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Veröffentlicht am 17.07.2022

Spannendes, gelungenes Thriller-Debüt über eine Gruppe von Psychopathen

P.S. Morgen bist du tot
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Chloe Sevres beginnt ihr Studium an der John Adams, für das sie ein Vollstipendium hat, da sie an der Längsschnittstudie zur Psychopathie von Dr. Wyman teilnimmt. Denn die so unauffällig wie normal wirkende ...

Chloe Sevres beginnt ihr Studium an der John Adams, für das sie ein Vollstipendium hat, da sie an der Längsschnittstudie zur Psychopathie von Dr. Wyman teilnimmt. Denn die so unauffällig wie normal wirkende Chloe ist einer von sieben klinisch diagnostizierten Psychopathen, die an der John Adams studieren und am Programm von Dr. Wyman teilnehmen. Aber auch ohne das Vollstipendium hätte Chloe ihr Studium an der John Adams aufgenommen, da dort Will Bachman studiert. Denn Chloe verfolgt einen detailliert ausgearbeiteten Plan. In sechzig Tagen, die mit dem Beginn des Thrillers herunterzählen, wird sie Will ermorden. Doch was hat er Chloe getan, dass sie so auf Rache sinnt?

"P.S. Morgen bist du tot" ist das so spannende wie gelungene Debüt von Vera Kurian, das im Original den weitaus passenderen Titel "Never Saw Me Coming" trägt. Der Thriller ist durch seine abwechslungsreiche Erzählweise geprägt. Diese umfasst neben der ungewöhnlichen Sichtweise von Protagonistin und Psychopathin Chloe Sevres auch die Sichtweise des Leiters des Programms der Längsschnittstudie zur Psychopathie - Dr. Wyman, des Erst Semesterstudenten Andre Jensen sowie des aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Charles Portmont, in dessen Umfeld sich Will bewegt und in dessen Gegenwart Chloes sonst kühl kalkulierte Gedankengänge kurze Aussetzer haben. Neben Chloe gehört auch Andre zum Programm von Dr. Wyman. Doch Andre, den die Enttäuschung seiner Eltern, ihm nicht beim Einzug in die John Adams helfen zu dürfen, "innerlich hat tausend Tode sterben lassen", ist von Beginn an deutlich als Nicht-Psychopath charakterisiert, der sich in das Programm von Dr. Wyman hineingemogelt hat, da er diesem eine mehr als großzügige finanzielle Unterstützung für sein Studium verdankt. Und im weiteren Verlauf hat Andre sich für mich zum großen Sympathieträger dieses Thrillers entwickelt.

Der Thriller sticht durch seine besondere Auseinandersetzung mit Psychopathen hervor, die bei seiner ungewöhnlichen Protagonistin beginnt und sich in weiteren Hintergrundinformationen zu Psychopathen fortsetzt, in denen sich das Wissen von Vera Kurian als studierter Psychologin zeigt. Dabei orientiert sich die Autorin nicht an berühmten, doch unrealistischen Psychopathen wie Hannibal Lecter (Das Schweigen der Lämmer), Patrick Bateman (American Psycho) oder Norman Bates (Psycho), sondern charakterisiert die in ihrem Thriller vorkommenden Psychopathen anhand von klinisch belegten Diagnostika zur Psychopathie. Ein dazu passender Hinweis ist Robert Hares Buch "Gewissenlos" - ein Standardwerk zu Psychopathie, das Chloe bei ihrem ersten Besuch in der psychologischen Fakultät der John Adams im Regal entdeckt.
Auch unterscheidet sich der Umgang von Vera Kurian mit Psychopathen dadurch von anderen Thrillern, dass sie keinen männlichen Einzelgänger, sondern eine Frau und Psychopathin in den Mittelpunkt von "P.S. Morgen bist du tot" stellt. Interessant ist auch, welche zentrale Rolle die Interaktion von Psychopathen untereinander im weiteren Verlauf dieses Thrillers spielen wird. Denn die Autorin weiß mit einer ganzen Gruppe klinisch belegter Psychopathen aufzuwarten.
Dabei finde ich die Dynamik der Beziehungen von Psychopathen besonders gut herausgearbeitet. So hat Chloe beispielsweise im Rahmen des Programms ein Spiel zu absolvieren, bei dem sie gegen einen anderen Psychopathen antritt. Wenn beide es schaffen würden einander insoweit zu vertrauen, dass sie kooperieren könnten, würden beide Geld gewinnen. Im Gegensatz zu Andre schafft Chloe es aber nicht bei diesem Spiel Geld zu verdienen, obwohl sie Geld liebt, was verdeutlichen soll, dass Psychopathen eigentlich nicht zur Kooperation untereinander fähig sind.

