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Veröffentlicht am 26.05.2018

76 Seiten bis zur ersten Leiche

Das Grab unter Zedern (Ein-Leon-Ritter-Krimi 4)
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Der Rechtsmediziner Leon Ritter lebt und arbeitet (gelegentlich) in Südfrankreich, einem Ort an dem andere Leute Urlaub machen. Nachdem ein toter Mann aus dem Wasser gefischt wird und später noch weiter ...

Der Rechtsmediziner Leon Ritter lebt und arbeitet (gelegentlich) in Südfrankreich, einem Ort an dem andere Leute Urlaub machen. Nachdem ein toter Mann aus dem Wasser gefischt wird und später noch weiter Leichen auftauchen, bei denen er als einziger davon überzeugt ist, dass sie ermordet wurden und nicht, wie offenbar die französische Polizei annimmt, durch einen Unfall oder Suizid gestorben sind, übernimmt er kurzerhand die Ermittlungen persönlich.

Er ist umgeben von inkompetenten Männern, die bei der Polizei/in der Rechtsmedizin arbeiten. Das fällt auch als erstes auf: es gibt sehr viele Männer in diesem Kriminalroman, vor allem in Führungspositionen. Ärzte, Polizeichefs, Cafébesitzer etc. Frauen existieren offenbar nur in Form der vorlauten Zieh-Tochter, Kellnerin, Sprechstundenhilfe, verrückten Alten oder eben als Opfer. Die einzige Ausnahme stellt Isabelle, seine Lebensgefährtin dar, die obwohl sie Polizistin ist, nur bedingt in seine ermittlerische Arbeit miteinbezogen wird.

Die Roman schwankt zwischen den Genres Thriller und Krimi. Für einen Thriller fehlt ihm das Tempo, aber die vielen Leichen, der kurze Zeitraum in dem die Handlung stattfindet, und dass der Ermittler am Ende selbst in Gefahr gerät, sprechen eher für einen Thriller als einen Krimi. Trotzdem plätschern die 480 Seiten so dahin, Spannung kommt nur selten auf. Der erste Tote taucht auch erst auf Seite 76 auf. Eine starke Kürzung hätte dem Buch und vor allem der Leserin gutgetan.

Leon Ritter weist, worauf sein Name schon hinweist, sehr ritterliche Eigenschaften auf: ein Gentleman, ein aufrichtiger, gerechtigkeitsliebender und treuer Ehrenmann, der Konflikte am liebsten sofort mit Worten löst, keine Vorurteile, außer vielleicht gegenüber Vegetariern, hat, seiner Frau morgens Kaffee ans Bett bringt und bis auf gelegentliche Machoanwandlungen der perfekte Arzt, Vater, (Ehe-)Mann ist. Ein Ritter eben.

Eine positive Ausnahme stellen die gerichtsmedizinischen Szenen dar. Sie sind anschaulich, verständlich und wissenschaftlich fundiert geschrieben. Sie gehören aber zu den wenigen interessanten Augenblicken des Romans.

Bei einem Krimi erwarte ich eigentlich vor allem Spannung, ich will wissen, wer wen warum umgebracht hat. Das habe ich hier leider vermisst, weder die Figuren waren interessant, noch der Fall besonders spannend. Der Handlungsort, der durchaus schön beschrieben wird, und die gerichtsmedizinischen Szenen zählen zu den Highlights des Buches. Das Leseerlebnis wäre aber durch eine Kürzung des Romans erheblich verbessert worden.

Veröffentlicht am 26.05.2018

Ereignisreiche Mysterystory voller Rätsel und Geheimnisse

Der Kreidemann
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1986: Eddie ist ein Kind und wird mit seinen Freunden Fat Gav, Mickey, Nicky und Hoppo in eine Reihe unglücklicher Ereignisse verwickelt. Alles beginnt mit einem Unfall, bei dem ein Mädchen schwer verletzt ...

1986: Eddie ist ein Kind und wird mit seinen Freunden Fat Gav, Mickey, Nicky und Hoppo in eine Reihe unglücklicher Ereignisse verwickelt. Alles beginnt mit einem Unfall, bei dem ein Mädchen schwer verletzt wird und endet mit mehreren Toten und mehr Fragen als Antworten. Außerdem findet er überall Kreidezeichnungen, die unmittelbar mit den Ereignissen in Verbindung zu stehen scheinen.

2016: Ed ist mittlerweile 42, arbeitet als Lehrer in der Schule und wohnt immer noch in der selben Stadt, im selben Haus, im selben Zimmer. Einer seiner alten Freunde hat sich angekündigt und plötzlich tauchen überall wieder die Kreidezeichnungen auf, die ihn seit seiner Kindheit verfolgen. Ed macht sich daran, endlich das Rätsel seiner Kindheit zu lösen und sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.

Die Geschichte wird aus Eds Sicht geschildert, und der Leser ist seinem Blickwinkel komplett ausgeliefert. Wir sehen alles aus Eds zuerst kindlicher, später erwachsener Perspektive. Der Perspektivwechsel ist dabei gut gelungen, die Sprache des erwachsenen Ed lässt sich gut von der des jungen Ed unterscheiden. Das Buch ist in zwei Handlungsabschnitte aufgeteilt, die abwechselnd erzählt werden.

Der Stil der Autorin ist leicht lesbar, verständlich und zeichnet sich durch teilweise sehr drastische Darstellungen aus. Die Sprache ist temporeich und die Geschichte überschlägt sich fast vor Ereignissen, die Charakterzeichnung kommt dabei vor allem bei den Nebencharakteren leider zu kurz, so ist lernt der Leser vor allem Nicky, aber auch Hoppo nur wenig kennen.

Sowohl sprachlich als auch inhaltlich erinnert das Buch sehr an Stephen King: fünf Kinder, die im Sommer in den 80er Jahren mehreren schrecklichen Ereignissen ausgesetzt sind, der durch die Handlung getragene Spannungsverlauf und die sehr drastische Schilderung traumatischer Ereignisse. Mr Halloran und (Minispoiler!) die spätere Axtszene sind sicher als Hommage an King zu sehen, das Buch ist ohnehin gespickt mit popkulturellen Referenzen.

Die Bezeichnung als Thriller finde ich nicht optimal, da die Erwartungshaltung des Lesers oder zumindest meine Erwartungshaltung an das Buch eine andere war. Eine Genrebezeichnung zu finden, gestaltet sich meiner Meinung nach nur schwierig, ich würde es als eine Mischung aus Spannungs-Abenteuer-Thriller-Horror-Roman bezeichnen.

Es lässt sich zwar gut und flüssig lesen, aber das liegt vor allem an den vielen Rätseln, für die man, um sie zu lösen, weiter lesen muss. Wenn man sich auf diese Art des Schreibens einlässt, ist man innerhalb kürzester Zeit gefangen in einem Strudel aus sich überschlagenden Ereignissen, offenen Fragen und scheinbar unzusammenhängenden Todesfällen.


Für mich eine gelungene rasante Mysterystory voller Rätsel, Menschen mit Geheimnissen und Kreidemännchen. Allein das Ende lässt mich ein wenig enttäuscht zurück. 7/10 Punkte