstellend, denn die Zeit die Klara wieder nach Hause führt, sind gefüllt mit feinfühligen Momenten in der Familie, aber auch erschreckend traurigen Enthüllungen.

Die Themen von Trauer, Familie, Freundschaft, Karriere und Erwartungen und Vorstellungen fürs Leben, aber auch häusliche Gewalt und die daraus resultierenden Gefühle wie Scham, Hilflosigkeit und Ohnmacht bringen Licht in eine Realität, die Opfer von Gewalt erleben.

Der Schreibstil ist angenehm ruhig, durchzogen von Trauer und einem Schleier von Hoffnung. Ich habe es wirklich gern gelesen. Die Figuren Klara und Marie waren zugänglich porträtiert, doch fehlte es in der Entwicklung manchmal ein wenig Tiefe, da hin und wieder Details hinzukamen, die ich für die Geschichte nicht für relevant empfunden habe. Im Ganzen ist es aber eine feine, authentische Geschichte mit vielen aufwühlenden Gefühlen, die die Spannung beim Lesen aufrechthalten.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Berührende, mitreißende Coming-of-Age Story mit Thriller Twist

Der Junge, der das Universum verschlang
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"Schnapp dir die Zeit, bevor sie dich schnappt."

Schnell wird man als Leser in das Leben von Eli Bell eingeführt. Mit einer Stimme bei der auch blumige Erzählungen nie zu ausschweifend werden, begleitet ...

"Schnapp dir die Zeit, bevor sie dich schnappt."

Schnell wird man als Leser in das Leben von Eli Bell eingeführt. Mit einer Stimme bei der auch blumige Erzählungen nie zu ausschweifend werden, begleitet man einen unglaublich neugierig, aufgeschlossenen, klugen und irrsinnig humorvollen Jungen beim Heranwachsen. Eine Coming-of-Age Story, die geprägt ist von häuslicher sowie auf Straßen ausgetragene Gewalt, Drogenhandel und weiteren kriminellen Machenschaften. Zeitgleich eine Story über Familie und Freundschaft, über das Vertrauen in das Gute in Menschen und seinen eigenen Fähigkeiten schwierige Zeiten zu überwinden.

Elis kecke Art sich auszudrücken hat mich immer wieder zum Lachen gebracht und sein detailreicher und farbenfroher Einprägungssinn von kleinen und großen Momenten haben mich beeindruckt, wenn auch die traurigen und nicht gerade kindgerechten Ereignisse, die er miterleben musste, sehr bedrückend waren.
Der Schreibstil ist mitreißend. Zwischen kurzen prägnanten Sätzen kommen immer wieder lange Phrasen die sich über mehrere Zeilen ziehen. Der Autor hat ein unglaublich gutes Gespür für das Aneinanderreihen von längeren Sätzen und sorgt damit immer wieder für Spannung im Verlauf der Geschichte.

Auch die Nebencharaktere habe ich schnell zu schätzen gelernt, denn Menschen wie Slim, ein verurteilter Mörder, welcher als Elis Babysitter fungiert oder Alex, ein hinter Gittern sitzender Bandenanführer, mit dem Eli eine Brieffreundschaft eingeht, haben ihm über die jungen Jahre die Hoffnung und den Mut gegeben, daran zu glauben, dass es gute Menschen gibt. Sowie sein Bruder August, der nicht spricht, doch ihn stets still und tapfer durch sein Leben begleitet.

Immer wiederkehrende Elemente wie die 3 Wörter Kapiteltitel, das mysteriöse rote Telefon oder August's unbegreiflichen Aussagen wie "Dein Ende ist ein toter, blauer Zaunkönig" haben das Buch für mich umso aufregender gemacht. Ein Rauschen voll Adrenalin um die Geheimnisse die August dem Universum entlocken konnte und die Eli versucht zu erklären, ein Wettrenen mit der Zeit und das Bangen, dass er es heil aus seiner eigenen Geschichte schafft. Dass das Buch zum Ende hin schon fast wie ein Thriller ist, hat mein Herz zum Rasen gebracht und mich mit Staunen aber auch mit Fragen zurückgelassen.