Insgesamt geht Vera Kurian mir jedoch leider zu unkritisch mit ihren Psychopathen um, was u.a. Protagonistin Chloe betrifft. Deren Verhalten wird zwar so detailliert beschrieben, dass deren Charakteristika herausgearbeitet werden, die etwa ihre Furchtlosigkeit und ihr Ekelempfinden betreffen, aber auch ihre Fähigkeit ohne mit der Wimper zu zucken lügen zu können. Zum Schluss hat die Autorin es dennoch geschafft ihre Psychopathen fast durchweg als charismatische, faszinierende Persönlichkeiten darzustellen, mit denen sich fast Sympathie empfinden ließe. Neben der Opferrolle, die ihnen in diesem Thriller zukommt, liegt das wohl primär darin begründet, dass der Thriller größtenteils aus Sicht der Psychopathen geschrieben ist, so dass weitestgehend eine kritische Wahrnehmung von außen fehlt, die deren Handlungen anders beurteilen würde. Chloe empfindet es beispielsweise als ganz und gar unproblematisch, so viele Bücher aus der Bibliothek zu klauen, die sie dann zu Geld macht, um sich einen schicken, teuren BH als Kostüm für die Halloween Party zu kaufen. Das wäre etwa eine gute Szene gewesen, um einmal die andere Seite zu beleuchten, also die Studenten darzustellen, die große Probleme haben, weil die dringend benötigten Bücher, die Chloe aus der Bibliothek hat mitgehen lassen, fehlen. Geeignet wären dafür auch die Sitzungen bei Dr. Wyman gewesen, der sie mit möglichen Konsequenzen ihres Verhaltens und dessen negativen Auswirkungen auf andere konfrontiert hätte. Aber ein solches kritisches Feedback fehlt bei Vera Kurian leider fast gänzlich.
"P.S. Morgen bist du tot" hat mich mit seinem hohen Erzähltempo und seinem spannenden Schreibstil überzeugt. Da ich eher einen psychologischen Thriller erwartet hatte, war ich positiv überrascht von der hohen Zahl an Kampf- und Verfolgungsszenen, die in ein intensives Finale mündete. Weil ich die Auflösung, wer der Täter ist, erst kurz vorher habe kommen sehen, hätte ich mir mehr Hintergrundinformationen zum Täter gewünscht. Was ist das eindeutige Motiv, das diesen zu seinen Taten getrieben hat? Was haben die Ermordeten konkret getan, das sie den Tod verdient haben? Da hätte ich mir tiefergehende Einblicke in die Gedankenwelt des Täters gewünscht, die idealerweise in Form eines Kapitels erfolgt wären, das die bisherigen Ereignisse des Thrillers aus dessen Sicht geschildert hätte.

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Veröffentlicht am 03.06.2022

Charmanter Cozy Crime voller schräger Charaktere im wunderschönen Perigord

Kalte Blüten
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Auf der Baustelle einer Walnussölmühle entdeckt der portugiesische Arbeiter Pedro Martinez bei Baggerarbeiten einen Schädel. Kommissarin Marie Mercier, die ihr Sabbatical vorzeitig beendet hat, um die ...

Auf der Baustelle einer Walnussölmühle entdeckt der portugiesische Arbeiter Pedro Martinez bei Baggerarbeiten einen Schädel. Kommissarin Marie Mercier, die ihr Sabbatical vorzeitig beendet hat, um die Leitung des Kommissariats der Region zu übernehmen, ermittelt in ihrem ersten Fall als Leitung. Denn Michel Leblanc - der bisherige Leiter des Kommissariats - ist befördert worden und mittlerweile Maries Freund, so dass die beiden nun eine Wochenendbeziehung führen. Die vier Barthes Schwestern betreiben den Hof, zu dessen Gelände die noch im Rohbau befindliche Walnussölmühle gehört, da ihre Eltern sich seit dem Verschwinden ihres Sohnes Antoine komplett zurückgezogen haben. Doch ist Antoine, der sich schon seit langem nicht einmal mehr mit einer Postkarte gemeldet hat, wirklich nach Australien ausgewandert? Und was verbirgt Antoines Schwester Nathalie, die so strikt dagegen gewesen ist, auf dem Grundstück eine Walnussölmühle bauen zu lassen?

