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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.09.2017

Sieben Leichen. Sieben historische Stätten. Siebenhundert Seiten.

Die Gärten von Istanbul
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Byzantion war der erste Name Istanbuls. Eine Stadt, in der Geschichte geschrieben wurde, die dem Römischen, dem Byzantinischen und dem Osmanischen Reich als Hauptstadt diente.
Kaum einer kennt sie so gut ...

Byzantion war der erste Name Istanbuls. Eine Stadt, in der Geschichte geschrieben wurde, die dem Römischen, dem Byzantinischen und dem Osmanischen Reich als Hauptstadt diente.
Kaum einer kennt sie so gut wie Nevzat, Oberinspektor des Morddezernats. Das erste Opfer ist ein Professor für Kunstgeschichte. Weitere Leichen werden aufgefunden. Alle an historischen Stätten mit einer antiken Münze in den Händen. Wo liegt das Motiv?
„Die Gärten von Istanbul“ ist nicht einfach nur Krimi, sondern vor allem psychologisches Drama. Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Perspektive aus Sicht von Nevzat. Ab und zu werden aber auch Abschnitte in Kursivschrift eingestreut, die über die Geschichte der Stadt berichten.
Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Nevzat kommt sympathisch rüber. Frau und Tochter wurden ebenfalls Opfer eines Verbrechens. Und so leidet der Leser mit ihm mit.
Ahmet Ümit besitzt eine ruhige, unaufgeregte Sprache. Die Spannung ist nicht immer hoch. 200 Seiten weniger hätten dem Buch gut getan. Die Geschichte nimmt viele überraschende, dramatische und auch brutale Wendungen, bis zum tragischen Ende.

Fazit: Ein guter Krimi, ein großes Drama. Lesenswert!

Veröffentlicht am 13.09.2017

Düster und grausam

Underground Railroad
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„Underground Railroad“ von Colson Whitehead ist ein Roman über ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte, der mich sehr bewegt hat.
Schauplatz ist eine Baumwollplantage im tiefen Süden, in Georgia. ...

„Underground Railroad“ von Colson Whitehead ist ein Roman über ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte, der mich sehr bewegt hat.
Schauplatz ist eine Baumwollplantage im tiefen Süden, in Georgia. Die Geschichte spielt vor der Sklavenbefreiung, also vor mehr als 150 Jahren. Erzählt wird das Schicksal der 17-jährigen Cora. Aber auch das ihrer Großmutter und Mutter, die ebenfalls auf der Plantage gearbeitet haben.
Eines Tages wird Cora gefragt, ob sie Caesar auf seiner Flucht in den Norden begleiten möchte. Eine aufregende Zeitreise beginnt…
Colson Whitehead hat den Überlebenskampf der Sklaven in den Südstaaten spannend in Szene gesetzt. Ab und zu sind echte Steckbriefe eingestreut. Auch die Emotionen kommen nicht zu kurz. „Underground Railroad“ beinhaltet grausame Szenen, die schwer auszuhalten sind:
„Die Leichen hingen wie verrotteter Schmuck in den Bäumen. Manche waren nackt, andere teilweise bekleidet...“
Dieses geheime Netzwerk, das es wirklich gegeben hat, als unterirdische Eisenbahn darzustellen, finde ich genial. Denn ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. South und North Carolina, Tennessee, Indiana. Immer, wenn Cora an einer Station aussteigt, findet sie ein anderes Amerika.
Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Cora ist mir sofort ans Herz gewachsen. Sie ist eine starke Frau, die viele Rückschläge zu verkraften hat. Gekonnt seziert der Autor ihre Gedanken und Gefühle. Und so fiebert man mit ihr mit, ob am Ende tatsächlich die Freiheit wartet.

Fazit: Ein anspruchsvoller Roman, der ambivalente Gefühle auslöst. Gut geschrieben, ohne Frage. Eine Lektüre, die einen klüger macht und nachhallt.

