Profilbild von uli123

uli123

Lesejury Star
offline

uli123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit uli123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.08.2020

Wie es weitergeht mit der Patchworkfamilie im Ruhrpott

Ein Gefühl von Hoffnung
1

Dieser Roman ist nach „Ein Traum vom Glück“ der zweite Band der von der Autorin so betitelten Ruhrpottsaga, den sie, selbst geboren und aufgewachsen am Rande des Kohlenpotts, in Angriff genommen hat, ...

Dieser Roman ist nach „Ein Traum vom Glück“ der zweite Band der von der Autorin so betitelten Ruhrpottsaga, den sie, selbst geboren und aufgewachsen am Rande des Kohlenpotts, in Angriff genommen hat, nachdem die Ära der Steinkohle dort endgültig vorbei war. Weil ich selbst aus einer anderen Gegend Deutschlands stamme, war die Geschichte umso interessanter für mich, zumal ich lediglich wenige Jahre später geboren wurde als der Zeitraum, in dem sie angesiedelt ist (1959), und ich die Zeit durchaus erinnere.
Protagonistin ist jetzt die junge Inge, die Tochter von Katharina aus dem ersten Band. Nach deren plötzlichem Ableben hält sie unter Zurückstellung eigener Wünsche die ungewöhnliche Patchworkfamilie im Hause ihrer Großmutter in Essen zusammen, die mit vielfältigen Problemen konfrontiert wird. Das Thema Liebe kommt bei ihr aber nicht zu kurz, sie kann zwischen mehreren Männern wählen. Dabei kommt auch ihrem Cousin Johannes, dem Geliebten ihrer Mutter, eine wichtige Bedeutung zu.
Recht authentisch mit viel typischem Ruhrpott-Dialekt in den wörtlichen Reden (was für mich sehr ungewohnt klingt) wird uns das Leben in dieser Region nahe gebracht. Auch der Bergbau mit seinen Gefahren für die Bergleute und der einsetzenden Krise spielt in den Schilderungen eine interessante Rolle. Die Rolle von Inge und Johannes mag spalten und insoweit hätte ich persönlich mir einen anderen Ausgang der Geschichte gewünscht. Ebenso hätte gut und gerne auf das Versterben der einen oder anderen Romanfigur verzichtet werden können.
Das Buch bietet auf jeden Fall guten Unterhaltungswert für Leser*innen deutscher historischer Romane aus der jüngeren Vergangenheit.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Geschichte
Veröffentlicht am 22.08.2020

Werden wir durch die eigene Herkunft geprägt?

Brüder
0

Dieses Buch zu lesen, hat bei mir etwas gedauert. Dabei hat es mir von der Thematik her gefallen. Allerdings hätte der Geschichte eine Straffung bekommen und ist sie nicht immer leicht zu lesen.
Erzählt ...

Dieses Buch zu lesen, hat bei mir etwas gedauert. Dabei hat es mir von der Thematik her gefallen. Allerdings hätte der Geschichte eine Straffung bekommen und ist sie nicht immer leicht zu lesen.
Erzählt werden die Lebensläufe der Halbbrüder Mick und Gabriel, die beide 1970 in der DDR geboren werden und denselben Vater haben, einen Senegalesen, der seinerzeit in der DDR Medizin studiert hat, um anschließend in seine Heimat zurückzukehren. Beide Brüder erfahren erst im fortgeschrittenen Alter voneinander und der Vater versucht auch erst im Alter eine Kontaktaufnahme. Die Brüder sind grundverschieden – Mick führt in Berlin ein unstetes Leben als Clubbesitzer und Partygänger, Gabriel wird in London Stararchitekt mit Burnout. Für beide ist ihre Hautfarbe nicht wichtig, über sie wollen sie sich nicht definieren. Welche Rolle die Hautfarbe für die Identität spielt, ist die diesen Roman durchziehende Frage. Richtig gefallen hat mir dann leider erst das Ende.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 15.08.2020

Über Heimat und Zuhause

Jahresringe
0

Dieser Roman ist eine schöne Mischung zwischen Familiengeschichte und gesellschaftspolitischen Themen.
In den Vordergrund wird immer wieder die Frage gestellt, was Heimat für einen ist, wie sie entsteht ...