"Kalte Blüten" ist nach "Trüffelgold" der zweite Fall, in dem Protagonistin Marie Mercier ermittelt und Autorin Julie Dubois ins wunderschöne Perigord entführt. Dass zu Beginn des Krimis kurz zusammengefasst wird, was seit dessen Vorgänger passiert ist, hat mir gut gefallen, da seit dessen Ende in etwa ein halbes Jahr vergangen ist.
An "Kalte Blüten" haben mir der flüssige Schreibstil und die abwechslungsreiche Erzählweise von Julie Dubois zugesagt, die die Ereignisse nicht nur aus Sicht von Kommissarin Marie Mercier schildert, sondern etwa auch aus Sicht des portugiesischen Arbeiters Pedro Martinez, der den Schädel bei Baggerarbeiten entdeckt hat, aus Sicht von Maries Großtante Léonie sowie aus Sicht von Inspektor Martin, mit dem Marie sich ein Büro in der Arbeit teilt.
Neben der patenten, sympathischen Protagonistin Marie Mercier haben es mir besonders die kauzigen Typen - allesamt schräge Originale - angetan, die die Welt der Perigord Krimis von Julie Dubois bevölkern und die sie ebenso schräg wie liebenswürdig zu charakterisieren weiß. Neben Georges, der sein Hängebauchschwein Agnes innig liebt, wäre da noch der rundliche Inspektor Martin - Maries häuslicher, nerdiger Kollege - zu nennen. Martin hat einen ausgeprägten Putzfimmel, der von seiner Vorliebe für Desinfektionsmittel ergänzt wird, und schätzt seine Excel To-Do Listen, Zahlen wie Logik. Und die morbide Verzückung von Gerichtsmediziner Fred Blanquer, die von hübschen Schädeln bis hin zu schönen Schrammen reicht, die womöglich sogar die Todesursache gewesen sind, ist gleichermaßen irritierend wie interessant.

Zudem bindet die Autorin gekonnt wunderschöne Beschreibungen des malerischen Perigord in ihren Cozy Crime ein und bringt einem auch die gute Küche des Perigord in vielen köstlichen Gerichten näher - wie etwa den traditionellen Gerichten des Perigord ala Großtante Leonie, deren Rezepte sich Marie in ein Heft notiert. Das beginnt bei einem Omelette á l`oseille mit Gänsefett, Knoblauch, Zwiebeln und Sauerampfer, reicht über Blanquette de veau - ein Kalbsragout in heller Sauce mit Morcheln anstelle von Champignons - bis hin zu Hachis-Parmentier de Canard - einem mehrschichtigen Auflauf aus Kartoffelpüree und Entenfleisch, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein separater Teil, der Rezepte zu den genannten Gerichten und vielen weiteren enthalten würde, hätte ich als passende Ergänzung von "Kalte Blüten" empfunden.
Auch finde ich, dass es der Autorin gut gelungen ist, Unterschiede zwischen dem ländlichen Perigord und der Großstadt Paris auf humorvolle Weise einzuarbeiten, wie sich beispielsweise am Wagen der Friseurin zeigt, den die Pariser so gern fotografieren. Zudem sind die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland interessant, die die Autorin immer wieder am Rande einfließen lässt, ob dies anders gelagerte Feiertagsreglungen oder Unterschiede zwischen der französischen und deutschen Sprache betrifft. Insbesondere welche Redewendungen sich nicht aus dem Deutschen ins Französische übersetzen lassen und vice versa, da es kein entsprechendes Pendant gibt, habe ich dabei als spannend empfunden. Da spielt Julie Dubois dann ihre Stärke aus, dass sie als deutsche Autorin mit französischen Wurzeln, beide Sprachen beherrscht.