Veröffentlicht am 08.09.2017

Findet Emma!

Kalte Seele, dunkles Herz
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„Dark Memories - Nichts ist je vergessen“ hatte mir gefallen und so war ich schon gespannt auf „Kalte Seele, dunkles Herz“. Die Inhaltsangabe ließ erneut auf einen fesselnden, psychologisch raffinierten ...

„Dark Memories - Nichts ist je vergessen“ hatte mir gefallen und so war ich schon gespannt auf „Kalte Seele, dunkles Herz“. Die Inhaltsangabe ließ erneut auf einen fesselnden, psychologisch raffinierten Thriller hoffen und ich wurde nicht enttäuscht. Worum geht es?
Schauplatz ist eine Kleinstadt in Connecticut, USA. Drei Jahre waren die 15-jährige Cassandra und ihre zwei Jahre ältere Schwester Emma spurlos verschwunden, bis Cass eines Tages nach Hause zurückkehrt. Doch wo ist Emma?
Die forensische FBI-Psychologin Dr. Abigail Winter hat eine Theorie. Sie selbst kämpft noch immer mit den Dämonen ihrer Kindheit, ähnlich wie die von Cass. Zusammen mit Special Agent Leo Strauss versucht sie, Cass zu helfen und Emma zu finden.
Wendy Walker thematisiert in ihrem neuen Roman Narzissmus. Ein tödliches Szenario, das die Autorin sich ausgedacht hat. Erzählt wird die Geschichte abwechselnd in der Ich-Perspektive aus Sicht von Cass und aus der Perspektive von Abby.
Der Roman punktet mit vielen unvorhersehbaren Twists & Turns, mit denen Wendy Walker die Geschichte voran und die Spannung in die Höhe treibt. Eine Geschichte, die sich zudem flott und flüssig lesen lässt. Nichts ist wie es scheint, keiner so unschuldig, wie er tut.
„Kalte Seele, dunkles Herz“ ist auch das Psychogramm einer Ehe und eine Familientragödie. Cass‘ und Emmas Leben war die Hölle. Es geht um Täuschung und Manipulation. Die Vergangenheit wirft lange Schatten, die die Autorin gründlich ausleuchtet. Die Auflösung ist schockierend und erschütternd, aber absolut stimmig.

Fazit: Wendy Walker zieht einen mit in den Abgrund. Faszinierend düster!

Veröffentlicht am 06.09.2017

Cui bono? Wem nützt es?

Alternativen
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„Tag Null“ und „Blutzucker“ hatte ich mit Begeisterung verschlungen und so war ich schon gespannt auf „Alternativen“. Die Inhaltsangabe ließ erneut auf einen brisanten Roman noir hoffen und ich wurde ...