Dieses Buch verbindet große Erzählkunst mit unvergesslichen Charakteren und den Scharfsinn für die kleinen eher unaufälligen Momente im Leben. Gegenüber den vielen gewaltvollen Ereignissen stehen Handlungen von überragendem Mut und Beharrlichkeit, wütender Hoffnung, Verzweiflung und Frustration, die durch Authentizität und ehrlicher Sensibilität bestechen, um mit solchen Schicksalen umzugehen. Geistreich und gar witzig in manchen Situationen, zugleich herzzehrend und voller Emotionen, ist die Geschichte des Eli Bells eine, die ich voller Bewunderung und Begeisterung empfehlen kann. Ich bin so gespannt, was Trent Dalton noch für Geschichten hervorholt.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Gentrifizierung und Mut für das Prekariat

Räuber
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Drei Perspektiven (und vereinzelt kleine Einblicke einiger Nebenfiguren) von drei verschiedenen Personen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Sie kommen aus verschiedenen Ecken Berlins, haben nicht ...

Drei Perspektiven (und vereinzelt kleine Einblicke einiger Nebenfiguren) von drei verschiedenen Personen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Sie kommen aus verschiedenen Ecken Berlins, haben nicht nur einen anderen Hintergrund was Status und Job angeht, sondern auch in Ambitionen und Attitüde sind sie weit auseinander. Und doch treffen sie früher oder später aufeinander.

Olli ist Bauarbeiter ohne akademischen Hintergrund und kurz davor aus der Sozialwohnung getrieben zu werden, die er sich mit seiner Mutter teilt. Amelie ist Mutter und Journalistin, die sich Vorwürfe macht, in ihrem Beruf nicht genug für die Gesellschaft zu getan zu haben. Frank Hagen, Ex-Finanzsenator, lebt auf großem Fuß, indem er mit Immobilien handelt und damit die Schere zwischen Arm und Reich weitet.

Räuber ist ein wirklich gelungener Roman über die Gentrifizierung und die Verzweiflung und Hilflosigkeit des Prekariat. Verachtend angesehen und ohne große Chancen, erschlagen von unverständlicher Bürokratie und die fehlende Ernsthaftigkeit, mit denen die Probleme der Menschen entgegengenommen werden, wird sich hier gesellschaftskritisch auseinandergesetzt. Wie es dazu kommen konnte und wie es weiter aussehen mag, wenn die Immobilienwelt die Mietpreise weiter ansteigen lässt, und welche Auswirkungen die Verdrängung von finanziell ärmeren Menschen aus der Stadt für die Gesellschaft bedeutet, greift die Autorin hervorragend durch klug gewählte Sprache der verschiedenen Charaktere auf. Wir erfahren von Realitäten von denen weggesehen wird, von kapitalistischen Entscheidungen der Politik und damit resultierende weitere Nachteile für das Prekariat. Hierarchien und Ansehen werden weiterhin unterstützt, während die sozial Benachteiligten weiter leiden und sich nicht mehr zu helfen wissen. Systematisch werden Menschen verdrängt, die gerade am nötigsten eine Stütze brauchen.

Die Autorin begeistert mit angemessenem Humor und Biss, einer spitzen Zunge und literarisch eine Empfehlung meinerseits ist. Es werden politische Themen durch ausgearbeitete Charakterentwicklungen näher gebracht und kritisch beleuchtet, ohne dass es langweilig wurde. Authentische Stimmen wird hier eine Bühne gegeben, wo Unsicherheiten und Ängste wahrgenommen werden. Gerne mehr davon für die zeitgenössische Deutsche Literaturwelt!

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Veröffentlicht am 19.03.2021

nahbares Porträt aber sehr anspruchsvolle Lektüre

Was wir scheinen
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Dieser Roman aus der Sicht Arendts lässt tief in die Geschichte und das Leben der Philosophin und Publizistin blicken. Von ihrer Emigration aus Deutschland din die Vereinigten Staaten und ihren Anfängen ...

Dieser Roman aus der Sicht Arendts lässt tief in die Geschichte und das Leben der Philosophin und Publizistin blicken. Von ihrer Emigration aus Deutschland din die Vereinigten Staaten und ihren Anfängen im Journalismus sowie bis zum Eichmann-Prozess werden in diesem Buch wichtige Lebensabschnitte Arendts aufgezeigt. Arendt wirkte durch die persönlichen Einblicke die ihr zugeschrieben wurden und den Gedankengängen sehr nahbar. In dieser Hinsicht hat die Autorin großartige Arbeit geleistet, denn man hatte das Gefühl, ein Gespür für diese bekannte Person zu bekommen.
Sprachlich ist es wirklich großartig, gleichzeitig aber auch sehr anspruchsvoll. Hin und wieder beeindrucken die poetischen und lyrischen Zeilen und ich finde, die Autorin hat Hanna Arendt eine wirklich lebendige Stimme verliehen. Die eingefügten Zitate und Zeilen aus Briefwechseln finde ich hervorragend in den fiktiven Kontext eingearbeitet.
Die vielen Zeitsprünge waren jedoch sehr verwirrend, weshalb ich nie wirklich mehrere Kapitel am Stück lesen konnte, da ich immer Abstand gebraucht habe, um mir über das Geschehen etwas klarer zu werden. Die vielen Persönlichkeiten, die mir zum Teil nicht bekannt waren, musste ich zunächst mit viel Nachschlagen einordnen.
Diese Art von Porträt ist der Autorin dennoch sehr gut gelungen, weshalb die Form des Romans hier doch funktioniert. Für alle, die mehr über Arendt als Person kennenlernen wollen, ist dies eine treffende Lektüre. Man muss sich dafür auf jeden Fall viel Zeit nehmen, aber die Art auf die man über Arendt erfährt ist wirklich beeindruckend. Ihre Weise zu denken und was ihr in Ihrer Arbeit wichtig ist, wird hier durch verschiedene Momente und Ereignisse dargestellt.
z.B. haben mir die Diskussionen mit Studenten während ihrer Vorträge wirklich gut gefallen. Generell gab es wirklich viele, aufschlussreiche Dialoge, die sich beim Lesen wie eine gute Filmszene anfühlten.
Der Eichmann-Prozess war immer präsent und hat eine spannende Sicht auf Eichmann gezeigt, die Arendt hatte. Leider waren die Beschreibungen um die Gerichtsprozesse sehr langatmig und gerne hätte ich lieber intensivere Einblicke erfahren.
Im Ganzen ist es ein unglaublich gut geschriebenes Buch und ein aufregendes Porträt Arendts. Persönlich, nahbar, reichhaltig an Informationen.

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Veröffentlicht am 01.03.2021

Ein herzlich tierisches Vergnügen

Flips - Ein Wollschwein legt los
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Hach, wie lieb die Geschichte um Flips, das Wollschwein doch war. Und vor allem so außergewöhnlich. Dass viele Kinder sich ein Haustier wünschen ist keine Überraschung, doch dass es hierbei um ein Wollschwein ...


Hach, wie lieb die Geschichte um Flips, das Wollschwein doch war. Und vor allem so außergewöhnlich. Dass viele Kinder sich ein Haustier wünschen ist keine Überraschung, doch dass es hierbei um ein Wollschwein handelt ist wirklich entzückend. Die jungen Leser lernen Toni kennen, die mit Flips nicht nur einen Freund findet, sondern auch in dem neuen Nachbarsjungen Jonte. Wie wichtig artgerechte Tierhaltung ist und dass es zum Wohl des Tieres mehr als nur Liebe und Freude an ihm benötigt, lernt Toni hier kennen. Mit Flips gibt es hier einiges zu erleben und das weiche Wollschwein bringt nicht nur Toni zum Schmunzeln. Die Illustrationen haben das Buch schön abgerundet. Die einzelnen Kapitel haben eine angenehme Länge und mit dem Inhaltsverzeichnis können neugierige Leser sich einen Einblick in den möglichen Verlauf der Geschichte machen, zumal doch sehr viel passiert und man so das Buch fürs spätere Weiterlesen auch mal zur Seite legen kann.
Im ganzen ist es eine herzlich schöne Geschichte für junge Lesebeginner, die sich aber auch zum Vorlesen eignet. Die Spannung bleibt bestehen und es gibt sowohl aufheiternde als auch eher etwas traurigere Momente. Sprachlich ist es einfach und verständlich für Kinder geschrieben, nachvollziehbar und ohne Ungereimtheiten. Das Thema (Haus)Tiere und vor allem so nicht gewöhnliche wie ein Schwein, wurde sehr schön eingebunden.

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