Nach einem ruhigeren Erzähltempo zum Einstieg in diesen Cold Case nimmt die Handlung dann im weiteren Verlauf an Fahrt auf, wenn die Taktung der Ereignisse nach dem langsameren Beginn von Julie Dubois erhöht wird. Bis zu seiner Auflösung, die für mich überraschend gewesen ist, da ich diese erst kurz vorher habe kommen sehen, vermochte mich dieser Perigord Krimi gut zu unterhalten. An seinem Ende hat mir besonders die Rolle von Kommissar Martin gefallen, die die Autorin ihm zugedacht hat, und die ich an dieser Stelle natürlich nicht in unnötiger Weise spoilern möchte.
Die besondere Stärke dieses Perigord Krimis liegt meiner Ansicht nach darin, dass Julie Dubois zumindest bei mir savoir-vivre hat aufkommen lassen. Das ging bei mir schon los, als Marie Mercier in ihrem alten Auto zur Arbeit fährt und dabei im Radio Songs wie der Gute-Laune-Ohrwurm "Le Sud" von Nino Ferrer laufen. Im Laden kauft man sich dann frisches Baguette und Croissants zum Frühstück. Auch diskutieren Großtante Leonie und Marie schon in der Früh, wie sich die morgens im Garten gefundenen Morcheln am besten zum Abendessen zubereiten lassen (Nudeln in einer Sahnesauce vs. Kalbsbries in Blätterteig als klassisches Gericht des Périgord).
Das einzige, was ich an diesem schönen Cozy Crime ein wenig zu kritisieren habe, ist dessen Handlung. Zwar gefällt mir die Geschichte, die diesem Krimi zugrunde liegt, wirklich gut. Leider bin ich jedoch der Ansicht, dass sich aus dieser spannenden Handlung, was insbesondere das Motiv für die Tat und weitere Zusammenhänge der Auflösung mit einschließt, weit mehr hätte heraus holen lassen können, wenn Julie Dubois diese Geschichte nicht als Cozy Crime, sondern als düsteres Familien Drama eingebettet in einen Kriminalroman oder sogar Thriller - ähnlich dem Thriller Drama "Before the Devil Knows You’re Dead" - erzählt hätte. Ich denke, dass die Geschichte dann einen stärkeren Sog hätte entfalten und wesentlich intensiver hätte wirken können.

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Veröffentlicht am 04.04.2022

Gelungener, ungewöhnlicher Auftakt für das Team Helsinki

TEAM HELSINKI
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Am Morgen des Mittsommertags wird vor der Villa der Lehmus-Stiftung eine Tote gefunden. Diese wurde bei vollem Bewusstsein in einem Container ertränkt, als dieser mit Meerwasser gefüllt wurde, was in etwa ...

Am Morgen des Mittsommertags wird vor der Villa der Lehmus-Stiftung eine Tote gefunden. Diese wurde bei vollem Bewusstsein in einem Container ertränkt, als dieser mit Meerwasser gefüllt wurde, was in etwa eine Stunde gedauert hat. Nur wer ermordet eine Frau auf ebenso grausame wie komplizierte Weise? Wer ist die Ermordete und was verbindet sie mit der wohlhabenden Familie Lehmusoja, der die Lehmusoja-Unternehmensgruppe sowie die daran angeschlossene Lehmus-Stiftung gehört? Welche Geheimnisse verbirgt die Familie Lehmusoja? Paula "Gwendoline" Pihjala und ihr Team nehmen die Ermittlungen in diesem ungewöhnlichen Mordfall auf.

Hinter A.M. Ollikainen verbirgt sich das Schriftsteller Ehepaar Aki und Milla Ollikainen, das mit der Toten im Container den ersten Fall für das Team Helsinki abgeliefert hat. Dieses Team besteht aus der außergewöhnlich großen, sportlichen Paula "Gwendoline" Pihjala, dem erfahrenen, geschiedenen Kollegen Hartikainen, Karhu - einem Spezialisten für Wirtschaftsverbrechen, der neu in der Mordkommission ist - sowie Renko, der zum ersten Mal als Paulas Partner eingeteilt ist und der das jüngste Team Mitglied ist. Renko ist gerade Vater geworden und wird in seiner redseligen Art eher unterschätzt, obwohl er sich oft gut darin versteht mit Zeugen umzugehen, diese so zum Reden zu bewegen oder diese zu beschwichtigen, sofern dies erforderlich sein sollte. Da Paula, indem sie ausgesprochen viel Wert auf ihre Privatsphäre legt, nicht mit ihren Kollegen über ihr Privatleben spricht, hält sie so zu Beginn nicht nur ihre Kollegen auf Abstand, sondern auch den Leser. Dennoch haben mir von Anfang an Paulas Art an Mittsommer lieber joggen als feiern zu gehen sowie ihre ausgesprochen analytische, systematische Herangehensweise an ihre Arbeit gut gefallen.
Trotz der im Team vorherrschenden Gegensätze, da dieses sich aus recht verschiedenen Charakteren mit unterschiedlichen Hintergründen zusammensetzt, die in dieser Konstellation zum ersten Mal zusammenarbeiten, harmoniert dieses Team über weite Strecken erstaunlich gut. Denn die einzelnen Team Mitglieder ergänzen einander gut und die interessante, eher ungewöhnliche Dynamik, die sich aus dieser Team Zusammensetzung ergibt, behindert dessen Arbeit nicht, sondern lässt diese unerwartet reibungslos laufen.

Im weiteren Verlauf der "Toten im Container" werden in kurzen, seltenen Szenen nach und nach Einzelheiten aus dem Privatleben sowie der Vergangenheit von Paula, aber auch Hartikainen und Karhu enthüllt. Allerdings geschieht dies nur am Rande und das Privatleben der einzelnen Ermittler des Teams nimmt in diesem Krimi von A.M. Ollikainen - anders als in diversen anderen skandinavischen Krimis - keinen allzu großen Raum ein. Stattdessen fokussiert sich dieser Krimi - so wie auch dessen Protagonistin Paula - zwar nicht gänzlich, aber doch größtenteils auf die Ermittlungen in diesem Fall.
Auch wenn die Spannungskurve der "Toten im Container" über weite Strecken nicht so hoch sein mag, so hat A.M. Ollikainen mich dennoch mit seiner abwechslungsreichen Erzählweise in kurzen Kapiteln von angenehmer Länge überzeugt. So beginnt dieser Krimi mit recht verschiedenen Handlungssträngen, was etwa einen irritierenden Prolog mit einschließt, in der die Nacht, in der Hannes Lehmusoja - ein erfolgreicher Geschäftsmann - mit hohem Promille Gehalt im Blut erfroren ist. Zudem führt A.M. Ollikainen das ermittelnde Team in ungewöhnlicher Weise ein, in dem er die einzelnen Mitglieder im Rahmen eines Basketballspiels unter Polizisten vorstellt. Der düstere Höhepunkt des starken Auftakts der "Toten im Container" ist jedoch, wie das Ertrinken einer bis dato anonymen, in einem Container gefangenen Frau geschildert wird. Dass A.M. Ollikainen sein Handwerk beherrscht, zeigt sich daran, dass die verschiedenen Handlungsstränge von Beginn an nicht wie Fremdkörper wirken, sondern sich flüssig lesen lassen - auch wenn sich deren Zusammenhänge erst im weiteren Verlauf dieses Krimis nach und nach erschließen werden.

Der Schreibstil von A.M. Ollikainen gefällt mir ausgesprochen gut, da dessen Erzählweise von kurzen, prägnanten Sätzen geprägt ist, die die Handlung stets auf den Punkt gebracht schildern. Ausufernd wird dabei nur selten erzählt, da es längere Monologe höchstens von Aki Renko - dem redseligen, jüngsten Team Mitglied - zu hören gibt. Diese stellen sich dann aber eher als ein Rauschen im Hintergrund dar - so wie diese auch von seinen Team Kollegen wahrgenommen werden, die Renko selten gänzlich in seinen Ausführungen folgen.
Wiederholt wird lediglich die sich für längere Zeit hinziehende Identifikation der im Container aufgefundenen Toten. Denn da der Beginn der Ermittlungen auf Mittsommer fällt, gestaltet sich die Arbeit des Team Helsinki zunächst gleichermaßen langwierig wie kompliziert, weil an diesem Feiertag kaum einer arbeitet und so im Zuge der Ermittlungen erreichbar ist. In diesem Zusammenhang hat mir der Klappentext dieses Krimis nicht gefallen, da dieser leider zu viel verrät und die lange Zeit ausstehende Identifikation der Toten vorweg nimmt.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für "Die Tote im Container", da diese mich neben dessen intensivem Auftakt wie überraschendem Ende besonders mit dem prägnanten Schreibstil der Autoren überzeugt hat. Trotz des dramatischen, brutalen Beginns sowie des spannungsgeladenen Finales ist dieser Fall des Team Helsinki über weite Strecken mehr Wirtschaftskrimi als Thriller und damit weniger spannend, sondern eher komplex erzählt. Wer auf der Suche nach einem Krimi mit hohem Spannungspotential oder eher leicht bekömmlicher Krimi Kost ist, dem möchte ich von der "Toten im Container" abraten.
Mich jedoch haben die in diesem Krimi aufgegriffenen Themen wie etwa die der Entwicklungshilfe und der finnischen Missionarsarbeit in Namibia interessiert, auch da die Autoren kritisch die finnische Vergangenheit in Afrika und insbesondere Namibia aufgearbeitet haben. Zudem haben mir kleine Einblicke in die Kunstwelt gefallen, da diese weniger mit einer Diskussion moderner Kunst, sondern vielmehr mit philosophischen Fragen nach Ethik und Moral verbunden sind, die bei einer Austellung mit dem Titel "Mitgefühl" relevant sind.
Darüber hinaus hat mich die intelligente Auseinandersetzung mit Vorurteilen, die zumindest in meinem Kopf herumspuken und deren ich mir nicht einmal bewusst gewesen bin, bis mir die Autoren mit einem genialen Twist People of colour betreffend diesbezüglich den Spiegel vorgehalten haben, überzeugt. Den Twist möchte ich an dieser Stelle selbstverständlich nicht verraten, um die Handlung nicht in unnötiger Weise zu spoilern.
Ich freue mich schon auf den nächsten Fall des Team Helsinki, den ich mit Sicherheit lesen werde - auch da zwar die Ermittlungen im Falle der im Container aufgefundenen Toten abgeschlossen sind, Fragen Paulas Vergangenheit und das Privatleben ihrer Familie betreffend jedoch noch offen geblieben sind und wohl erst im nächsten Band der Reihe um das Team Helsinki von A.M. Ollikainen beantwortet werden.

