Ungewöhnlicher Roman von Angelika Jodl mit skurrilen Charakteren und Georgien als heimlichem Star
Laudatio auf eine kaukasische KuhOlga Eugenidis ist als Tochter georgischer Gastarbeiter in München groß geworden. Nun absolviert sie nach ihrem Medizinstudium ihr praktisches Jahr in der Klinik in Bonn und verbringt ihre Freizeit mit ...
Olga Eugenidis ist als Tochter georgischer Gastarbeiter in München groß geworden. Nun absolviert sie nach ihrem Medizinstudium ihr praktisches Jahr in der Klinik in Bonn und verbringt ihre Freizeit mit ihrem Freund Felix van Saan, der ebenfalls angehender Arzt ist, aus einer Kieler Ärzte Familie stammt und gerne segeln geht.
Jack Jennerwein ist ein Lebenskünstler und Ghostwriter für Abschlussarbeiten Münchner Studenten. Als Jack Olga zufällig mit ihrem Vater am Bahnhof in München sieht, verliebt er sich in sie. Fortan versucht Jack sie jeden Tag wiederzusehen. Und als Olga dann auf dem glatten Bahnsteig stürzt, hilft er ihr, steigt anschließend in ihren Zug und folgt ihr von München aus bis zu ihrem Studentenwohnheim nach Bonn.
Als Olgas Mutter befürchtet an Schilddrüsenkrebs zu leiden, möchte sie mit der ganzen Familie nach Tiflis reisen, um dort zu sterben. Und Jack, der sich in der Zwischenzeit in Olgas Familie eingeschlichen hat und den sie auf der Feier anlässlich des Namenstages ihres Vaters Achilleas wiedersieht, rät Olga mit ihrer Familie nach Georgien davonzufliegen, wo sie einige Abenteuer erleben wird.
An der "Laudatio auf eine kaukasische Kuh" haben mir neben den kurzen Kapiteln, die interessante Überschriften wie "Tabak und weitere Wunder", "Taisias Salon" oder auch "Medeas Ende" tragen, die Perspektivwechsel gut gefallen. So schildert Angelika Jodl die Handlung nicht nur aus Sicht von Olga, sondern auch aus Sicht von Jack.
Glaubwürdig finde ich dabei Olgas Konflikt zwischen den zwei Welten, in denen sie lebt, geschildert. Auf der einen Seite ist Olga die angehende deutsche Ärztin im praktischen Jahr samt Mediziner Freund Felix van Saan, der sein praktisches Jahr in der Onkologie des Klinikum Großhadern in München absolvieren wird. Auf der anderen Seite ist Olga die "Tochter seltsamer Fremdlinge". In ihrer Familie, die ursprünglich aus dem Kaukasus stammt, wird Ponti - ein archaischer griechischer Dialekt - gesprochen. Olgas Vater Achilleas ist nur Gastarbeiter in Deutschland, obwohl er eigentlich Ingenieur ist, und Olgas Mutter Chrysanthi hat ihr Geld mit Putzjobs verdient.
In gelungener Weise schildert Angelika Jodl, wie Olga mit und zwischen diesen beiden Welten lebt und das sowohl in Deutschland als auch auf ihrer Reise nach Georgien, bis schließlich diese beiden Welten, die Olga so gerne getrennt voneinander halten würde, miteinander kollidieren.
An der "Laudatio auf eine kaukasische Kuh" hat mir besonders Angelika Jodls ungewöhnliche Art zu erzählen gefallen, die sich etwa in ihren außergewöhnlichen Beschreibungen - wie denen von Georgien - zeigt. Als Olga in Georgien im Mercedes des Manns ihrer Tante Taisia unterwegs ist, wird dieser von "Schafen, Kühen, Pferden umspült wie schäumendes Wasser einen Felsen". Zudem haben mir die gelungenen, bisweilen ungewöhnlichen Beschreibungen zugesagt, die Angelika Jodl dafür findet, wie Olga sich in ihrem praktischen Jahr im Krankenhaus fühlt. So sieht Olga sich etwa als "am Ende einer Staffel großer, weißer Schreitvögel", da sie ohne begleitenden Arzt keine Untersuchungen durchführen darf bzw. als "weiß gewandeten, beruhigend intensiv desinfizierter Vampir", weil sie ihre ganze Zeit ausschließlich mit Blut abnehmen verbringt.
Viele der skurrilen, ungewöhnlichen Nebencharaktere haben mir gut gefallen - wie etwa Sandro, der erst sechsjährige Sohn von Olgas Tante Taisia, der es schafft Satan, Kämpferseele und einen mit Turnschuhen werfenden Tarzan in sich zu vereinen, oder Hamed, der nicht nur Olgas Kommilitone, sondern zugleich auch ihr überaus sympathischer Mitbewohner ist. Daneben sind jedoch die meisten Deutschen ohne Migrationshintergrund - abgesehen von Jack - leider ein wenig blass geraten oder ihre Charakterentwicklung ist für mich leider nur schwer nachvollziehbar.
Besonders gut gefallen hat mir der Teil der "Laudatio auf eine kaukasische Kuh", der in Georgien spielt. Diesen besonderen Schauplatz stellt Angelika Jodl samt seiner Sitten und Bräuche vor. Damit meine ich nicht nur die Schilderung einer traditionellen, georgischen Hochzeit samt lange Balladen rezitierendem Tamada, kriegerischen Trinksprüchen und dem als Räuberhauptmann verkleideten Bräutigam, sondern insbesondere auch die überschwängliche Gastfreundschaft im Salon sowie die Sitte bei den Toten auf dem Friedhof zu speisen. Dass Angelika Jodl zudem nicht nur georgische Kunst - etwa in Gestalt des Kunstmalers Niko Pirosmani - vorstellt, sondern einem auch den Wein und die Küche dieses Landes näherbringt, hat mir sehr gut gefallen. So lernt man insbesondere die Khinkali und deren besondere Art der Zubereitung kennen. Khinkali sind u.a. mit Fleisch, Dill, Koriander, Knoblauch, Kümmel, rotem Pfeffer und Salz gefüllte Teigtaschen, die eine gezwirbelte Spitze - den Nabel - aufweisen.
Im Kern erzählt die "Laudatio auf eine kaukasische Kuh" eine ziemlich gewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Olga, Felix und Jack mit insofern auch recht vorhersehbarem Ende. Auf dem Weg dorthin bezaubert dieser Roman von Angelika Jodl jedoch mit vielen Nebencharakteren voll skurrilem, eigenwilligem Charme, besonderen Schauplätzen in Georgien und Angelika Jodls ganz eigener Art zu erzählen, die sich etwa in vielen ebenso ungewöhnlichen wie gelungenen Beschreibungen zeigt.