Profilbild von thisisher

thisisher

Lesejury Profi
offline

thisisher ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit thisisher über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.11.2018

Spannender Einblick in die Geschichte der Frauen in China!

Mulans Töchter
0

Man sollte sich vom eher schlichten Cover dieses Buchs nicht davon abhalten lassen, einen Blick hinein zu riskieren.
Bettina Vriesekoop schildert ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke, die sie bei ...

Man sollte sich vom eher schlichten Cover dieses Buchs nicht davon abhalten lassen, einen Blick hinein zu riskieren.
Bettina Vriesekoop schildert ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke, die sie bei einem Besuch in Peking mit verschiedenen Interviewpartnerinnen gesammelt hat. Begleitet wird sie dabei immer von ihrer Assistentin Hu Ye. Sie interviewt u.a. eine ehemalige Sexarbeiterin, die eine NGO gegründet hat, eine lesbische und eine bisexuelle Frau, die beide für Durex arbeiten, eine Ärztin, die über Sexualität aufklärt und eine Frau, die mit 27 noch unverheiratet ist und deshalb als Essensrestchen „Shengnü“ gilt.

Sie reden mit den Frauen über Sexualität, die Rolle der Frau und vor allem über den Erwartungsdruck dem alle Chinesinnen und Chinesen ausgesetzt sind. Der Staat übt Kontrolle aus, ebenso die Eltern, die in den Kindern nur ein Mittel sehen um den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden.

Vriesekoop schreibt dabei überraschend fesselnd und unterhaltsam, auch wenn es Wiederholungen gibt. Sie beschreibt ihre persönlichen Eindrücke von der Umgebung und den Frauen selbst, fügt gelegentlich ihre eigenen Gedanken hinzu. Außerdem bezieht sie sich oft auf Pearl S. Buck, die sie offenbar stark in ihrer Sichtweise auf China beeinflusst hat.

Ich war ziemlich überrascht wie flüssig sich das Buch liest. Ich hatte von der Leseprobe eher eine sachliche und sehr nüchterne Sprache erwartet, aber als die Autorin anfängt, die Frauen zu interviewen, entwickelt sich ein Lesefluss, der sich durch das ganze Buch zieht.
Es gelingt ihr die Geschichte der Frauen in China spannend und interessant zu erzählen, sie mit genügend Details zu untermalen und ihren eigenen Blickwinkel darzustellen.
Ein spannender Einblick in die Geschichte der Frauen in China!

Veröffentlicht am 02.11.2018

Feministisches Einmaleins

No More Bullshit
0

Das Frauennetzwerk Sorority hat eine Sammlung von 19 eigenständigen Beiträgen zum Thema Feminismus herausgegeben. Diese beschäftigen sich damit, sexistische Bullshit Phrasen zu entlarven und die genannten ...

Das Frauennetzwerk Sorority hat eine Sammlung von 19 eigenständigen Beiträgen zum Thema Feminismus herausgegeben. Diese beschäftigen sich damit, sexistische Bullshit Phrasen zu entlarven und die genannten dann zu entkräften. Die Lesenden erhalten einen guten Überblick über die gängigsten sexistischen Sprüche und Vorurteile und was man ihnen am besten entgegensetzt.

Die Themen werden dabei auf unterschiedliche Art und Weise behandelt und bieten einen unterschiedlich tiefen Einblick in verschiedene feministische Ansätze. So wird zum Beispiel der Unterschied zwischen Feminismus und Humanismus erklärt, deutlich gemacht, dass Frauen in vielen Bereichen Männern (immer noch) nicht gleichgestellt sind und gezeigt, dass auch Männer vom Feminismus profitieren.
Die Sprache ist dabei überwiegend gut verständlich, modern und einfach zu lesen, nur einzelne Beiträge verlieren sich in sehr wissenschaftlicher Ausdrucksweise. Die grafische Gestaltung gefällt mir gut, Grafiken und Listen lockern den Fließtext auf, der Kontrast zwischen Gelb und Schwarz wirkt wie ein Alarmsignal, was bei dem Thema auch gut passt. Die Kapitel sind sehr kurz gefasst, umfassen meist nur 4-6 Seiten.

Leider vermisse ich bei den durchaus überzeugenden Fakten, die als Argumente angeführt werden, die Quellenangaben, die zusammen mit einer allgemeinen Liste von weiterführenden Links und Büchern das Buch bereichern und die selbstständige Suche erleichtern würden.
Außerdem fehlt mir eine Erklärung für das nicht durchgehend nachvollziehbare Gendern der Begriffe Männer und Frauen, ob diese sich jetzt auf das biologische Geschlecht beziehen oder auf das empfundene, wird den Lesenden zur eigenen Interpretation überlassen.
Beim Blick auf die Porträts der jeweiligen Verfasserinnen fällt außerdem recht deutlich auf, dass auf Diversität wenig Wert gelegt wurde, was bei einer eigentlich so vielfältigen Auseinandersetzung mit Feminismus wirklich schade ist.

Mir hat vor allem der Beitrag der Wissenschaftlerin, Rapperin, Performance-Künstlerin und Autorin Reyhan Sahin aka Lady Bitch Ray gefallen, die ihre explizite Kritik auch sprachlich sehr überzeugend und mit Nachdruck vermittelt.
Auch die Darstellung verschiedener Strategien, die entsprechende Gesprächspartner
innen nutzen, um sich jeder sachlichen Diskussion zu entziehen, wirkt aufschlussreich. Die angebotenen Tipps, wie man sich dagegen wehren kann, bedürfen aber noch der praktischen Überprüfung.

Die Sammlung der Stammtischweisheiten zeigt, dass Feminismus immer noch negativ behaftet ist; dass Feminismus nicht nur für Frauen, sondern alle Menschen da ist und dass Menschen miteinander reden und sich vor allem zuhören müssen, um Vorurteile und Diskriminierung hinter sich zu lassen. Insofern bietet das Buch gute Diskussions- und Denkanstöße, die daraufhin selbstständig vertieft werden müssen. Aber die Vielfältigkeit der Beiträge bietet einen guten Einstieg in das Thema Feminismus.

Veröffentlicht am 21.10.2018

Die Frau hinter der Königin

Queen Victoria
0

Queen Victoria hat die britische Geschichte geprägt, ein ganzes Zeitalter ist nach ihr benannt worden. Die Biografie beginnt mit ihrer Geburt 1819 und endet mit ihrem Tod 1901. Wir erhalten Einblick in ...

Queen Victoria hat die britische Geschichte geprägt, ein ganzes Zeitalter ist nach ihr benannt worden. Die Biografie beginnt mit ihrer Geburt 1819 und endet mit ihrem Tod 1901. Wir erhalten Einblick in das Leben der Königin vor dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Situation, ihre Beziehung zu ihrem Mann Albert und nach dessen Tod zu ihrem Freund John Brown.
Dabei wird Alberts fragwürdiges Frauenbild genauso dargestellt, wie Victorias Liebe zu ihrem Mann und ihr schwankendes Selbstvertrauen in Bezug auf ihre Fähigkeit zu regieren.

Der Stil der Autorin Julia Baird gefiel mir gut, sie schreibt weitgehend sachlich und trotzdem flüssig. Trotzdem fehlte mir an manchen Stellen eine Klarheit und Straffheit, die politischen Erklärungen waren mir zeitweise zu weitschweifig und mir fehlte auch ein bisschen mehr Struktur. Vieles wiederholt sich und ist umständlich beschrieben.
Die unfassbare Menge an Informationen macht es anstrengend die Biografie am Stück zu lesen und ich musste öfter Pausen einlegen um das Gelesene wirken zu lassen.

An manchen Stellen hätte ich mir mehr Detail gewünscht, zum Beispiel zu den lebensgefährlichen Umständen unter denen jede Geburt stattfand, zu anderen weniger, zum Beispiel, wenn mir erzählt wird, welcher Onkel gestorben ist oder welcher Bruder, von welcher Nichte, wen geheiratet hat.

Die Übersicht über den gesamten Familienstammbaum zu Beginn ist sehr hilfreich. Victoria hatte neun Kinder, die alle quer durch Europa geheiratet haben und Kinder bekommen haben, da ist es schwierig den Überblick zu behalten.

Die Leserin erfährt viel über Victorias Innenleben, ihre Zweifel, ihren trotzigen, eisernen Willen. Es gelingt dieser Biografie, die fast 500 Seiten Text umfasst, sehr gut, ein umfassendes Bild über diese mächtige Frau zu geben und darzustellen, dass hinter der Monarchin auch nur eine Frau steckt.

Veröffentlicht am 11.10.2018

Selbstgebackenes Brot macht glücklich, zumindest ein bisschen

Ca. 750 g Glück – Das kleine Buch über die große Lust sein eigenes Sauerteigbrot zu backen
0

Wie backe ich mein erstes eigenes Sauerteigbrot und warum sollte ich überhaupt Brot backen? Das erklären uns Judith Stoletzky und Lutz Geißler in Form dieses kleinen Buchs.
Es ist unterteilt in verschiedene ...

Wie backe ich mein erstes eigenes Sauerteigbrot und warum sollte ich überhaupt Brot backen? Das erklären uns Judith Stoletzky und Lutz Geißler in Form dieses kleinen Buchs.
Es ist unterteilt in verschiedene Kapitel, die übers Brotbacken philosophieren und ganz viel Lust darauf machen, Teig anzurühren, dem eigenen Sauerteig einen Namen zu geben (zum Beispiel Susi) und dann den Teig in den Ofen zu schieben und darauf zu warten einen duftenden, warmen Laib Brot aus der Röhre zu ziehen.