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Veröffentlicht am 28.02.2022

Spannender zweiter Fall für Kate Marshall, nicht ganz so stark wie der Vorgänger

So eiskalt der Tod
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Am 28. August 2012 überrascht der junge Simon Kendal, der bei Shadow Sands - in einem künstlich angelegten Stausee - mit einem Freund zelten ist, einen Mörder, als dieser gerade dabei ist eine Leiche im ...

Am 28. August 2012 überrascht der junge Simon Kendal, der bei Shadow Sands - in einem künstlich angelegten Stausee - mit einem Freund zelten ist, einen Mörder, als dieser gerade dabei ist eine Leiche im Stausee zu entsorgen. Simon wird grausam von ihm umgebracht. Zwei Tage später entdecken Kate Marshall und ihr Sohn Jake die Leiche von Simon zufällig bei einem Tauchgang im Stausee. Doch der hinzugerufene Detective Chief Inspector Henry Ko interessiert sich mehr für Kate wie Jake und legt Simons Todesfall nur wenige Wochen später zu den Akten. Da Simons Mutter Lyn Kendal nicht glauben kann, dass Simon als Leistungsschwimmer beim nächtlichen Schwimmen im Stausee ertrunken ist, wie die Polizei ihr weiß machen will, sucht sie Kate auf, um sie als Privatdetektivin mit der Untersuchung der Umstände von Simons Tod zu beauftragen.

"So eiskalt der Tod" ist nach "So blutig die Nacht" der zweite Fall, in dem Robert Bryndza Kate Marshall und ihren Assistenten Tristan als Privatdetektive ermitteln lässt. Zeitlich sind die Ereignisse von "So eiskalt der Tod" etwa zwei Jahre nach dem Vorgänger angesiedelt. In "So blutig die Nacht" wird geschildert, wie Kate in ihrer Zeit bei der Polizei den Nine Elms Cannibal, der Jakes Vater ist, überführt hat und später dann auch noch dessen Nachahmungstäter gestellt hat. Und auch wenn "So eiskalt der Tod" einen zweiten, unabhängigen, da in sich abgeschlossenen Fall von Kate erzählt, empfiehlt es sich meiner Ansicht nach doch, zunächst "So blutig die Nacht" zu lesen. Zwar fasst Robert Bryndza die aus dem ersten Thriller wichtigen Ereignisse zu Beginn von "So eiskalt der Tod" kurz zusammen. Den ersten Thriller der Kate Marshall Reihe zuvor gelesen zu haben, lässt die gesamte Entwicklung von Kate und Tristan zu Privatdetektiven jedoch nachvollziebarer werden. Andernfalls könnte es eher ein wenig befremdlich wirken, wie Kate und Tristan in der ein oder anderen Szene von "So eiskalt der Tod" als Privatdetektive agieren, indem sie sich auf in diesem Umfang irritierende Weise in die Ermittlungen der Polizei einmischen.

Auch an "So eiskalt der Tod" gefällt mir, was die Thriller von Robert Bryndza auszeichnet, wie ich finde. Seine Thriller, die ebenso spannend wie brutal sind, werden von einem hohen Erzähltempo geprägt, das mich bei der Lektüre kaum zu Atem kommen lässt. So beginnt "So eiskalt der Tod" mit einem starken Prolog, in dem Simon Kendal einen Mörder bei der Entsorgung einer Leiche im Stausee Shadow Sands überrascht. Als britischer Regionalmeister im Schwimmen flüchtet Simon intuitiv ins Wasser. Das stellt sich letztlich als fataler Fehler heraus, der zu seiner brutalen Ermordung führt, da er dem Boot des Mörders nicht zu entkommen vermag. Dabei stellt Robert Bryndza in gekonnter Weise die tödlichen Seiten des Elements Wasser zur Schau.
Neben dem spannenden, flüssigen Schreibstil und hohen Erzähltempo haben mich an diesem Thriller auch die atmosphärischen Beschreibungen von Robert Bryndza überzeugt. So hat der Autor etwa mit dem Shadow Sands Stausee und der darin versunkenen Ruine der alten Dorfkirche, die Kate und Jake bei ihrem Tauchgang erkunden, eine ebenso unheimliche wie stimmungsvolle Kulisse für einen Leichenfund geschaffen. Mir scheint diese vom Dorf Graun inspiriert worden zu sein, das im Reschensee in Südtirol im Jahr 1950 versunken ist. Die gelungenen atmosphärischen Beschreibungen ziehen sich dann durch den weiteren Verlauf dieses Thrillers, da der Serienmörder rund um den Shadow Sands Stausee zuschlägt, wenn dieser dicht in tiefen Nebel gehüllt ist.

Die Charakterisierungen von Kate und Tristan haben mir schon im ersten Band der Reihe zugesagt. Gut gefallen hat mir, dass Tristan in diesem Thriller nun mehr Raum und Profil bekommt - etwa indem man Tristans Schwester und deren Verlobten kennenlernt, aber auch indem man als Leser mehr darüber erfährt, was Tristan in seinem Privatleben belastet. Dass gerade Kate dann für Tristan da ist und ihn unterstützt, fand ich nur konsequent in der Entwicklung der Beziehung von diesen beiden. Unter den Charakterisierungen sticht zudem das letzte, äußerst wehrhafte Opfer des Serienmörders hervor, dessen Namen ich an dieser Stelle nicht verraten möchte, um die Handlung nicht in unnötiger Weise zu spoilern. Denn dass dieses sich als derart starke Persönlichkeit entpuppt, die nicht nur tough, sondern auch ausgesprochen erfinderisch ist, womit sie nicht nur den Täter, sondern auch den Leser mehrfach überrascht, hätte ich so wirklich nicht erwartet.
Das tröstet mich dann auch ein wenig darüber hinweg, dass der Täter letztlich ziemlich blass ausfällt. Das ist schon schade, da ich gerade die Charakterisierung der Antagonisten und allen voran von Peter Conway als Nine Elms Cannibal als große Stärke des Vorgängers empfunden habe. Denn in "So blutig die Nacht" hat mich der Autor mit seinem besonderen Talent für die Charakterisierung von abgründigen, zutiefst verstörenden Serienmördern, was auch deren perfekt gepflegte, charmante Fassade mit einschließt, überzeugt.
Doch leider bleibt in "So eiskalt der Tod" selbst ein Besuch von Kate im Gefängnis bei Peter ziemlich blass und substanzlos. Man merkt deutlich, dass diese Szene später aufgrund der Wünsche von vielen Lesern von Robert Bryndza ergänzt worden ist, wie der Autor selbst in seinem Nachwort beschreibt. Da hätte ich mir doch gewünscht, dass Peter eine andere Rolle zukommt - eher vergleichbar mit der eines Hannibal Lecter im "Schweigen der Lämmer".

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für "So eiskalt der Tod", da mich dieser Thriller von Robert Bryndza mit seinem fesselnden Schreibstil sowie seinen atmosphärischen Beschreibungen überzeugt hat. Leider ist dieser zweite Band der Reihe nicht ganz so stark wie dessen Vorgänger ausgefallen, was wohl im deutlich schwächeren Antagonisten begründet liegt. Dennoch hoffe ich auf einen weiteren Band der Kate Marshall Reihe, den ich gerne lesen werde.

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Spannender, abwechslungsreich erzählter Thriller mit überraschenden Wendungen

Teufelsnetz
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Lisa Yamamoto und Jason Nervander, die zu den beliebtesten Social-Media Influencern und Lifestyle-Bloggern Finnlands zählen, sind nach einer Party anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums Spider’s ...

Lisa Yamamoto und Jason Nervander, die zu den beliebtesten Social-Media Influencern und Lifestyle-Bloggern Finnlands zählen, sind nach einer Party anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums Spider’s Web des Rappers Kex Mace’s verschwunden. Ist deren Verschwinden noch zunächst als PR-Aktion abgetan worden, wird ein Verbrechen vermutet, nachdem irritierende neue Einträge auf dem Instagram Account von Lisa aufgetaucht sind. Ein Foto des Leuchtturms von Söderskär, indem Lisa von Eis und Schnee bedeckt ein stilles Grab tief drunten im Meer gefunden haben soll, legen ein Verbrechen nahe. Und so nimmt Kommissarin Jessica Niemi mit ihrem Team die Ermittlungen in diesen Vermisstenfällen auf.