„Tag Null“ und „Blutzucker“ hatte ich mit Begeisterung verschlungen und so war ich schon gespannt auf „Alternativen“. Die Inhaltsangabe ließ erneut auf einen brisanten Roman noir hoffen und ich wurde nicht enttäuscht. Worum geht es?
„Alternativen“ erzählt die Geschichte zweier Männer. Auf der einen Seite Thomas, ein Normalo, der sich von den Thesen der rechtspopulistischen Partei »Die besseren Deutschen« blenden lässt. Auf der anderen Seite Farim, ein Deutscher mit tunesischen Wurzeln, der sich vom IS verführen und für einen Anschlag rekrutieren lässt.
Der Frankfurter Kommissar Berg und seine Kollegin Landers ermitteln währenddessen in einem tödlichen Autounfall, bei dem ein Hoffnungsträger der DbD ums Leben kam…
Der Kriminalfall spielt hier eigentlich nur eine Nebenrolle. Spannend ist vielmehr die Entwicklung der beiden Protagonisten. Gekonnt seziert Leif Tewes deren Gesinnung und Gefühle. Es gibt viele Parallelen zwischen Thomas und Farim, beide radikalisieren sich. Eigentlich sind sie gar nicht so verschieden. Die Figuren sind natürlich überzeichnet, die Geschichte voller Klischees. Aber es gibt eben nicht nur Schwarz und Weiß, sondern Vielschichtigkeit.
Erst als - kurz vor der Bundestagswahl - in Frankfurt eine Bombe explodiert, werden die Ermittlungen forciert. Die Spuren führen nach Duisburg, die Stadt, in der Farim geboren ist. Aber ist es wirklich so einfach? Nicht nur Berg kommen Zweifel…
Selbst wenn der Leser der Polizei immer einen Schritt voraus ist, wird dennoch Spannung aufgebaut - und gehalten. Gut gefallen haben mir die Dialoge zwischen Berg und seiner Frau und, dass es auch wieder einen Soundtrack zum Roman gibt.
Natürlich muss man eine Weile über die im Buch mitgeteilten Fakten grübeln und sie erst einmal verdauen. Positiv ist zu vermerken, dass der Autor nie den mahnenden Zeigefinger hebt. Zitat: „Aber ich will den Lesern deutlich zeigen, dass es immer noch andere Wege gibt als die einfachen Scheinwahrheiten von Verführern und Populisten.“

Fazit: Gelungener Mix aus Realität und Fiktion über ein brandaktuelles Thema. Bestens recherchiert. Ein Buch mit Herzblut. Ich bin begeistert!

Veröffentlicht am 01.09.2017

Rache und Gerechtigkeit

Der Totensucher
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Um es gleich vorwegzunehmen, „Unvergolten“ und „Der Todesprophet“ hatte ich mit Begeisterung verschlungen und so war ich schon gespannt auf „Der Totensucher“. Die Inhaltsangabe ließ erneut auf einen packenden ...


Um es gleich vorwegzunehmen, „Unvergolten“ und „Der Todesprophet“ hatte ich mit Begeisterung verschlungen und so war ich schon gespannt auf „Der Totensucher“. Die Inhaltsangabe ließ erneut auf einen packenden Thriller hoffen und ich wurde nicht enttäuscht.
Der Autor geht gleich in medias res: Die elfjährige Lucy wird aus der elterlichen Wohnung entführt. Zwei Jahre danach ist ihr Vater, der ehemalige Drogenfahnder Adrian Speer, ein Wrack. Er hat alles verloren, bekommt aber eine zweite Chance in einer neu gegründeten Abteilung.
Zusammen mit seinem Partner Robert Bogner wird er zu einem Tatort gerufen. Horst Rokov wurde grausam ermordet. Früher war er im Rotlichtmilieu tätig. Kurz darauf wird ein weiterer Mann erhängt aufgefunden. Derselbe Modus Operandi. Es handelt sich um den Anwalt Achim Wölfling. Wo ist die Verbindung? Anscheinend geht es dem Täter um Gerechtigkeit - und späte Rache.
Chris Karlden, der Meister der Irrungen und Wendungen, hat seinen neuen Thriller routiniert in Szene gesetzt. Wechselnde Perspektiven, auch aus Sicht des Killers, sorgen für Dynamik. Selbst wenn der Leser der Polizei immer einen Schritt voraus ist, wird dennoch Spannung aufgebaut.
Die Figuren sind gut gezeichnet. Allerdings bin ich weder mit Speer noch mit Bogner warm geworden. Der Eine geht fremd, der Andere ermittelt einfach weiter, obwohl er suspendiert ist. Noch dazu im Alleingang. Das finde ich ziemlich unprofessionell.
Der Plot an sich lässt wenig zu wünschen übrig. Zwar schleppt sich die Geschichte im Mittelteil manchmal ein wenig dahin, werden einige falsche Fährten gar zu offensichtlich gelegt, aber die Auflösung gelingt dennoch überzeugend.

Fazit: Mehr Krimi als Thriller. Nichtsdestotrotz lesens- und empfehlenswert!