So wunderbar dieses kleine Buch geschrieben ist und so wertvoll auch manche Erkenntnisse sind, so unpassend finde ich die Aufmachung des Buchs.
Die Seiten sind strahlend weiß und glatt, die Haptik, die beim Brotbacken als so wichtig beschrieben wird, passt hier gar nicht zum Inhalt des Buchs. Auch wenn das Papier aufgrund der Fotos gewählt wurde, hätte ich mir für den Text, der doch überwiegt, eine leicht raue, matt weiße Papierart gewünscht.
Der Einband, überzeugt mich ebenfalls nicht, er fühlt sich beschichtet an, mir hätte ein Einband aus Stoff besser gefallen. Das Format hingegen ist schön, klein und handlich.
Auch die Schrift will so gar nicht in dieses Plädoyer für Achtsamkeit und Langsamkeit passen, die serifenlose, moderne Schrift steht im Gegensatz zu dem auf Tradition und Nostalgie (Stichwort Fotografie/Photographie) beruhenden Gesamtkonzept.
Die Fotos von Hubertus Schüler sind toll, gerade weil sie analog und mit Lochkamera hergestellt wurden. Sie zeigen auch wie mit einem Rezept und mehreren Bäckern die verschiedensten Brote entstehen können. Und wie hat schon Bob Ross gesagt: Es gibt keine Fehler, nur glückliche kleine Zufälle.

Der Tonfall, in dem Judith Stoletzky das Brotbacken beschreibt ist geglückt und liest sich angenehm locker und gut. Mir hat besonders die ausführliche Beschreibung des Rezepts gefallen. Die häufigsten Fehler können von Anfang an vermieden werden, wenn man den Text genau liest und lassen obengenannte Zufälle fast verschwinden.

Deswegen jetzt gleich anfangen, Sauerteig anrühren und schon bald ein selbstgebackenes Brot aus dem Ofen ziehen, das laut Lutz Geißler nur 9 Minuten und 20 Sekunden Arbeitszeit kostet. Und wenn das kein Argument ist, dann hilft wohl nur in dem Büchlein blättern und Motivation sammeln!

Veröffentlicht am 11.10.2018

Jeder der wegschaut wird zum Täter

Deutsches Haus
0

Eva ist Übersetzerin für Polnisch und wird beauftragt die Aussage eines ehemaligen KZ-Häftlings zu übersetzen. Sie ist Mitte 20, lebt mit ihren Eltern, die das Gasthaus „Deutsches Haus“ betreiben, ihrer ...

Eva ist Übersetzerin für Polnisch und wird beauftragt die Aussage eines ehemaligen KZ-Häftlings zu übersetzen. Sie ist Mitte 20, lebt mit ihren Eltern, die das Gasthaus „Deutsches Haus“ betreiben, ihrer älteren Schwester und ihrem jüngeren Bruder zusammen und hat vorher noch nie von Auschwitz gehört oder dem Ausmaß der Verbrechen die dort und in anderen Lagern geschehen sind. Der Roman spielt in Frankfurt, Anfang der sechziger Jahre, zwanzig Jahre nach Ende des 2.Weltkriegs.

Als Eva gegen den Willen ihres Verlobten beginnt im Prozess als Übersetzerin zu arbeiten, schlägt ihr aus ihrem Umfeld nur Widerwillen und Abweisung entgegen. Alle versuchen den Krieg und seine Auswirkungen zu verdrängen, sich ihrer Schuld zu entziehen und nicht darüber nachzudenken, was in den Lagern geschehen ist.
Evas Bruder spielt Krieg, ihre Schwester macht absichtlich Neugeborene krank, nur um sie gesund pflegen zu können und ihre Eltern haben den Krieg und ihre eigene Täterrolle verdrängt.

Der Einstieg in die Geschichte ist mir erst schwer gefallen, der Schreibstil erinnert am Anfang an ein Drehbuch, eher kalt, sachlich und nüchtern werden die Personen und ihre Handlungen, die Szenerie beschrieben. Das ändert sich jedoch im Verlauf des Romans. Wir folgen Eva im Prozess und in ihrer schwierigen Situation mit ihrem Verlobten Jürgen, den sie liebt, aber der selbst eine Vergangenheit nicht verarbeitet hat und seine Launen an Eva auslässt.

Das Buch wird zunehmend beklemmender, je mehr Eva und die Leserin über die Verbrechen der NS-Zeit erfährt und erreicht seinen Höhepunkt, als Evas eigene Vergangenheit unmittelbar im Prozess zu Tage tritt.

Evas Konflikte mit ihrer Familie und ihrem Verlobten und die Auseinandersetzung mit der größtenteils verdrängten Vergangenheit sind sehr gelungen. Das Ausmaß der Verdrängung ist erschreckend und heute kaum noch vorstellbar. Wenn davon geredet wird, dass die Vernichtung von so vielen Menschen logistisch gar nicht möglich sei oder dass die Zeugen lügen würden, weil der, der das meiste Unglück erfahren hat, „gewinnt“, bleibt einem schon mal die Spucke weg.

Annette Hess ist mit ihrem Roman die Darstellung eines bedeutsamen Stücks deutscher Zeitgeschichte gelungen. Sie zeigt wie wichtig es ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und sich bewusst zu werden, was während des zweiten Weltkriegs in Deutschland geschehen ist und wie jeder der weggeschaut zum Täter wird. Sie zeigt auch die Folgen der Verdrängung und wie fehlende Aufarbeitung zur Verfestigung von Angst und Vorurteilen und damit zu Gewalt und Ausgrenzung alles Fremden führt.