Teufelsnetz ist nach Hexenjäger der zweite Fall, in dem Max Seeck Kommissarin Jessica Niemi ermitteln lässt. Jessica ist eine starke, interessante Protagonistin, die eine gewisse Neigung beitzt, aus der Reihe zu tanzen und eher zu Alleingängen neigt statt Anweisungen und Befehlen Folge zu leisten. Jessicas Mutter ist eine berühmte, finnische Schauspielerin gewesen, die es bis nach Hollywood geschafft hatte.
In Hexenjäger - dem vorigen Band dieser Reihe - ist Erne Mikson, der nicht nur Jessicas Vorgesetzter, sondern vor allen Dingen auch ihr guter Freund gewesen ist, an Krebs gestorben. Zu Beginn von Teufelsnetz schildert Max Seeck nun, wie Jessica unter diesem Verlust gelitten hat, den sie erst verarbeiten konnte, als sie das Laufen - so wie bei Forrest Gump - quasi als Therapie für sich entdeckt hat. Auch zählen für mich die Erinnerungen von Jessica an die letzten Monate von Erne, in denen sie ihn bei sich zu Hause gepflegt hat und die Max Seeck im weiteren Verlauf einstreut, zu den starken, emotional berührenden Momenten von Teufelsnetz.
Mit ihrer neuen Vorgesetzten Hauptkommissarin Helena Lappi - genannt Hellu, die nun das Gewaltdezernat leitet, tut sich Jessica hingegen sehr schwer. Denn Hellus von Präzision, Disziplin und Bürokratie geprägte pedantische Arbeitsweise kollidiert mit dem Vorgehen von Jessica.

An Teufelsnetz haben mir neben der Länge der kurzen Kapitel auch der flüssige, gut lesbare Schreibstil von Max Seeck gefallen. Abwechslungsreich wird die Geschichte dieses Thrillers aus wechselnden Perspektiven erzählt, was mir zugesagt hat. So werden die Ereignisse nicht nur aus Sicht der ermittelnden Kommissarin Jessica Niemi, sondern etwa auch aus Sicht von einem der Opfer - der prominenten Bloggerin Lisa Yamamoto - sowie von einem der Täter - dem unheimlichen Akifumi - geschildert.
Mit der Beschreibung der irritierenden Gedankengänge von Akifumi, die gleich eine düstere, unheimliche Stimmung aufkommen lassen, liefert Max Seeck einen starken Auftakt für diesen Thriller. Dabei wirken Akifumis Gedanken zunächst nur befremdlch, wenn er sich etwa extrem an einer dunkleren Stelle einer Silbergabel stört. Diese gipfeln jedoch schließlich darin, dass er sich vorstellt, wie er die junge Asuna nach dem Oralverkehr zu töten gedenkt. Ebenso glaubwürdig schildert Max Seeck jedoch etwa auch das oberflächliche, von einem hohen Drogenkonsum geprägte Leben der prominenten Instagram Influencerin und Halbjapanerin Lisa Yamamoto, als diese zu Beginn von Teufelsnetz die Party anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums Spider’s Web von Rapper Kex Mace’s besucht.
Die wechselnden Perspektiven kommen auch dem Mittelteil dieses Thrillers zugute. Dieser ist insbesondere auch durch die Einblicke, die er in das Privatleben aller Mitglieder des Ermittler Teams um Jessica Niemi liefert, wenn diese ihre Arbeit auch in den Feierabend hineintragen, kurzweilig gestaltet und lässt dabei keine Längen aufkommen.

Teufelsnetz hat mir als spannender, abwechslungsreich erzählter Thriller mit tollen, atmosphärischen Beschreibungen gefallen, der mich besonders mit seinen überraschenden Wendungen überzeugt hat. Das schließt vor allen Dingen die Auflösung, wer denn nun eigentlich der bereits zu Beginn eingeführte Täter Akifumi ist, mit ein, die ich so nicht habe kommen sehen.
Im Gegensatz zum Vorgänger Hexenjäger ist in Teufelsnetz Jessicas eigene Vergangenheit und Schizophrenie nur am Rande von Bedeutung und für den geschilderten Fall quasi nicht relevant. Das hat den Vorteil, dass sich Teufelsnetz meiner Ansicht nach auch ohne den Hexenjäger gelesen zu haben, verstehen lässt. Denn Teufelsnetz beinhaltet einen eigenständigen, in sich abgeschlossenen Fall. Das nimmt der Reihe um Jessica Niemi in diesem zweiten Band jedoch leider gerade ein wenig das, was den Vorgänger Hexenjäger in meinen Augen so besonders gemacht hat. Insofern hoffe ich, dass dies im nächsten Fall, in dem Jessica Niemi ermittelt, wieder mehr in den Fokus rücken wird.

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