Dieser Roman ist eine schöne Mischung zwischen Familiengeschichte und gesellschaftspolitischen Themen.
In den Vordergrund wird immer wieder die Frage gestellt, was Heimat für einen ist, wie sie entsteht und wie man sie verlieren kann. Die Protagonistin Leonore und ihre Nachfahren sind die Romanfiguren, anhand derer die Frage aufgeworfen wird. Leonore ist gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus Ostpreußen unter furchtbaren Umständen, die sie Zeit ihres Lebens nicht offenbaren mag, gen Westen geflohen, bis sie Aufnahme in einem Dorf zwischen Köln und Aachen findet. Zur neuen Heimat wird es ihr angesichts der Vorbehalte der Einheimischen nicht, aber immerhin zu einem Zuhause. Heimat wird das Dorf dann für ihren Sohn, doch auch nur bis in sein junges Erwachsenenalter hinein, denn dann wird das Dorf wegen des Braunkohletagebaus nach Jülich umgesiedelt und er muss die seiner Mutter vererbte und von ihm weiter betriebene Traditionsbäckerei aufgeben. Seine eigenen Kinder geraten durch den Tagebau in Zwiespalt – sein Sohn lässt als Führer eines riesigen Schaufelradbaggers den restlichen Hambacher Forst verschwinden, während seine Tochter sich den Aktivisten anschließt, die in einer Baumhaussiedlung für den Bestand des Waldes kämpfen.
Die Familiengeschichte liest sich sehr schön und führt anschaulich vor Augen, dass auch die Deutschen einmal Flüchtlinge waren. Vielleicht lässt einen das toleranter gegenüber den heutigen Flüchtlingen aus anderen Ländern werden. Die Geschichte des Braunkohletagebaus bis in die jüngste Vergangenheit, die einem aus den Medien bekannt sein dürfte, war sehr lehrreich. Weshalb ich dem Buch nicht die volle Sternezahl gebe, liegt an einigen eingeflochtenen Begebenheiten, die mir einfach zu merkwürdig und fremd anmuten – die von Leonore selbst initiierte Schwängerung durch einen Pfarrer, die Wiederauferstehung des Freundes von Leonores Sohn aus einem diabetischen Koma (beides mit einer sich mir nicht erschließenden religiösen Bedeutung) und das plötzliche homosexuelle Beisammensein von Leonores Enkel mit einem Aktivisten im Hambacher Forst.
Eine zu empfehlende Lektüre.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.08.2020

Aufarbeitung familiärer Traumata

Töchter
0

Dem Inhalt der Kurzbewertungen auf dem Buchrücken („witzig“, „Zum Brüllen komisch“, konnte „mir die Lachtränen in die Augen treiben“) kann ich überhaupt nicht beipflichten. Die Geschichte macht einen eher ...

Dem Inhalt der Kurzbewertungen auf dem Buchrücken („witzig“, „Zum Brüllen komisch“, konnte „mir die Lachtränen in die Augen treiben“) kann ich überhaupt nicht beipflichten. Die Geschichte macht einen eher schwermütig. Es werden zu viele Probleme angesprochen, die das Leben der beiden etwa 40jährigen befreundeten Protagonistinnen prägen: Trennung der Eltern in der Kindheit, wechselnde neue Partnerschaften der Mutter, verschiedene Kindheitstraumata, Suche nach einer Vaterfigur, Krankheit und Tod, ungewollte Kinderlosigkeit, Depressionen, Gentrifizierung Berlins. Die Grundidee hat mir dabei schon gefallen. Der todkranke Vater der einen Freundin lässt sich von ihnen im Auto zu einer vorgeblichen Sterbehilfe in die Schweiz fahren. Bei der Gelegenheit will die andere das Grab eines ihr zum Vater gewordenen Ex-Partners ihrer Mutter in Italien aufsuchen. Die auf einer griechischen Insel endende Reise nimmt überraschende Wendungen. Und eine davon – mit ihrem kriminellen Hintergrund – ist auch die, die ich als Zuviel empfinde.
Insgesamt mittelmäßig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2020

Wenig Handlung, poetisch geschrieben

Das Leben ist ein wilder Garten
0

Dieser Roman aus der Feder eines Schweizer Autors führt uns nach Lausanne und in die Bergwelt bei Montreux, wo sich das Luxushotel Grand National befindet. Dorthin, wo sie aufgewachsen ist, flüchtet die ...

Dieser Roman aus der Feder eines Schweizer Autors führt uns nach Lausanne und in die Bergwelt bei Montreux, wo sich das Luxushotel Grand National befindet. Dorthin, wo sie aufgewachsen ist, flüchtet die Mutter des Protagonisten Carlo aus dem Altersheim. Der Landschaftsgärtner Carlo hat noch weitere Probleme in seinem Leben – seine Ehefrau hat ihn verlassen, die Tochter ist zum Studieren ins Ausland gegangen, sein kosovarischer Angestellter wird brutal zusammengeschlagen. Bei Besuchen seiner Mutter in dem Hotel erkennt er, wie wenig er von ihrem Leben und auch dem der weiteren Menschen in seinem Umfeld weiß und denkt erstmals darüber nach, ob die Mutter eigentlich glücklich war.
Mir fehlt ein bisschen die Handlung in der Geschichte. Aufgrund der Buchbeschreibung hatte ich mehr erwartet. Vieles bleibt bruchstückhaft und für mich nicht nachvollziehbar, was vielleicht auch der Kürze des Buchs geschuldet ist. Sehr schön ist der teilweise poetische Schreibstil und die vielfach bildhaft beschriebenen Beziehungen der Romanfiguren zur Natur. Ein wenig erinnert mich das Buch an die Romane des ebenfalls schweizerischen Schriftstellers Alex Capus.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere